21. Mai 2020

'Gerechtigkeit: Kriminalroman' von Christian Wagnon

Kindle (unlimited)
Christian Wagnon bei Facebook
By the pricking of my thumbs, something wicked this way comes.

Der Satz aus Macbeth lässt Falin nicht mehr los. Ganz in der Nähe des Hauses, das er gerade gekauft hat, wird das unter einer Betonplatte versteckte Skelett einer Frau gefunden. Trotz seines Urlaub beginnt der Kommissar zu ermitteln. Etwas Böses liegt über der Gegend, es zieht im Wasser des Fleets, an dem sein Haus liegt, entlang, weht über die brachliegenden Felder und hängt wie eine düstere Erinnerung in dem Geäst der noch kahlen Bäume, gleich den Krähennestern vom vergangenen Jahr. Und in dem Maß, wie Falin versucht, in seiner neuen Umgebung heimisch zu werden, zieht ihn die Vergangenheit der anderen tief in seinen Bann.

Anleser:
Es war ein kalter Morgen. Wie oft im März hatte es noch einmal Nachtfrost gegeben, und die gefrorene Erde knirschte unter seinen Sohlen, als er in Richtung Fundort ging. Der Hof lag am Rand der Ortschaft, ein gutes Stück entfernt von den anderen Höfen. Er bestand aus einem einstöckigen heruntergekommenen Haus, dessen Verputz teilweise abgeblättert war und bei dem im Erdgeschoss die hölzernen Fensterläden halb aus den Angeln hingen, und zwei verwahrlosten großen Ställen und einem Schuppen. Offene windschiefe Stalltüren gaben den Blick frei auf verrostende Landmaschinen und Werkzeuge, zerfallende Viehkoben und leere gähnende Heuböden. Der Wind trieb Laub vor sich her, das sich überall verfing und kleine Nester bildete, und die Krähen, die auf dem nahegelegenen Feld auf dem frostigen Boden nach Nahrung suchten, ähnelten schwarzen Klumpen auf dürren Beinen, seltsam zusammengestaucht und in sich gekehrt. Der Ort hatte etwas Trostloses, was zu dem Anlass passte, wegen dem Falin hier war.

Karlsson unterhielt sich mit zwei Männern, die unweit von der Absperrung auf einer niedrigen Steinmauer saßen, und kam herüber, als er ihn kommen sah. „Gut, dass du so schnell kommen konntest. Die Tote liegt drüben im Schuppen.“
„Was ist passiert?“
„Ihr wurde der Schädel eingeschlagen.“
Falin trat in den Schuppen und schaute auf das Skelett herab. Die Knochen waren lose zu einer Körperform sortiert. Der Gerichtsmediziner hielt ihm den Schädel entgegen. „Ein Hammer oder die stumpfe Seite eines Beils.“
„Wie alt? Ich meine, wie lange liegt sie schon hier?“ Der Mann im weißen Schutzanzug zuckte die Achseln. „Schwer zu sagen … Sehr gut erhalten. Können wir sie einpacken?“
„Ja.“
„Diese beiden da drüben auf der Mauer sind die neuen Besitzer des Hofs“, sagte Karlsson. „Offenbar haben Tiere die Erde aufgewühlt. Füchse, Wildschweine, was auch immer.“
„Mit Sicherheit eine Frau?“
„Höchstwahrscheinlich.“

Die neuen Besitzer waren zwei Brüder, die außer dem Zeitpunkt des Fundes nichts weiter zu sagen hatten. Sie hatten genügend viele Krimis gelesen und im Fernsehen gesehen, um zu wissen, dass sie für die nächste Zeit auf ihrem neuen Hof nicht viel würden erledigen können, und überlegten bereits laut, ob man vielleicht sogar versuchen sollte, den Kauf rückgängig zu machen, und wie wenig ihre Frauen begeistert sein würden, dass ihr neues Zuhause, in dem ihre Kinder spielen und aufwachsen sollten, Schauplatz eines Mordes gewesen war, wenn auch vielleicht vor vielen Jahren.
Falin schickte sie nach Hause.

Einer der Polizisten, ein hagerer jüngerer Mann mit schütterem hellen Haar, passte ihn ab, als er in den Schuppen zurückgehen wollte „Ihr Kollege wollte wissen, wer hier früher wohnte“, sagte er. „Die letzten Eigentümer waren zwei Schwestern, die den Hof gemeinsam geerbt haben. Die ältere ist vor sechs Monaten gestorben. Die jüngere Schwester wohnt und arbeitet schon seit ein paar Jahren in der Stadt. Adresse und Telefon steht hier auf dem Zettel. War nicht mehr oft hier, seitdem sie damals wegzog. Mochte den Ort nicht. Ihre Schwester wohnte bis zu ihrem Tod im Haus da drüben im Erdgeschoss. Der obere Stock wurde nicht mehr benutzt, seitdem der Vater gestorben war. Muss auch innen ziemlich heruntergekommen sein inzwischen. Wurde ja nichts mehr gemacht in den letzten Jahren hier auf dem Hof.“ Er reichte ihm den Zettel.
„Sie sind aus der Gegend?“ fragte Falin. Der jüngere Mann nickte.
„Das ist gut“, sagte Falin.
Der andere runzelte die Stirn, als überlegte er, was genau das bedeuten sollte, dann verabschiedete er sich mit einem Kopfnicken. Falin sah ihm nach, wie er im Gehen energisch seine Kappe zurechtrückte und machte, dass er zu seinem Wagen kam. Es wirkte wie eine Flucht, aber die Umstände waren auch nicht so, dass man es ihm verdenken konnte.

Blick ins Buch (Leseprobe)

Labels: ,

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite