'Zwischen Schwarz, Weiß und Grau' von Bea Cach
Stell dir vor, du bist austauschbar – was dann?
Beate ist schon lange nicht mehr die alte Frau, die sie einst war, zumindest äußerlich. Sie lebt als Angelique, getrieben durch ihre Feinde, ihre Begabung und die Liebe. Ihr Können ist Gnade und Fluch zugleich, ermöglicht ihr Gefühle zu sehen, die gewöhnlichen Menschen verborgen bleiben. Verzweifelt sichert sie ihre Existenz, kämpft um ihre Identität, ihre Liebe und ihr Leben.
Wie wertvoll ist eine eigene Identität?
Wie wichtig ist die Vergangenheit?
Das Leben ist vielschichtig, die Menschen sind nicht in Kategorien von Gut und Böse einzuordnen, die Interaktionen zwischen ihnen werden von viel zu vielen Faktoren beeinflusst. Nicht alles ist Schwarz oder Weiß, in ihren Gedanken, wie im realen Leben. Vielleicht sieht sie die Nuancen, hört die Zwischentöne und schmeckt die Komposition der Gewürze des Lebens etwas deutlicher.
Grau, bringt nicht unbedingt Freude.
Grau, ist nicht immer nur schlecht!
Grau, in alle seinen Varianten kann eventuell die Resonanz unseres Sein verkörpern.
Zweites Buch der dystopischen Romanreihe von Bea Cach.
Gleich lesen: Zwischen Schwarz, Weiß und Grau
Leseprobe:
Die Temperaturen sind sehr angenehm, wir werden nett empfangen und genießen einen Abend am Strand. In einer der Tavernen wird gesungen und getanzt. Da wir jung und lebenslustig daherkommen, dürfen wir uns wie selbstverständlich dazu gesellen. Es ist wirklich überraschend anders und schön, unter Leuten zu sein. An Bord beschäftigten wir uns mit den täglichen Arbeiten und die Gesellschaft beschränkt sich nur auf uns. Mir fehlen gelegentlich andere Menschen und so genieße ich diesen Abend sehr. Ich lerne neue Leute und Tänze kennen, trinke etwas Wein, quatsche viel und bin sehr ausgelassen. So ein soziales Leben tut wirklich gut. Auf See beschränken sich unsere Kontakte auf das Netz, wobei in einigen Gruppen wirklich alles ausgeplaudert wird oder Menschen werden beschimpft, deformiert und beleidigt. Mir kommt es vor, als verroht unsere hochkultivierte Gesellschaft immer mehr. Dagegen ist es wirklich erstaunlich, dass das Christentum hier immer noch existieren darf. Die politische Lage spitzt sich auch an dieser Glaubensgrenze zu, wie lange werden die Waffen noch schweigen? Das gilt eigentlich für ganz Europa, nein die ganze Welt. Diese Generation muss nun ein Problem friedlich lösen, wofür andere Politiker die Verantwortung tragen, die sich dem Leben oder der Verantwortung bereits entzogen. Irgendwie ist bei Politikern für mich immer etwas Skepsis angebracht, zumal wir oft erleben, dass sie gegen jedes bessere Wissen der Gelehrten und Berater handeln.
Warum lassen wir uns das eigentlich immer noch gefallen?
Mit Jürgen diskutiere ich oft solche Dinge und irgendwann sind wir einig, dass wir eigentlich nichts tun können, verschiedene Standpunkte vertreten und trotzdem beide unzufrieden sind. Heute auch, wir können endlose Debatten führen. Doch bald schnarcht er friedlich in seiner Koje und ich hänge allein meinen Gedanken nach. An diesem Abend sind meine Gedanken allerdings bei Mat, wie so oft in den letzten zwei Jahren, ich kann ihn einfach nicht vergessen.
Gegen Morgen schlafe auch ich endlich ein und träume nur verrückte Dinge. Zeitig wache ich aus meinem Alptraum auf und koche im schönsten Sonnenschein meinen Kaffee. Das mit dem Schlaf klappt nicht so gut, seitdem ich ohne meinen Mann lebe, ist es eine regelrechte Qual. Viel zu viele Fragen stehen im Raum, um diese Episode abschließen zu können. Heute will ich allerdings einen weiteren Versuch starten. Bei dem schönen Wetter werde ich nicht hier im Hafen herumhängen und grübeln, sondern beschließe etwas für mein Seelenheil zu unternehmen.
Am Karfreitag besuche ich deshalb die Messe in einem orthodoxen Kloster. Für die griechisch orthodoxen Gläubigen ist das Osterfest der höchste Feiertag im Kirchenjahr. Ich wähle eine Abtei in der Nähe, hier war ich vor vielen Jahren mit Mat schon einmal. In Europa kommen die Erinnerungen intensiver an die Oberfläche, das mit dem Verdrängen klappt nicht immer, verletzt meine Seele und alte Wunden beginnen zu schmerzen. Die Sehnsucht nach meinem Mann, nach Liebe und Geborgenheit übermannt mich gelegentlich.
Bisweilen verspüre ich dieses Gefühl schon am Morgen und eine tiefe Traurigkeit erfüllt mich auch jetzt während meines Ausfluges. In einem halblangen weißen Kleid und mit großem blauen Sommerhut fahre ich erst mit dem überfüllten Bus und mache ich mich dann zu Fuß auf den Weg. Der ausgetretene enge Pfad führt einige Kilometer an der Küste entlang, in schwindelerregender Höhe geht es bergauf, es ist wirklich anstrengend.
Natürlich komme ich wieder einmal zu spät, ich bummle noch immer etwas. Bevor der Gottesdienst vorüber ist, erreiche ich immerhin ziemlich erschöpft das Kloster. Ein riesiges Gelände liegt vor mir, doch kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Hunde laufen über den gepflasterten Hof, eine Katze sonnt sich auf der Mauer und die Glocken läuten zum Ende des Gebetes, genau in dem Augenblick, als ich endlich die Kirche betrete. Reich geschmückt mit landestypischen Gaben und unzähligen farbenfrohen Blumen, die von der Prozession hier her gebracht wurden, liegt der große Gebetsraum vor mir. Viele Menschen drängen sich auf engem Raum und die stickige Luft, angereichert mit Weihrauch, nimmt mir fast den Atem. Etwas benommen verharre ich in Andacht, während der Priester die Gläubigen schon nach draußen geleitet.
Wenige Minuten später gewahre ich die besondere Atmosphäre an diesem Ort, bin in Gedanken bei meiner Hochzeit mit Maximilian und versuche mich von ihm zu lösen, wie immer eigentlich, wenn mich die Vergangenheit einholt. Der Raum leert sich zusehends, doch ich setze mich schweigend auf einen der wenigen Plätze am Rande. Mit Wehmut verweile ich an diesem Ort, bevor sich ein Mönch, in dem nun leeren Gebetsraum, zu mir begibt. Erst nach geraumer Zeit spricht er mich an. In Russisch antworte ich, zwar nicht auf seine Frage, die habe ich nicht verstanden, doch ich grüße ihn, danke für die Zeit, die ich noch hier verbringen darf und spende eine kleine Summe. Als ich ihn kurz ansehe, erkenne ich das markante Gesicht des Geistlichen, der uns einst beherbergte. Er schaut mich lange an und fragt, ob meine Mutter einmal auf der Insel war. Lächelnd bejahe ich und gestehe unter dem Schutz der religiösen Verschwiegenheit, dass meine Mutter Fürstin Orlowa ist. Zaghaft küsst er meine Hand und verschwindet so leise und schnell, wie er zu mir fand.
Jetzt, wo ich fast allein hier verweilen darf und langsam etwas mit Sauerstoff angereicherte Luft bekomme, denke ich an meine Zeit mit Mat. Wir waren einige Jahre als Fürstenpaar wirklich glücklich, doch meist versuchte uns jemand zu trennen, mich zu demütigen, oder umzubringen. Einen Grund dafür habe ich immer noch nicht gefunden, doch wir ließen es geschehen.
Vor dem, vom Alter gekennzeichneten Altar, verweile ich mit tränenden Augen geraume Zeit und erst als mir hier im Schatten des altes Gemäuers kalt wird, begebe ich mich nach draußen. Nach einem kurzen Rundgang durch die Klosteranlage, verlasse auch ich die heilige Stätte und laufe gedankenversunken zum Rande der Klippen zurück.
Es ist herrlich hier oben, erst die berauschende Wirkung der Andacht, die Droge Weihrauch, die meine Sinne benebelte und dann die grandiose Aussicht bei frischer Meeresluft, die alle Sorgen vorüber ziehen lässt. Noch eine kurze Pause auf einem der Felsen. Hier standen wir einst und blickten, von einer gemeinsamen Zukunft träumend, weit hinaus aufs Meer. Ich erinnere mich an seine Arme, die mich beschützend hielten, an seine Zärtlichkeit, die mich schmunzeln lies und an die lieben Worte, die mich an seiner Seite in Glückseligkeit wogen.
Mat, vielleicht kann ich mich hier und heute von dir verabschieden, an diesem Ort des einstigen Glückes. Wir waren uns kurze Zeit sehr nah, keiner deiner Freunde wusste, wie eng wir miteinander verbunden waren. Wenn ich die Augen schließe spüre ich immer noch deine Nähe und rieche sehnsuchtsvoll deinen Körper, auch wenn du mich betrogen hast.
Lebe wohl mein Liebster, es muss endlich ein Ende finden, bitte gib mir die Kraft dafür.
Ein leichter Seewind lässt mich nun befreit und zügig den Hang hinunter laufen. Mein Kleid schwingt im Takt der Schritte, der Hut hält meine üppigen langen schwarz-weißen Haare etwas im Zaum und als ich in einen alten Olivenhain komme, steht er plötzlich vor mir.
Im Kindle-Shop: Zwischen Schwarz, Weiß und Grau
Mehr über und von Bea Cach auf ihrer Website.
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