1. Oktober 2019

'Fateful Vibes: Benjamin & Leonie' von Monica Bellini

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Monica Bellini | Autorenseite im Blog
Gewissen Schwingungen kann man nicht entfliehen. Niemals.

Als Leonie nach Wien flüchtet, schaut sie nicht zurück, sondern verschließt ihr Herz. Jetzt, Jahre später, ist sie als reserviert und unnahbar bekannt und lebt für ihren Job als Eventmanagerin einer seriösen Agentur. Doch nun soll sie eine Party mit Callgirls organisieren? Sie verabscheut den lustgesteuerten Auftraggeber bereits, bevor sie ihn kennenlernt. Aber schon beim ersten Treffen zieht ausgerechnet er ihr mit seiner bloßen Präsenz den Boden unter den Füßen weg.

Benjamin Schwarzenberg kann nicht fassen, was sein Vater von ihm verlangt. Er soll als Mittelsmann fungieren und eine dieser Partys ausrichten lassen, wo fleischliche Vergnügungen der Geschäftsanbahnung dienen? Ausgerechnet er, der den Ruf des Familienunternehmens und seines Namens über alles stellt? Widerwillig sieht er dem Termin mit der Agenturmitarbeiterin entgegen – und gerät aus der Fassung, als sie ihm vorgestellt wird.

Abgeschlossener Liebesroman mit heißen Szenen und Happy End.

Leseprobe:
LEONIE
Fassungslos fliegt mein Blick über die Brüstung nach unten zum besten Tisch im Vibes. Jeder Einzelne, der dort sitzt, scheint sich für ein Geschenk an die Menschheit zu halten. Vor allem die drei Tussis, die in hautengen und viel zu kurzen Fummeln stecken und aussehen, als ob sie aus einem Katalog der Barbie Collection herausgepurzelt wären. Jetzt lehnt sich die eine von ihnen vor, sodass kein Zweifel mehr besteht, dass ihr Vorbau nicht echt ist, was den Typen, der neben ihr sitzt, aber keineswegs zu stören scheint. Er hebt eine Hand und schiebt sie in ihren Ausschnitt. Während er die eine Brust umfasst, stellt sich selbst von hier gut sichtbar der Nippel der anderen auf, als wollte er den Stoff durchbohren.
»Da könnte man neidisch werden!«, murmelt eine Stimme an meinem Ohr. Warmer Pfefferminzatem hüllt mich ein.
Blitzartig drehe ich den Kopf und starre Steve an. »Bist du von allen guten Geistern verlassen?«
»Im Gegenteil!« Er lacht auf. »Der Typ ist doch der Hammer. Also ich hätte nichts dagegen, wenn er mich so berühren würde – und zwar weiter unten, versteht sich.«
Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. »Wir sind zum Arbeiten hier, nicht zum Vergnügen«, zische ich in seine Richtung. »Es muss ja nicht jeder wissen, wer wir sind.«
»Herzchen, bei deinem Aufzug ist doch offensichtlich, dass du nicht zum Vergnügen hier bist.«
Er tritt einen Schritt zurück, taxiert mich von oben bis unten und schnippt einen unsichtbaren Fussel vom Ärmel meiner Jacke.
Ich strecke den Arm aus und bohre ihm den Zeigefinger in die Brust.
»Ich habe wenigstens den Anstand, mich an die Vorgaben unseres Chefs zu halten. Oder denkst du, er würde dir Beifall klatschen, wenn er dich in diesen durchlöcherten Jeans sieht?«
»Tz, tz, tz, Leonie. Bist wohl wieder mit dem falschen Fuß aufgestanden heute.« Er legt eine Hand auf meine Schulter, beugt sich vor und flüstert mir ins Ohr: »Wie jeden Tag seit ...«
»Halt den Mund«, zische ich, ducke mich unter seiner Berührung weg und merke, wie sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel löst. Verräterin! Rasch wende ich mich ab. Verdammt! Ich bin doch sonst nicht so nah am Wasser gebaut. Außerdem sind schon sieben Monate vergangen, seitdem sich meine Beziehung mit einem lauten Knall in Schall und Rauch aufgelöst hat. Denn anders kann man es ja nicht nennen, wenn der Ex mit der halben Wohnungseinrichtung bei Nacht und Nebel verschwindet. Er hat es nicht einmal der Mühe Wert gefunden, mir ein Post-it zu hinterlassen oder eine WhatsApp-Nachricht zu schicken. Stattdessen hat er meine Handynummer blockiert und ist aus Wien verschwunden. Niemand seiner Freunde, von denen ich dachte, dass sie auch meine waren, wusste angeblich, wo er war – und gehen mir seither aus dem Weg. Scheinheiliges Pack!
»Alles in Ordnung bei euch?«
Beim Klang von Jasons Stimme zucke ich unweigerlich zusammen. Hektisch wische ich die Tränenspur von ihrer Wange und zwinge meine Mundwinkel zu einem Lächeln, bevor ich mich umdrehe.
»Natürlich, Chef.«
Er runzelt die Stirn. »Sicher, Leonie?«
»Ja«, erwidere ich nickend und er kneift die Augen zusammen, sagt aber nichts. Ich weiß, dass er weiß, dass dem nicht so ist. Mehr noch: Er muss gar nicht fragen, denn er sieht mir ohnehin an, woran ich denke. Immer.
Jason Hart ist nicht einfach irgendwer für mich. Seitdem ich nur mit einem uralten Koffer und meinem Rucksack aus der Provinz nach Wien gekommen bin und er mich halb erfroren und ohne Geld beim Haupteingang vom Stephansdom aufgelesen hat, ist er alles für mich. Lebensretter, Arbeitgeber und Ersatzvater in Personalunion. Letzteres, obwohl er nur neun Jahre älter ist als ich und viel eher mein großer Bruder als mein Vater sein könnte. Lediglich die Hautfarbe stimmt nicht.
Sein Großvater war ein GI, ein schwarzer Besatzungssoldat aus Louisiana, der 1955 nicht mit seiner Truppe nach Amerika zurückgegangen war. Stattdessen hatte er eine waschechte Wienerin geheiratet. Jason war sein einziger Enkel, das Ergebnis einer großen Leidenschaft zwischen seiner Tochter und einer brasilianischen Dragqueen ... und er ist ein beeindruckendes und absolut gelungenes Resultat. Alles an ihm ist perfekt. Seine an flüssiges Karamell erinnernde Hautfarbe, die dunklen Augen, der athletische Körper, das vereinnahmende Lächeln, sein unüberbietbarer Charme – und seine grenzenlose Nächstenliebe.
Als ihm seine Eltern das Vibes übergaben und sich für den Rest ihres Lebens nach Südamerika absetzten, hat die Wettleidenschaft der anderen Lokalbesitzer im Bermudadreieck Blüten getrieben. Denn Jason Hart ist bekannt für sein Helfersyndrom. Daher haben sie wie die Geier nur darauf gewartet, sich das Haus am Rabensteig unter den Nagel reißen zu können, sobald der Gerichtsvollzieher den Kuckuck an die Tür klebte. Pessimisten haben ihm drei Monate gegeben, Optimisten zwölf, bis er das Lokal in den Konkurs treiben würde. Seither sind acht Jahre vergangen und das Vibes längst das Szenelokal des Bermudadreiecks schlechthin. Jason hat nicht geredet, sondern sich hineingekniet, Fakten geschaffen und allen den Wind aus den Segeln genommen. Und immer noch greift er – sämtlichen Unkenrufen zum Trotz – denjenigen, denen er helfen will, unter die Arme. So wie mir damals ...
»Erde an Leonie!«
Blinzelnd fokussiere ich den Mann vor mir, der mit nur sechsunddreißig eine Institution auf Wiens Partymeile ist – und nicht nur hier. Sein Fashionlabel hat innerhalb kurzer Zeit nach der Gründung den gesamten europäischen Markt erobert und breitet sich nun auch in Übersee aus. Mit der Eventagentur hat er ein drittes umsatzstarkes Standbein geschaffen, und seitdem ich das Studium beendet habe, arbeite ich für Vibes Events.
»Ich weiß, dass dir solche Typen zuwider sind, Kleines, aber das ist unser Job. Da musst du jetzt durch.« Jason legt einen Arm um meine Schultern, zieht mich an sich und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. »Außerdem geht es nicht um die drei mit den silikonierten Puppen, sondern um den anderen. Er ist der Auftraggeber.«
Mein Blick folgt seinem Fingerzeig über die gläserne Brüstung nach unten zu dem Tisch. Der Typ von vorhin steckt mit einer Hand immer noch im Ausschnitt der Tussi fest, nur bewegt er jetzt auch die zweite – und zwar zwischen ihren Beinen vor und zurück. Einer der anderen versucht offenbar, mit der Zunge die Tiefe des Rachens seiner Begleiterin zu erforschen. Der dritte im Bunde hat jedoch nur einen Arm locker um die Schultern der Frau neben sich gelegt. Allerdings ohne sie anzusehen, denn er unterhält sich mit dem einzigen Mann, an dem keine fleischgewordene Barbie klebt. Ausgerechnet ihn kann ich von hier oben nur von hinten sehen. Er hat schwarzes Haar, das im Gegensatz zu Jasons Locken glatt und akkurat, aber nicht allzu kurz geschnitten ist. Wie die anderen an seinem Tisch trägt er einen Anzug – allerdings füllen seine breiten Schultern das unübersehbar maßgeschneiderte Jackett auf eine Art und Weise aus, die mich unweigerlich an schweißtreibenden Männersport denken lässt. An American Football oder Rugby. Als ob ich ein Stück Sachertorte vor mir hätte, sammelt sich Speichel in meinem Mund. Ich schlucke.
»Was will er von uns?« Meine Stimme ist zittrig – oder bilde ich mir das nur ein?
Zum Glück ist Jasons Kopf unmittelbar neben meinem, sonst hätte er meine geflüsterte Frage nicht verstanden.
»Wir sollen eine, sagen wir mal, spezielle Party«, er malt Gänsefüßchen in die Luft, »für seine russischen Geschäftspartner organisieren.«
Langsam drehe ich den Kopf und sehe zu ihm auf. Jason schaut mich mit unbeweglichem Gesichtsausdruck an, und plötzlich spüre ich das hektische Pulsieren meiner Halsschlagader. Reflexartig hebe ich die Hand und lege zwei Finger an die Stelle, als ob ich meinen Puls mit der Geste kontrollieren könnte, und frage krächzend:
»Eine Sexparty? Du willst, dass ich diesem Typen Nutten besorge?«
»Das kann doch ich tun«, grätscht plötzlich Steve dazwischen.
Unser Chef taxiert stirnrunzelnd das eng geschnittene Hemd, die löchrigen Designerjeans und die schwarz-weißen Hugo-Boss-Sneaker meines Kollegen-Schrägstrich-besten-Freundes, bevor er aufsieht.
»Vergiss es.«
»Nur weil ich schwul bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nichts von Frauen verstehe.« Steve hebt die Arme, streicht sich über den perfekt getrimmten Fünftagebart, die seitlich kurz rasierten Haare und kontrolliert schließlich den Sitz seines Samurai-Buns. Wie immer, wenn er sich angegriffen fühlt oder nervös ist.
»Natürlich nicht, immerhin kleben dir ständig welche an der Backe«, frotzelt Jason. »Aber der Kunde ist König, und dieser hat ausdrücklich nach Leonie verlangt.« Er winkt mit einem Seufzen ab und schaut wieder zu mir. »Außerdem will er keine x-beliebigen Nutten, sondern die besten Callgirls auf dem Markt. Und dazu sicher französischen Champagner, Wiener Küche, exklusives Catering und all das Pipapo, auf das Russen eben stehen.«
Ein unangenehmer Schauer rinnt von meinem Nacken die Wirbelsäule abwärts. Es fühlt sich wie eine böse Vorahnung an.
»Und er hat explizit nach mir gefragt? Warum denn das?«
Ich komme mir ziemlich hilflos vor. Fehlt nur noch, dass ich schockiert nach Luft japse. Die Agentur hat sich rasant zu einer der besten Wiens entwickelt, die Presse erwähnt Vibes Events stets positiv, und unsere Kunden sorgen mit Mundpropaganda, dass wir unser Marketingbudget von Jahr zu Jahr geringer halten können. Wir sind dafür bekannt, seriös zu sein, und unser Schwerpunkt liegt auf Mode und Kunst. Natürlich organisieren wir auch Firmenjubiläen, manchmal Sportevents und hin und wieder – die mir so verhassten – Hochzeiten von Promis. Aber eine Sexparty? Unser Chef lehnt doch sogar kategorisch jedes Musikevent ab, weil er nichts mit zugedröhnten Popstars und hysterischen Groupies zu tun haben will!
»Er hat deine Bio auf der Website gesehen, Leonie«, beantwortet Jason meine Frage.
»Wahrscheinlich hat ihm dein Foto gefallen.«
Steve, mit dem ich gemeinsam studiert habe und der ebenfalls in der Agentur als Eventmanager für Jason arbeitet, grinst.
Ich schnaufe und werfe erneut einen Blick über die Brüstung. Einer dieser Barbie-Verschnitte sitzt mittlerweile rittlings auf ihrem Begleiter und reibt sich an ihm, während sie am Strohhalm ihres kunterbunten Cocktails nuckelt. Der daneben vergräbt sein Gesicht zwischen den Silikontitten der Tussi, die mit entrücktem Gesichtsausdruck seinen Kopf umfasst. Die anderen scheinen hingegen nicht einmal zu bemerken, was an ihrem Tisch geschieht. Die beiden Männer unterhalten sich wie vorhin – und die dritte Frau ist verschwunden. Ob die überhaupt zusammengehören? Natürlich, berichtige ich mich sofort. Dieses schräge Verhalten typischer Schnösel, die sich einen Dreck um ihren Ruf scheren, passt doch genau zu Typen, die Sexpartys feiern – und mir wird schlecht, wenn ich noch länger zuschaue. Mit einem Ruck drehe ich mich um, straffe mich in den Schultern und deute zur Treppe.
»Gehen wir?«
Jason hält mich am Arm zurück und schaut zu Steve.
»Ich verstehe ja, dass du nach meinem Anruf im Büro mit Leonie hergekommen bist, aber jetzt genieß einfach den Abend – und zwar nicht hier. Nicht mit diesen Jeans, okay? Die Leute wissen, dass du für mich arbeitest.«
Steve starrt runter auf seine Sneakers – und plötzlich ist da keine Spur mehr von der Überheblichkeit, die er bis vorhin an den Tag gelegt hat. Ohne noch einmal aufzusehen, murmelt er einen Gruß und verschwindet.
Jason grinst ihm hinterher, bevor er sich räuspert und sich die Hände reibt.
»Auf in den Kampf, Leonie. Wir beide gehen jetzt hinunter, ich stelle dich kurz vor, und ihr macht einen Termin für morgen aus, okay? Versuch einfach, für ein paar Minuten über das Benehmen der anderen an seinem Tisch hinwegzusehen – auch wenn es dir schwerfällt.«
Ich seufze laut hörbar. »Ja, ja, ich weiß: Der Kunde ist König.«
Ich streiche den Rock ihres Tailleurs glatt, ziehe die Jackenärmel nach unten und kontrolliere anschließend mit den Fingern, dass der Kragen der Bluse perfekt liegt und nur die obersten beiden Knöpfe offen sind. Dieer Lustmolch soll gleich wissen, dass ich nicht zu der Kategorie Frauen gehöre, mit denen er sich normalerweise umgibt. Da ich keinen Lippenstift dabeihabe, befeuchte ich meine Lippen mit der Zunge und lasse zu, dass Jason seine Hand zwischen meine Schulterblätter legt und mich sanft vor sich her zur Treppe dirigiert.

BENJAMIN
Genervt zerre ich an dem Krawattenknoten, der meine Kehle einengt, und frage mich zum wohl hundertsten Mal in der letzten halben Stunde, warum ich Max und die anderen beiden ins Vibes mitgenommen habe. Vor allem die zwei, die sich benehmen wie in einem Puff und ihre Griffel nicht bei sich behalten. Ganz zu schweigen davon, dass diese hirnlosen Puppen, an denen so gut wie nichts echt und in deren Vokabular das Wort Schamgefühl ein Fremdwort ist, mir mit ihrem Gekicher auf den Keks gehen. Wobei die eigentliche Frage, die mir seit dem gestrigen Abend unablässig durch den Kopf spukt und mir eine schlaflose Nacht und einen beschissenen Tag beschert hat, definitiv eine andere ist.
Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich nämlich meiner Sekretärin aufgetragen, Vibes Events anzurufen und einen Termin mit Leonie Löwenstein auszumachen. Aber nein! Mein Vater, der mir in allen geschäftlichen Belangen freie Hand lässt und hundertprozentig vertraut, hat mir tatsächlich Anweisungen erteilt. Zum ersten Mal seit so langer Zeit, dass ich grübeln muss, um mich zu erinnern, wann dies zuletzt der Fall war. So etwas ist nie passiert, seitdem wir die Firma gemeinsam leiten, und auch nicht während des Studiums – obwohl ich mir da ein paar Aktionen geleistet habe, für die ich mir zumindest einen Anschiss verdient hätte.
Aber nein, das letzte Mal war an meinem achtzehnten Geburtstag, als er mir den Spider schenkte und den Schlüssel erst ausgehändigt hat, nachdem er mir die komplette Straßenverkehrsordnung heruntergebetet und mich eindringlich gewarnt hat. Davor, keinen Alkohol zu trinken (was ich damals ohnehin nicht tat), wenn ich mich ans Steuer setzte, und das Handy ausschließlich über die Freisprecheinrichtung zu verwenden. Aus meinem Vater hat an diesem Tag die Angst gesprochen, dass ich einen Unfall bauen und er auch mich verlieren könnte, wie er mir Jahre später anvertraut hat. Verständlich, haben wir doch nur einander.
Aber das Gespräch gestern Abend war eine andere Nummer. Der Grund für seine detaillierten Anweisungen war keiner, der uns beide betrifft, sondern von Gefühlen diktiert. Für seinen ehemals besten Freund, mit dem er vor Jahrzehnten jede freie Minute verbrachte, bis sie sich aus den Augen verloren haben. Auf meine Frage, warum das geschehen ist und er nie von diesem Mann gesprochen hat, hat er nicht geantwortet. Auch nicht, weshalb er ihm jetzt helfen will, wo der andere sich doch erst vor ein paar Tagen wieder bei ihm gemeldet hat, nur um ihn um einen Gefallen zu bitten ...
»Wie lange willst du noch warten?«, dringt jetzt Max’ Stimme zu mir durch.
Mit einem Blinzeln schiebe ich die Gedanken beiseite und fokussiere meinen besten Freund. Der streicht sich mit der für ihn typischen Geste durch den blonden Haarschopf, der sich wie üblich vor sein rechtes Auge geschoben hat, und schaut mich abwartend an.
»Bis sie kommt«, erwidere ich lakonisch.
Ein Stirnrunzeln ist die Antwort. Verständlich. Immerhin habe ich ihm nur gesagt, dass ich für meinen Vater etwas Geschäftliches erledigen und aus diesem Grund eine Mitarbeiterin von Vibes Events treffen muss, ohne ihn näher einzuweihen. Das war nach dem Telefonat mit Jason Hart, den ich um die Mittagszeit herum endlich erreicht und dem ich mein Anliegen vorgetragen habe. Aufgrund der knappen Zeit schlug er mir vor, noch am heutigen Abend ins Vibes zu kommen und die Eventmanagerin zu treffen, die bis dahin beschäftigt war. Danach habe ich Max gebeten, Thomas und Peter ins Vibes einzuladen und dafür zu sorgen, dass sie sich Frauen mitbrachten. Ausgerechnet diese beiden Vatersöhnchen, denen der Ruf vorauseilt, dass sie sich einen Dreck darum scheren, was andere über sie denken, und die grundsätzlich nur mit strohdummen, zum Ausgleich jedoch extrem geilen Weibern auftauchen. Nicht im Sinne von sexy und anturnend, sondern aufgegeilt und stets bereit – also genau der Typ Frauen, der mich ankotzt. Aber ich muss die Rolle des reichen, proletenhaften Emporkömmlings spielen, der für seine Kunden eine Sexparty organisiert, als ob dies für mich alltäglich wäre und ich eben mal für die Organisation eines Abends eine neue Agentur ausprobieren wollte. Dabei verspüre ich schon jetzt den Drang, Richtung Toilette zu verschwinden und mich auszukotzen, nur weil ich die beiden, die sich anderen gegenüber sogar als meine Freunde bezeichnen, ständig im Blick habe. Die Weiber, die sie mitgebracht haben, sind absolut das Letzte. Die eine, deren hautenges Schlauchkleid sie obenherum kaum mehr bedeckt, quiekt wie ein Ferkel, weil Peter abwechselnd in ihre Nippel beißt – als ob sie bei all dem Silikon etwas spüren könnte. Und die andere ... Fremdschämen ist angesagt. Thomas fingert sie so offensichtlich und tief, dass sie ekstatisch stöhnt. Dabei bin ich mir hundertprozentig sicher, dass der Orgasmus schlicht und einfach gespielt ist. Sie legt es einzig darauf an, ihn zu überzeugen, dass sie die einzig Richtige für ihn ist. Wie all die anderen, die von einem Leben zwischen Reichtum und Nichtstun träumen – und sich uns allen an den Hals werfen. Was nicht nur mir, sondern auch Max gehörig gegen den Strich geht. Deshalb hat mein Freund diesen Hungerhaken, den Peter und Thomas für ihn mitgebracht haben, vorhin unmissverständlich abserviert. Was mindestens zehn Minuten her ist. Ich schiebe den Ärmel hoch, studiere stirnrunzelnd das Ziffernblatt und presse verärgert die Lippen zusammen.
»Du hättest vielleicht doch eine Uhrzeit ausmachen sollen«, meint Max grinsend.
»Halt den Mund«, murmele ich, greife an den Krawattenknoten und zerre an dem Stoff, bis sich das Teil endlich löst.

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