3. November 2017

'Mordsschwestern. Ostfrieslandkrimi' von Ulrike Busch

Das ostfriesische Fischerdorf Greetsiel wird von einem makabren Mordfall erschüttert. Eine Frau wird getötet aufgefunden, ausgerechnet am Grabstein der berühmten Familie Feddersen. Die Tote war die Leiterin des Museums, in dem die wertvollen Kunstsammlungen des verstorbenen Ehepaars Feddersen bald ein Zuhause finden sollten.

In Verdacht geraten die Erben, unter denen ein verbitterter Streit über die Kunstschätze herrscht. Die Schwestern Urte, Dorit und Leni sind zu vielem bereit, um ihren Willen durchzusetzen. Die Kommissare Fenna Stern und Tammo Anders stehen vor einer heiklen Mission. Doch zum Zaudern bleibt keine Zeit, plötzlich ist eine der Schwestern spurlos verschwunden und die Ereignisse nehmen einen unvorhersehbaren Verlauf.

Gleich lesen:
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Leseprobe:
Dunst lag über Greetsiel.
»Kein gutes Wetter für eine Beerdigung«, sagte der Friedhofsgärtner zu seinem Chef.
Der blickte skeptisch in den Himmel. »Hochnebel. Der hält sich nicht. In spätestens einer Stunde hat die Sonne sich da durchgefressen.«
Der Friedhofsgärtner kniff die Augen zusammen, führte seine Zigarette, die er zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, zum Mund und zog daran. Bedächtig blies er den Qualm in den Himmel. »Das hat Max Feddersen wieder gut abgepasst. Eins muss man ihm lassen: Was immer er gemacht hat, es war von Anfang bis Ende durchdacht.«
Piet Baßner, seit mehr als dreißig Jahren Leiter des Greetsieler Friedhofs, schlug seinem Mitarbeiter auf die Schulter. »Aber das Wetter ist dem alten Feddersen jetzt egal, Karl. In drei Stunden liegt er eh unter der Erde.«
»Jo.« Karl nahm noch einen Zug an seiner selbst gedrehten Zigarette, warf die Kippe auf den Boden und trat sie mit dem Absatz aus. »Dann mach ich mich mal wieder an die Arbeit.«
»Beim Feddersen alles so weit vorbereitet?«
»Klar. Aber ich guck da gleich noch mal vorbei.« Der Friedhofsgärtner legte Schaufel und Harke in die Schubkarre, hob die Karre an den Griffen an und schob sie auf dem breiten Mittelgang des Friedhofs vor sich her.
Wie viele Gräber hatte er im Laufe seines langen Lebens wohl schon zugeschüttet und bepflanzt? Gezählt hatte er sie nie. War im Prinzip auch egal. Hauptsache, die Leute kamen gut unter die Erde.
Wie lange er den Job wohl noch machen würde? Mit der Zeit kam Frust auf. Keiner derjenigen, denen er diesen letzten Dienst erwies, konnte mit ihm reden und keiner der Angehörigen dankte ihm seine Arbeit. Schlimmer noch: Leuten von seinem Beruf ging man am liebsten aus dem Weg.
In Gedanken versunken steuerte er auf das Grab zu, das er gestern für Max Feddersen ausgehoben hatte. Der Verleger und Kunstsammler würde sich seine letzte Ruhestätte mit seiner Frau Martha teilen, die vier Jahre vor ihm gegangen war.
Wenige Schritte vor Erreichen der Grabstätte bemerkte Karl, dass hinter der von ihm abgewandten Seite des Grabsteins eine Frau auf dem Boden saß. Ein Paar schwarzer Pumps steckte auf Füßen, die zu schwarz bestrumpften Beinen gehörten. Als er näher kam, sah er, dass die Beine nur dürftig von einem ebenfalls schwarzen Rock bedeckt waren, der im Stehen vermutlich bis zum Knie reichen würde. Der Rock war hochgerutscht, nicht unanständig weit, aber doch unschicklich für diese Örtlichkeit.
Langsam ging der Friedhofsgärtner auf die Frau zu, die gegen die Rückseite des Grabsteins der Familie Feddersen gelehnt war. Sie rührte sich nicht. Ihr Kopf war zur Seite geneigt, die Hände ruhten zusammengelegt im Schoß.
Was machte sie da unten auf dem kalten Boden?
Noch wollte Karl nicht wahrhaben, was sein Hirn ihm signalisierte. Er ging vor der Frau in die Hocke und versuchte, ihren Blick aufzufangen. Ihre Augen waren sperrangelweit aufgerissen. Das Gesicht hatte eine Farbe wie ... Nein, keine Farbe. Die Frau war tot. Unverkennbar tot.
Karl erhob sich und musterte den leblosen Körper. Am Hinterkopf der Leiche klaffte eine Wunde. Blut war ausgetreten, reichlich Blut. Bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass es an der Oberkante des Grabsteins hinabgelaufen war.
Wie gut, dass sich der blank polierte Marmor, aus dem das Grabmal gefertigt war, leicht reinigen lassen würde!
Doch zuvor, meinte Karl, sollte er die Polizei alarmieren. Es sah nicht so aus, als wäre die Frau eines natürlichen Todes gestorben. Da hatte jemand nachgeholfen. Es sei denn, sie war ohnmächtig geworden und mit dem Kopf gegen den Stein geschlagen. Aber wer hatte dann ihre Hände zusammengelegt? So saß man nicht da, wenn einen unvorbereitet die Sinne verlassen hatten.
Und warum lehnte sie am Grabstein der Feddersens? Ausgerechnet am Tag der Beerdigung des alten Max?
Karl zog sein Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer seines Stammtischkumpels Benno Pötzschke, der als Wachtmeister auf dem Kommissariat der Kripo Greetsiel tätig war. Ungeduldig wartete er darauf, dass sein Freund sich meldete. Währenddessen traute er sich nicht, die Frau aus den Augen zu lassen. Sicher, sie war tot. Aber auf einem ostfriesischen Friedhof in frühmorgendlichem Dunst war alles möglich.
Endlich meldete Benno sich. »Hi, Karl, ich hab keine Zeit. Ich bin im Dienst.«
»Schon klar, aber du wirst dir Zeit nehmen müssen. Ich hab hier ’ne Kundin für euch.«
Bennos verwunderte Stimme dröhnte durch die Leitung. »Für uns? Worum geht’s denn? Handtaschendiebstahl oder Grabplünderung?«
»Weder noch. Hier sitzt ’ne Tote. Eine, für die wir noch kein Grab geschaufelt haben.«
»Wie bitte?«
»Sie lehnt an einem Grabstein und hat ’ne Wunde am Hinterkopf. Genau in dem Grab soll am Mittag jemand beerdigt werden. Schafft ihr es, die Dame bis dahin wegzuräumen? Sonst gibt das hier ’ne Kollision bei uns im Ablauf.«
Benno hielt offenbar die Hand auf den Hörer, er schien mit Kollegen zu reden. Dann tönte seine Stimme wieder durchs Telefon. »Kennst du die Frau?«
»Kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich weiß gerade nicht so recht, woher.«
»Und du bist sicher, dass sie tot ist, nicht nur ohnmächtig?«
Karl schnaufte durch. »Mensch, glaub mir doch, sie ist so tot wie deine Urgroßmutter. Komm her und überzeug dich selbst.«
»Okay. Ich sag meinen Kollegen Bescheid.«

***

Die frisch miteinander verlobten Hauptkommissare Fenna Stern und Tammo Anders saßen an den Schreibtischen ihres gemeinsamen Büros in der Polizeiwache von Greetsiel. Fenna hatte ihre Hand mit dem Verlobungsring auf die Tischplatte gelegt und betrachtete das schnörkellose Schmuckstück, als wäre es ein Zauberwesen aus dem Märchenland, das man nur lang genug angucken musste, um unsterblich zu werden.
Tammo klimperte mit einem Kugelschreiber gegen seinen Teebecher, um Fennas Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Sollen wir vielleicht doch einen gemeinsamen Termin mit Onkel Frido und deiner Mutter abstimmen?«
Fenna lächelte. »Du wärst also mit einer Doppelhochzeit einverstanden?«
Tammo zuckte mit den Schultern. »Warum eigentlich nicht? Die beiden haben sich genauso Hals über Kopf ineinander verliebt wie wir. Warum sollen wir nicht über dieses Ereignis hinaus auch den Hochzeitstermin mit ihnen teilen?«
Auf Fennas Gesicht breitete sich ein Strahlen aus. »Bis gestern Abend warst du anderer Meinung. Was hat dich zu der Kehrtwende bewogen?«
Tammo räusperte sich. »Na ja, da kommt gerade so ein Familiengefühl in mir auf, das ich bisher noch nicht so richtig ...«
Die Tür zu ihrem Büro wurde polternd aufgestoßen und im nächsten Moment stand Benno im Raum. »Eine Tote auf dem Greetsieler Friedhof.«
In aller Seelenruhe wandte Tammo sein Gesicht dem Wachtmeister zu, zog die Augenbrauen hoch und lächelte ihn an. »Eine Tote auf unserem Friedhof? So, so. Auf dem Gelände soll es noch mehr davon geben, hab ich mir sagen lassen.«
Fennas Gesicht signalisierte Benno, dass sie den Ernst der Situation erfasst hatte. »Gehe ich recht in der Annahme, dass es sich um eine Tote handelt, die nicht wirklich dahin gehört?«

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Mehr über und von Ulrike Busch auf ihrer Website.

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