6. Juli 2016

'Fernweh zum Glück' von Kerstin Böhm

Eine gescheiterte Liebe im Rücken, den Koffer in der Hand – Welt ich komme!

Bislang hat die 26-jährige Lena nur von fernen Ländern geträumt, doch weiter als nach Südtirol ist sie nie gekommen. Als sich ihr Mann von ihr trennt, bucht sie spontan eine Weltreise. Bloß weg! Bei ihrem ersten Stopp in Thailand begegnet sie Roman, der sie prompt an ihren Ex erinnert. Und dann nimmt er auch noch dieselbe Route ... Was sie jedoch nicht weiß: Auch der so lässig wirkende Roman versucht, sein altes Leben hinter sich zu lassen.

Ein Liebesroman für alle, die sich gern in die Ferne träumen. „Fernweh zum Glück“ nimmt den Leser mit auf eine Fahrradtour durch Bangkok, zu einem Tuk-Tuk-Rennen in Angkor, einem Surfkurs in Down Under und einer Wanderung auf dem Inka Trail.

Gleich lesen: Fernweh zum Glück

Leseprobe:
Thailand, Bangkok Flughafen
Lena trat durch das eiskalte Gebläse des Flughafenausgangs von Bangkok und prallte gegen eine Wand aus flirrender Hitze, Feuchtigkeit und Kerosingeruch.
Warum hatte sie nicht einfach eine Österreichreise gebucht? Das hätte für den Anfang doch vollkommen gereicht. Eine kleine Hütte am Neusiedler See, ähnliche Sprache, gleicher Kulturkreis, Palatschinken, Wiener Schnitzel, Sachertorte … Aber nein, es hatte ja weiter weg sein müssen. Weiter weg von ihm.
Sie ließ ihren Rucksack auf den Boden gleiten und riss den Reißverschluss ihrer Fleecejacke auf. Noch gestern hatte sie der flauschige Stoff vor der nassen Oktoberkälte geschützt, nun war er wie ein Schneeanzug in der Dampfsauna. Nach fünfzehn Stunden schlaflosen Flugs, umgeben von hupenden Taxis und brummenden Fliegern, fiel es Lena schwer, sich zu konzentrieren. Sie atmete tief durch und rief sich die Abschiedsworte ihrer Mutter ins Gedächtnis: „Der Weg um die Welt geht auch nur Schritt für Schritt, Liebes.“ Welcher Schritt kam also als Nächstes? Lena schaute auf den zerknitterten Reiseplan, den sie tief in ihre Jeanstasche geschoben hatte, um ihn ja nicht zu verlieren: „10:30 Uhr: Pickup Liang, Exit 3, Bangkok Airport. Transfer to Bamboo Hostel, Chinatown.“
Nun stand Lena am Ausgang drei und fragte sich, wie sie einen Herrn oder eine Frau „Liang“ erkennen sollte. Sie sah sich suchend um. Mehrere Touristen hievten ihre Hartschalenkoffer aus einem Bus; eine Gruppe Taxifahrer saß auf dem Bordstein und rauchte.
„Taxi?“ Ein freundliches Gesicht lächelte sie an.
„No, thank you. Pickup. Liang?“ Ihr Englisch reichte nicht für vollständige Sätze.
„Aaaahhh.“ Ihr Gegenüber lächelte und nickte eifrig, was Lena kurz hoffen ließ. Doch dann drehte er sich um und schlenderte zu den anderen Taxifahrern.
Lena hatte nicht die geringste Ahnung, was sie nun tun sollte. Sie setzte sich auf die Randsteine eines Blumenbeets und legte ihre Stirn auf die Unterarme. Vielleicht hatte Lukas doch recht gehabt. Sie gehörte nach Altdorf und nicht in seine große Welt.
Erneut studierte Lena den Ablaufplan ihrer Reiseagentur für Thailand, in der Hoffnung, doch noch einen versteckten Hinweis zu finden. Zu Hause hatte die Liste so geordnet und einfach ausgesehen, aber schon beim ersten Punkt hatte Lena herausfinden müssen, wie grob all die Angaben waren: Hinter einer knappen Auflistung von Flugnummern und Flugzeiten steckten Check-ins, Sicherheitskontrollen, das Finden des Gates und Gepäckbands sowie das mehrfache Einscannen ihres Ticket-Barcodes. Und das war nur einer von über zwanzig Agenda-Punkten für Thailand. Danach folgten noch weitere sieben Länder mit weiteren sieben Listen.
„Miss Langmark or Miss …?“ Lena hörte eine zarte Männerstimme, aber ein zerfleddertes Pappschild, auf dem in gekritzelter Handschrift „Liang Pickup Service“ stand, versperrte ihr Sichtfeld.
„Yes, Langmark.“ Das Schild sank nach unten, und eine Reihe weißer Zähne und zwei lachende Augen strahlten ihr entgegen. Lena atmete auf.
„Sawadtii khap.“ Der kleine Thailänder im Poloshirt legte seine Handflächen vor der Brust zusammen und deutete eine Verbeugung an.
Lena konnte nicht anders, als sein herzliches Willkommenslächeln zu erwidern. Erleichtert trabte sie hinter ihm her auf einen Kleinbus zu, während er ihren schweren Rucksack schleppte.
„My name is Bob. Take a seat. I will go and search for the others.”
Hatte er gesagt, sie würden noch andere mitnehmen?
Lena sah sich im Bus um. Das weiße Kunstleder der Rückbänke war abgeschabt, und an manchen Stellen quoll der gelbe Füllstoff heraus, die Gummimatten im Fußraum waren mit Staub bedeckt. Sie hatte die Basic-Klasse bei World-Travel gebucht und tataaa: Hier war sie. Auf eine Klimaanlage konnte sie wohl auch nicht hoffen. Lena öffnete das Fenster, um sich Erlösung zu verschaffen, doch jetzt drang zu der gleißenden Hitze auch noch Straßenlärm in den Wagen. Trotzdem konnte sie seit dem Abflug zum ersten Mal loslassen, denn Punkt drei auf der Liste war lediglich eine Informationsveranstaltung in der Lobby. Das sollte sie hinbekommen. Langsam entspannte sich ihre Kiefermuskulatur und der Stress wich allmählich ihrer Müdigkeit. Sie wehrte sich nicht länger, schob ihre Fleecejacke unter den Kopf und machte die Augen zu.

*

Roman musste sich erst wieder daran gewöhnen, in der Economy Class zu sitzen. Die letzten Jahre hatte er mit aller Selbstverständlichkeit in den breiten Sesseln der Ersten Klasse Platz genommen und sich dem Rundum-Wohlfühlprogramm hingegeben. Jetzt aber kribbelten seine Füße, die aus Platzmangel andauernd eingeschlafen waren, und sein Magen knurrte, da er den Pappe-ähnlichen Kartoffelbrei und das zähe Rindfleischragout nicht herunterbekommen hatte. Aber so war das jetzt nun mal. Er würde sich wieder daran gewöhnen. Roman fischte seinen Rucksack vom Band, hob mit seiner Kreditkarte 8000 Baht ab und schrieb dem Fahrer Bob eine SMS, dass er ein paar Minuten später kommen würde. Er wollte sich erst noch ein leckeres Thaicurry besorgen.
Dreißig Minuten später lief Roman auf den weißen Kleinbus zu, auf den Bob gezeigt hatte, bevor er sich auf die Suche nach den letzten Gästen aufgemacht hatte. Roman nahm bereits aus der Entfernung die schlanke Silhouette einer großen, rothaarigen Frau wahr. Neben ihr stand ein etwas kleinerer, stämmiger Typ mit Baseballkappe. Als Roman sich näherte, drehte sich die Rothaarige um und ließ ihren Blick ungeniert von Kopf bis Fuß über ihn hinweggleiten. Nach der ausgiebigen Prüfung formten ihre Lippen ein wohlwollendes Lächeln; ein gezielter Augenaufschlag lud ihn zum Flirten ein.
Roman mochte selbstbewusste Frauen. Sie waren ihm ebenbürtig und merkten schnell, was sie von ihm erwarten konnten: nicht allzu viel.
„Hey. Ich bin Ben. Wie geht’s?“, begrüßte ihn der Cappy-Typ.
„Roman.“ Er ergriff Bens Hand und nickte. Danach drehte er sich zu der Rothaarigen um, die betont unbeteiligt in ihrem Louis-Vuitton-Täschchen kramte: „Und du bist?“
„Victoria.“ Wieder ein Augenaufschlag.
„Mich hat sie anders begrüßt“, kommentierte Ben die Szene, ohne eine Miene zu verziehen.
Roman lachte.
„Stimmt. Das hat sie“, bestätigte Victoria, strich sich eine Locke hinters Ohr und ließ Roman einen weiteren „Flirty-Blick“ zukommen.
Victoria hätte ganz wunderbar in sein altes Leben gepasst. Diese Sorte Frau begegnete einem en masse auf Banker-Partys oder Schickimicki-Empfängen. Sie waren sexy, charmant, rochen nach teurem Parfum und wussten Geld zu schätzen. Ab und an ließ er eine von ihnen für einen kürzeren Zeitabschnitt in sein Leben. Es waren immer nur unverbindliche On-Off-Beziehungen, am liebsten mit verheirateten Frauen, denn für echte Nähe fehlte es ihm an Zeit.

Im Kindle-Shop: Fernweh zum Glück

Mehr über und von Kerstin Böhm auf ihrer Website.

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