28. Juli 2017

'Flaschenpost vom Mörder' von Ulrike Busch

Nach einer Partynacht im Sommer 1997 wurde die lebensfrohe Nina Asmus tot am Strand von Amrum gefunden. War es wirklich ein Unglück, wie die Ermittlungen des Vorgängers von Hauptkommissar Kuno Knudsen ergaben?

Zum zwanzigsten Jahrestag von Ninas Tod planen die damaligen Freunde eine Gedenkparty. Am Morgen dieses Tages findet ein Mitglied der Clique eine Flaschenpost am Strand, wie es scheint, ein Geständnis von Ninas Mörder. Und: Der Unbekannte kündigt an, weiter töten zu wollen.

Bei ihren Ermittlungen stoßen Kuno Knudsen und sein Kollege Arne Zander auf Erinnerungslücken, Mauern und Widersprüche. Plötzlich zeigt der Mörder, dass er es ernst meint.

Gleich lesen:
Für Kindle: Flaschenpost vom Mörder (Ein Fall für die Kripo Wattenmeer 3)
Für Tolino: Buch bei Thalia

Leseprobe:
In gleichmäßigem Tempo joggte Frederik den breiten Strand von Nebel entlang. Die Nacht war sternenklar gewesen und so früh am Morgen fühlte die Luft sich an wie Eisgrieß in Zitronentee. Vor einer Stunde hatte die Flut den höchsten Stand erreicht. Die Wogen wurden sichtlich schwächer, mit jedem Wellenschlag zog der Flutsaum sich ein winziges Stück weiter zurück.
Unmöglich, nicht an Nina zu denken. Noch immer sah er sie vor sich, am Badestrand von Süddorf, an dem er sie gefunden hatte. Ausgerechnet er! Seitdem klebte ein Schatten an seinen Fersen, er verfolgte ihn in seinen Träumen und sprang ihn an, wenn er gerade mal wieder glaubte, ihn für immer verscheucht zu haben.
›Es ist nun mal geschehen‹, sagte er sich. ›Es war Schicksal. Guck nach vorn, denk nur noch an Gisa und dich!‹
Frederik verlangsamte seinen Schritt und suchte den nassen Sand nach Strandgut ab. Gisa war verrückt nach ausgefallenen Muscheln oder Steinen und nach bizarr geformtem Treibholz. Da hinten, bei dem Schild, das die Grenze zwischen dem Textilbadestrand und dem FKK-Bereich markierte, glitzerte ein länglicher Gegenstand in der Sonne. Die auslaufenden Wellen rollten ihn sachte hin und her. Frederik näherte sich seinem Fund. Noch im Laufen bückte er sich und fischte ihn aus dem Wasser: eine Flasche aus klarem Glas, verschlossen mit einem Korken. Ein eingerollter Bogen aus blauem Papier lag darin, zusammengehalten von einer Kordel, deren Enden zu einer Schleife gebunden waren.
Flaschenpost von Neptun!
Er schmunzelte. Wie oft hatte er sich als Kind gewünscht, einen Brief von einem Unbekannten zu erhalten, der auf so abenteuerliche Weise versandt worden war! Frederik betrachtete die Flasche. Von welchem Kontinent das Schreiben wohl stammen mochte? Was war das für ein Mensch, der diese Nachricht auf den Weg gebracht hatte, und was hatte er dem Empfänger mitzuteilen?
Fast hätte seine Neugier gesiegt. Doch viel spannender würde es sein, das Geheimnis des Absenders gemeinsam mit Gisa zu lüften! Auf einmal hatte er es eilig, nach Hause zu kommen.

[…]

Gisa stand im Garten und pflückte Wildblumen für den Frühstückstisch. Als Frederik auf das Grundstück radelte, erblickte sie sofort die Flasche in seiner Hand. »Was ist das denn?«
Frederik strahlte. »Na, was wohl?« Er ging ins Haus. Die Wohnküche des alten Friesenhauses mit den niedrigen Zimmerdecken und den kleinen Sprossenfenstern wirkte immer ein wenig düster. Doch mit Kerzenlicht und vielen bunten Accessoires erzielte Gisa dieselbe gemütliche Atmosphäre wie einst Frederiks Großmutter, von der er das Haus geerbt hatte.
Er schob die leere Blumenvase zur Seite, die mitten auf dem Tisch auf die Wildblumen wartete, und postierte seinen Fund an die Stelle. »Schönen Gruß von Neptun.«
Gisa stellte sich lachend vor den Tisch und stemmte die Hände in die Hüften. »Was schreibt er denn?« Sie nahm die Flasche in die Hand und drehte sie. »Wo hast du die überhaupt her?«
»Direkt vom Strand, wie sich das für eine anständige Flaschenpost gehört. Willst du nicht wissen, was drinsteht?«
»Du hast die Flasche wirklich so gefunden, wie sie hier steht, mit dem Brief darin?«
Frederik nickte. »Aus einem Souvenirladen stammt sie nicht.«
Gisa stellte die Flasche wieder zurück. Sie schien sich noch nicht recht mit dem Gedanken anfreunden zu können, den Brief zu lesen. »Jetzt gibt’s erst mal Frühstück.« Sie öffnete die Klappe des Backofens, klaubte die Rundstücke mithilfe einer langen Zange vom Kuchengitter und legte sie in den Brotkorb. Frederik liebte es, wenn die Butter auf den Brötchen schmolz.
Frederik nahm die Kaffeekanne und schenkte die Tassen voll. Er setzte sich hin und musterte die Flasche wie ein seltenes Tier. »Was meinst du, woher die stammt?«
Auch Gisa nahm Platz. Sie griff zum Brotmesser und schnitt die Brötchen auf. »Aus den USA oder Kanada? Australien oder Südamerika?« Sie legte das Messer hin und ließ zwei Finger über die Flasche gleiten. »Das Glas fühlt sich nicht so an, als hätte es lange im Wasser gelegen.«
»Was meinst du denn«, fragte Frederik, »wie müsste Glas sich nach einer langen Reise durchs Meer anfühlen?«
Gisa biss in ihr Brötchen, das sie mit Butter und Himbeermarmelade bestrichen hatte, und kaute. »Weiß nicht«, sagte sie mit halb vollem Mund. »Rau, klebrig, mit Algen bewachsen. Es müsste grünlich schimmern.«
»Und wenn es durch die Wellen und das Salzwasser poliert wurde?«
»Kann natürlich auch sein.«
Frederik belegte sein Brötchen mit Schinken und zeigte mit der Aufschnittgabel auf die Flasche. »Wenn ich ehrlich sein soll, die Form kommt mir nicht sehr exotisch vor. Sieht aus wie jede x-beliebige Schnapsflasche, die man bei uns im Supermarkt kaufen kann.«
»Wie unromantisch! Lass uns weiter raten. Viel interessanter als die Flasche ist doch das, was drin ist.«
»Für Romantik bist du zuständig«, redete Frederik sich heraus.
Gisa stierte Frederiks Fund an wie eine Schlange, die es zu hypnotisieren galt. »Nein, du zuerst.«
»Also, ich tippe, der Absender ist ein reicher alter Mann aus Übersee, der keine Erben hat und seine Farm und hundert Säcke voller Golddukaten demjenigen vermacht, der seine Post findet und sich gleich auf die Reise zu ihm begibt.«
Gisa schüttelte den Kopf. »Ich sehe einen Überlebenden aus dem versunkenen Rungholt. Er will uns mitteilen, dass es die Stadt noch gibt und wir nicht aufhören dürfen, danach zu suchen.«
Frederik tat, als würde er Gisas scherzhaft vorgebrachten Gedanken ernst nehmen. »Du glaubst also, dass die Bewohner von Rungholt seit der Sturmflut vor sechshundertfünfundfünfzig Jahren in den tiefen Schichten des Wattenmeeres darauf warten, dass wir sie freischaufeln? Du meinst, dass sie uns dieses Lebenszeichen geschickt haben, weil sie mit ihrer Geduld am Ende sind?«
Gisa bibberte vor Aufregung. »Wäre doch ein spannender Gedanke. Ich würde mich freiwillig dafür melden, Rungholt auszubuddeln.«
Frederik zauderte. »Aber bitte nur bei Ebbe!«
Plötzlich hatte er das Gefühl, dass jetzt der rechte Augenblick gekommen war, auf seine Zukunftspläne mit Gisa anzuspielen. Heiraten, vielleicht sogar ein Kind bekommen. »Ich denke eher, der Absender ist der Nachkomme eines Fischers aus Nebel, der seiner Liebsten einen Heiratsantrag machen will.« Er nahm den Kaffeebecher in beide Hände und blickte Gisa fest in die Augen. Genüsslich beobachtete er, wie ihr Gesichtsausdruck sich von der Neugier, mit der sie sich auf die Flaschenpost konzentrierte, in Ungläubigkeit und schließlich in Freude verwandelte.
»Ist das dein Ernst?«
Frederik nickte.
Gisa sprang auf, beugte sich zu ihm hinab und fiel ihm um den Hals. »Und jetzt«, sagte sie, »lass uns die Flasche öffnen und nachsehen, welche Überraschung uns erwartet. Vielleicht ist es sogar eine Einladung zu einer Hochzeitsreise nach Südamerika!«
Frederik griff feierlich nach der Flasche und entkorkte sie. Er hielt sie kopfüber, sodass die Papierrolle durch den Flaschenhals rutschte. »Hier.« Er überreichte Gisa die Rolle. »Mach sie auf, lies du zuerst.«
Vorsichtig zog Gisa die Kordel auf, rollte den Briefbogen auseinander und überflog den Text. Ihre Augen verfinsterten sich schlagartig.
Frederik bemerkte, dass ihre Hände zu zittern begannen. Er wurde unsicher. »Was steht denn drin?«
Gisa schob ihm das Papier hin.
Frederik starrte die computergeschriebenen Zeilen an. Die Buchstaben wankten nach rechts und nach links und wirbelten durcheinander. Es war, als würden sie vor seinen Augen tanzen.
22. Juli 1997. Ich habe gemordet. Ich werde es wieder tun.

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Mehr über und von Ulrike Busch auf ihrer Website.

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