"Küss mich wach (Tales of Chicago 1)" von Mila Summers
Eigentlich hielt Stacy es für eine gute Idee, dem lukrativen Stellenangebot Hals über Kopf zu folgen. Die Seifenblase zerplatzt schnell, nachdem sie vor Ort feststellen muss, dass der Job bereits vergeben ist. Ohne einen Penny in der Tasche fasst sie einen folgenschweren Entschluss und reist per Anhalter weiter. Mitch Havisham, Anwalt aus Memphis, nimmt sie mit nach Chicago. Während der Fahrt macht er ihr ein unmoralisches Angebot und lässt nicht locker, ehe sie schließlich einwilligt …
Dieser Teil ist Band 1 der Tales of Chicago. Band 2 erscheint im Herbst 2015. Alle Teile sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
Gleich lesen: Küss mich wach (Tales of Chicago 1)
Leseprobe:
Tante Anne hatte mich gewarnt. Hätte ich doch nur auf sie gehört. Aber nein, ich musste ja mal wieder meinen Dickkopf durchsetzen. Und was hatte ich nun davon? Ich saß in einer Kleinstadt im Mittleren Westen fest. Das Einzige, was mich daran hinderte den erstbesten Flug nach Hause zu nehmen, war mein geschundenes Ego, das sich die Niederlage nicht eingestehen wollte.
Immer und immer wieder las ich die wenigen Zeilen auf dem fettverschmierten kleinen Zettel in meiner Hand, meinem Fahrschein in ein neues, aufregendes Leben. Allzu gerne folgte ich der Verheißung. Die Bedingungen klangen einfach zu verführerisch. Zwei freie Tage die Woche und bezahlte Überstunden waren in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit.
Mit dem Geld wäre es mir ein Leichtes gewesen, den Kredit abzubezahlen, den ich dank Mike noch immer tilgen musste. Was mich damals geritten hatte, für diesen Vollidioten den Schuldschein zu unterschreiben, weiß ich bis heute nicht.
Eigentlich trug ich selbst die Schuld daran. Hals über Kopf war ich losgestürmt, um mir den Job zu sichern. Dummerweise ohne meine Referenzen im Gepäck. Viel schlimmer wog allerdings die Tatsache, dass ich wohl vergaß, meine Bewerbungsunterlagen abzuschicken.
Tante Anne versuchte mich noch händeringend an einer überstürzten Abreise zu hindern, aber ich konnte einfach nicht aus meiner Haut. So war ich nun mal: planlos, neugierig und von nichts und niemandem zu bremsen. Früher halfen mir diese Eigenschaften. Besonders nach dem Tod meiner Eltern musste ich schnell lernen, mich alleine durchs Leben zu schlagen.
Als alleinstehende, ältere Dame stellte sich Tante Anne – damals bereits weit über siebzig – der Herausforderung, ohne zu wissen, was ein sechzehnjähriger Teenager für ein Chaos anrichten konnte. Völlig resigniert ließ sie mich irgendwann einfach machen.
Das Motel, in dem ich mir ein Zimmer nahm, hatte seine besten Jahre weit hinter sich gelassen. Die Fugen im Bad waren so schwarz, dass man fast annehmen könnte, es gehöre so. Die Fenster ließen vor Schmutz kaum Sonnenlicht in den kleinen Raum, wobei dieser Umstand vielleicht gar nicht so schlimm war. Mir reichte das, was ich sehen konnte, bereits vollkommen aus.
Die Bettdecke roch muffig und war von Brandlöchern übersät. Irgendetwas in der Wand schabte wie wild und versuchte, sich offenkundig einen Weg in den Raum zu verschaffen, der sich seit heute mein neues Zuhause schimpfte.
Mein Geld reichte nur für ein One-Way-Ticket. Für das Loch, in dem ich hauste, musste ich die letzten zwanzig Dollar auf den Tisch legen. Es half nichts, den Kopf in den Sand zu stecken und in Selbstmitleid zu versinken. Ich brauchte einen Plan, wie ich aus dem Schlamassel herauskam, ohne Tante Anne um Hilfe bitten zu müssen.
Eigentlich wollte ich mich gleich nach meiner Ankunft bei ihr melden. Doch dann fuhr ich zuerst zu meinem vermeintlichen Arbeitsplatz. Nach der Absage fehlte mir die Energie, mich Tante Annes sicher gut gemeinten Belehrungen zu stellen. So zögerte ich das Gespräch immer weiter hinaus.
Das schlechte Gewissen nagte an mir, aber mein Stolz wollte einfach nicht klein beigeben. Mit meinen Anfang zwanzig überragte mein Dickkopf den meines Dads um Längen. Ein Charakterzug, auf den ich gerne verzichtet hätte.
Was für Optionen blieben mir noch? Mein Geld war, bis auf die wenigen Pennys, die wahrscheinlich in meiner Tasche neben den Kaugummis und Taschentüchern schlummerten, aufgebraucht. Warum war ich nur so überstürzt aufgebrochen? Wie sollte ich nur die Durststrecke bis zu meinem ersten Gehaltsscheck überbrücken?
Nur weg. Das war alles, was mir durch den Kopf ging, als ich Mike mit Amanda in der kleinen Bar sah. In diese Bar, nur wenige Blocks von Tante Annes Haus entfernt, führte er mich damals bei unserem ersten Date aus.
Er ließ seinen Charme spielen und erhielt dafür bereits am ersten Abend, was er wollte. Ich war nicht stolz darauf und sonderlich bequem war sein alter Chevi auch nicht wirklich gewesen. Aber, hey? Man ist nur einmal jung. Oder?
Ach, Quatsch. Es half nichts, die Dinge zu beschönigen. Mike hatte vom ersten Moment an eine unglaubliche Ausstrahlung auf mich. Ich fühlte mich magisch von ihm angezogen. Klingt abgedroschen, entspricht aber tatsächlich der Wahrheit.
Oh, Mann. Als wäre mein Leben nicht schon kompliziert genug. Jetzt musste ich mich auch noch der Tatsache stellen, dass ich noch etwas für das Arschloch empfand.
Aber ich war ja selbst schuld. Wie ein Lemming war ich hopsend zur Klippe geeilt, um mich möglichst wagemutig in die Tiefen zu stürzen, sodass es alle gut sehen konnten.
Wieder einmal versuchte Tante Anne mit Engelszungen auf mich einzureden. Ohne Erfolg. Ich machte, was ich für richtig hielt, und stand nun mit 5.000 Dollar in der Kreide. Dumm gelaufen oder shit happens. Egal, wie man es drehte und wendete, ich hatte es selbst verbockt.
Vor nicht einmal einem Jahr beendete ich die Uni mit Auszeichnung und dennoch konnte ich keinen Job finden. Dass es nicht leicht werden würde, war mir von Anfang an klar. Doch so schwierig hatte ich es mir nicht vorgestellt.
Die wirtschaftlichen Probleme des Landes hatten den Museen den Geldhahn abgedreht. In solchen Zeiten gab es keine Mittel für Einrichtungen, die meist keinen Gewinn abwarfen. Als Museologin blieben mir da nicht viele Alternativen. Daraufhin bemühte ich mich um andere Stellen, die allerdings nur im weitesten Sinne zu meinem Fachgebiet zählten. So erging es mir auch mit dem Job als Archivarin in dem kleinen Stadtarchiv.
Wie ein Wink des Schicksals hatte ich es aufgefasst, als ich in der Zeitung die Anzeige las. Erst am Abend zuvor war ich auf Mike und Amanda getroffen.
Ich verfasste schließlich das Anschreiben, packte all die angeforderten Unterlagen in den Anhang und ging auf Senden. Zumindest glaubte ich, dies getan zu haben. Bei genauerer Durchsicht meines Emailaccounts fiel mir allerdings auf, dass ich lediglich einen Entwurf gespeichert hatte.
Die Dame am Empfangsschalter versuchte mich zu trösten, indem sie mir mitteilte, dass der Job ohnehin bereits unter der Hand vergeben worden war. Die Ausschreibung diente lediglich zur Einhaltung der Vorschriften.
Ja, und jetzt stand ich da und wusste nicht so recht, was ich mit mir anfangen sollte. Mir fehlte der rechte Schwung, die Sache anzupacken und mich aus dem Schlamassel zu ziehen.
Es half nichts. Der Tag war lang genug gewesen und versprach keine nennenswerte Besserung. Ich schlug die muffige Bettdecke zur Seite, legte mich in voller Montur auf das vergilbte Laken und zog die Beine an den Körper. Ich wagte es nicht einmal, die Schuhe auszuziehen. Zutiefst ekelte ich mich vor den Gerüchen und den Fantasien, die mir bezüglich des schäbigen Raumes durch den Kopf schossen.
Irgendwann in dieser Nacht fand ich dann doch in den Schlaf und träumte von dem Leben, wie es sein sollte, wie ich es mir sehnlichst wünschte und stets darauf hoffte, dass es so kommen möge. Ein Prinz auf einem weißen Pferd spielte darin keine unbedeutende Rolle.
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Mehr über und von MIla Summers auf ihrer Website.
Labels: eBooks, Frauen, Liebe, Mila Summers
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