'FeuerSeele: Chroniken von Quiliaris 1' von Caris McRae
„Du kannst deinen Dämonen nicht entfliehen, Sheba An-Pyr. Deine Bestimmung wird dich finden, egal, wie weit du läufst, Kind. Es gibt eine Zeit im Leben aller, in der man sich einer Herausforderung stellen muss, in der man einer Niederlage mit Tapferkeit begegnet – und die ist für dich jetzt gekommen. Es ist an der Zeit, dass du dich über den Krieger, der du schon immer warst, erhebst und zum Hashisin im wahrsten Sinne des Wortes wirst.“
In Quiliaris gelten Macht und Stärke als das höchste Gut und Sheba An-Pyr, die Prinzessin des Feuers, besitzt keines von beiden. Verachtet von ihrer Familie und ihrem Volk, und gejagt von einem mörderischen Verräter, verbringt sie ihr Leben im Schatten. In dem Versuch, unerkannt und am Leben zu bleiben, reist sie mit ihrem Hashisin Vormund als dessen Magd durch die vier Königreiche des Landes. Erst als dieser zu den Prüfungen seiner Krieger-Gilde gerufen wird, um einen Schüler zu wählen, beginnt sich das Blatt zu wenden und es beginnt eine Zeit der Veränderung. Dank dem Eingreifen der Götter wird aus der Magd ein Teilnehmer an der Prüfung, und mit jeder Aufgabe, die sie meistert, nähert sie sich dem Ziel: sich selbst und ihrer Bestimmung. Denn ohne sie wäre Quiliaris dem Untergang geweiht.
Eine uralte Prophezeiung, manipulierende Götter, arrogante Krieger und eine Prinzessin, die sich von den Ketten ihrer Vergangenheit löst und so zu einer wahren Kriegerin wird – FeuerSeele nimmt sie mit auf eine unvergessliche Reise in ein Land voller Magie, in dem eine junge Frau das Schicksal der Welt in ihren Händen hält.
Gleich lesen: FeuerSeele: Chroniken von Quiliaris 1
Leseprobe:
Das Mädchen genoss die Stille und die beinahe märchenhafte Atmosphäre, geschaffen vom Mond, der ihre Umgebung in einen sanften ätherischen Schimmer hüllte, wie man ihn sonst nur aus Büchern kannte.
Sie fühlte sich ausgeglichen und gut ausgeruht und beschloss einen Spaziergang zu machen, denn die Berge im Norden von Aliaenar hatten ihr Interesse geweckt. Sie waren ein Teil der Calae Berge und die drei höchsten Gipfel des Landes – das Auge Gottes, das Schwert des Königs und der Thron der Königin – hielten stolz Wache über die Festung und das Herz von Quiliaris; an so manchen Nebeltagen konnten sie aber auch durchaus bedrohlich wirken.
Sheba ging entlang des Hauptweges zum Nord-Tor. Es fühlte sich an, als ob die Berge sie riefen, als ob ein gewaltiger Schatz am Ende ihrer Reise auf sie warten würde. Sie war neugierig, ob dieses Gefühl von majestätischer Würde, das sie in dieser Richtung wahrnehmen konnte, anhielt, und was sie dort vorfinden würde.
Kurz vor dem Tor hielt sie an und suchte nach einem Pfad; irgendetwas, das sie in die richtige Richtung führen würde. Sie wusste bereits, dass auf dem Weg, auf dem sie nach Aliaenar gekommen waren, kein Pfad in diese Berge angelegt war. Sheba bat ihre Göttin um Unterstützung und sandte ihre Macht aus, um sich mit ihrer Umgebung vertraut zu machen, in der Hoffnung, dass ihr Feuer vielleicht etwas entdecken würde, was sie übersehen hatte. Und sie hatte Glück, sie fand, was sie suchte: zu ihrer Linken, ein paar Meter vom Tor entfernt, sah sie den Anfang eines schmalen, fast zugewachsenen Trampelpfades sich den Berg hinaufwinden. Sich dessen bewusst, dass sie von einer göttlichen Macht geleitet wurde, verneigte sie sich dankbar vor Nyx und begab sich auf Entdeckungsreise.
Wie eine Berglöwin folgte sie dem lange nicht benutzten und steilen Pfad mit katzengleicher Geschmeidigkeit und erklomm in müheloser Leichtigkeit sicher die schwierigsten Felsen. Ihre Feuer-Macht erwärmte die Luft um sie herum, um ihren Aufstieg zu erleichtern und verbesserte ihre Nachtsicht. Es war ein weiteres Merkmal der Idris, ein gut gehütetes Geheimnis, dass Nyx’ Kinder die Gabe hatten, die Nacht, in die sie hineingeboren waren, ungehindert zu durchstreifen.
Zwei Stunden später machte Sheba schließlich eine Pause und sah, dass sie bereits zwei Drittel des Aufstiegs geschafft hatte und sich unweit einer Kreuzung befand. Instinktiv wusste sie, dass sie nun sehr sorgfältig ihren weiteren Weg wählen musste. Schicksalhaft war das einzige Wort, das ihr einfiel, um die Situation zu beschreiben.
Sie überlegte, was sie über die Gipfel über ihr wusste, und schloss sofort den höchsten, das Auge Gottes, aus. Es schien ihr nicht angemessen, dort hinaufzuklettern und sich auf eine Stufe mit den Göttern zu stellen. Sheba hatte gehört, dass es besonderer Stärke und Macht bedurfte, um ihn zu erklimmen; deswegen auch der Verweis auf die Götter und der Grund dafür, warum jeder Eleve (anscheinend waren diese Berge etwas wie eine Mutprobe unter den Kriegern), der versuchte diesen Berg zu bezwingen, bisher unweigerlich scheiterte.
Sie fühlte tief in ihrem Inneren, dass sie diesen Grad an innerlicher und äußerer Größe noch nicht erreicht hatte, wenn sie ihn überhaupt je erreichen würde. Um Seite an Seite mit den Göttern zu stehen, musste man frei von jeglichen menschlichen Empfindungen sein; sein Fokus musste auf dem Gesamtwohl der Menschheit liegen und sich nicht auf Alltäglichkeiten oder Gefühle des Einzelnen konzentrieren. Sie hatte noch zu viel Menschlichkeit in sich, um jene, die sie liebte, einfach zu ignorieren; zu viele Gefühle, die sie an diese Ebene der Existenz banden und die sie noch nicht gewillt war, hinter sich zu lassen. Das Auge Gottes stand daher außer Frage, was ihr nur noch das Schwert des Königs und den Thron der Königin zur Auswahl ließ.
Beide waren schwierig zu erklimmen. Das Schwert des Königs war nach seiner scharf in die Luft reichenden Spitze benannt, die sich über Zeitalter hinweg geformt hatte. Der Versuch, sie zu bezwingen, konnte ebenso gefährlich und tödlich sein wie die meisterhaft geführte Klinge eines Hashisin, die, genau wie der Berg, Aliaenar und damit auch den Hochkönig vor seinen Feinden beschützte. Neben der Initiation durch das Kri-Amra, das heilige Brandmal der Hashisin in Form eines Schwertes, war es eine Bedingung für die Elitekrieger, diesen Gipfel wenigstens einmal in ihrem Leben zu besteigen.
Da sie nicht das Talent dazu hatte, ein Hashisin zu werden, entschied sie sich auch gegen das Schwert des Königs. Sie würde auf keinen Fall die heilige Tradition derer, die ihr Leben in den Dienst Quiliaris‘ stellten, entehren.
Damit blieb nur noch der Thron der Königin. Sheba seufzte und blickte auf den Gipfel zu ihrer Linken. Während das Schwert des Königs zumindest von beiden Seiten aus zu besteigen war, schien der Thron der Königin, welcher die Form eines Herrschersitzes hatte, unbezwingbar – ein Plateau, das einer Sitzfläche ähnelte, ging in einen steilen Anstieg über, der die Lehne formte und einer rasiermesserscharfen Schneide glich. Welch eine Ironie, dachte Sheba, war diese Unbezwingbarkeit doch das genaue Abbild der Realität: so wie es keine Hochkönigin in Quiliaris gegeben hatte, noch es wahrscheinlich war, dass es je eine geben würde, so gab es auch keinen Thron, den es zu besteigen möglich war.
Wegen der Aussichtlosigkeit des Unterfangens und wahrscheinlich auch wegen des Hinweises auf die weibliche Gattung, hatten nur wenige der ambitioniertesten Krieger jemals einen Aufstieg versucht – und dabei ihren Tod gefunden. Niemand konnte sich erinnern, dass es jemals irgendjemandem gelungen war, den Thron der Königin zu besteigen. Doch gab es eine alte Prophezeiung, die besagte, dass einmal, in Zeiten großer Not, ein Auserwählter der Götter den Thron besteigen und Quiliaris retten würde.
Großartig, damit schied auch der Thron der Königin aus. Da es bereits spät und Sheba nicht mehr in der Stimmung für eine andere allzu anspruchsvolle Aufgabe war, beschloss sie, einfach weiterzugehen und zu sehen, wie weit sie wohl kommen würde.
Also nahm sie den Pfad zu ihrer Linken, sich insgeheim immer noch über die Ironie des Ganzen und die darin enthaltende Wahrheit amüsierend. Eine Prinzessin ohne Talent, die niemals eine Königin sein würde, maßte sich an, nach den Sternen zu greifen; die ganze Sache war schon von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Sie lachte bitter. Doch im Großen und Ganzen hatte sie sich damit abgefunden, wer und was sie war zu sein.
Nach ihrem Streit mit Aris hatte sie über alles, was sie ihm vorgeworfen hatte, und auch über seine Antworten nachgedacht. Und obwohl sie seine Worte getroffen hatten, so hatte er doch nur die Wahrheit gesprochen; am Ende hatte er sich mit seinem eigenen Los um einiges leichter abgefunden, als sie sich mit ihrem. Also hatte sie sich zurückgezogen und versucht, es ihm gleich zu tun und sich mit ihrem eigenen Schicksal auszusöhnen – diesmal allerdings richtig.
Sie hatte erkannt, dass es einen Teil in ihr gab, der immer noch darauf hoffte, dass sie den Verlauf ihrer Zukunft ändern könnte, ihr Leben selbst bestimmen könnte; aber sie musste einsehen, dass diese Hoffnung vergeblich war. Sie wusste, wie ihr Leben aussehen würde und das Beste, auf das sie hoffen konnte, war ein umgänglicher Gefährte. Verdammt, diese Erkenntnis schmerzte immer noch. Aber wenn Aris ein Leben als ewiger Sündenbock und Prügelknabe ertragen konnte, dann würde wohl auch sie das ihr zukünftig vorbestimmte Leben als notwendiges Übel akzeptieren können.
Auch wenn einem das Leben ein schlechtes Blatt zuteilte, musste man es trotzdem, so gut man konnte, ausspielen. Oh ja, sie würde ihr Leben darauf verwetten, dass der Mensch, der für diese unglaubliche Weisheit verantwortlich zeichnete, stets ein Glückskind gewesen war, dachte sie sarkastisch.
Während sie den Berg hinaufstieg, fühlte sie, wie Rayza nach ihr suchte und beruhigte ihn durch ihren Bund. Insgeheim freute sie sich, dass er sie in der ganzen Hektik um die Aufnahmeprüfung nicht vergessen hatte. Sie wusste, dass er bei den Vorbereitungen dabei sein musste und auch, dass er sich die Teilnehmer ansehen wollte. Wegen seiner Fähigkeit, ein Schutzschild über längere Zeit aufrechterhalten zu können, war er für die ‚Kuppel‘ verantwortlich, wie das Energieschild über der Kampfarena genannt wurde. In der Arena lernten die Hashisin ihre Macht offensiv im Kampf einzusetzen – ohne diesen Schild wäre Aliaenar längst nur noch ein Haufen Schutt und Asche. Ein Teil von ihr wünschte sich, auch einmal dort zu stehen und ein Schwert zu führen, aber das war ein weiterer ihrer hoffnungslosen Träume – denn der Zutritt war nur Mitgliedern der Gilde gestattet.
Sie war so tief in Gedanken versunken gewesen, dass sie kaum bemerkte, dass sie das Plateau erreicht hatte. Als sie schließlich anhielt, wurde sie völlig von dem überwältigenden Anblick, der sich ihr bot, überrascht. Vor ihr tauchte der Mond die Festung und deren Umgebung in sein sanftes Licht – sie konnte von hier sogar die Wüste sehen. Mit einer Mischung aus tiefster Sehnsucht und unglaublicher Freude blickte sie auf ihre Heimat. Sie hörte den Ruf der hell schimmernden Dünen, die von der Hitze und dem Feuer des Tages und der dunklen Kälte der Nacht, von den Tieren, geboren im Sand der Wüste, und von den Menschen, die diese ihre Heimat nannten, erzählten. Ihre Seele, ihr gesamtes Sein antwortete diesem Ruf, trauerte um den Verlust ihres Herzschlags, der zugleich der Herzschlag der Wüste war, sprach vom Exil und ihrer Sehnsucht, sich wieder ganz fühlen, wieder eins mit ihrer Heimat zu sein.
Während ihres Klageliedes fand eine Träne ihren Weg über ihre Wangen und tropfte schließlich auf die Erde unter ihr; Sheba bemerkte es nicht, gefangen in ihrem Schmerz und ihrer Trauer, die aus den Tiefen ihrer Seele emporstieg und sich weigerte, dorthin zurückzukehren. Dann fiel auch die letzte der Mauern, die ihre Gefühle unter Verschluss hielten. Ein Schrei voller Verzweiflung, durchdrungen von Wut, entsprang ihrer Kehle, sein Echo hallte bis zu den Gipfeln der mächtigen Berge. Als er schließlich verklang, hörte Sheba plötzlich eine sanfte Stimme in ihrem Geist.
„Verzage nicht, mein Kind. Du wirst in deine Heimat zurückkehren und sie wird dich als eines ihrer Kinder willkommen heißen: die Wüste hat dich nie vergessen, Kind ihres Herzens, das du bist“, spendete die Göttin ihr Trost. „Du hast noch einen langen Weg zu gehen, Tochter des Feuers, aber du hast dich heute hier bewiesen und dafür will ich dich belohnen. Höre meine Worte, Kind der Flammen: Es wird eine Zeit kommen, dein Herz, deine Seele rein von allen menschlichen Empfindungen, in der du dich erheben und deinen gerechten Platz einnehmen wirst, in der du dein Schicksal, deine Bestimmung, erfüllen wirst. Bis dahin mögen die Flammen des Lichts dich leiten und dich vor Unheil schützen. Empfange meinen Segen, Prinzessin von Pyr, denn du hast mein Herz mit Freude erfüllt!“
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Mehr über und von Caris McRae auf ihrer Website.
Labels: Caris McRae, Fantasy
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