9. November 2018

'Schattentöchter. Geister-Roman' von Sabine Altenburg

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
„Ein zarter und zärtlicher Geisterroman.“

Ich war eine ganz gewöhnliche Frau.
Ich führte ein ganz gewöhnliches Leben.
Bis zu jenem Tag …

Die junge Schriftstellerin Tamarah Herzsprung zieht mit ihrer Katze Snow in eine alte Villa am Fuße des Siebengebirges nahe Bonn. Schnell muss sie feststellen, dass etwas an diesem Haus nicht geheuer ist - doch damit nicht genug: In der Halloween-Nacht erleidet sie einen schweren Autounfall und durchlebt eine Nahtoderfahrung, die sie mit einer besonderen Gabe ausstattet. Denn niemand, der die Schwelle zum Jenseits überschreitet und ins Leben zurückkehrt, ist danach noch derselbe …

Als sie wenig später dem attraktiven Gabriel Leonhardt begegnet und sich in ihn verliebt, erfährt ihr Leben eine weitere schicksalhafte Wendung, denn die Schatten seiner Vergangenheit verfolgen ihn und nur Marah kann ihn erlösen …

In „Schattentöchter“ zeigt sich das Übersinnliche nicht als Horror, sondern zart und subtil. Der Roman bildet den Auftakt zu „Marahs Geister“, einer Serie von Mystery-Romanen, die in Bonn und dem Siebengebirge angesiedelt sind und im Wechsel mit den Bänden der Eifel-Saga erscheinen werden. Die Haupthandlung von „Schattentöchter“ ist in sich abgeschlossen; in den Nebenhandlungen bleiben Fragen offen, die in den folgenden Bänden in den Mittelpunkt treten werden.

Leseprobe:
Hätte mich vor jenem Abend im Oktober jemand gefragt, wie ich mir meinen Tod vorstelle, ich wäre ihm die Antwort schuldig geblieben. Nichts in meinem bisherigen Leben hatte mich auf das vorbereitet, was mir in dieser Halloween-Nacht widerfahren sollte.
Und so war ich vollkommen ahnungslos, als Arne und ich uns von meiner Schwester und ihrem Mann verabschiedeten und vor das Haus traten. Über den Wiesen und Pferdekoppeln war Nebel aufgezogen, kroch in die Gärten und umwob die Außenleuchte und die geschnitzte Kürbislaterne neben der Tür mit einem weichen Lichtkreis.
Arne setzte einen Schritt auf mich zu und umarmte mich zum Abschied. »Fahr vorsichtig, Marah.«
Ich erwiderte seine Umarmung. »Du auch. Ich bringe dir den Wagen übermorgen am Nachmittag vorbei. Und vielen Dank noch mal.«
Ich stieg in den Kombi, den er mir geliehen hatte, und orientierte mich kurz auf dem ungewohnten Armaturenbrett, ehe ich den Gurt anlegte und behutsam Gas gab. Arne faltete seine hochgewachsene Gestalt in meinen alten Peugeot und folgte mir den mit Schlaglöchern übersäten Feldweg entlang bis zur Landstraße. An dessen Ende bog ich nach rechts in Richtung des Rheintals ab. Arne betätigte die Lichthupe zu einem letzten Gruß, ehe er sich nach links einfädelte. Wenige Augenblicke später verschwanden seine Rücklichter aus meinem Außenspiegel.
Als ich die Wiesen und Weiden hinter mir ließ und in den Wald eintauchte, wurde der Nebel dichter, sodass ich nicht wagte, schneller als vierzig Stundenkilometer zu fahren. Die Scheinwerfer des Kombis tasteten über kahle Stämme, in deren Kronen das letzte schmutzig braune Herbstlaub hing. Das gedämpfte Licht des Vollmonds sickerte bis auf den feuchten Asphalt hinab und überzog ihn mit stumpfem Silber. Da die L144 zum Rhein hin stetig an Höhe verliert, schaltete ich nach einigen Hundert Metern in den zweiten Gang zurück.
Der Abend bei Britta und Bernhard klang noch in mir nach. Er hatte mich von meinen Sorgen abgelenkt, und als aus dem Autoradio der leichtfüßige Rhythmus von Van Morrisons »Moondance« erklang, ertappte ich mich dabei, leise mitzusummen.
Bald schon näherte ich mich der ersten von mehreren dicht aufeinanderfolgenden, engen Kurven des Schmelztals, durch das sich die Landstraße ins Rheintal hinabwindet. »Moondance« war verklungen, und aus den Lautsprechern drangen getragene Gitarrenakkorde, untermalt von Blockflöten. Ein Schauer überlief mich, als ich den unverwechselbaren Beginn von Led Zeppelins »Stairway to Heaven« erkannte, das in der Tat viel besser zu Halloween passte als Van Morrisons heiterer Song.
Zu beiden Seiten der Fahrbahn ragten nun die Silhouetten hoher Fichten auf und verschmolzen zu einem dunklen Vorhang, der das fahle Licht des Mondes abschnitt, sodass es sich anfühlte, als führe ich in einen Tunnel hinein. Ich umfasste das Lenkrad fester, trat leicht auf die Bremse - und spürte kaum Widerstand.
Irritiert nahm ich den Fuß vom Pedal, setzte ihn augenblicklich nochmals darauf. Jetzt ließ sich der Fußhebel sogar noch weiter abwärtsbewegen, ohne dass der Wagen verlangsamte. Gleichzeitig leuchtete auf dem Armaturenbrett eine orangefarbene Kontrolllampe auf.
Eine Welle der Übelkeit schwappte durch meinen Magen, während der Kombi rasch Fahrt aufnahm. Ein drittes Mal hob ich den Fuß von der Bremse, trat hektisch wieder darauf. Ein dumpfes »Plong« verriet mir, dass der Pedalarm das Bodenblech berührt hatte.
Magensäure kroch meine Kehle hinauf, doch ich ignorierte sie und konzentrierte mich auf die Linkskurve, die viel zu schnell näherkam. Mein linkes Bein zitterte, als ich die Kupplung betätigte und in den ersten Gang zurückschaltete, um die Wirkung der Motorbremse auszunutzen. Das Getriebe protestierte mit einem hässlichen Knirschen, und ich wurde in den Gurt geworfen.
Jetzt hatte ich die Kurve erreicht, umklammerte das Lenkrad mit schweißfeuchten Händen und schoss hinein. Die schwarzen Schemen der Fichten zuckten vorbei, und in die zarten Töne der Blockflöten mischte sich das Quietschen der Reifen, als ich mich verzweifelt bemühte, den Kombi auf der Fahrbahn zu halten. Schon war ich durch die Kurve hindurch, doch sie mündete sofort in eine weitere. Ich riss das Lenkrad herum, hektisch, ruckartig. Der Wagen brach aus und schleuderte auf die Gegenfahrbahn. Ich kämpfte dagegen an, wurde auf meinem Sitz hin- und hergeworfen wie ein Crashtest-Dummy, während der Kombi schlingerte, sich fing und mir endlich gestattete, ihn in die rechte Spur zurückzulenken.
Jetzt folgte ein kurzes Stück schnurgerader Straße, aber ich wusste, dass an seinem Ende eine Haarnadelkurve lauerte, die steilste des gesamten Schmelztals.
Fiebrig versuchte ich, mir den Verlauf der Strecke ins Gedächtnis zu rufen, die ich erst wenige Male gefahren war. Gab es vor der Kurve irgendeine Möglichkeit, den Wagen zu verlangsamen?
Nein, erkannte ich, als mein Blick über die Fahrbahnränder irrte. Zu meiner Rechten klaffte ein Abgrund, notdürftig gesichert durch eine verbeulte Leitplanke. Links ragte ebenso schroff ein mit Fichten bewachsener Hang auf.
In diesem Moment blitzte eine undeutliche Erinnerung auf. Befand sich unmittelbar vor der Haarnadelkurve nicht ein Holzabfuhrweg? Wenn es mir gelingen würde, den Kombi dort hineinzulenken, könnte ich ihn auslaufen lassen und behutsam mit der Handbremse zum Stehen -
Die Scheinwerfer eines anderen Fahrzeugs brachen in meine Gedanken ein. Der stetig dichter werdende Nebel verwässerte sie zu bleichen Lichtkegeln, die hinter den kahlen Stämmen aufglühten, für einen Sekundenbruchteil verloschen und erneut erglühten, ein Unheil verkündendes Flackern. Der Wagen näherte sich mir aus dem Tal, und überraschend nüchtern schätzte ich ab, dass wir uns genau in der steilsten Kurve der Strecke begegnen würden - wenn es mir nicht gelänge, den Kombi zuvor in den Waldweg zu lenken.
Während ich immer schneller dahinraste, tauchte seine Einmündung im Licht der Scheinwerfer auf, und im selben Augenblick, in dem Led Zeppelin-Sänger Robert Plant verkündete, es bleibe noch Zeit, den Weg zu ändern, auf dem man reiste, erfasste ich, dass das auf mich nicht zutraf: Ein rot-weißer Schlagbaum versperrte meinen Fluchtweg und zerstörte meine letzte, trügerische Hoffnung.
Mit großer Klarheit erkannte ich, dass dies das Ende war und ich tatsächlich hier und jetzt, zu den Klängen von »Stairway to Heaven«, sterben würde. Welch würdiges Requiem. Der Tod schien einen makaberen Sinn für Ironie zu besitzen.
Als Schriftstellerin hatte ich mich oft gefragt, wie sich dieser Moment wohl anfühlte, welche Gefühle die Figuren meiner Romane in den allerletzten Augenblicken ihres Lebens durchlitten. Glomm bis zum letzten, matten Herzschlag ein schwacher Funken Hoffnung in ihnen? Ließ sie mit dem Mut der Verzweiflung kämpfen, bis ihr Lebenslicht flackerte und für immer verlosch? Oder schickten sie sich in ihr Los und gaben sich auf? Gibt man sich überhaupt jemals auf?
Nun konnte ich diese Fragen aus eigener Erfahrung beantworten, und die Erkenntnis fiel seltsam nüchtern aus. Mein erster Gedanke galt meiner Katze Snow, die in Dr. Richarz’ Praxis um ihr Leben kämpfte: Würde sie den Kampf gewinnen? Und was würde aus ihr, wenn ich nicht mehr da wäre? Mein zweiter war Bedauern darüber, das Manuskript, an dem ich gerade arbeitete, nicht vollenden zu können.
Schon schoss der Kombi in die Kurve, die auf einmal in grelles Licht getaucht war, da die Scheinwerfer des entgegenkommenden Fahrzeugs sie ebenfalls erhellten. In dem Moment, als mein Wagen ausbrach und auf die Gegenfahrbahn schleuderte, löste ich die verkrampfte Rechte vom Lenkrad und tastete nach der Handbremse. Doch meine Hand fuhr ins Leere, denn ich saß in einem fremden Fahrzeug und der Hebel befand sich nicht am gewohnten Ort.
Dann ein gewaltiger Aufprall, untermalt von ohrenbetäubendem Donnerhall.
Schwärze.

Im Kindle-Shop: Schattentöchter. Geister-Roman (Marahs Geister: Mystery-Romane 1).
Mehr über und von Sabine Altenburg auf ihrer Website.



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