16. März 2020

'Tribut der Leidenschaft' von Laura A. Rose

Kindle (unlimited)
Verführung. Verrat. Verdammnis.

Tim tötet ungewollt seine Freundin im Streit. Bei der Polizei erhält er von einer Fremden ein Alibi, später wird diese Frau einen hohen Tribut dafür verlangen.

Tim verfällt der Frau immer mehr, im Rausch der Obsession droht er immer weiter die Kontrolle zu verlieren und ihrer Forderung nachzukommen: ihren Gatten zu ermorden.

Anleser:
Der Unfall
Er starrte auf das rote, glänzende Blut, das ihre Schläfe wie Öl hinunterrann. Das hatte er nicht gewollt! Wie konnte so etwas passieren? Sein Puls raste und er spürte seinen Herzschlag an seiner Kehle. Langsam trat er näher an sie heran. Wie sie da lag. In sich zusammengesackt, die Beine unnatürlich übereinander gekreuzt, die Arme schlaff vor ihrer Brust verschränkt. Erst hatte sie ihn weggeschubst, nein, gestoßen und dann ihre Arme schützend vor ihren Oberkörper genommen. Und er. Ja, was hatte er getan? Lediglich gewehrt hatte er sich, ein bisschen gestoßen hatte er sie. Er war wütend gewesen. Ja, aber das hatte er doch nicht gewollt. Er bückte sich zu ihr herunter, sah ihr ins Gesicht, fühlte ihren Puls an ihrem Hals und ihrem Handgelenk. Doch schon an der Art, wie ihr Handgelenk, so dünn und blass, in seiner Hand lag, wusste er, dass sie den Schlag nicht überlebt hatte. Sein Herz schien mittlerweile zu versuchen, über seinen Hals nach oben seinen Körper durch seinen Mund zu verlassen. Plötzlich merkte er, wie schlecht ihm war. Der metallische Geruch ihres Blutes stach ihm mit einem Mal in die Nase und schien sich in Sekundenschnelle im Wohnzimmer auszubreiten. Er würgte, stolperte, rammte den Glastisch beim Aufstehen und schaffte es ins Bad, noch bevor er sich übergeben musste. Vom Würgen schmerzte sein Magen und sein Rachen brannte. Dieser Geruch, die schlaffen Arme, das ölige Blut. Sämtliche Muskelkraft schien für eine gewisse Zeit gänzlich seinen Körper verlassen zu haben. Als er sich zitternd aufrichtete, mit beiden Händen erst am Toilettensitz festhaltend, dann an der Badewanne, fiel ihm auf, wie still es war. Noch vor einer halben Stunde hallten wütendes und aufgewühltes Geschrei durch die ganze Wohnung, bis dieser dumpfe Schlag und ein metallisches Klirren die Stille verkündeten. Sie wird nie wieder schreien. Nie wieder wütend sein.

Als er zurück ins Wohnzimmer ging, fiel sein Blick auf die Metallstatue, die etwa einen Meter von ihr weg lag. Es war eine Miniaturversion des Eiffelturms, aber immer noch groß genug, um höllischen Lärm zu machen, wenn sie zu Boden fiel. Nahm man den oberen Teil der Statue ab, konnte man im unteren Drittel eine kleine Kerze hineinstellen. Sie schwärmte immer schon für so einen Kitsch. In all den Jahren, in denen sie zusammenlebten, füllte sie die Wohnung immer mehr mit solchen Staubfängern. Er fand es schrecklich. Nicht modern und puristisch wie er es am liebsten hatte, aber er war selten zuhause. Sollte sie halt machen. Nur diese Figur, den Eiffelturm, hatte er ihr geschenkt. Weil sie gequengelt hatte. Die ganzen vier Tage, die sie vor vier Jahren in Paris gewesen waren. Weil er selten zuhause war, war sie ständig wütend. Immer diese Vorwürfe, wenn er nachhause kam. Dabei machte er doch überhaupt nichts. Es war sein Job, ständig in Hotels zu schlafen in stärkedurchtränkter Bettwäsche und mit einem Minzbonbon auf dem Kissen. Es war nicht seine Schuld, dass er tausende von Kilometer im Jahr fuhr, während sie gemütlich zuhause hockte und sich langweilte. Ja, er war sich sicher: Sie langweilte sich einfach und deshalb ging sie ihm ab dem Zeitpunkt, wo sein Fuß über die Schwelle trat, auf die Nerven. Als Ausgleich für seine Abwesenheit machte er so oft wie mögliche Kurzurlaube mit ihr. So wie der Vier-Tages-Trip nach Paris – die Stadt der Liebe. Und selbst da nervte sie ihn ständig. Mit dieser Miniaturversion des Eiffelturms, die sie unbedingt haben musste. Das blöde Ding war nicht mal teuer, aber sie ging ihm auf die Nerven. Er hätte niemals so einen Kitsch als Geschenk ausgesucht. An sich machte es ihm nichts aus, ihr etwas zu schenken. Auch Geld spielte da keine Rolle, aber eben nicht so einen kitschigen Scheiß. Und nicht, wenn sie ihn drängte. Damals wusste er nicht, warum er sich letztlich hatte erweichen lassen. Vielleicht wegen diesem einen Moment am zweiten Abend, als sie essen waren in der Rue de Rivoli, in einem herrlichen Restaurant. Er freute sich innerlich darauf, den bestellten Fisch zu genießen, die Spezialität des Restaurants und sie hatte sich dem Fenster zugewandt und schwieg. Dabei lächelte sie, blickte neugierig nach draußen und auf ihrer kleinen Nasenspitze schimmerte das Licht der untergehenden Sonne. Da hatte er sie angeschaut, ganz bewusst und sich erneut in ihr zartes Profil verliebt. Ihre vollen Lippen zuckten leicht, als könne sie ein Lachen nicht zurückhalten. Ihre hohen Wangen wirkten rosig und ihre langen, dunklen Wimpern schlugen zart aufeinander. Ihr Profil hatte einfach etwas Verführerisches. „Ich liebe dich“, flüsterte er damals und sie zog schüchtern die Schultern hoch. Sie konnte ihn verrückt machen. Später schafften sie es nicht einmal ins Hotel, sondern fielen in einer schmalen Seitengasse nahe dem Louvre übereinander her. An ihre lustvollen Seufzer dachte er bis heute noch gerne zurück. Sie schienen von den hohen Wänden zu hallen und ihren Weg in die Welt zu suchen. Am Morgen danach lenkte er sie mit einer Ausrede ab. Er müsse ein wichtiges Telefonat führen. Beruflich. Und sie nörgelte wieder. Bis er zurückkehrte mit einem roten, glänzenden Paket hinter seinem Rücken. Als sie erkannte, was er ihr geschenkt hatte, verstummte ihre Nörgelei.

Was für eine beschissene Ironie, jetzt wo sie neben seinem Geschenk lag, schweigend und tot. Mittlerweile hatte er die Figur aufgehoben, war ins Bad gegangen, hatte die kleinen, dunklen Blutspritzer vom Metall abgewaschen und den Eiffelturm wieder auf das Regal gestellt, von dem dieser vor gut einer halben Stunde heruntergekracht war.

Blick ins Buch (Leseprobe)

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