"Geburt eines Helden (Basaltblitz 1)" von Markus Tillmanns
Was würdest du tun, wenn du über Nacht zum Superhelden wirst? Der schüchterne Nick liest leidenschaftlich gerne Superman, Batman, Spiderman, Arrow, Flash, X-Men und Wolverine. Eines Tages - nachdem er versehentlich einen Kometen gegessen hat - verwandelt er sich selbst in einen Superhelden. Nick ist begeistert! Doch schon bald muss er feststellen: Wo ein Superheld ist, da sind die Superschurken nicht weit. Und dann ist da noch dieser merkwürdige Durst nach Blut, der nach jeder Heldentat größer wird …
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Leseprobe:
Nick hatte eine Scheißangst vor der Dusche.
Er war nur ein schmächtiger, blonder Junge vor dem Tor zur Hölle. Die Hölle, das war die Schwimmhalle. Und darin lauerte die Dusche, die ihn umbringen würde. In der Männer-Umkleide hockte sie und wartete wie ein Schwarm hungriger Piranhas auf seine hilflose Beute. Ihr gieriges Rauschen war bis hier draußen zu hören. In dem Geräusch des herabprasselnden Wassers flüsterte die dämonische Dusche: Du entkommst mir nicht! - Heute mache ich dich fertig! - Davon erholst du dich nie wieder! ...
Nick presste den Rucksack vor den Bauch, als hätte er Bauchschmerzen. Wären es doch nur Bauchschmerzen! Aber das Problem saß viel tiefer. Er hielt den Eastpak fest umschlungen, seine Nägel verkrallten sich in den Unterarmen.
Und das Schlimmste: Er konnte sich nicht mal mehr krankmelden.
Um den Problemen zu entgehen, hatte er das so oft getan, dass sein Klassenlehrer Mama zur Schule bestellt hatte. Von dem Gespräch war sie ziemlich wütend nach Hause gekommen. Du wirst nie wieder blaumachen, hast du mich verstanden? Nie wieder!
Also litt er nun und sah dem unumstößlichen Untergang entgegen.
Seine Hinrichtung hatte in der Pause begonnen. Er blieb im Klassenraum, obwohl das eigentlich verboten war. Aber er versteckte sich gerne hier vor den anderen. Er war so in Sicherheit und er hatte seinen Frieden. Das Geschrei vom Pausenhof drang nur gedämpft herein und er konnte in aller Ruhe Comics lesen. Avengers, Iron Man, oder zur Not auch Justice League - wenn ihn niemand störte, schaffte er genau eine Ausgabe bis zum Klingeln.
Doch heute hatte ihn jemand gestört. Sven Fellenberg kam rein. Er war nicht auf herkömmlichem Weg gezeugt worden. Svens Eltern hatten ihn aus einem Katalog für Unterwäsche-Models ausgeschnitten. Zumindest sah er so aus. Er war einen halben Kopf größer als Nick, braungebrannt und sportlich bis in den letzten Muskel. Nick zuckte zusammen. Sven über den Weg zu laufen, verhieß normalerweise nichts Gutes. Aber jetzt war er ohne seine Leute unterwegs. Er machte keine spöttische Bemerkung und grinste auch nicht. Er guckte Nick nur kurz an und sagte »Hi«.
Nicht Hi, Arschgesicht.
Nur Hi.
Das war so ungewöhnlich, dass Nick nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte. Er zögerte viel zu lange, bis er endlich mit »Hi« antwortete. Nun wirkte es doof.
Sven beachtete ihn gar nicht. Er ging zu seiner Tasche und begann, darin herumzuwühlen.
Nick tat so, als würde er seine Iron-Man-Ausgabe weiterlesen. Verstohlen blickte er alle paar Sekunden hinüber. Sven fummelte in seinen Sachen rum. Wäre Sven nicht Sven und Nick nicht Nick, hätte er einfach fragen können, was der andere da machte. Aber Sven war eben Sven. Sobald man Sven fragte, bekam man eine auf die Fresse. Und Nick war Nick und hatte ständig Angst, eine auf die Fresse zu bekommen.
Wenn er jetzt so darüber nachdachte, hätte er viel lieber eins auf die Fresse bekommen. Das Ergebnis wäre nun eine blutige Nase oder ein blaues Auge. Das würde wieder weggehen. Doch er hatte sich leider keine eingefangen und stand stattdessen hier und wartete. Wartete darauf, dass die Dusche ihn vernichtete.
Sven hatte ihn plötzlich angesehen. Nick versenkte den Kopf im Comic. Scheiße, zu spät!
»Willst du auch mal?«, fragte Sven.
Nick starrte ihn an wie ein Rehkitz in dunkler Nacht die Autoscheinwerfer. Wenn Sven ihn überhaupt mal etwas fragte, dann nur Bist du schwul, oder was? Jetzt hielt er eine Tupperdose in der Hand. Und es sah tatsächlich so aus, als ob er ihm den Inhalt anbieten würde.
Nick musste irgendwie reagieren. Schnell, bevor es peinlich wurde. Er schüttelte den Kopf.
Sven zuckte mit den Achseln. Er zog aus einer ganzen Tüte voller Plastiklöffel einen raus. Mit dem spachtelte er eine punktierte Masse aus der Dose in den Mund. Er kaute nicht. Er schloss die Augen und nuckelte sie langsam. Als sie völlig weg war, öffnete er die Augen wieder. »Geil!«
Nick versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Aber er kämpfte mit sich. Das war Sven Fellenberg. Sven, der ihm im letzten Jahr den Rucksack ins Schulklo ausgekippt hatte. Sven, der Nicks Unterhose aus der Schwimmtasche genommen und ans Drei-Meter-Brett gehängt hatte. Es gab immer noch Fotos davon auf Facebook. Man konnte deutlich den Spongebob vorne drauf erkennen. Doch es war auch Sven, den alle ganz toll fanden. Jedes Mädchen in der Stufe, das eine Party feierte, fragte zuerst Sven, ob er kommen wollte. Selbst die älteren Mädchen eine Klasse höher rissen sich um ihn. Und die Jungs fraßen ihm aus der Hand. Er hatte normalerweise ständig seine Clique um sich. Wenn Sven sich das neue iPhone kaufte, hatten eine Woche später alle übrigen ebenfalls das neue iPhone.
Stellte er sich mit dem Anführer besser, konnte das ein Ticket raus aus Verarsch-mich-Hausen sein. Die anderen hörten auf Sven. Er bräuchte nur eine Bemerkung zu machen wie: He, Leute, das ist mein Kumpel Nick. Und es würde ihn nie wieder jemand belästigen.
Nick kratzte sein bisschen Mut zusammen. »Was hast du denn da?«
»Komet«, sagte Sven. Er schob sich einen Löffel zwischen die Zähne und nuschelte: »Komet - blaue Grütze. Einfach genial.«
»Cool.« Nick wusste, dass das zu wenig war. Er müsste jetzt irgendetwas sagen. Etwas Kluges. Oder etwas Witziges. Damit Sven merkte, dass es sich lohnte, sein Kumpel zu sein. »Die schmeckt bestimmt toll.« Oh, nein! Das war weder klug noch witzig. Das war ein Volltrottel-Satz, mit dem ein Volltrottel praktisch ausrief: Seht alle her, ich bin ein Volltrottel!
Sven mahlte auf dem Brei rum. Er schluckte genüsslich. Dann grinste er mit lila Zähnen. »Willst du wirklich nicht probieren?«
»Doch.«
Nick schob den Comic zu den anderen in den Rucksack. Hauptsächlich, um kurz nachdenken zu können, was er jetzt tun sollte. Er durfte auf keinen Fall wieder wie ein Idiot dastehen.
Betont lässig ging er hinüber.
Sven fischte für Nick einen eigenen Löffel aus der Tüte und steckte ihn in die lila-blaue Masse. Nick bediente sich. Das Zeug zerging auf der Zunge. Es war glibbrig-süß und lecker und schmeckte irgendwie nach Beeren.
»Und?«
»Geil!«
Sven boxte ihn vor die Brust, dass man die Rippen krachen hörte. »Weißt du, eigentlich bist du gar nicht so übel.« Und er grinste sein gewinnendes Sven-Fellenberg-Grinsen. Nur ein bisschen violetter.
Im Kindle-Shop: Geburt eines Helden (Basaltblitz 1)
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Labels: Fantasy, Markus Tillmanns
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