18. November 2019

'Morgenfiktion' von Reinhard Belser

Kindle (unlimited) | Tolino | Taschenbuch
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Die Fiktion auf ein "Morgen" – Hoffnung und der Wille zum Weiterleben.

Ein Schicksalsschlag brachte Reinhard Belser an die Schwelle des Todes. Als hoffnungsloser Fall wurde er in ein Pflegeheim abgeschoben. Doch so wollte er nicht weiterleben.

Tiefpunkte, Schmerzen und Leid gehören unvermeidlich zu unserem Leben als Menschen. Belser lässt den Leser an seinen Krisen teilhaben und zeigt gleichzeitig einen Weg, wie es selbst in scheinbar hoffnungslosen Lagen einen positiven Neuanfang geben kann.

Wer von Lehrbüchern, Motivationstrainern, Coaches oder Ärzten bisher nicht ausreichend inspiriert wurde und nicht vorankommt, der sollte diese Geschichte lesen. Sie ist ein ergreifendes Zeugnis, wie wir nach dem Versagen unserer physischen Kräfte durch das Mobilisieren von mentaler Energie, Zuversicht und Beharrlichkeit unsere einstige Lebensqualität wiedererlangen können.

Leseprobe:
Der lange Weg zurück ins Leben
Als ich zu Bewusstsein kam und die Augen öffnete, war da nur Leere. Wo ich war, woher ich kam, wie viel Zeit vergangen war – keine Ahnung. Es war seltsam, aber ich war mir mit dem Erwachen meiner Existenz im wirklichen wie auch im metaphysischen Sinne bewusst, aber viele Erinnerungen an die Vergangenheit fehlten. Selbst meinen Namen wusste ich nicht mehr.
Schleichend formte sich aus vermeintlicher Leere eine weiße Wand, die ich wahrnahm. Auch machten sich erste Schmerzen im Rücken bemerkbar, die zunehmend stärker wurden. Noch hatte ich keine Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen, um sie wenigstens ein bisschen zu lindern, denn ich konnte weder sprechen noch meine Glieder auch nur im Geringsten bewegen.
Seltsame Geräusche ließen mich meine Schmerzen vergessen. Ich versuchte, diese Geräusche zu orten, was allerdings nicht gelang. Immerhin vermochte ich, zwischen Dunklem und Hellem zu unterscheiden. Ob die Helligkeit von Sonne oder elektrischem Licht herrührte, konnte ich nicht erkennen.
Im Laufe der nächsten Tage erkannte ich dann sogar die Stimme meiner Ehefrau Sandy, die mich regelmäßig in der Klinik besuchte. Ich glaubte, mit einem Lächeln darauf reagiert zu haben. Später erzählte mir Sandy, dass ich sogar versucht hätte, mit ihr zu reden.

Während der langen Schlafperioden haben mich fürchterliche Albträume heimgesucht, von denen etliche haften geblieben sind, wie zum Beispiel dieser:
Verschwommen – wie durch schmutzige Brillengläser – erblickte ich eine Wiesenlandschaft mit einem sich dahinter erstreckenden dunklen Waldstrich, in dessen Innerem sich ein Gebäude erhob. Ich ging auf das Gebäude zu und betrat es durch eine breite Tür. Das Innere erinnerte an eine Musikkneipe, in der eine Party stattfand. Unter den Gästen erkannte ich einige mir bekannter Menschen, die ich als ehemalige Kollegen meiner letzten Arbeitsstelle identifizierte. Plötzlich saß ich mit ihnen um einen Tisch: Wir plauderten miteinander, hörten gemeinsam Musik und tranken dazu. Jäh wurde die heitere Stimmung der Gruppe durch das Erscheinen meines ungeliebten Vorgesetzten gestört. Wie aus dem Nichts kam er mit erhobener Pistole in der Rechten. Er trat stumm auf mich zu, hielt die Waffe gegen meine Schläfe und sagte: »Jetzt knall ich dich ab!« Und dann drückte er tatsächlich eiskalt ab. So verwirrt wie ich war, hielt ich es für real, nicht für einen Traum, und rechnete mit dem Schlimmsten. Ich war geschockt, die Zeit stand still und ich wusste nicht, ob ich noch lebte oder bereits tot war. Es herrschte unheimliche Stille; da war nichts mehr. Es dauerte eine Weile bis ich mich von diesem furchtbaren Schock erholt hatte und realisierte, dass ich noch lebte. Diese mir ungeheure angsteinflößende Szene wiederholte sich noch öfter. Und jedes Mal, nachdem mein Vorgesetzter den Abzug der Pistole gedrückt hatte, war ich wiederholt in dem Zustand, dass mir für wenige Augenblicke nicht klar war, ob ich noch lebte oder schon tot war – eine äußerst befremdende Situation. Aber dann ließen der unglaublich hohe Druck und die extreme Anstrengung, die dieser Albtraum in meinem Kopf verursacht hatte, nach und ich wurde innerlich ruhiger, konnte weiterschlafen. Eines wurde mir jedenfalls bei diesem Traum bewusst: dass ich zwischen Leben und Tod zu unterscheiden vermochte. Und ich fühlte mich froh, noch am Leben zu sein.
Rückblickend bezieht sich dieser Albtraum auf eine wahre Begebenheit: Vor meinem Zusammenbruch übte ich tatsächlich einen Bürojob in einer amerikanischen Firma aus. Ich hasste sowohl die Firma als auch meinen Job. Zu allem Überfluss traf ich auch noch auf einen Vorgesetzten, der Mobbing perfekt beherrschte und es liebte, Intrigen in die Welt zu setzen. Man konnte ihm die Freude förmlich ansehen, die er verspürte, wenn er seine Mitmenschen quälte und leiden sah. Sein Führungsstil zeichnete sich durch maßlose Arroganz und Ignoranz in ganz besonderer Weise aus. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass ich zu ihm ein gestörtes Verhältnis pflegte und ihn nicht ausstehen konnte. Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine regelrechte Aversion gegen ihn, die Firma und den Job, eine Aversion, die wohl tiefer in mein Unterbewusstsein eingedrungen war, als ich mir das je hätte vorstellen können.

Zunächst setzte sich meine Welt jedoch nur langsam und Stück für Stück zusammen. Als ich dann irgendwann eine sanfte Stimme neben mir hörte, vermochte ich auf einmal meinen Kopf ein klein wenig zu drehen und blickte in ein Gesicht, welches mir völlig fremd war. Leicht irritiert versuchte ich zu verstehen, was vor sich ging. Es dauerte, bis ich das weibliche Gesicht zuordnen konnte. Wahrscheinlich zeigte ich eine Reaktion, denn die Frau begann zu lächeln und wirkte dabei sehr freundlich. Mit einfühlsamer Stimme sprach sie zu mir, doch was sie sagte, weiß ich nicht mehr. Mir wurde unbehaglich, als sie mit einer Hand an meinen Hals griff. Ich spürte, wie sie ein Pflaster wegriss. Im nächsten Augenblick beobachtete ich, wie sie mit einem Plastikröhrchen hantierte und damit an meinem Hals herumstocherte. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Darauf hörte ich zischelnde Geräusche, die sich anhörten, als würde Flüssigkeit abgesaugt – es tat weh. Ich hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte. Ich wollte etwas dazu sagen und stellte fest, dass ich kaum einen Ton herausbrachte, aber ich konnte nicht nachvollziehen, warum das so war. Die gesamte Prozedur war mir äußerst lästig und ich war froh, als die Frau damit fertig war und ging. Danach lag ich wieder teilnahmslos da, in der unendlichen Leere.

Während eines weiteren lichten Moments nahm ich dieselbe Frau erneut neben meinem Bett wahr, hörte ihre beruhigende Stimme und sah ihr Lächeln. Dabei fiel mir auf, dass sie grüne Kleidung anhatte, die ich irgendwo schon einmal gesehen hatte, aber wo? Wiederholt beugte sie sich über mich, riss mir ein Pflaster vom Hals und saugte Flüssigkeit mithilfe eines Plastikröhrchens ab. Als sie damit fertig war, beobachtete ich, wie sie das Plastikröhrchen, welches an einem Schlauch befestigt war, in einen Apparat steckte. Endlich begriff ich, dass ich in einem Krankenhausbett lag und die Frau eine Krankenschwester war. Vielleicht assoziierte ich mit den zischelnden Geräuschen und dem Plastikröhrchen Erinnerungen an vergangene Zahnarztbesuche. Diese ernüchternde Erkenntnis drang jedoch nur langsam zu mir durch und verunsicherte mich. Das alles wurde mir zu viel, ich schaltete ab und starrte die weiße Wand an.

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