11. Februar 2020

'Kennwort: Roter Mohn' von Hermann Markau

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Hermann Markau
Zwei Freunde, Blankstein und Winter, haben gerade die Insolvenz einer gemeinsamen Firma hinter sich gebracht, als sie als Mitarbeiter einer großen deutschen Dachorganisation von Recyclingfirmen angeworben und nach Andalusien geschickt werden, wo sie deutschen Residenten und Touristen Beteiligungen an eben diesen Firmen verkaufen sollen. Sie haben große Erfolge und sammeln Millionen ein.

Sie bemerken jedoch bald, dass es in ihrer Firma nicht mit rechten Dingen zugeht. Man verpflichtet sie nämlich, in regelmäßigen Abständen große Geldsummen auf ein Konto bei einer Bank in Tanger einzuzahlen.

Im Laufe der Zeit werden aus Freunden Feinde, Blankstein beschließt auszusteigen und stiehlt auf der letzten Marokko-Tour die Geldtasche mit 1,65 Mio. Euro. Durch einen Zufall gelangt das Geld in den Besitz zweier nichtsahnender Deutscher, die für einige Tage in Nerja, am östlichen Rand der Costa del Sol, Urlaub machen ...

Anleser:
Algeciras war von Torremolinos ungefähr 120 km entfernt. Die Fahrt dorthin würde, einige Eventualitäten eingerechnet, fast zwei Stunden dauern. Wenn der Wagen dann auf dem großen Parkplatz vor dem Fährhafen abgestellt war, musste man noch mindestens zehn Minuten gehen, bis man die Fähre erreicht hatte. So verließen sie Torremolinos bereits kurz vor sieben Uhr, um die Fähre, die um zehn ablegen sollte, ohne großen Stress pünktlich zu erreichen.
Als Winter die Tasche von Siereck in Empfang nahm, wurde ihm ein klein wenig anders ums Herz. Er wusste, dass sich 1,2 Millionen Euro in Hundert-Euro-Banknoten in dem unscheinbaren Behältnis befanden, und malte sich aus, wie die Menge Geld gestapelt und auf dem Tisch liegend aussah. Es hatte für ihn schon immer eine faszinierende Wirkung gehabt, sich große Geldbeträge auf diese Art und Weise vorzustellen, weil sich ihm dadurch am besten die Macht dieses Gottes Mammon offenbarte, dem er still und heimlich hörig war.
An ihm, dem Geld, bewies sich für ihn, wer letzten Endes im Leben Bedeutung erlangt hatte. An ihm machte er Erfolg und Misserfolg fest, Bewunderung einerseits und Neid.
Insgeheim empfand er vor allem eines – auch und vor allem Blankstein gegenüber, der alles besser konnte als er – Neid, wenn er auch ängstlich darauf bedacht war, diesen Wesenszug seiner Persönlichkeit ja nur für sich zu behalten, immer den Ausgeglichenen zu spielen, dem es nichts ausmachte, stets in der zweiten Reihe zu stehen. Die Wahrheit sah mittlerweile anders aus.
Und so wurde ihm ein klein wenig seltsam ums Herz, als er die Tasche aus Sierecks Händen entgegennahm.
Blankstein fuhr. Die Fahrt ging an Orten mit wohlklingenden Namen vorbei, Orten, die für ihn immer schon der Inbegriff des sorglosen Lebens und des Reichtums waren: Fuengirola, Marbella, Estepona.
Als sie Estepona hinter sich gelassen hatten, schälte sich langsam ein anfangs hellgrauer, dann immer dunkler werdender kleiner Brocken aus dem Morgendunst am Horizont, der schnell an Größe gewann, je mehr sie nach Süden fuhren: Der Affenfelsen von Gibraltar.
»Was würdest du machen, wenn du soviel Geld hättest?«
Die Frage kam unvermittelt. Aber sie amüsierte Blankstein mehr, als dass die Beantwortung ihn vor Probleme stellte.
»Wieso? Ich hab´ doch fast soviel.«
Da war sie wieder, diese Arroganz. Diese feinen Anspielungen immer, dass er besser war als die anderen, vor allem als Winter.
»Im Ernst.« meinte Winter. »Auf einen Schlag 1,2 Millionen! Du müsstest nie mehr arbeiten.«
»Mein Gott! Die Arbeit gefällt mir doch«, insistierte Blankstein. »Was willst du?«
»Nichts! War nur so `ne Frage.«
Der Rest des Weges bis zur Fähre verlief so problemlos wie der Anfang der Reise. Als sie das Schiff sahen, waren sie überrascht von der Größe. Und überrascht auch von der Menge der Menschen, die mitfahren wollten. Vielen sah man nicht an, welchen Geschäften sie drüben in Afrika nachzugehen gedachten. Einige erkannte man sofort als Weltenbummler, junge Leute mit Rucksäcken, die der Zauber Marokkos vielleicht schon lange gefesselt hatte und die jetzt überprüfen wollten, ob dieser Zauber hielt, was er versprach.
Einige hofften vielleicht, günstig an Drogen zu kommen. Andere waren normale Geschäftsleute, die Handel trieben. Und viele waren Marokkaner, die mit allem möglichen und unmöglichen Zeugs die Decks der Fähre bevölkerten, um es zu Hause innerhalb der Familie zu verteilen.
Da sah man halbe Fahrräder auf Autodächern festgezurrt, Matratzen, Sonnenschirme und Kartons mit Kleidungsstücken und vieles mehr, was für die Bewohner des reichen Europa nur noch Müll war.
Um kurz vor zehn wurde das große Tor am Bug des Schiffes geschlossen. Man hörte zwei langgezogene, tiefe Sirenentöne. Und die Überfahrt begann.
Blankstein und Winter hatten im Salon eines der oberen Decks einen Sitzplatz gesucht und gefunden. Ringsherum konnte man auf das Meer sehen, als sie im Begriff waren, an Gibraltar vorbei die Bucht von Algeciras zu verlassen. Winter verabschiedete sich.
»Ich geh´ mal hoch«, sagte er und verschwand in Richtung Oberdeck.

Blick ins Buch (Leseprobe)

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