13. Dezember 2019

'Samael Rising' von Nici Hope

Kindle | Taschenbuch
Blutwut-Verlag
Sie begegnen sich im Flur.
Sie begegnen einander im Traum.
Sie begegnen Satan.


Privatermittler Matteo Martin und Gothicgirl Luna Schmidt sind eigentlich nur Nachbarn, aber zwischen den beiden scheint es eine besondere Verbindung zu geben. Während Matteo bei einer Ermittlung zum Spielball wahnsinniger Okkultisten wird, spielt Luna unwissend mit ihren magischen Fähigkeiten und geht zu weit.

Moderner Satanismus, ein ordentlicher Schuss Urban-Fantasy sowie jede Menge Blut und Sex. Abgedreht und doch bloß ein Auftakt ...

Leseprobe:
Luna - Beten
Meine Mutter war streng katholisch, bestand vehement auf ihre Religion und wirkte stets verbittert. Ihr Leben war ein Zyklus aus Beten, Beichten und Biederkeit. Wegen jeder Kleinigkeit schleifte sie mich in die Kirche. Einmal hatte ich draußen beim Spielen mein Kleid zerrissen, sodass man meine Knie und Oberschenkel sehen konnte. Es war so ein toller Sommertag gewesen. Mit den Kindern in der Nachbarschaft war ich auf Bäume und Dächer geklettert. Ein Tag mit Lakritz vom Kiosk und kindlicher Leichtigkeit. Aber als ich nach Hause kam, beschimpfte meine Mutter mich als dreckiges Luder und schleifte mich in die kalte dunkle Kirche zur Beichtbank. Ihre Worte hallten zeternd durch das Kirchenschiff: »Wie eine Hure zeigst du deine Beine. Du solltest dich schämen! Wenn du so weitermachst, holt dich der Teufel in sein Höllenfeuer!« Wie ich sie für ihren Glauben verabscheute.

Es war Anfang der Neunziger und alle Eltern kamen mir hip und cool vor, nur meine Mutter nicht. Sie klammerte sich an die Bibel und an die Kutte des Gemeindepriesters.
Sie würde verrückt werden, wenn sie wüsste, dass ich mir gerade einen neuen Vibrator gekauft habe oder das Zucken meines Beckenbodens genieße, wenn ich meinen heißen Nachbarn sehe.
Als Teenager fing ich an, mich für andere Religionen und Weltanschauungen zu interessieren, weil sich der Glauben meiner Mutter einfach nicht richtig anfühlte. Buddhismus, Hinduismus, Wicca, Esoterik und New-Age-Philosophien. Ich las diverse Bücher über Götter und Pantheons, landete später aber beim Hexentum, bei Kräuterkunde und Energien. Da bin ich bis jetzt hängen geblieben. Ich bin eine Jägerin nach altem Wissen und alten Büchern. Heute ist wieder ein Antik- und Trödelmarkt in der Stadt. Noch zwei S-Bahn-Stationen, dann bin ich da. Zwischen Krimskrams und vergilbten Bücherstapeln suche ich jedes Mal das Gleiche: Informationen über Magie, Heilkunde und Übernatürliches.
Ketzerei und Teufelszeug, würde meine Mutter sagen. Sie hat eine regelrechte Phobie, was diese Themen angeht, so wie ich beim Klang von Kirchenglocken eine gewisse Übelkeit verspüre. Der Klang von Zwang. Damals versteckte ich die Bücher gut, las sie heimlich mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke. Heute ist das nicht mehr nötig. Zu meiner Mutter habe ich den Kontakt abgebrochen. Sie war einfach zu negativ und zog mich mit ihrem christlichen Geschwafel nur runter. Ich bin mit neunzehn zu meinem damaligen Freund gezogen und habe neben dem Studium viel gejobbt, um auf eigenen Beinen zu stehen. Es hat funktioniert. Ich verdiene mittlerweile ganz gut mit dem Job in der Werbeagentur. Aber um ehrlich zu sein, langweilt mich dieses alltägliche Leben. Es passiert nichts. Jeder Tag ist gleich. Und genau deswegen verliere ich mich gern in Büchern, in Musik und in meinem Kopfkino. Nur dort geht es richtig ab.
An der nächsten Station muss ich aussteigen, also stehe ich auf und stelle mich neben die Tür, greife widerwillig in die Schlaufe über mir, um bei dem Gerüttel der Bahn nicht zu stolpern. Ich finde diese Schlaufen ekelhaft. Und nicht nur die. Natürlich starren mich wieder Leute an. Ich trage eine Mütze, lange offene Haare darunter, knackig kurze Shorts mit Netzstrümpfen, Chucks und einen weiten Mantel mit riesiger Kapuze. Alles in schwarz. Helles Make-up, kohleschwarz umrandete Augen und sündhaft teuren Lippenstift von Lime Crime in einem dunklen Violett. Auch wenn ich mich in keine Schublade stecken will, so sagen die Leute, ich bin ein Gothicgirl. Der Begriff stört mich nicht, aber ich frage mich, wie lange die Bezeichnung ›Girl‹ noch passt? Ich bin neunundzwanzig.
Die Blicke ignoriere ich und schiebe meine Ohrstöpsel so weit wie möglich in den Gehörgang. Auf dem Handy öffne ich eine Musik-App mit meiner Lieblingsplaylist. Die Zufallswiedergabe spielt Magic Dance von David Bowie. Das Lied zum Film Das Labyrinth, auch so etwas, das ich dank meiner fanatischen Mutter heimlich gucken musste. Wie recht Bowie doch mit dem Songtext hat. Mit Tanzen kann man sich heilen und glücklich machen.
Ich meine damit nicht Party, Saufen, Menschen. Ich meine damit, mich allein in einen Underground Club zu begeben und die ganze Nacht durchzutanzen, zu schwitzen wie bei einem Workout. Alles vergessen. Nur Tanzen, um zu tanzen. Für mich. Kein Interesse an sozialen Kontakten und Gesprächen. Betäubung und Trance durch Musik und Bewegung.
Gabrielle Roth, so eine New-Age-Tante, die mit einer Tanzmeditation bekannt geworden ist, sagt, dass Schwitzen eine Opfergabe an dein inneres Selbst sei. Sie bezeichnet Schweiß als heiliges Wasser, als Gebetsperlen, als flüssige Perlen der Befreiung und behauptet, wenn man tanzt, würde man beten. Aber nicht das Beten im Sinne meiner Mutter, sondern beten zu sich selbst, zur Ekstase. Ihre Empfehlung ist so hart, so tief, so erfüllt vom Beat zu tanzen, bis da nichts mehr ist außer eben Schweiß und Hitze. Und genauso halte ich es.

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