19. September 2016

'Immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel' von Frank Didden

Tobias Renneisen, 35 Jahre alt und ein diplomierter Musterabsolvent des deutschen Bildungssystems, ist kürzlich nach Bremen gezogen, um dort nach längerer Arbeitslosigkeit endlich wieder einem nützlichen Erwerb für seinen Lebensunterhalt nachzugehen. Was als hoffnungsvoller Start in ein sinnvolleres und vor allen Dingen „geregelteres“ Leben beginnen soll, entpuppt sich sehr schnell zu einem Weg in die sinnlose Regelung des besonderen Chaos.

Klabautermann GmbH ist der Name seines neuen Arbeitgebers und unter dem selbstgefälligen und herrschsüchtigen Geschäftsführer F.S. Mester ist dies nicht nur Name, sondern auch Programm mit Weisungsbefugnis. Streng nach dem Motto: „Wenn´s nicht so traurig wär, könnt´ man drüber lachen“ schildert dieser Roman mit einem weinenden, aber bitte schön auch mit einem großen lachenden Auge, was so alles passieren kann, wenn der Klabautermann umgeht. Was so alles passieren kann, wenn innerbetriebliche, prozess-übergreifende Umstrukturierungsvorhaben und Gewinn-maximierungsmaßnahmen ihren allzu realistischen Schabernack treiben. Was so alles passieren kann, wenn irgendwann, und steht die Flut noch so hoch, keine Handbreit Wasser unterm Kiel zu finden ist.

Gleich lesen: Immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel: Die Klabautermann Ge-ähm-be-Ha

Leseprobe:
Bremen sollte also nun das Ziel meiner weiteren Bemühungen sein, die bekanntlich im Falle eines Umzugs auf einen zukommen. Die relativ kurz gestaltete Wohnungssuche im Rahmen eines Kurzaufenthaltes in meiner neuen Heimat, brachte eine schnuckelige, kleine Wohnung hervor, direkt in einem angesagten Bremer Stadtteil nahe dem Stadion des genannten Fussballvereins. Teilweise eingerichtet, bot sie für mich die ideale Option auf möglichst schnellem Wege mit verhältnismäßig geringen Kosten den erforderlichen Stadtwechsel vorzunehmen.
Die Planung für den Umzug nahm daher auch sehr schnell Gestalt an. Meine nicht übermäßige Habe sollte auf, einem kleinen handelsüblichen Transporter geladen, von meinem Bruder in die Hansestadt gefahren werden, während ich selbst mit meinem eigenen Auto vorneweg fahren würde. Soweit war die Planung hieb- und stichfest. Pflichtbewusst kam mein Bruder dann auch am Vorabend des Umzugs, also am Freitag den 31. August, mit besagtem Transporter zu mir und wir luden meine Habseligkeiten ein. Mit gazellengleicher Agilität war dies auch in strammen drei Stunden erledigt. Der Transporter war beladen. Alles war gepackt. Alles, bis auf mein Fahrrad. Natürlich. Ein Teil hat man bekanntlich ja immer. Das letzte Teil wollte einfach nicht passen. Sowie das letzte Bier am darauffolgenden Tag grundsätzlich das Bier war, was schlecht war, stellte sich das Fahrrad als das Teil heraus, was allem Anschein nach nicht mit nach Bremen wollte. Überflüssig zu erwähnen, dass mein Bruder und ich die Angelegenheit wie echte Männer angingen. Bier auf, halben Transporter entladen, Fahrrad rein und den Rest wieder beladen. Drei Stunden später, war der Transporter voll und fertig für die Abreise.
Da es zu diesem Zeitpunkt bereits gegen 22 Uhr abends geschlagen hatte, sollten wir uns standesgemäß mit einem weiteren Bier zum Feierabend belohnen. Wahrscheinlich hätte das auch gut funktioniert, wenn nicht meine liebe Schwester noch angerufen hätte. Am Telefon gestaltete sich dieses Gespräch vergleichsweise kurz und verlief in etwa so:
„Hallo!“
„Und, alles für den Umzug gepackt?“
„Ja, gerade fertig geworden.“
„Okay. Sag mal, du weißt ja, dass morgen Werder spielt?“
„Öhm, nein. Wieso?“
„Naja, also wenn Werder spielt, dann ...“
Der weitere Verlauf des Gesprächs hatte dann ziemlich viel mit Verblüffung und Fassungslosigkeit, aber auch mit schierer Panik zu tun. Die knapp gehaltene Information meiner Schwester, dass die in Bremen zuständigen, örtlichen Behörden bei Heimspielen des Fußballvereins den Bereich um das Stadion sowie das Viertel meines zukünftigen Wohnortes für jeglichen Autoverkehr abriegeln, kam unerwartet. Ja, kam spät. Woher sollte ich das wissen! Selbst wenn ich gewusst hätte, dass der Verein an diesem Wochenende spielt, hätte ich im schlimmsten Fall mit erhöhtem Verkehrsaufkommen gerechnet. Dass der Verkehr seitens der Polizei an solchen Tagen aber gänzlich beseitigt wird, war eine Tragweite, auf die ich nicht vorbereitet war. Zwar gab mir meine Schwester auch zu verstehen, dass die besagte Sperrung ja auch wieder aufgehoben würde, aber bei einer genaueren zeitlichen Erfassung konnte sie mir leider nicht helfen. Da musste dann schon die zuständige Polizei selbst zu Informationszwecken herhalten.
Nachdem ich über Umwege eine Telefonnummer herausbekommen hatte, schließlich genossen alle meine internetfähigen Geräte mittlerweile ihren wohlverdienten Feierabend auf der Ladefläche eines Transporters, war es mir möglich, eine aussagekräftige Bremer Dienststelle anzurufen. Es wäre unnötig jegliche Details des Gesprächs zu wiederholen. Der Kern des Telefonats war dieser:
„Die Sperrung wird noch vor Ende des Spiels aufgehoben.“
„Und wieviel Uhr ist das?“
„Na, vor dem Ende halt.“
„So gegen vier?“
„Später.“
„So gegen fünf?“
„Später.“
„Aber, die spielen doch nur bis Viertel nach fünf!“
„Dann doch früher!“
Damit war der zeitliche Rahmen schon ziemlich genau eingegrenzt, weswegen ich im Anschluss versuchte, mir noch exaktere Informationen zu besorgen.
„Okay. Gibts noch eine andere Möglichkeit in das Viertel zu kommen?“
„Es gibt Bescheinigungen für Anwohner.“
„So eine habe ich noch nicht.“
„Dann gibts keine andere Möglichkeit.“
„Aber ich bin doch Anwohner!“
„Sie können auch Ihren Personalausweis zeigen. Da steht ja auch Ihre Adresse. Mit etwas Glück lassen die Kollegen Sie dann ausnahmsweise doch durch.“
„Aber ich ziehe morgen doch erst um. Ich kann mich erst am Montag ummelden, wenn ich in Bremen bin.“
„Ach so. Na, dann gibts keine andere Möglichkeit.“
„Aber der Umzug ist seit längerem geplant.“
„Die Bundesliga hat früher geplant.“
Die Polizei, dein Freund und Helfer, hatte gesprochen. Alle Probleme waren weiterhin ungelöst. Natürlich konnte ich auch nicht wirklich erwarten, dass die Bundesliga Rücksicht auf meine Umzugspläne nahm. Andererseits war die Planung der Bundesliga meinem zukünftigen Chef gleichfalls vollkommen egal. Was sollte es ihn scheren, dass meine Umzugsorganisation ins Wanken geraten war? Es konnte ihm schließlich gleich sein und das zurecht. Es konnte sein, wie es wollte, am kommenden Tag musste umgezogen werden.

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