'Alles wird gut ...' von Heidi Dahlsen
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Jutta, die nach der überstürzten Trennung von ihrem Mann eigentlich erst einmal zur Ruhe kommen wollte, erlebt ein Gefühlschaos nach dem anderen. Olivers Eheglück wird nicht nur von seinem Schwiegervater bedroht – auch beruflich bahnt sich eine Katastrophe an. Lydia wird der Albtraum, den sie als junges Mädchen erlebte, wieder bewusst. Nur Christine führt ein harmonisches Leben – doch auch dieser Schein trügt.
Unter dem Motto „Gemeinsam haut uns nichts so schnell um“ stehen sie sich wieder bei, um den Alltag leichter ertragen zu können. Ein Trost bleibt, denn – alles wird gut ... irgendwann. Man muss nur geduldig warten können.
Leseprobe:
Allmählich wird Jutta bewusst, dass sie es wirklich getan hat. Irgendwie überstürzt war ihr Aufbruch schon, aber wenn sie ihren Mann erst um sein Einverständnis gebeten hätte, wäre sie nie von ihm weggekommen. Sie kann sich nicht erinnern, was der Auslöser war. Plötzlich hatte sie dieses überwältigende Gefühl – bloß weg hier. Nur gut, dass sie nicht weiter darüber nachgedacht hat. Sie schmiedete auf einmal neue Pläne für ihr weiteres Leben. Rüdiger kam darin nicht mehr vor. Sie musste leider feststellen, dass die Entscheidung, Rüdiger zu heiraten, falsch war. Das entschuldigt sie mit jugendlichem Leichtsinn. In den letzten Jahren hatte sie jedoch schwer daran zu knabbern. Ob der Umzug in ihre Heimatstadt wirklich richtig war, wird die Zukunft zeigen.
Sie ist gerade mit dem Einräumen des Wohnzimmers fertig, setzt sich in einen Sessel, lässt ihren Blick über die spärliche Einrichtung schweifen und denkt: "Na ja, etwas kahl ist mein neues Zuhause schon und das Echo, das meine Schritte auslösen, ist auch beträchtlich. Ich werde einen großen Teppich und viele Grünpflanzen besorgen, dann wird es sicher etwas wohnlicher. Obwohl – wenn ich die freien Flächen alle mit Blumen ausfülle, sieht es hier aus wie im Botanischen Garten. Das hat aber den Vorteil, dass ich Eintritt nehmen kann, wenn Besuch kommt."
Eigentlich sieht man nach einer Trennung leidend aus und nimmt ab. Bei ihr ist das absolut nicht der Fall. Ihr Appetit ist mit so einer Wucht zurückgekehrt, dass sie sich über das Ausmaß bald Sorgen machen muss.
"Leider", denkt sie jedes Mal, wenn sie feststellt, dass die meisten ihrer Blusen und Shirts bereits eine leichte Spannung aufweisen und ihre Lieblingshose die Elastizität des Materials ziemlich ausschöpft.
Sie schaut in den großen Spiegel im Flur, betrachtet sich skeptisch und spielt das Problem herunter: "Wenn ich meinen Bauch noch ein kleines Stück einziehen könnte, würde die Hose auch nicht kneifen. Vielleicht sollte ich versuchen, mehr aus- als einzuatmen. Eigentlich sollen schwarze Klamotten und Längsstreifen schlank machen. Pah! Das halte ich für ein Gerücht."
Ihr ist sehr wohl klar, dass es absolut keine Lösung wäre, einfach nichts mehr zu essen, denn dann fällt sie bald vor Schwäche um. Stark sein muss sie jetzt – vor allem für ihre Tochter Jenny.
In ihrem Kühlschrank findet sie fast nichts mehr, um ein Abendessen zuzubereiten, deshalb macht sie sich auf den Weg zum Supermarkt.
Völlig in Gedanken geht sie durch die Regalreihen und überlegt, was sie noch alles benötigt. Als sie gegen einen Einkaufswagen stößt, sieht sie erschrocken hoch und sagt: "Oh, Entschuldigung."
"Macht nichts. Es ist nichts passiert", erhält sie freundlich zur Antwort.
Jutta betrachtet die junge Frau genauer und staunt nicht schlecht, als sie in ihr eine alte Schulfreundin erkennt.
"Lydia", sagt sie erfreut.
"Ja", sagt Lydia etwas verwundert, denn die Stimme ist ihr nicht vertraut.
Als sie in Juttas freudestrahlendes Gesicht sieht, ist sie ebenfalls überrascht.
"Jutta, was machst du denn hier?"
"Ich bin vergangenes Wochenende umgezogen", antwortet diese und betrachtet Lydia neugierig.
"Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Das müssen ungefähr achtzehn Jahre sein", stellt Lydia fest, "und wenn ich dich so anschaue, muss ich sagen, dass es eine viel zu lange Zeit war. Du bist erwachsen geworden und siehst einfach super aus. Das Leuchten deines kastanienbraunen Haares habe ich früher schon bewundert. Dass du es jetzt bis zur Hüfte hast wachsen lassen, kaschiert etwas deine Größe und zeigt, wie wundervoll es ist. Ich bin beeindruckt. Ich fand es immer schade, dass deine Eltern von dir verlangt haben, mit einem Bubikopf rumzulaufen."
"Dafür hast du jetzt einen Bubikopf", stellt Jutta amüsiert fest.
"Ja. Aber freiwillig. Das ist für mich praktischer", antwortet Lydia. "Christine wird sich auch freuen, dass du wieder da bist. Sie hat letztens erst gesagt, dass sie gern wissen möchte, wie es dir wohl geht."
"Du hast noch Kontakt zu Christine?", fragt Jutta.
"Ja", antwortet Lydia. "Sie wohnt immer noch in ihrem Elternhaus in der Waldsiedlung, in dem wir uns früher alle so wohl gefühlt haben. Hättest du Lust, mit zu mir zu kommen? Dann können wir uns in Ruhe unterhalten."
"Ich bin zwar noch im Umzugsstress, aber es drängt mich niemand. Die vollen Kartons warten sicher auf mich. Es bleibt ihnen ja nichts anderes übrig. Seit Tagen bin ich allein in der neuen Wohnung. Meine Stimme ist schon fast eingerostet", lacht Jutta. "Wenn du Zeit hast, komme ich gern mit."
"Das ist kein Problem. Ich arbeite zu Hause und kann mir den Tag einteilen."
Jutta ist erstaunt und fragt: "Wolltest du nicht Lehrerin werden?"
"Wolltest? Du meinst wohl – solltest. Das konnte ich gerade noch verhindern. Aber das ist eine Geschichte für sich."
Als die beiden jungen Frauen in Lydias Wohnung angekommen sind, sieht Jutta sich um und sagt begeistert: "Ich bin immer davon ausgegangen, dass man in einem Dachgeschoss kaum Möglichkeiten hat, sich gemütlich einzurichten. Aber hier werde ich eines Besseren belehrt."
"Die Wohnfläche ist etwas klein, aber für mich reicht es", sagt Lydia. "Die Einbaumöbel konnte ich von meinem Vormieter übernehmen, und die Dachterrasse hat eine Firma gestaltet. Du siehst also, dass ich selbst nicht viel dazu beigetragen habe."
Jutta schaut durch die große Glasschiebetür und hat den Eindruck, einen Garten vor sich zu haben. Sie öffnet die Tür und betritt die Terrasse.
"Wow. So viele Pflanzen mit herrlichen Blüten", sagt sie bewundernd. "Einige dieser Büsche und Bäumchen könnte ich gut in meiner kahlen Wohnung gebrauchen."
"Wir können uns gern nach draußen setzen und die Nachmittagssonne genießen", schlägt Lydia vor. "Der Sonnenuntergang ist auch fantastisch."
Jutta lässt sich das nicht zweimal sagen. Sie kommt aus dem Staunen nicht heraus und bleibt am Geländer stehen, um die Aussicht über die Stadt bis zum Horizont zu genießen. Ungläubig schüttelt sie den Kopf und ist fasziniert von dem Panorama.
Lydia bringt eine Flasche Wein und fragt: "Möchtest du? Auf unser Wiedersehen müssen wir doch anstoßen."
"Ja, gern", antwortet Jutta und setzt sich an den Tisch. Lydia füllt zwei Gläser und stößt mit ihrer Freundin an.
"Ich freue mich so, dass ich dich getroffen habe", sagt Jutta und fragt neugierig: "Was macht Christine eigentlich? Und weißt du das Neuste von Olli?"
"Na klar. Mit Christine bin ich oft zusammen. Sie macht auch Heimarbeit, sodass wir uns spontan treffen können. Olli ist nach dem Studium zurückgekommen. Er hat in die höhere Gesellschaft eingeheiratet und sich ausgerechnet Sybille von Schönbeck geangelt. Er kommt zu Hause nicht so oft weg, wie er gern möchte", sagt Lydia bedeutungsvoll.
Jutta zieht ihre Augenbrauen nach oben. "Ach, die Sybille. Wie ist er denn zu der gekommen?"
"Kennst du sie?"
"Ja. Sie hat neben uns gewohnt, bis ihr Vater die große Erbschaft gemacht hat. Dann war unsere Wohngegend nicht mehr fein genug. Sie wurde mir ständig aufs Auge gedrückt, weil ich zwei Jahre älter und schon so vernünftig war", meint Jutta schmunzelnd und verdreht die Augen.
"Das habe ich nicht gewusst", sagt Lydia. "Olli weiß selbst nicht, welcher Teufel ihn geritten hat, und warum er sich zu der Hochzeit hat hinreißen lassen. Ihm bleibt aber nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, schon wegen seiner kleinen Söhne. Sein Schwiegervater Karl-Otto bestimmt voll über das junge Glück. Die Namen der Enkel soll er sich regelrecht erzwungen oder sogar erkauft haben. Richard und Bertram heißen doch nur alte Männer. Sybilles Vater nennt das stolz Familientradition, als ob das heute noch jemanden interessieren würde. Und außerdem durfte Sybille Ollis Nachnamen nicht annehmen, damit das von Schönbeck weitervererbt wird. Ich glaube eher, Olli hat Sybille nur geheiratet, weil Christine ihn nicht wollte. Er hat ja schon als Kind für sie geschwärmt."
"Das weiß ich noch. Er hat ganz schön gelitten. Aber wir hatten davon alle unseren Nutzen. Christine musste nie lange betteln, damit er uns die Hausaufgaben abschreiben lässt. Wir hätten manches Mal alt ausgesehen", erinnert sich Jutta. "Olli hatte aber auch sein Gutes von uns. Welcher pubertierende Junge kann mit drei Freundinnen gleichzeitig angeben? Und wenn ihm mal ein Mädchen auf die Nerven ging, waren wir ja auch zur Stelle und haben es mehr oder weniger vergrault."
"Das hat uns allen Freude bereitet", ergänzt Lydia. "Und vergiss nicht, wie oft wir ihn mit Essen versorgt haben, als er im Wachstum und ständig auf Nahrungssuche war. Seine Eltern wären arm geworden, wenn sie ihn hätten allein ernähren müssen. Weißt du noch, als er einmal einen halben Kuchen verdrückt hat? Ich frage mich heute noch, wo das alles bei ihm geblieben ist. Er hatte nie Probleme mit seiner Figur. Beneidenswert."
Sie betrachten sich, und es wird ihnen erst jetzt richtig bewusst, dass sie sich zufällig getroffen haben und wirklich gegenübersitzen. Sie lächeln sich an, genießen die Erinnerungen an ihre gemeinsame Kindheit und das unverhoffte Wiedersehen.
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Labels: Familie, Freundschaft, Heidi Dahlsen
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