30. September 2014

"Buddha hat Aua!" von Jörg von Rohland

Eine bayerisch-vietnamesische Hochzeit mit Hindernissen. Zum Lachen und manchmal auch zum Weinen ist die tragisch-komische Liebesgeschichte „Buddha hat Aua!“ von Jörg von Rohland. Seinen Schritt vom alten, eintönigen Leben in Deutschland in ein völlig neues in Vietnam beschreibt er in dem mit zahlreichen Fotos garnierten biographischen Roman schonungslos. Unterhaltsam sind seine naiven Beobachtungen in einem fremden Land, das er bis dahin nur als Rucksacktourist kannte. Kurzweilig und selbstironisch berichtet der Autor auch von den Reisen davor, die ihn durch mehrere Länder Südostasiens führten. Mit einem Kumpel schlitterte er auf diesen von einer Katastrophe in die nächste.

In Vietnam lernt Jörg durch einen unglaublichen Zufall seine spätere Frau kennen. Die Gefühle fahren Achterbahn, wenn er sie verlassen muss und wieder zu ihr zurückkehrt. Bis zur Hochzeit bei Ho Chi Minhs Erben ist es ein langer, steiniger Weg. Vier Monate dauert es, bis die Behörden grünes Licht geben: nach einer satten Schmiergeldzahlung an das zuständige Volkskomitee. Aus dem frisch vermählten Paar wird in kürzester Zeit eine Großfamilie, mit der es von Deutschland aus wieder und wieder nach Vietnam geht. Vom Wunderheiler bis zur Wahrsagerin probiert die Familie dort alles aus. Wie sich letztlich zeigt: mit Erfolg.

Nebenbei erzählt der Autor, was in Vietnam alles im Argen liegt: Armut und Korruption an erster Stelle. Einen erhobenen Zeigefinger werden die Leser dabei aber vergeblich suchen. Dafür finden sie liebenswerte Protagonisten, die in Vietnam leben und leiden.

Gleich lesen: Buddha hat Aua! - Bayerisch-Vietnamesische Hochzeit mit Hindernissen

Leseprobe:
Fünf Jahre, bevor meine Tochter uns im ganzen Dorf bekannt machen sollte, war noch nicht abzusehen, dass ich einmal eine Familie haben werde. Der Gedanke lag in weiter Ferne. Mein Leben war zu dieser Zeit entsetzlich langweilig. Vor allem das Privatleben. Sechs Jahre hing ich nun schon in einer Beziehung mit einer Gutachterin, die meinen Hund mehr mochte als mich. Das Liebesleben war schon am Anfang der Beziehung mau. Sie hatte einfach keinen Spaß daran. Irgendwann ließen wir es ganz sein. Meine Abende verbrachte ich jahrelang mit den Sexy Sportclips vor dem Fernseher. Wir lebten nebeneinander her und empfanden es mit der Zeit als völlig normal.
Bewegung sollte in mein Sexualleben kommen, als ich zusammen mit meinem Kumpel Olli einen Kurztrip unternahm – wir wollten irgendwohin, wo es warm ist. „Raus aus Deutschland, und zwar möglichst schnell“, sagten wir uns. „Last Minute“ war das Naheliegendste: Am Flughafen in München fragten sie uns, was wir wollen. „Meer und Strand“, war unsere klare Ansage. „Und Nachtleben, wollen Sie auch Nachtleben?“ „Na klar wollen wir Nachtleben.“ Der freundliche junge Mann am Schalter legte uns das thailändische Pattaya nahe: „Da haben Sie alles!“ Zwölf Stunden später saßen wir im Flugzeug Richtung Thailand. Etwas erstaunt waren wir schon von den vielen alleinreisenden Männer im Flugzeug, aber letztlich war uns egal, wer mit uns flog. Wir freuten uns, endlich dem eintönigen Leben in Deutschland zu entkommen – sei es nur für eine Woche. Im Hotel in Pattaya angekommen, fielen uns als erstes die Kondome, die in unserem Zimmer auf dem Kühlschrank lagen, ins Auge. Langsam dämmerte uns, was der Mann am Flughafen unter „Nachtleben“ verstand. Es kam mir gerade recht: Nach den enthaltsamen Jahren, die hinter mir lagen, war Pattaya für mich eine Erlösung. Ich ging aus dem Hotel und betrat das Paradies. Nach wenigen Minuten hatte ich das Gefühl, begehrt zu werden. Dass die Begierde der jungen Frauen, die mir in den Bars und Nachtclubs um den Hals fielen, vor allem meinem Geldbeutel galt, war mir gleichgültig. Ich geriet in Trance, fühlte mich endlich wie ein echter Mann und lebte all meine Phantasien aus, die ich bis dahin nur aus dem Fernsehen kannte. Und ich schämte mich noch nicht einmal dabei.
Die Woche war kurz. Viel zu kurz, um zu begreifen, was geschehen war. Zurück in Deutschland, schämte ich mich dann doch, obwohl es keinen Grund dafür gab. Dass mein zufälliger Ausflug ins Reich der Sinne reine Notwehr war, wurde mir erst viel später klar. Ich lebte das langweilige Leben weiter. Die Gutachterin war wieder da, und die Erotik kam wieder aus dem Fernseher.

Wir überließen es dem Zufall und ließen den Finger auf die Karte Südostasiens fallen. So kam es, dass Olli und ich ein Jahr darauf nach Kambodscha flogen. 14 Tage hatten wir Zeit. Wir genossen die zwei Wochen mit allem, was dazugehört, ließen Angkor Wat links liegen und berauschten uns an den abgelegenen Tempeln jenseits der Touristensammelstellen. Dieses Mal waren wir keine langweiligen Pauschaltouristen, die sich in Pattaya an den Strand oder (wie ich) in fremde Betten legten. Wir schnallten unsere Rucksäcke um und stürzten uns in ein Abenteuer, ohne den blassesten Schimmer zu haben, was uns erwartet.
Wir wählten eine Reiseroute, die nur wenige Touristen einschlagen. Von Bangkok ging es mit dem Sammeltaxi zur südwestlichen Grenze von Kambodscha. In dem Örtchen Hat Lek gingen wir zu Fuß über die Grenze – wir waren die einzigen. Den Grenzbeamten mussten wir dabei hoch und heilig versprechen, dass wir kein SARS haben und auch sonst nichts Böses im Schilde führen. Dann standen wir in der Region Koh Kong, eine als gesetzlos geltende Provinz, die vom Rest des Landes weitgehend abgeschnitten ist und als Paradies für Schmuggler gilt. So stand es zumindest in unserem Reiseführer, der ausdrücklich vor der Region warnte. Noch viel gefährlicher als die Schmuggler sollen die Malaria-Mücken von Koh Kong sein, gegen die laut Reiseführer keine Pille der Welt mehr etwas hilft. Die Keime, die die Viecher übertragen, sind „resistent“, stand da geschrieben.
Vielleicht war es ein Schmuggler, der nicht wusste, wohin mit seinem Geld, oder ein Wahnsinniger: Irgendjemand war auf die phantastische Idee gekommen, in genau dieses Gebiet ein riesiges Grandhotel namens "Koh Kong International Ressort Club" mit 300 Betten zu bauen. Wir waren die einzigen Gäste und der Swimmingpool war leer. Trotzdem betrachteten wir jede Mücke mit großem Misstrauen und reisten so schnell weiter, wie es nur ging.
Ein besonderes Erlebnis in Kambodscha war auch die Bootsfahrt auf dem Tonle Sap – ein Fluss, der sich in der Monsun-Zeit auch gerne in eine endlose Seenlandschaft verwandelt. Das Speed-Boot, innen mit Einheimischen vollgestopft und einer Reihe von extrem coolen Travellern an Deck, legte in der Hauptstadt Phnom Penh ab. Sein Ziel: Siem Reap, die Stadt vor dem berühmten Angkor, das heutzutage auch ein beliebtes Ziel von Pauschaltouristen ist. Der Kapitän hatte offensichtlich kräftig einen über den Durst getrunken: Kurz nach dem Ablegen steuerte er seinen Kahn auf das linke Ufer des Tonle Sap zu, das bedenklich näher kam. Statt den Rückwärtsgang einzulegen oder gegenzusteuern, gab er Vollgas. Was den Bootsführer dazu bewogen hatte, blieb sein Geheimnis. Wahrscheinlich war er nicht nur besoffen, sondern auch bekifft. Der vollbesetzte Touri-Dampfer rauschte ungebremst in die Böschung und blieb in bedrohlicher Schieflage hängen. Die Traveller hatten einiges ihrer Coolness eingebüßt und schrien um ihr Leben. Wer letztendlich den Rückwärtsgang einlegte und den Kahn unfallfrei nach Siem Reap steuerte, war nicht mehr herauszubekommen. Es war auch egal: Wir waren um ein Abenteuer reicher.
Das Schöne an der Reise durch Kambodscha war das Unvorhersehbare. Davon hatte sie jede Menge zu bieten: Nach dem Genuss einer selbstgedrehten Zigarette und einer Moped-Fahrt zu einem abgelegenen Angkor-Tempel fühlte ich mich mitten im Film „Tomb Raider“. Zu meinem Glück fehlte nur noch Angelina Jolie. Aber der Anblick war auch so umwerfend genug: Die Baumriesen, deren Wurzeln wie Krakengebilde über die alten Gemäuer wuchern, wirken schon auf Bildern beeindruckend. Wer selbst davorsteht, versinkt in Demut.

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