9. Februar 2018

'Cold Case – Spurlos' von Sandra Hausser

Seit Hannahs neuer Vorgesetzter krank ist, ist nicht viel los im Rüsselsheimer Polizeipräsidium. Deshalb beschäftigen sich die Kommissarin und ihre Kollegen mit einem Cold Case, einem alten Fall, der nie gelöst wurde.

Ein Junge ist auf dem Weg zur Schule spurlos verschwunden, einziges Indiz: sein auf einem Spielplatz zurückgelassenes T-Shirt. Dank neuester Technik können die Polizisten nun die DNA-Spuren auf dem Kleidungsstück genauer unter die Lupe nehmen. Sie machen eine erstaunliche Entdeckung. Und plötzlich sind ihre Ermittlungen aktueller und gefährlicher denn je …

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Leseprobe:
21. Mai 1982
Matthias blieb abrupt stehen, als er den Jungen auf der Schaukel erblickte. Er blinzelte und schaute ein zweites Mal. Keine Frage, es handelte sich um Roberts Sohn Christopher. Er wohnte also jetzt in Raunheim.
Augenblicklich kamen ihm die Worte des letzten Gespräches mit seinem Cousin in den Sinn.
»Bernie verweigert mir den Umgang mit dem Kind. Stell dir vor, sie ist heimlich umgezogen, damit ich ihn nicht finden kann. Ich habe bei all ihren Freunden angerufen und sie gelöchert. Niemand rückt raus mit der Sprache. Die halten absolut dicht, was den Aufenthaltsort meines Sohnes betrifft. Dabei ist es für Christopher doch besser, dass er mit seinem Vater in Kontakt bleibt, oder?« Robert hatte flehend geschaut, bevor er weitersprach. »Klar sind viele Dinge geschehen, und die Schuld lag oft bei mir. Bernie hat Recht, wenn sie sauer wegen ihrer Töchter ist. Sie wollte, dass wir eine echte Familie werden. Aber ich konnte die Mädchen einfach nicht behandeln, als wären sie leibliche Kinder. So sehr ich auch versucht habe, ihren Erwartungen zu entsprechen, es ist mir nie gelungen.«
Matthias verstand nicht, was sein Cousin Robert an Bernie fand. Wegen ihrer achtunddreißig Jahre und der zwei Töchter aus erster Ehe hatte er immer gedacht, dass sie nur deshalb an Robert interessiert war, weil er ihr ein sicheres Nest bot. Nach Christophers Geburt waren bald Streitigkeiten und Unmut in den Alltag der Patchworkfamilie eingezogen. Da die beiden nicht verheiratet waren, hatte dieses Frauenzimmer seine Machtposition gegenüber Robert ausgenutzt. Sie hatte sämtliche Freiheiten in Anspruch genommen und sich nie dazu bewegen lassen, mit ihrem Partner an einem Strang zu ziehen.
»Wenn ich nur herausbekommen könnte, wo mein Sohn jetzt wohnt. Ich will ihn sehen, zumindest aus der Ferne, solange wir keine Einigung erzielt haben«, hatte Robert ihm sein Leid geklagt.
Matthias betrachtete den Cousin als armes und verweichlichtes Würstchen, weil er sich von dieser Frau derart abspeisen ließ. An seiner Stelle hätte er längst aufgeräumt und der Tussi gezeigt, wer der Herr im Hause ist und das Sagen hat. Ohne einen Hauch von Verständnis, und falls nötig auch mit körperlicher Gewalt.
Robert wird mich in den Himmel heben, wenn ich ihm anvertraue, dass ich weiß, wo Christopher ist. Erneut warf er einen Blick auf den Jungen, der nun kopfüber an einem Klettergerüst hing. Ein herrlicher Jungenkörper, schlank und muskulös. Die Arme baumelten über dem Sand unter dem Gerüst. Auf seinem Gesicht, das wegen der Körperhaltung und vor Aufregung gerötet war, leuchtete ein glückliches Lächeln. Die grünen Augen strahlten vor Freude und fixierten einen Punkt auf der Wiese, auf der eine Gruppe Löwenzahn stand.
Matthias ahnte, was Christopher als Nächstes plante, und blieb am Beobachtungspunkt stehen. Der Knabe kletterte vom Gerüst und ging mit flinken Schritten auf die Grasfläche.
»Dachte ich mir. Himmel, wie wunderschön er ist!«, flüsterte Matthias leise.
Er schloss die Augen und versuchte, sich den Großcousin unbekleidet vorzustellen. Ein Stöhnen entfuhr ihm, und er wusste, dass er Robert die Entdeckung verschweigen würde. Zu gewaltig flammte das Verlangen in ihm auf.
Langsam ging er auf den Jungen zu und rief ihn beim Namen. Zufrieden registrierte er, dass Christopher ihn zu erkennen schien. Ohne Argwohn kam der Junge auf ihn zu und streckte ihm einen Löwenzahn entgegen.
»Schau mal, Onkel Matthias, da vorne gibt es noch viel mehr. Wollen wir sie zusammen wegpusten?«
In seiner Familie nannte man alle männlichen erwachsenen Männer seit jeher Onkel, während die weibliche Verwandtschaft mit ihren Vornamen gerufen und das Wort Tante vermieden wurde. Eine Gewohnheit, die Matthias nie verstanden oder hinterfragt hatte.
»Sehr gerne«, antwortete er mit schmeichelnder Stimme. »Weißt du, ich finde Pusteblumen klasse. Wir sollten sie in alle Winde verteilen, damit wir im nächsten Jahr ein Meer aus ihnen bestaunen können, was meinst du?«
Christopher schaute einen Moment verlegen, bis die Worte bei ihm ankamen. »Heißt das, aus jeder, die wir wegpusten, bekommen wir neue Blumen?«
»Ja, sicher, was dachtest du?«
»Eigentlich habe ich noch nie darüber nachgedacht. Aber wenn das so ist, nichts wie los«, antwortete Christopher und lachte laut auf. Er zerrte Matthias an seiner Hand zum Löwenzahn.

9. März 2014, Restaurant Golden Panda, Rüsselsheim
Das Golden Panda lockte zur Mittagszeit viele Arbeiter aus dem Gewerbegebiet Hasengrund in Rüsselsheim an. Das Angebot des Mittagsbuffets wurde gerne in Anspruch genommen, die reiche Auswahl und der faire Preis hatten sich rasch herumgesprochen. Hannah, Jens und Çetin mussten einen Moment am Eingang warten, bevor ein Tisch am Fenster frei wurde.
»Ich vermute, dass alle Ganoven in den Winterurlaub gefahren sind, weil hier der Frühling bereits Einzug hält«, spekulierte die Kommissarin sarkastisch und ließ ihren Blick über die Auswahl an dampfenden Speisen schweifen. Ihr Magen knurrte laut, denn heute Morgen war sie zu spät aufgestanden, um noch Gelegenheit zum Frühstücken zu haben. »Wir können uns also Zeit lassen und in Ruhe das Buffet plündern.«
»Klasse Idee, allerdings ist ordentlich was los hier. Die Frau kommt kaum mit dem Auffüllen hinterher«, antwortete Çetin und hob anerkennend den Daumen.
»Strategisch günstiger Ort eben. Jeder ist froh, in der Mittagspause etwas Warmes in den Bauch zu kriegen. Und wenn man sich auch noch vom Buffet bedienen kann und wenig Wartezeit hat, ist das doppelt praktisch, oder? Von mir aus können wir anfangen«, erklärte Hardy. Er stand auf und nickte seinen Kollegen aufmunternd zu.

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