21. November 2019

'Tiranorg: Schwertverrat' von Judith M. Brivulet

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Judith M. Brivulet
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»Wir kämpfen aus dem Untergrund, fügen den Schlangenanbetern an allen möglichen Stellen Schaden zu. Dazu brauchen wir Waffen und Verbündete. Wir müssen sie ständig an den verschiedensten Orten angreifen, dürfen nicht ruhen. Ich nenne es die Taktik der Nadelstiche.« (Esmanté d’Elestre, Schwertmeisterin)

In Tiranorg spitzt sich die Lage zu. Kaum aus Gwyn Nogkt entkommen, werden Esmanté, Loglard und ihre Kameraden von dem Drachen Blutschatten gejagt. Überraschend bieten die Koadeck ihre Hilfe an. Aber können die Gefährten ihren ehemaligen Feinden vertrauen? Sind die Waldgeister die geeigneten Führer auf den verlassenen Pfaden der Zwerge?

Währenddessen formieren sich ihre Gegner. Esmanté und Loglard erkennen, dass sie das Blatt nur wenden können, wenn sie alte Feindschaften überwinden und im Kampf neue Wege beschreiten.

Die alles entscheidende Frage lautet: Wer findet das mächtigste Artefakt von Tiranorg?

Dritter und letzter Band der High Fantasy Saga 'Tiranorg'.

Leseprobe:
Ärger, nichts als Ärger

»Morgen brechen wir auf. Jede Faser meines Körpers sagt mir, dass hier etwas nicht stimmt«, erklärte Sigrith an diesem Abend und fuhr sich durch die kurzen Haare. »Egal, wer mitkommt, ich verschwende nicht noch mehr Zeit.«
»Die Jäger aus dem Dorf sagen, dass es noch Tage lang schneien wird. Das ist vollkommen normal für diese Jahreszeit in den Bergen«, hielt Kharem dagegen.
Er war der Einzige, der unbeeindruckt von Sigriths Launen seine Auffassung vertrat. Na gut, auch ich hielt meistens nicht mit meiner Ansicht hinter dem Berg, was natürlich wenig dazu beitrug, die Spannungen zwischen Sigrith und mir zu mildern.
Mit gemischten Gefühlen blickte ich von einem zum anderen. Wir saßen in Amarachs Küche um den großen Tisch, alle gezeichnet vom Kampf gegen die verdammten Schwarzmagier. Sigrith, blass und mit geröteten Augen, versuchte, zu verbergen, wie sehr ihn die Brandwunden immer noch schmerzten. Kharem saß wie so oft neben Mira. Normalerweise heiterte meine Freundin eine Gesellschaft gern mit guten Geschichten und zweifelhaften Witzen auf, aber seit Téfors Verrat brütete sie fast immer vor sich hin. Uth wirkte zufrieden, er hatte wieder einen Platz neben Eobar ergattert. Noreia schmiegte sich an Loglard und las in einem Buch.
Ein Schneesturm jagte den anderen, rüttelte an den dicken Mauern von Gwyn Nogkt und hinderte uns daran, Amarachs unheimliche Burg zu verlassen. Im Stillen gab ich Sigrith recht. Auch ich würde lieber heute als morgen verschwinden, denn ich traute dem Frieden nicht. Wer konnte sagen, welche Übel hier noch lauerten?
Seit gestern war unsere Stimmung noch bedrückter. Wir hatten Pert begraben. Loglard war nichts anderes übrig geblieben, als zusammen mit Uth und Kharem unter Zuhilfenahme ihrer Zauberstäbe etwas abseits vom Turm eine schmale Stelle vom Schnee zu befreien. In einer kurzen Zeremonie hatte er Perts Seele der Großen Mutter empfohlen. Ein dunkelroter Blitz aus Loglards Zauberstab hatte die Leiche viel zu schnell verbrannt. Eine ehrenhafte Beisetzung, wie sie dem Anführer der Gwydd-Bogenschützen zugestanden hätte, sah anders aus.
»Lasst uns weiterspielen«, schlug ich vor, um mich abzulenken.
Kharem nickte, schickte sich an, zu würfeln. In diesem Augenblick schrien Loglard und Sigrith gleichzeitig auf, sprangen hoch und hielten sich die Seite.
Nur einen Moment später stürmte Fiom herein. »Unter uns sind so komische Geräusche. Die Koadeck ist halb verrückt vor Angst, aber ich verstehe nicht, was sie sagt«, keuchte er völlig außer Atem.
»Kümmere dich um Noreia, Fiom! Ihr beiden bleibt bei der Koadeck«, befahl Loglard mit verzerrtem Gesichtsausdruck.
Aus seiner Hand floss das rote Heilende Licht, mit dem er Sigrith und sich selbst über die schmerzenden Stellen fuhr.
»Eobar, geh mit den Kindern!« Kaum hatte ich den Satz zu Ende gesprochen, nahm meine Schülerin Noreia an der Hand und bedeutete Fiom vorauszulaufen. Mary, unsere Wichtelin, erschien aus dem Nichts und schwebte hinterher.
Loglard rannte los, dicht gefolgt von Sigrith, Uth und Kharem. Mit einem komischen Gefühl im Bauch schloss ich mich Mira an. Welche Überraschung bescherte uns Amarach jetzt wieder?
Die Gward folgten einer für mich unsichtbaren Spur, eilten die Treppen hinab in den Eingangsbereich, dann zu einer Tür, die mir bisher nicht aufgefallen war. Das war kein Wunder, da eine lebensgroße Statue des nackten Weingottes sie verdeckte. Hinter der Tür erwartete uns ein schmaler Treppenabgang in den Keller. Falls auch dieser Gang zum Wehrturm führte, würden wir nicht weit kommen, denn der war verschüttet.
»Groß, verflucht groß!«, knurrte Sigrith.
Ich fragte mich, was genau er damit meinte. Es klang nicht gut.
»Bleib hinter mir, Esmé!«
Nur ungern kam ich Loglards Bitte nach, aber falls ein magisches Wesen im Keller sein Unwesen trieb, würde ich mit meiner Schwertkunst und Kampferfahrung nicht weit kommen.
Jetzt hörten wir ein Rumpeln, ein rhythmisches Stampfen – und schließlich einen sehr, sehr tiefen Ton, der die Wände zum Vibrieren brachte.
Von Stufe zu Stufe steigerte sich das seltsame Geräusch. Ein Ächzen mischte sich hinein, das auf keinen Fall von einem Elfen stammte. Dann knirschte es, als würde etwas sehr Schweres über Kieselsteine gezogen. Im Rhythmus eines imaginären Atemzuges bebten die Grundfesten des Hauses.
»Was bei allen beschissenen Dämonen der Anderswelt ist das?«
Einerseits freute es mich, wieder etwas von Mira zu hören. Andererseits klang ihre Stimme trotz der Flüche so gefühllos, dass mir bang wurde.
Stöhnend blieb Loglard stehen. Sogar durch den Stoff des Leinenhemdes sah ich, wie mehrere Krended glühten. Sigrith sog scharf die Luft ein, was mich davon überzeugte, dass er dieselben Schutzzeichen an sich hatte wie mein Gefährte. Kharem grunzte und fluchte lästerlich. Uth war kreidebleich und gab keinen Ton von sich.
»Bleib zurück, Esmé«, wiederholte Loglard. »Keine Ahnung, was dort vorne wütet. Auf jeden Fall verfügt es über mächtige Magie.«
»Von mir aus!« Schulterzuckend ließ ich die Gward vorbei.
Sogar in dieser Situation grinste mich Sigrith herausfordernd an, als er sich an mir vorbeidrückte. Kopfschüttelnd hielt ich Abstand.
Die Treppen mündeten in einen Gang. Ich fragte mich, wie das Haus der Lady du Lenn überhaupt stehen konnte, da der Untergrund so löchrig war wie Käse aus dem Süden. Lauernd gingen die Gward weiter, Loglard als Erster, dicht gefolgt von Kharem. Dabei hielten sie ihre Kampfstäbe in voller Länge nach vorne gerichtet. Erst gestern hatte mir Loglard die Funktionsweise der Stäbe erklärt. Der Einsatz der Lanzenspitze verlangte natürlich einiges an körperlicher Kraft. Noch komplizierter verhielt es sich mit der Erzeugung der Lichtsalven, denn der Stab holte sich die Energie von seinem Besitzer zurück.
Jetzt pulsierten die Griffe in ihren Händen. Für mich war es noch immer seltsam, meinen Gefährten als Kämpfer zu erleben. Wie die Dinge lagen, würde ich mich daran gewöhnen müssen. Jäh blieben sie stehen.
»Runter!«, schrie Loglard.

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