30. April 2018

'MORDTIEFE' von H.C. Scherf

Kindle (unlimited)
»Da unten ist die Hölle«

Die Taucher der Essener Wasserschutzpolizei müssen weit über ihre psychischen Grenzen hinausgehen, als sie das Depot eines Killers in der Tiefe räumen. Welcher Wahnsinnige versteckt die Toten im Essener Baldeneysee?

Wieder einmal stehen Rechtsmedizinerin Karin Hollmann und ihr Freund, Oberkommissar Sven Spelzer vor Mädchenleichen, die ihnen viele Rätsel aufgeben. Wie weit geht ein skrupelloser Gangsterboss, um den gewaltsamen Tod seines Bruders zu rächen?

Zwei scheinbar unabhängige Fälle bringen die Ermittler selbst in Lebensgefahr. Ein friedliches Naherholungsgebiet entpuppt sich als Spielwiese für einen irren Mörder.

Obwohl die Handlungsabläufe in sich abgeschlossen sind, empfiehlt es sich, die Bücher in der Reihenfolge zu lesen. Die Spelzer/Hollmann-Reihe:
KALENDERMORD - Band 1
DER SERBE - Band 2
MORDTIEFE - Band 3

Leseprobe:
Energisch zog Astrid den Reißverschluss ihrer Kapuzenjacke hoch, um sich vor dem eisigen Wind zu schützen, der kräftig über den See trieb. Ihr Kajak schaukelte bedenklich, als sie sich in die Sitzluke quetschte und den Spritzschutz verschloss. Heute hielt Klaus nicht das Boot am Ufer, um ihr das Einsteigen zu erleichtern. Der Kundentermin war für ihn sehr wichtig, musste unbedingt in die frühen Abendstunden gelegt werden. Doch das wöchentliche Fahrvergnügen, das einen Teil ihres umfangreichen Fitnessprogramms ausmachte, sollte zumindest bei ihr nicht darunter leiden.
Die eintretende Dämmerung legte sich bereits wie eine Haut über das Wasser, durch den böigen Wind entstanden geheimnisvolle Pfeiftöne. Astrid liebte diese Ruhe am Wasser, die entstand, wenn sich die Besucher am Haus Scheppen allmählich an den heimischen Herd zurückzogen und das letzte Segelboot im kleinen Hafenbecken vertäut war. Es waren die ruhigen Schläge des Paddels, die sie runterkommen ließen. Sie vertrieben alle schlechten Geister, die sich im Laufe des betriebsamen Tages angesammelt hatten. Schlag für Schlag trieb sie das Kajak weiter hinaus auf den Baldeneysee, der sich mit seiner Strömung gegen die Spitze des Bootes stemmte. Die kleinen Wellen brachen sich am Bug und erzeugten ein beruhigendes Plätschern. In Gedanken sang sie diesen Ohrwurm Perfect von Ed Sheeran mit, der sie schon seit dem Frühstück begleitete und einfach nicht weichen wollte.
Nur schemenhaft konnte sie die Kampmannbrücke erkennen, da sich leichter Dunst über das Wasser legte, der die Umgebung in ein geisterhaftes Licht tauchte. Astrid fühlte sich wohl in dieser Stille des anbrechenden Abends. Sie summte jetzt das Lied laut mit und sah im Geiste wieder diese Szenen aus dem wunderschönen Musik-Video, als Sheeran mit seiner Freundin über den Skihang glitt, gefangen in unendlicher Glückseligkeit. Genau das hatte sie sich immer mal mit Klaus gewünscht, wenn der nur nicht diese verfluchte Höhenangst hätte. Keine zehn Pferde brachten ihn in einen Sessellift oder eine Gondel.
Der Gedanke verlor sich, als sie mit dem Bug gegen ein Hindernis stieß. Das Kratzen unter dem Boot endete so plötzlich, wie es gekommen war. Sie suchte die Wasseroberfläche ab und kam zu dem Entschluss, dass es sich um einen Ast gehandelt haben musste, der nun weiter mit der Strömung trieb. Sie entspannte sich wieder und vergaß den Vorfall. Sie umfasste ihr Paddel kräftiger und bereitete sich auf einen kurzen Sprint gegen die Strömung vor. Das Holz tauchte tief ein in das schwarze Wasser und erzeugte kräftige Wirbel. Die Front des Kajaks hob sich für einen Augenblick aus dem Wasser, um sofort wieder einzutauchen. Als sie zwei, drei Züge gepaddelt war, hatte sie das Gefühl, nicht einen Zentimeter von der Stelle gekommen zu sein.
Nein, nur das nicht! Spontan schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sich ihr Steuerblatt am Heck wieder einmal in dieser verfluchten Wasserpest verfangen hatte, die einen großen Teil des Sees befallen hatte. Diese schnellwachsenden Pflanzen hatte der Teufel als Plage auf die Menschheit losgelassen. Als sie das Steuerblatt mit dem Schnurzug hochklappte, war nichts von dem Grün zu sehen. Diese verfluchten Pflanzen waren zwar erst vor gar nicht langer Zeit mit einem Spezialboot gemäht und abtransportiert worden, doch sie musste natürlich genau eine Stelle erwischen, die vergessen wurde. Ganz großartig. Jetzt kann ich zusehen, wie ich diesen Mist wieder loswerde.
Astrid versuchte, durch Rückwärtsfahren, das sperrige Gewächs wieder zu lösen. Keine Chance. Fluchend löste sie den Spritzschutz und drehte sich vorsichtig zum Heck. Ein Bad in dieser kalten Brühe war für den heutigen Abend eigentlich nicht eingeplant gewesen. Sie war sich jedoch nicht mehr so ganz sicher, als sie vorsichtig zum Heck kroch. Das Kajak schaukelte bedenklich. Jetzt konnte sie das Steuerblatt erkennen, das jedoch völlig frei vor ihr lag. Da war es wieder, dieses Scharren und Kratzen. Diesmal kam es von Backbord. Etwas bewegte sich unter dem Boot und erzeugte einen großen Schatten. Astrid hatte davon gehört, dass es große Welse in diesem See geben sollte, doch erzählt wurde viel. So groß konnte ein Fisch doch nicht sein, dass er einen derartigen Schatten im Wasser erzeugte. Jetzt befand er sich auf der anderen Seite und ... er erzeugte tatsächlich Luftblasen.
Bevor sich Astrid darüber Gedanken machen konnte, tauchte direkt neben ihr der Kopf mit der Tauchermaske auf. Reflexartig riss sie die Arme nach hinten, was dazu führte, dass sie rücklings im Wasser landete. Ihre Kleidung saugte das Nass begierig auf. Die Kälte des Wassers lähmte für einen kurzen Moment ihre Atmung, ihre Schwimmversuche drohten bei aufsteigender Panik zu versagen. Sie schluckte Wasser und ruderte wie eine Wilde mit den Armen. Verzweifelt versuchte sie, wieder die lebensspendende Oberfläche zu erreichen. Den trüben Himmel konnte sie durch die bräunliche Brühe nur noch schwach erkennen. Ihre Hände suchten verzweifelt nach einem Halt an dem Boot. Die Fingerspitzen fanden schließlich die Öffnung des Sitzes. Kurz bevor sie den Rand umklammern konnten, spürte Astrid eine feste Hand an ihrem rechten Fußknöchel. Mit aller Kraft trat sie nach unten, rang nach Luft, die ihren Lungen nun endgültig auszugehen drohte. Todesangst breitete sich wie eine lähmende Droge in ihr aus. Panik erfüllte sie, als das Wasser in die Lunge eindrang. Sie konnte nicht verhindern, dass immer mehr folgte und das regelmäßige Atmen verhinderte.
Das Gehirn gab den Gliedmaßen verzweifelt Befehle, die diese jedoch nicht mehr ausführen konnten. Mit angstgeweiteten Augen blickte sie nach unten und erkannte diesen großen Schatten, der sie immer tiefer in die Dunkelheit des Sees zog. Die Konturen verschwammen, alle Bewegungen erstarben. Ein erfüllender Frieden stellte sich ein, als Astrid verstand, dass sie ihren letzten Weg in ein nasses Grab einschlug. Eine einzelne Blase verließ noch ihren Mund, zerplatzte an der jetzt wieder ruhigen Oberfläche. Der Baldeneysee glättete sich, hatte sein Opfer dankbar aufgenommen.
Ein einzelnes Kajak trieb führerlos über den See. Erst das Stauwehr in Werden stoppte die einsame Fahrt.

Im Kindle-Shop: MORDTIEFE (Spelzer/Hollmann 3).
Mehr über und von H.C. Scherf auf seiner Facebook-Seite.



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