26. April 2017

'Der Navajo-Code' von Ingo Lackerbauer

Wieso verschwinden immer wieder Mitarbeiter einer amerikanischen Behörde, die geheime Forschungsprojekte für die US-Streitkräfte durchführt? Was hat es mit der alten Rohrpostkartusche auf sich, die im Münchener U-Bahn-Netz gefunden wurde? Und besteht womöglich ein Zusammenhang mit dem brutal ermordeten Navajo-Indianer in den Isar-Auen?

Eine harte Nuss für Museums-Chefin Dr. Eva Graf und den Sicherheitsbeauftragten Kolja Blomberg. Der Spürsinn der beiden ist gefragter denn je, gilt es doch, ein Rätsel zu lösen, dessen Anfänge viele Jahrzehnte zurückliegen und das von seiner Brisanz bis heute nichts verloren hat. Eine Jagd beginnt, in deren Verlauf sich die beiden Helden einem Gespinst aus Intrigen, Lügen und Täuschungen ausgesetzt sehen – und am Ende ist doch alles anders als gedacht …

Gleich lesen: Der Navajo-Code: Eva Grafs zweiter Fall

Leseprobe:
»Und?«
Kommissar Marek Poulsen war wie üblich über alle Maßen missmutig gelaunt – erst recht um diese unchristliche Uhrzeit. Prinzipiell pflegte er den ganzen Tag seine miese Laune, sie war elementarer Bestandteil der Persönlichkeit des Kriminalbeamten. Und es war nicht etwa ein sympathisches Granteln, sondern einfach nur ordinäre schlechte Übellaunigkeit, die er gern an Untergebenen oder Neulingen im Job ausließ. Der kurzatmige, kleine dicke Mann unterhielt keinerlei kollegiale Verbindungen, geschweige denn Freundschaften. Ihm haftete passenderweise der Ruf eines Kotzbrockens par excellence an. Niemand wollte mit ihm etwas zu tun haben – weder privat noch beruflich. Vor knapp einem Jahr hatte er das Ressort seines Ex-Kollegen und Vorgängers Kolja Blomberg als leitender Kriminalkommissar beim LKA übernommen. Mit der Stimmung ging es seither kontinuierlich bergab – und ein Ende der Talfahrt war keineswegs in Sicht. Schnell sah er ein, dass die vermeintliche Beförderung ein grandioses Eigentor war, das das Leben ungemein schwieriger und hektischer machte. Hatte Poulsen früher schon kaum Freizeit, geschweige denn einmal vierzehn Tage Urlaub am Stück, so kam er nun schon seit Monaten kaum unter dreizehn Stunden aus dem Büro – Wochenenden inklusive. Als der Kommissar noch unter Blomberg gearbeitet hatte, war die Welt irgendwie besser, geordneter und weniger stressig gewesen. Aber dieser Idiot Blomberg hatte vor knapp einem Jahr, nach einem sehr merkwürdigen Fall, der niemals so recht aufgeklärt wurde, plötzlich das Handtuch geschmissen. Seitdem war er wie vom Erdboden verschluckt.
Aus der Ferne nahm Poulsen die Stimme der leitenden Beamtin der Spurensicherung wahr, die ihn aus seinen Gedanken riss. Die Hamann – auch das noch. Er hasste diese vor Selbstsicherheit triefende Kampflesbe. Poulsen konzentrierte sich auf den Ort des Verbrechens. Der war einigermaßen unspektakulär. Die Isar reichte hier bis an die Uferböschung heran. Eine Vielzahl von Trauerweiden und Buschwerk machten den Tatort fast uneinsehbar. Ansonsten nix Besonderes. Na prima!
»Sag mal, hast du verlernt, in ganzen Sätzen zu reden, so im Sinne von Subjekt, Prädikat und Objekt?«, entgegnete Evelyn Hamann. Sie war die uneingeschränkte Herrscherin der Spurensicherung. Und das aus gutem Grund: Sie galt als Koryphäe auf ihrem Gebiet, und das wusste sie auch. Der Frau Doktor widersprach man auf gar keinen Fall. Geschweige denn stellte man deren Sachkunde in Frage. Die fachliche Kompetenz wurde zusätzlich durch eine einzigartige körperliche und mentale Präsenz ergänzt. Sie war die Chefin, und jeder hatte an einem Tatort nach ihrer Pfeife zu tanzen, ohne dass sie das extra erwähnen musste. Es verstand sich von selbst. Verstärkt wurde die Aura nicht zuletzt durch ein extrem hart geschnittenes Gesicht – spitze Nase, spitzes Kinn, durchdringende Augen und rabenschwarze Haare, die Evelyn heute zu einem Dutt gebunden hatte.
»Ja, du mich auch«, schnauzte er die Hamann an. Die schaute auf und funkelte Poulsen aus wütenden Augen an. Kaum hatte er die Worte gesprochen, wurde ihm klar, auf welch dünnem Eis er sich bewegte. Er lugte verstohlen zur Seite. Jetzt bloß keine Konfrontation mit diesem Miststück. Sie wäre in der Lage, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Ärger mit der arroganten Schnepfe konnte er nicht gebrauchen.
»Nicht in einer Million Jahren, Blödmann. Träum weiter.«
Marek winkte ab.
»Also, verehrteste Spurenleserin, was haben wir denn hier Schönes?«, fragte er mit süffisantem Tonfall.
Evelyn reagiert nicht darauf. Sie hatte keinen Bock, sich mit diesem blöden Idioten ein Wortgefecht zu liefern, obwohl sie ein verbales Scharmützel haushoch gewonnen hätte. Poulsen war ein Trottel, mit dem niemand länger als notwendig Zeit verbringen wollte.
»Männliche Leiche jenseits der achtzig Jahre mit einer riesenhaften Schusswunde im Brustbereich«, erzählte sie auf dem Weg zum Leichnam. Der lag mit dem Gesicht nach unten im Matsch des Isar-Ufers. Am Rücken des Toten klaffte ein gewaltiges Loch, dessen Rand Knochenfragmente und verbranntes Gewebe aufwies. Der Kommissar schaute angewidert auf das Opfer am Boden.
»Was für eine Sauerei! Und was gibt's weiter?«
»Nichts«, konterte Evelyn.
»Wie, das war's? Mehr hast du nicht?«
»Sag mal, müssen wir dieses Spielchen jedes Mal spielen? Du weißt ganz genau, dass ich Näheres erst verkünden kann, wenn die Obduktion beendet ist. Aber ich will mal nicht so sein. Beim Kaliber tippe ich auf 7,62 Millimeter. Die gigantische Austrittswunde ist eher untypisch für ein derartiges Geschoss. Die Eintrittswunde hingegen schon. Eine Diskrepanz, die noch einer Klärung bedarf!«
»Also ein Gewehr?«
»Ich denke schon.«
»Und wie sieht's mit der Hülse und dem Projektil aus?«
»Tja, wenn wir Glück haben, steckt das Projektil noch irgendwo im Brustbereich. Von der Hülse fehlt allerdings jede Spur. Und viel Hoffnung mache ich dir da auch nicht. Wenn es tatsächlich ein Gewehr war, dann war das ein astreiner Distanzschuss, und die Hülse hat der Schütze garantiert mitgenommen.«
»Mist!«
»Wir grasen trotzdem das gegenüberliegende Ufer ab. Vielleicht haben wir ja Glück. Ich denke, dass der Mörder aus einem Auto heraus gefeuert hat. Alles andere wäre irgendwie unlogisch bei dem Verkehr am Isar-Ufer. Immer unter der Voraussetzung, dass der Schuss von hier aus abgefeuert wurde«, erklärte Evelyn.
Poulsen schaute sich um und hielt beide Hände gegen die hintere Hüfte, wobei er ein leichtes Stöhnen von sich gab. Der Hexenschuss von letzter Woche peinigte ihn immer noch, obwohl er eine Voltaren nach der anderen einschmiss. Die vertrieben zwar streckenweise den quälenden Schmerz, dafür streikte nun seit gestern der Magen – Übelkeit den ganzen Tag über. Evelyn bemerkte Poulsens Schmerz und wusste nicht genau, ob sie darauf einsteigen oder es einfach ignorieren sollte.

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