19. November 2019

'Over The Rainbow: Die Traumwelt' von Uwe Tiedje

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Uwe Tiedje
Eine Fantasiegeschichte, für alle, die ihre Träume noch nicht verloren haben.

Seitdem die Träume der Menschen immer schwächer werden, sieht auch die Traumwelt ihrem Untergang entgegen. Um das zu verhindern, schicken die Bewahrer – Wesen, die für die Erhaltung verschiedener Bereiche dieser Welt zuständig sind – einen grauen Wolf und ein weißes Einhorn zu den Menschen. Sie sollen die beiden aufspüren, die in ihren Träumen der Fantasie noch freien Lauf lassen.

So finden sich Nic und Nora in einer ihnen fremden Umgebung wieder, in der sie sich dem Kampf gegen Todesfeen und finstere Druiden stellen müssen. Bis Nora Gefahr läuft, sich in einem Traum zu verlieren …

Leseprobe:
Es beginnt …
Er war da, seit der Schöpfung, seit Anbeginn allen Lebens. So lange er denken konnte, kümmerte er sich um die Erde, die Lebewesen, die Pflanzen, die Gewässer, um alles, was war.
Früher existierten noch andere, wie er, vor Urzeiten, nach der Schöpfung. Doch nun gab es nur noch eine Handvoll von ihnen.
Er stand hoch oben, auf seinem Lieblingsplatz, nahe dem Ort, an dem er geboren wurde. Ein Geschöpf aus Erde, aus Wasser und Feuer, aus Luft und Sternenstaub. Dieser Berg war seine Ruhestatt. Hier wanderte er durch seine Gärten, hegte und pflegte sie.
Doch heute Nacht war er ruhelos hierhergekommen. Er spürte, wie sich etwas verschob. Ein Ungleichgewicht der Kräfte. Oben am Nachthimmel fand er sein Gefühl bestätigt. Ein neues Sternbild zeigte sich dort.
Schreck und Schmerz erfüllten sein Innerstes und wühlten ihn emotional auf. Er sah hinauf zu denen, die einmal waren, nahm ihr Leuchten in sich auf, linderte mit ihrem Strahlen sein Leid ein wenig.
Starker Wind kam auf, peitschte über das Land, beugte die mächtigen Wipfel seiner Bäume, so als spüre die Natur, dass sich etwas veränderte. Es begann zu regnen, erst wenige Tropfen, dann eine wahre Sturzflut. Sie nässte seine Erde. Der Wind fegte in Böen daher, jagte die Regenschauer vor sich her. Dunkle, drohende, schwarze Wolken wallten über den Berg.
Doch an der Stelle, an der er stand, war es vollkommen windstill. Kein Regen fiel, hier war es sternenklar. Über ihm, inmitten der brodelnden Wolkendecke, war ein Loch, durch das er die Sterne klar und deutlich sehen konnte. Wie ein strahlendes Auge inmitten pechschwarzer Finsternis.
Sein langes weißes Haar umrahmte ein altes, zerfurchtes Gesicht. Blaue, gütige Augen schauten unter dichten, weißen Augenbrauen hervor und ein langer, weißer Bart zierte sein Kinn. Eingehüllt in ein braunes Gewand, die Farbe der Erde, gestützt auf seinen Stab, stand er da und sah hinauf zu den Sternen.
Zuerst sah er nur einen winzigen, schwarzen Punkt, der sich vor den drei vollen Monden abhob. Der Punkt bewegte sich, kreiste, kam immer näher. Nur schemenhaft nahm er die Umrisse wahr. Doch er brauchte kein klares Bild, um zu wissen, wer da kam. Wie er selbst war sie schon immer da, hütete wie er, pflegte. Auch sie schien die Veränderung zu spüren.
Nahe bei ihm landete der schwarze Pegasus. Majestätisch schwebte er heran, die mächtigen Flügel schlugen und erzeugten Wind, der das lange, weiße Haar des Bewahrers wie eine Fahne wehen ließ. Sanft setzte er auf, so als landete er auf einer weichen Wolke und nicht auf harter Erde. Die Flügel hielten inne, der Kopf mit der langen schwarzen Mähne verneigte sich vor ihm und leises Schnauben begrüßte den Bewahrer.
Eine Gestalt in schwarzem Gewand, der Farbe der Nacht, und dunkler Kapuze stieg vom Rücken des Pegasus, setzte die Füße ins feuchte Gras und kam mit leichten Schritten, fast schwebend zu ihm herüber, in der Hand einen Stab, schwarz im Gegensatz zu seinem grünen.
Er deutete eine Verbeugung an und seine Lippen bewegten sich nicht, als er sie begrüßte.
»Bewahrerin.«
Sie lächelte und nickte. Auch sie deutete eine Verbeugung an und er hörte ihre Stimme in seinen Gedanken.
»Bewahrer.«
Nun lächelte auch er. Nur die wenigen, die noch waren, sprachen auf diese Weise miteinander. Ihre Gedanken berührten sich, wenn sie sich unterhielten, und diese Berührung löste ein Gefühl der Freude in ihm aus, dass er seit langem vermisste.
»Eine lange Zeit, Bewahrerin, seit wir uns zuletzt trafen.«
»Nur ein Moment, Bewahrer, ein Moment in der Ewigkeit. Was ist schon Zeit für solche wie uns?« Er hob seinen Stab und deutete zum Nachthimmel.
»Du hast es auch gesehen?«
Sie schaute hinauf, nickte und ihr Gesicht verzog sich schmerzhaft.
»Ja ich sehe es, konnte sie jedoch nicht daran hindern. Meine Aufgabe ist es, die Sterne zu bewahren, so wie du die Erde, und doch konnte ich gegen dieses neue Sternenbild nichts unternehmen.«
Er nickte und schaute sie besorgt an.
»Das Sternbild der Todesfeen. Niemand kann etwas dagegen tun. Sie sind dunkle Elfen, sind da seit Anbeginn der Zeiten. Nur sie selbst können etwas tun … «
Entschieden schüttelte die Bewahrerin der Sterne den Kopf. Tiefe Traurigkeit stieg in ihr auf.
»Sieh dir nur unsere Sterne an, ihr Leuchten verblasst. Die Träume der Menschen – sie gaben ihnen einst Kraft. Einst strahlten sie hell und leuchteten uns in der Nacht. Immer weniger Träume erreichen uns, die Menschen sind zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.
Doch um zu deinen Worten zurückzukehren, nicht nur sie selbst können uns helfen. Lass uns die finden, die in der Lage sind hinüberzugehen. Sie können dafür sorgen, dass dieses Sternbild verblasst, vergeht für lange, lange Zeit.«
Er schaute in ihre nachtschwarzen Augen, nicht überzeugt von ihren Worten. Doch sie war eine wie er, er vertraute ihrer Überzeugung.
»Auch ich spüre, dass die Träume weniger werden. Die Menschen verändern, verwüsten meine Welt, indem sie meine Elemente nutzen, sich selbst zu vernichten. Sie verbrauchen meine Kraft, die ich aufwenden muss, um zu regenerieren, was sie zerstören. Tod und Elend – so viele, die gehen müssen vor Ihrer Zeit. Schau hinauf, wie viele Sterne täglich hinzukommen. Aber dennoch, es gibt welche unter ihnen, die ihre Träume nicht verloren haben, sie tragen sie tief in sich verborgen. Wenn diese ihre Träume wiederfinden, können sie hinüber.«
Traurig blickte die Bewahrerin in sein altes, zerfurchtes Gesicht.
»Es kostet dich viel, schau dich an.«
In Gedanken sah sie ihn bei ihrer letzten Begegnung vor sich, sah das jungenhafte, wunderschöne Gesicht. Entschlossen trat sie zu einer Senke, rief ihn zu sich und nahm seine Hand.
»Lass uns hier den Zauber wirken. Er soll sie finden und ihnen helfen, zu ihren Träumen zurückzufinden, damit sie uns und allen anderen helfen können.«
Sie streckte den Stab vor und stieß ihn in die Erde. Schwarzes Licht färbte die Erde, bildete einen Kreis. Der Bewahrer der Erde lächelte, nahm seinen Stab, stieß ihn ebenfalls in die Mitte des Kreises, der sich mit strahlendem, grünem Licht füllte. Die beiden hielten sich an den Händen, hielten mit der anderen ihre Stäbe und stimmten einen uralten Gesang an, in einer Sprache, die längst von dieser Welt verschwunden war.

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