15. Juni 2021

'Der Unbefugte' von Lynn J. Moran

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
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Alles, was Sie schon immer über die moderne Job-Welt wissen wollten!

Rufus LeBlanc ist ein Nichtsnutz, wie er im Buche steht. Ausgestattet mit dem IQ eines Hochbegabten und gleichzeitig zu zerstreut, um sich die Schuhe zu binden, erntet er im Leben nichts als Kopfschütteln. Schon in jungen Jahren setzt er sich ein ehrgeiziges Ziel: Jeden Beruf der Welt wenigstens einen Tag lang auszuprobieren. Seine Ausflüge in die moderne Arbeitswelt enden stets in einem Fiasko. Ob vor Lachen oder vor Weinen: Rufus LeBlanc lässt kein Auge trocken.

Wer sich schon immer gefragt hat, welchen skurrilen Problemen die Generation Y, die Millenials in der modernen Jobwelt ins Auge sehen müssen, für den ist dieses kleine, schonungslose und absolut (rotz-)freche Buch ein Must-have!

Anleser:
An einem Wochenende irgendwann zu der Zeit, als ich meine neu auserkorene Ausbildungsstelle noch nicht angetreten hatte, lud mich einer meiner Ex-Studienkollegen namens Peer zu sich in sein kleines Bausparer-Paradies ein. Wir saßen mit seiner Familie in einem etwa kaninchenstallgroßen Gärtchen hinter einer minzgrün gestrichenen Doppelhaushälfte, seine Frau servierte sündhaft teuren Bio-Kombucha und Peer grillte bei Bestlaune 99-Cent-Steaks auf einem 4000-Euro-Elektrogrill, der den halben Rasen ausfüllte.
Seine zwei Kinder (5 und 7) bewarfen sich gegenseitig mit ihren neuen iPads und rannten kreischend um uns herum, während Peer und ich uns über alte Zeiten unterhielten.
Es war für mich ein höllisch gemütlicher Abend. Ich war froh über die warme Mahlzeit und es tat mir gut, Peers Stimme zu hören. Es war die Stimme eines Mannes, der einen gut überschaubaren Weg eingeschlagen hatte und gewillt war, diesen stolz und munter bis zum Ende seiner Tage zu gehen. Auf dem Campus hatte Peer gern Retro-Sportschuhe und zerschlissene Hoodie-Pullover getragen. Jetzt steckte sein etwas unförmiger Torso in einem petrolfarbenen Pollunder und an seiner rechten Hand schnürte sich ein eng gewordener Ehering in seinen Finger. Er erzählte viel von seiner Arbeit als Human-Resource-Manager und er war drauf und dran, mich nach ein paar Drinks noch einmal durch sein Haus zu führen, um mir alles zu zeigen. Er hatte schlichtweg vergessen, dass er die Besichtigungstour mit mir schon gleich zu Beginn zweimal durchexerziert hatte und ich erinnere mich, dass ich mir zwischendurch auch immer wieder kilometerlange Bilderstrecken von Peers neuem Auto auf seinem Smartphone ansehen musste, obwohl es ja gleich nebenan in der Garage stand.
Ganz nebenbei: Peers Auto war ein leistungsstarker Kombi in einer Farbe namens Braun-Metallic. Eine perfekte und zugleich zutiefst kastrierte Mischung, ein gequälter Kompromiss aus Sportwagen und Familienkutsche. Es machte mir nichts aus, mir mit ihm die Bilder rauf und runter anzusehen. Ich war fröhlich, weil ihn die ganze Nummer absolut selig machte.
Peer war wie ein kleiner Junge, der einem zeigte, was er alles zu Weihnachten bekommen hatte. Der Unterschied bestand darin, dass um seine molligen Mundwinkel zusätzlich noch das Siegerlächeln eines arrivierten Ausgewachsenen, eines Büro-Alphamännchens spielte. Für alle die nicht wissen, was ein HR-Manager tut: Früher nannte man Peers Beruf einfach Mitarbeiter der Personalabteilung. Seit das zweckmäßige Denglisch in allen Branchen Einzug gehalten hatte, wurden aus dem Personal schließlich Human Resources, was soviel wie menschliche Rohstoffe, Menschenmaterial bedeutet. Just for your Information. FYI.
Irgendwann zu späterer Stunde, als das schwere Essen und Peers anfänglich funkensprühender Elan ihren Tribut forderten, legte sich eine ernste Nachdenklichkeit auf sein erhitztes Gesicht. Wir hatten uns nach drinnen begeben und saßen träge in der Sitzgruppe vor dem Flatscreen-Fernseher, der größer war, als das Bett, in dem ich für gewöhnlich schlief.
»Was man so hört, bist du noch nicht wirklich sesshaft geworden«, sagte er und ächzte in den Designer-Sackleinen-Polstern.
»Stimmt«, sagte ich gähnend. »Man probiert sich so aus.«
Peer lehnte sich zurück und sah mit seinen müden und leicht geröteten Schweinsäuglein seiner Frau nach, die gerade zwei Schüsseln mit Tapas-Resten abtrug. »Ein Mann in einem gewissen Alter, Rufus, ohne Familie und ohne etwas, das ihm gehört. Ohne etwas, auf das er bauen kann. Klingt für mich alles ziemlich gewagt.«
Ich war beschwipst von dem Sangria-Verschnitt, den wir uns seit geraumer Zeit hinter die Binde gossen und verstand nicht so recht, worauf er hinaus wollte. Meine Laune war ungetrübt. Ich war zwar müde, aber auch überdreht und fühlte mich dazu aufgelegt, blödes Zeug zu reden. Ich hatte das irgendwie missverstanden. Ich dachte, dass genau darin das Spiel bestand, das wir zu unserer Belustigung als nächstes spielen würden und dass auch Peer in einer albernen Laune war. »Wie meinst du das, gewagt?«, fragte ich näselnd.
»Du fährst volles Risiko, mein Freund«, sagte er. »Du hast kein Haus gebaut, keinen Baum gepflanzt und das alles. Es gibt viele, die dich dafür bewundern, hast du das gewusst? Bei den Jahrgangstreffen, bei denen du nie auftauchst, bist du praktisch Dauergespräch.«
»War mir nicht bewusst.«
Er nickte vielsagend. »Kannst du ruhig glauben. Die reden mit Hochachtung von dir, als wärst du ein Outlaw, der letzte Renegade. Rufus, unser König der Freigeister. Ich hab denen gesagt, dass das alles Quatsch ist. Dass du deine wahre Berufung einfach noch nicht gefunden hast und dass du deinen Weg bestimmt bald irgendwie machen wirst. Manche brauchen einfach bisschen länger, hab ich recht?«
»Ich fürchte, ich weiß nicht so gaaanz genau, was du meinst, Partner«, kicherte ich naiv und dämlich vor mich hin und musste aufstoßen. Im Hintergrund ging irgendwo ein iPad zu Bruch und ein Kind schrie wütend auf das andere ein.
»Ich will damit sagen, wir alle hatten mal ’ne wilde Phase. Manche bleiben ’ne Zeit lang drauf hängen, glauben, dass sie ewig jung sind und dass das Leben eine Party ist, oder was weiß ich. Aber früher oder später rücken alle in den Hafen ein. Darauf kannst du einen lassen.«
»Hafen?«
»Du sagst es. Es ist nichts Verwerfliches daran, wenn man am Anfang ’n bisschen rudert. Quasi ohne Orientierung. Das is uns allen so gegangen. Sieh mal, ich hatte ’nen Kumpel, der unbedingt Künstler, Bildhauer oder irgend so ’n Lulli-Kram werden wollte. Hat immer davon gefaselt, dass das seine Bestimmung ist und dass er nur das machen kann. Nur das! Ganz einfach weil es das einzige ist, wobei er wirklich Leidenschaft entwickeln kann. Ich hab ihm gesagt, dass das Bockmist ist. Jetzt hat er Kinder und verdient vernünftiges Geld. Zwar nur in Teilzeit, aber immerhin. Ich hab ihm gesagt, siehst du, man muss nur wollen, Kollege. Wenn man nur das machen kann, wofür man Passion, Spaß und Trallalla entwickelt, wo würden wir dann hinkommen, mein Alter? Genau. Ins Chaos, mein Freund. Reine Anarchie. Es gibt einfach Leute, die das nicht kapieren. Die können nicht bis drei zählen.« Er klopfte mir ein bisschen zu fest auf die Schulter und rieb sich über die verschwitzte Stirn.

Blick ins Buch (Leseprobe)

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