23. Mai 2019

'Abgehackt: Team Gran Canaria' von Drea Summer

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Ein brutaler Serienmörder sucht die Urlaubsinsel Gran Canaria heim. Binnen kürzester Zeit werden die Leichen eines Obdachlosen und einer Fitnesstrainerin aufgefunden. Beide sind auf furchtbare Art und Weise verstümmelt worden. Die Ermittler der Polizei stehen vor einem Rätsel. Gibt es eine Verbindung zwischen den Opfern? Wo wird der Täter als Nächstes zuschlagen?

Unterdessen werden Sven und Jenny, seit Kurzem als Privatdetektive tätig, von einem nahen Verwandten eines der Opfer beauftragt, ebenfalls nach dem Mörder zu suchen. Doch je tiefer sie graben, umso mehr bringen sich die beiden selbst in tödliche Gefahr.

Leseprobe:
1
»Heute werde ich dich holen«, flüsterte ich. Endlich kehrte Finsternis ins Haus ein. Die notwendige Ruhe, die ich für meinen Besuch brauchte. Ich kauerte schon seit Sonnenuntergang hinter der großen Staude. Das Haus hatte ich keine Sekunde aus den Augen gelassen. Ich hatte alle notwendigen Utensilien mittags in den Rucksack gepackt, den ich nun auf meinen Schultern trug.
Ich musste es heute tun. Heute war die Nacht der Nächte, die Nacht der Abrechnung. Du hast es nicht anders verdient. Du wirst das bekommen, was dir zusteht.
Leise schlich ich hinter dem Gebüsch hervor. Wie auf Samtpfoten näherte ich mich dem Haus. Ich drehte mich in alle Richtungen, da ich keine Überraschungsgäste gebrauchen konnte.
Das Versteck des Notfallschlüssels war schnell gefunden. Erst vor Kurzem hatte ich im Fernsehen eine Reportage gesehen, dass dieser in den meisten Fällen im Umkreis von drei Metern von der Haustür versteckt war. Wie einfallslos das doch war – unter dem Blumentrog, der eine Armlänge neben dem Eingang hing. Wieso lässt man den Schlüssel nicht gleich von außen stecken?, fragte ich mich noch, als ich aufsperrte. Ich hielt den Atem an und hoffte, dass kein Knirschen oder Knarren mein Eintreten verraten würde. Lautlos öffnete sich die Tür. Erleichtert atmete ich aus und setzte einen Fuß ins Innere. Der Geruch von Orange und Zimt kroch in meine Nase.
»Nichts sehen«, murmelte ich. Genau diese Worte werde ich dir ins Ohr flüstern. Sie werden sich tief in deine Synapsen einbrennen. Ganz leise und langsam werde ich es immer und immer wiederholen, bis du deinen letzten Atemzug gemacht hast. Und ich werde jede Sekunde genießen. Du wirst mich ansehen, als wäre ich ein Geist. Kein Flehen wird dich vor dem beschützen, was ich mit dir vorhabe. Du wirst genauso leiden, wie ich gelitten habe. Du bist schuld daran. Nur du. Du hast dich dazu entschieden.
Mein Herzschlag verlangsamte sich, als ich die Treppe hinaufschlich. All die Nervosität war schlagartig wie weggeblasen. Meine Gedanken kreisten nur noch um uns beide. Und darum, was gleich passieren würde. Schritt für Schritt näherte ich mich dem Schlafzimmer. Leise Atemgeräusche drangen in den Flur. Noch schläfst du tief und fest in deinem warmen, wohligen Bett. Träumst von dem unbeschwerten Leben, das du führst. Ich legte meine Hand auf den Türknauf.
Doch bevor ich die Tür öffnen konnte, überkam mich wieder der Zorn, der tief in mir loderte. Ich war enttäuscht. Diesen Moment der Ausführung hatte ich mir spannender vorgestellt. Als ich den Plan vor wenigen Wochen ausgeklügelt hatte, hatte mein ganzer Körper zu zittern angefangen, und das Flügelschlagen in meinem Bauch war deutlich zu spüren gewesen. Diese Last war endlich von mir abgefallen, und die Vorfreude hatte mich jauchzen lassen. Aber jetzt, kurz vor der Umsetzung, nichts, rein gar nichts. Ich hoffte darauf, dass wenigstens ein Anflug von Nervosität einsetzte, sobald ich die Tür öffnen würde.

2
Sven öffnete seine verschlafenen Augen. Seine rechte Seite fühlte sich an, als würde sie nicht zu seinem Körper gehören. Wahrscheinlich hatte er einfach zu lange darauf gelegen. Ein eigenartiges Klicken ganz in seiner Nähe hatte sein Hirn dazu gezwungen, die Tiefschlafphase zu beenden und nach dem Rechten zu sehen. Das fahle Mondlicht, das ins Schlafzimmer schien, zeichnete die Konturen des Eindringlings an die Wand. Sven traute seinen Augen kaum und hielt es im ersten Moment für einen Traum, doch der Schatten beugte sich vornüber. Da ertönte neben Sven schon ein schriller Schrei von Jenny. Ruckartig versuchte er, sich aufzusetzen und auf den Einbrecher loszustürmen, doch sein Körper lag da wie in Stein gemeißelt.
»Sven, hilf mir!«, schrie Jenny noch, bevor ihre Stimme brach. Er spürte ihre Hand, die sich auf seinem Rücken festkrallte, aber langsam die Kraft verlor, bis sie losließ. Kälte strömte auf seinen Körper ein, da die Bettdecke zur Seite geschlagen wurde.
Er wollte etwas auf ihre Worte erwidern, allerdings bekam er keinen Ton heraus. Was war bloß mit seinem Körper los? Wieso konnte er sich nicht bewegen und nichts sagen? Waren ihm Drogen verabreicht worden?
Aus dem einen Schatten an der Wand wurden zwei. Dieses Arschloch zerrt Jenny aus dem Bett. Der Geruch von Chloroform stieg ihm in die Nase und kroch hinauf in sein Gehirn. Das Schwein hatte Jenny betäubt.
Verschwinde, lass sie in Ruhe, befahl sein Hirn hinauszuschreien, doch es kamen keinerlei Worte über seine Lippen. Nichts an Svens Körper bewegte sich, außer seinen Augen, die an der Wand mitverfolgen konnten, was sich hinter seinem Rücken für grausame Taten abspielten. Er hörte ein dumpfes Geräusch. Etwas war zu Boden gefallen. Der Unbekannte hatte Jenny aus dem Bett geworfen und zog sie an den Oberarmen über den Boden. Gleich würde Sven die beiden sehen. Er richtete seinen Blick auf die Schlafzimmertür. Sein Geist war bereit. Dann würde er angreifen wie ein wilder Tiger, der Hunger hatte.
Er sah die dunkle Gestalt, die vornübergebeugt seine Freundin hinter sich herschleifte. Der Mond schien heller als zuvor, und er konnte direkt in das Gesicht des Einbrechers blicken. Die Haut war komplett weiß, und auf der Nase prangte ein roter Ball. Der Mund war in stechendem Rot zu einem Lachen aufgemalt. Ein Clown, durchfuhr es ihn. Gerade ein Clown wollte sie entführen. Sie hasste Clowns. Als Kind, so hatte sie ihm erzählt, hatte sie schreckliche Angst vor diesen schaurigen Gestalten gehabt. Nun sah Sven auch das Bündel, das sich regungslos von dem Täter aus dem Zimmer zerren ließ. Jennys Kopf war nach vorne geneigt und wippte von rechts nach links.
Was Sven dann erblickte, holte ihn endlich aus seiner Schockstarre, und ihm entfuhr ein gellender Schrei, der jedes Glas zum Zerbersten bringen würde. Das Adrenalin schoss durch seine Adern, und endlich schaffte er es, sich im Bett aufzurichten. Da spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Sofort aktivierten sich die Verteidigungsmechanismen in seinem Körper. Der Kampf um Jenny konnte beginnen. Niemals würde er sie aufgeben und diesem Kerl überlassen.

3
Cecilia Sanchez Pérez wunderte sich heute Morgen über das abrupte Aufbrechen ihres Mannes. Normalerweise nahmen die beiden ihr Frühstück immer gemeinsam ein. Pünktlich um halb acht standen die dampfenden Kaffeetassen auf dem Tisch. Er war eben ein echter Deutscher, der auf Recht und Ordnung bestand. Alles musste immer genau nach Plan laufen und seinen geordneten Gang nehmen. Schon seit dem ersten Kennenlernen, vor mehr als zwanzig Jahren, wusste Cecilia, dass sie es mit Horst nicht leicht haben würde. Er war eben ein spießiger Langweiler, ganz das Gegenteil zu ihrer spanischen Mentalität. Doch heute hatte er sich seltsam benommen. Sie seufzte, als sie allein am Küchentisch saß und ihren Kaffee trank. Sie schaute durch die Glasfront nach draußen und hatte einen wundervollen Blick über das gesamte San Agustín, das sich unter ihrem Haus in seiner vollen Schönheit präsentierte. Gerade eben war die Sonne aufgegangen, und das Licht spiegelte sich orangefarben im Meer wider. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es kurz vor acht war. Sie hatte noch massig Zeit, bis der erste Klient des Tages ihre Praxis betreten würde.
Da hörte sie bereits den Schlüssel im Schloss und war froh, als Maria Momente später zu ihr in die Küche trat. Seit mehr als fünf Jahren kam sie jeden Tag pünktlich zur Arbeit, kochte, putzte und pflegte Cecilias Vater, der nach einem Schlaganfall mehr oder minder in seinem Bett dahinvegetierte und darauf wartete, dass Gott ihn endlich zu sich holte.
Was würde sie bloß ohne Maria machen? Dieses freundliche Wesen mit dem Aussehen einer echten spanischen Mutter und immer mit einem Lächeln im Gesicht. Cecilia wollte sich auf keinen Fall um ihren Vater kümmern, vermutlich hätte sie ihm ins Gesicht gespuckt. Doch angesichts der Tatsache, dass ihr Mann Horst nichts von dieser Geschichte in ihrer Jugend wusste, hatte sie den Vorschlag von ihm nicht ablehnen können, nach dem Tod ihrer Mutter vor knapp sechs Jahren wieder nach Gran Canaria zu ziehen. Zu groß war ihre Furcht vor dem, was passierte, wenn Horst die Wahrheit erfahren würde.
So waren sie mit Sack und Pack hierhergezogen. »Familie geht über alles. Blut ist dicker als Wasser«, hatte Horst damals gesagt, als er die Entscheidung, auf der Insel zu wohnen und ihren Vater zu sich zu holen, wie selbstverständlich getroffen hatte.
Maria war bereits durch die Balkontür verschwunden und stieg die Außentreppe hinunter in den Keller, den Horst für ihren Vater hatte umbauen lassen. Zwar hatte er nicht verstanden, warum er nicht bei ihnen oben im Haus wohnen konnte – Platz wäre doch genug gewesen –, ließ sich aber dann doch zu einem Umbau der Kellerwohnung überreden.
Durch einen Luftzug schwang die Balkontür wieder auf, und Meeresluft strömte in das Innere des Hauses. Cecilia strich ihre kinnlangen schwarzen Haare aus dem Gesicht. Wie gebannt starrte sie durch die Glasfront und war in Gedanken versunken. Zurück in ihrer Studienzeit, in der sie weit weg von dieser Insel war: in Leipzig auf dem Sofa ihrer Psychiaterin. Sie war die Einzige, die die Wahrheit kannte. Die ganze grausame Geschichte, wie es sich zugetragen hatte. Die Worte der Psychiaterin hallten heute noch in Cecilias Kopf. »Erst der Tod des Peinigers wird dir auch deinen Schmerz nehmen. Und du wirst endlich loslassen können.« Warum will ich bloß an diese Worte glauben, wenn sie doch nicht wahr sind?
In diesem Moment klingelte ihr Telefon und riss sie aus ihren Erinnerungen. Eine Benachrichtigung von Facebook wurde angezeigt. Um sich von ihren düsteren Gedanken abzulenken, tippte sie auf das Display und öffnete die App. Die Seite ›Info Gran Canaria‹ erschien sogleich auf ihrem Bildschirm, und sie las den Artikel:
›Heute in den frühen Morgenstunden wurde von Spaziergängern eine weibliche Leiche am Strand von Playa del Inglés gefunden. Wie auch bei dem Leichenfund vor drei Tagen wurden der Frau die Füße und Hände sowie der Kopf abgetrennt. Inspektor Carlos Muñoz Díaz war heute zu einer kurzen Stellungnahme bereit. Wie er uns berichtete, handelt es sich bei dieser Frau vermutlich um Victoria Garcia Ruíz. Die rechtsmedizinische Identifizierung wird in den kommenden Stunden für Klarheit sorgen. Victoria Garcia Ruíz wurde vor drei Tagen aus ihrem Haus entführt. Wir haben bereits darüber berichtet. Inspektor Muñoz Díaz geht mittlerweile von einem Serienverbrecher aus, der auf der Kanareninsel sein Unwesen treibt. Die neuesten Ermittlungen zu dem toten Mann, der vor drei Tagen an den Strand von Maspalomas gespült wurde und dort für Aufsehen gesorgt hatte, haben ergeben, dass es sich hierbei um den siebenundsechzigjährigen Obdachlosen Helge Larsen, einen gebürtigen Norweger, handelt. Über die Hintergründe der Taten wollte der Inspektor noch nichts Näheres bekannt geben. Allerdings bittet er die Bevölkerung um Mithilfe. Sollte Ihnen in Ihrer Nachbarschaft etwas Merkwürdiges auffallen oder aufgefallen sein, verständigen Sie bitte sofort die Polizei unter dem Notruf 112.‹
Jetzt war Cecilia klar, warum ihr Mann heute früh so schnell das Haus verlassen hatte. Dieser Artikel war von Horst verfasst worden. Schließlich war er einer der beiden Redakteure dieser Informationsseite. Ein Serienkiller auf Gran Canaria, der anscheinend nur eine kurze Abkühlphase hatte. Was für ein Albtraum!
Der Name der Frau ließ ihr die Haare zu Berge stehen. Konnte es sich wirklich um …? Aber das war doch nicht möglich. Wer hätte sie denn ermorden sollen? Und dann noch auf so eine bestialische Art und Weise? Cecilia starrte noch immer auf den Bildschirm ihres Handys, der in der Zwischenzeit schwarz geworden war. Sie musste heute ihre Praxis früher verlassen, um Horst über weitere Einzelheiten auszufragen. Dieser Fall interessierte sie persönlich sowie auch als Psychologin brennend. Schon einige Male war sie bereits in Deutschland wegen ihrer fundierten Kenntnisse für die Erstellung von Täterprofilen hinzugezogen worden. Somit könnte sie vielleicht auch hier helfen.

Im Kindle-Shop: Abgehackt: Team Gran Canaria.
Mehr über und von Drea Summer auf ihrer Facebook-Seite.



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