9. August 2021

'Unfried: Die Courage der Ungehorsamen' von Reinhard Skandera

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Franz Unfried wandert gegen seinen Willen im Jahre 1904 mit der Familie aus dem zu Österreich-Ungarn gehörenden Sudetenland in die Industrieregion an Rhein und Ruhr aus. Er ist 14, muss mit dem Vater am Hochofen der Knesebeck Werke schuften, um die Familie zu unterstützen. Durch Zufall lernt er die Fabrikantentochter Ariane Knesebeck kennen und Rochus von Malotki, den Sohn des Polizeipräsidenten der Provinz Rheinland. Sie ist ihm durch Ehrenwort der Familienoberhäupter versprochen.

Nach dem Rausschmiss bei den Werken, heuern er und der Vater Joseph auf einem Binnendampfer an, der Richtung Rotterdam pendelt. Er lernt Maik kennen, der sein Freund wird und großen Einfluss auf ihn hat. Der Vater stirbt bei einem Verladeunfall, sodass Franz die Verantwortung für die Familie übernehmen muss. Er verliebt sich in Ariane, die jedoch inzwischen mit Rochus verlobt ist. Der Verdienst auf dem Schiff reicht nicht, um die Familie durchzubringen. Maik überredet ihn zum Zigarettenschmuggel. Rochus wird zum Leiter der Sondereinheit gegen den Schmuggel ernannt. Franz gerät mit dem Kartellboss Richter aneinander. Die Familie muss fliehen, da auch sie bedroht wird. Ariane Knesebeck überwirft sich mit dem Vater, der sie aus dem Haus verweist. Franz gerät in höchste Gefahr. Maik verfolgt inzwischen eigene Pläne, die er mit allen Mittel zu realisieren versucht. Die Gemengelage zwischen den vier jungen Leuten spitzt sich dramatisch zu.

Der historische Familienroman erzählt eine Geschichte von der Suche nach dem Glück, die mit Träumen beginnt. Irgendwann kommt sie in der Realität an. Trotz aller Widerstände bietet die Industriegesellschaft dem armen Teil der Menschen Chancen. Es bedarf Mut und Kampfgeist, um sie zu nutzen.

Es ist auch ein Gesellschaftsroman, der die Lebensbedingungen der Menschen nach der Jahrhundertwende im deutschen Kaiserreich zeigt. Die Startchancen jungen Menschen waren absolut unterschiedlich. Kinder des Adels und des vermögenden Bürgertums mussten nur durch die Türen gehen, die man ihnen öffnete. Arbeiterkinder, die der Anhängigkeit und Armut entfliehen wollten, mussten für ein unabhängiges Leben hart kämpfen.


Anleser:
20 Kilometer weiter bedrängte ein hochgradig nervöser Rochus Jörg Richter. Dem dämmerte, dass sie übel hereingelegt worden waren. Er fluchte wie ein Rohrspatz: „Der kleine harmlose Unfried legt mich nach allen Regeln der Kunst rein. Die Zigaretten sind beim Stangel, dem verfluchten Hund, ein Vornehmtuer a la Unfried, darauf verwette ich meinen Arsch. Der Unfried wird die Tollkühnheit, einen Jörg Richter zu verarschen, schon bald bitter bereuen. Jetzt muss ich hier weg, bevor der bekloppte Rochus die Handfesseln herausholt.“
Rochus Vorfreude verwandelte sich in Enttäuschung gepaart mit Unsicherheit. Er würde ohne Erfolg mit der Mannschaft in das Kommissariat zurückkehren. Böse Vorahnungen durchzuckten ihn, vergeblich versuchte er, sich zu beruhigen.
„Ich trage nicht die Schuld am Scheitern der Aktion. Den schmutzigen Deal mit Richter fädelte mein Vater ein, er muss die Verantwortung für den Fehlschlag übernehmen, mir kann das Keiner anhängen.“ Insgeheim wusste Rochus, die Vorstellung baute eher auf einer Illusion als einer denkbaren Realität. Wenn irgendetwas schief ging, an dem Achim Anteile besaß, gelang es ihm immer, einem Anderen den Mist vor die Tür zu kehren. Nicht ein einziges Mal hatte er nur einen Bruchteil der Schuld auf sich genommen. Die Tatsachen spielten nicht die geringste Rolle. Rochus hielt nach Jörg Richter Ausschau, den er festnehmen wollte, vergeblich, der Kartellboss hatte das Weite gesucht. Jörg kehrte nicht in die Kneipe zurück, sondern fand Quartier bei einer Dame, die ihm seit Jahren bekannt war, die ein Lokal betrieb, das nicht für die gute Speisekarte gerühmt wurde. Morgen würde er die Belsemänner aufsuchen. Männer, die für ihn schon viele Inkassoaufträge zu seiner Zufriedenheit ausgeführt hatten.
Jan und Maik näherten sich den Niederlanden, Jan in allerbester Stimmung, Maik quälten Gewissensbisse, weil er den Freund hintergangen hatte. Während er schwieg, erzählte ihm Jan, dass er schon bald einen zweiten LKW anschaffen wird, um die Strecke Rotterdam Oberhausen regelmäßig zu fahren.
Für Rochus kam es, wie es kommen musste, Achim von Malotki schob ihm die Schuld am Misslingen der Aktion zu. Es gab keinen Grund. Achim tat es einfach, weil er es tun konnte. Der Sohn fasste in der Nacht einen grausamen Entschluss.

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