21. Juni 2019

'Mea Culpa: Im Herzen der Dunkelheit' von Silvia Maria de Jong

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Was tust du, wenn du mit deinem kleinen Sohn auf der Flucht bist und es deine einzige Chance ist, dich in die Obhut eines fremden Mannes zu begeben, um deinen Verfolgern zu entkommen? Lässt du dich auf das Wagnis ein, mit ihm durch das ganze Land zu reisen, ohne auch nur zu ahnen, wohin diese Reise dich letztlich führen wird?

Jona Engel war neun Jahre alt, als ihre Mutter Zuflucht in einer extrem religiösen Lebensgemeinschaft suchte. Für Jona bedeute dies ein Leben in Angst, Gefangenschaft und Gewalt. Schon früh fasst sie den Entschluss auszubrechen und dieser Gemeinde zu entfliehen. Doch es vergehen Jahre bis es tatsächlich soweit ist. An einer Raststätte schließt sie sich dem mysteriösen Kjell Anderson an, dessen Weg hinauf in den Norden, auf die Insel Sylt führt.

Kjell Anderson, ehemaliger verdeckter Ermittler, spürt schnell, dass es tiefe Geheimnisse gibt, die seine Begleitung umgeben. Geheimnisse, die sie sorgsam vor ihrem Umfeld zu wahren sucht. Sein Ziel ist es, die beiden kurz vor der Insel abzusetzen und allein weiterzureisen. Doch Joshua, Jona´s kleiner Sohn, leidet unter hohem Fieber. Die Erkrankung des Kindes zwingt Kjell dazu, umzudenken und so bietet er der fremden Frau vorübergehend eine Unterkunft in seinem Haus an. Doch aus Tagen werden Wochen und Jona beginnt Kjell zunehmend zu vertrauen. In seinen Augen erahnt sie einen Schmerz, der dem ihren sehr ähnlich ist. Auch ihm scheint das Leben tiefste Wunden zugefügt zu haben. Seine selbstlose Hilfe bringt in ihr Saiten zum klingen, die ihr völlig fremd sind. Während die beiden sich mit äußerster Behutsamkeit einander annähern, ahnen sie nicht, mit welcher Gewalt ihrer beider Vergangenheit auf sie zurast ...

Leseprobe:
Seit geschlagenen zwanzig Minuten beobachtete er die junge Frau, die sich von einem Tisch zum nächsten vorarbeitete und sich dem seinen unaufhaltsam näherte. Gerade sprach sie zu einem älteren Ehepaar, zwei Nischen weiter vorn, welches jedoch mit einem bedauernden Lächeln den Kopf schüttelte und sich wieder den Speisen widmete.
Kjell ließ seinen Blick durch die große Räumlichkeit der Raststätte schweifen. Das Restaurant war gut gefüllt und dementsprechend laut war die Geräuschkulisse. Das Geklapper des Geschirrs vermischte sich mit dem Rattern des Kassencomputers und dem ausgelassenen Geplauder der Menschen, welche sich in den frühen Abendstunden in dem Rasthaus an der A7 eine Mahlzeit gönnten, bevor sie ihre Reise fortsetzten. Leider verschluckte sie auch jegliche Silben, so dass es unmöglich war, einzelne Wortfetzen vom Nachbartisch aufzufangen, an den die junge Frau sich soeben begeben hatte. Dem Anschein nach handelte es sich bei dem leicht verwahrlost anmutenden Mann im mittleren Alter am Nebentisch um einen Lastkraftfahrer, der sein Wochenende erzwungenermaßen auf der Raststätte verbrachte. Er schien darauf zu warten, dass ab Zweiundzwanzig Uhr die Autobahnen wieder für den Lasttransport freigegeben wurden. Beim Nähertreten der Frau beugte der übergewichtige Mann sich regelrecht hungrig vor und lauschte andächtig ihrem Vortrag. Es war nicht schwer zu erraten, was dieser Kerl im Schilde führte und sich erhoffte.
Wenngleich die Aufmachung der schlanken Frau in dem Rollkragenpulli und dem Karo- Rock, der kaum die Oberschenkel bedeckte, welche wiederum in löcherigen Leggins steckten, etwas seltsam anmutete, so strahlte sie doch eine gewisse Attraktivität aus. Das blauschwarze Haar zu einem perfekten Bob geschnitten, erinnerte sie ihn an Uma Thurman, in der Rolle der Mia Wallace, in dem Kinostreifen Pulp Fiction. Einzig der exakte Pony fehlte. Sie trug kaum Make-up, nur die großen, dunklen Augen wurden durch den schwarzen Kajalstrich hervorgehoben und unterstrichen deren Intensität.
Der einzige sichtbare Schmuck bestand aus einem breiten Silberreif am Ringfinger der rechten Hand. Ein Ehering oder schlicht Modeschmuck. Wer wusste das heute schon. Kjell schätzte sie auf Mitte zwanzig. Ein, zwei Jahre älter, nicht mehr. Sie bemühte sich zwanghaft, Ruhe auszustrahlen, wenngleich ihr Innerstes regelrecht zu flattern schien. Er bemerkte es daran, wie schwer es ihr fiel, die Position beizubehalten. Immer wieder trat sie von einem Bein auf das andere, schob mit den Fingern das Haar zurecht, während ihr erzwungenes Lächeln davon erzählte, wie elend sie sich in dieser Situation fühlte. Der schmierige Kerl in dem durchgeschwitzten, fleckigen Shirt beugte sich weiter vor und umfasste ihr Handgelenk, unterdessen er bedauernd den Kopf schüttelte, ihr aber zeitgleich einen neuen Vorschlag zu unterbreiten schien.
Kjell sah, wie unangenehm ihr diese dreiste Berührung war. Bemüht, ihre Hand aus dem festen Griff des Fremden zu befreien, richtete sie sich auf und riss sich ruckartig los.
»… jetzt zierst du dich auf ein Mal? Erst die Männer anheizen und dann kneifen. Solche Weiber mag ich …«
Die dröhnende Stimme des Kerls übertönte den Lärm rund um sie herum. Nicht nur Kjell, auch die zahlreichen Gäste an den umliegenden Tischen schnappten die derben Worte auf und betrachteten die junge Frau entweder demonstrativ von oben bis unten, oder aber sie sahen beschämt zur Seite. Es verwunderte ihn, dass sie einen Mann dieser Type überhaupt angesprochen hatte. In seinem Blick offenbarten sich deutlich die Absichten. Ihm schien es egal, wer ihm in der Nacht den Körper wärmte, umso besser, sollte sich die schöne Brünette direkt vor ihm zur Verfügung stellen. Kjell schloss daraus, dass ihre Verzweiflung größer war als die Angst.
Verstohlen sah sie sich um. Eine feine Röte bedeckte die hohen Wangenknochen bei den beschämenden Worten des rüden Kerles. In dem Moment, da ihr Blick ihn selbst traf, erkannte er die schwere Verletzung in ihren Augen. Eine Verletzung, die weniger von den Beleidigungen des abgehalfterten Mannes in der Nische vor ihm zeugte, als vielmehr eine Tiefe in sich barg, die von langem Leid sprach.
So sehr sie sich mühte, diesen Schmerz hinter einem aparten Lächeln zu verbergen, Kjells Spürsinn war zu geschult, um so etwas Augenfälliges zu übersehen. Mit weniger Selbstbewusstsein als zuvor, trat sie an den Tisch und nickte leicht.
»Verzeihung, wenn ich störe … Nur eine kurze Frage.« Verlegen strich sie das dunkle Haar zurück, indes sie seinem wachsamen Blick geduldig begegnete.
»Der blaue VW Bulli dort draußen, mit dem nordfriesischen Kennzeichen gehört nicht zufällig Ihnen, oder?« Trotz der Mutlosigkeit in ihrer erstaunlich rauchigen Stimme strahlte sie eine Entschlossenheit aus, die ihn beeindruckte. Er faltete die Zeitung, welche er bis dahin in den Händen gehalten hatte, zusammen und schob sie über den Tisch.
»Kurze Gegenfrage, warum interessiert Sie das?«
Die Antwort sprach aus der Verzweiflung in ihren Zügen, dennoch war er nicht bereit, ob ihrer Verletzlichkeit, sofort auf sie einzugehen. Jetzt, wo sie so dicht vor ihm stand, ließ sich deutlich die Müdigkeit in ihren Gesichtszügen erkennen. Wie lange harrte sie schon hier aus, nur um die passende Mitfahrgelegenheit zu finden?

Im Kindle-Shop: Mea Culpa: Im Herzen der Dunkelheit.
Mehr über und von Silvia Maria de Jong auf ihrer Website.

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