22. Juli 2019

'Memorabilia' von Manuel Schulte

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In einer Welt ohne Regeln was für ein Mensch wärst du?
Geschlechtskrankheiten? Kein Problem. Überdosis? Egal. Mord? Immer wieder gern.


Fred ist ein Auftragskiller mit hundertprozentiger Erfolgsquote. Warum? Er kann sich besser als jeder andere auf seinen Job vorbereiten, denn Fred erlebt seit fünf Jahren immer wieder denselben Tag, ohne Grenzen, ohne Sorgen. Allerdings bringt diese Zeitschleife nicht nur Vorteile mit sich. Das Leben wird für Fred unerträglich langweilig.

Selbst div erse Nahtoderfahrungen, sadistische Spielchen oder zwanglose Orgien bringen kaum noch den gewünschten Kick. Fred will ausbrechen aus diesem Hamsterrad, doch sein Auftraggeber, der in diesem Zeitschleifenkonstrukt die Fäden zieht, droht ihm mit Höllenqualen. Außerdem ist da ein geheimnisvoller Unruhestifter und Zoe, die Freds Welt komplett auf den Kopf stellt. Das vermeintliche Paradies hat plötzlich Risse. Kann er entkommen? Und wenn, was kommt danach?

Leseprobe:
Alles auf Anfang: Das Dach eines Hochhauses. Bei sämtlicher Komplexität, die diese Welt bietet, ist es doch ein unerwartet übersichtlicher Ort. Eine jämmerliche Metalltür, die hier hinaufführt, der Boden ausgelegt mit Kieselsteinen, die mit jedem Schritt einen widerlich knirschenden Ton erzeugen. Des Weiteren eine Umrandung von hüfthohem Beton – als Sichtschutz für die arroganten Bürohengste, die sich hier auf einen Joint treffen. Punkt 12:37 Uhr, direkt nach dem abscheulichen Kantinenessen im zweiten Stock. Auch wenn es wahrscheinlich einer der trostlosesten Ecken auf der Welt ist, bin ich über den klaren Himmel, die sanfte Sonne und die warmen, aber nicht heißen Temperaturen erstaunt. Selbst nach fünf Jahren genieße ich immer noch, wie angenehm das Wetter ist.

16:28:44 Uhr
Wird Zeit, die Vorbereitungen zu treffen. Ich nehme die vergoldete Quarzuhr vom Handgelenk. Sie sieht zwar ziemlich verbraucht aus, dennoch ist sie der genaueste Gegenstand, den es in meiner Welt gibt - mehr noch, sie ist mein Helfer, der mich vor Verletzungen und Peinlichkeiten schützt. Eines der seltenen Werkzeuge, die für mich beständig sind. Da dieses ranzige Ding auf die eine oder andere Weise auch ein Kumpel wurde, gab ich ihm einen Namen. Es war keine Marke darauf zu erkennen, so musste ich mir etwas einfallen lassen und nun heißt sie James. James, mein treuer Butler und Freund. Aber jetzt genug davon, James muss arbeiten. Ich lege sie vor mir auf die Dachkante, damit ich sie immer im Blick habe. Jetzt ist das Bluetooth-Headset dran. Handy konfigurieren und ... es funktioniert. Was für eine schöne neue Welt. Genau wie James versuche ich, wie ein Uhrwerk zu funktionieren. Ich ziehe einen zerknickten Aktenumschlag aus meiner rechten Manteltasche, in dem alle nötigen Unterlagen gesammelt sind. Darunter viel Unnützes, wie einen Lebenslauf und mehrere Notizen von einem sehr detaillierten Tagesplan. Ich brauche nur seine Telefonnummer. Mehr nicht. Schnell den gelben Zettel aus dem Umschlag heraussuchen und die Ziffern in das Handy tippen. Das grün-leuchtende Feld mit dem Telefonpiktogramm ist nun der Auslöser, der Startknopf. Streng genommen müsste ich die Nummer bereits auswendig kennen, so oft wie ich diese schon gewählt habe. Aber man sollte sich schließlich nicht jeden Scheiß merken. So! Uhrzeit: gecheckt. Telefon: gecheckt. Fehlt nur noch mein geliebtes Stahlrohr. Das habe ich unter meinem Mantel platziert. Es ist ungefähr einen Meter lang und am Ende abgebrochen. Sieht wirklich gruselig aus, das Ding. Wahrscheinlich, weil es mit Rost überzogen ist, dass man schon bei der winzigsten Berührung Angst vor einer Infektion bekommt. Lang, dunkelbraun und widerlich rau. Drauf geschissen! Ich lege es neben meine Uhr und gut ist. Nun ist alles auf das Feinste drapiert. Ein Blick auf James.

16:30:17 Uhr
Ich sehe noch einen Augenblick zu, wie die Sekunden verrinnen, bis es langweilig wird. Die übrige Zeit sollte ich für meine Konzentration nutzen. Also stehe ich einfach nur da und versuche, an nichts zu denken. Konzentriere mich auf die wundervolle Aussicht. Schön. Sehr schön. Aber langweilig. Mein Blick wandert hoffnungsvoll auf meine Uhr.

16:30:45 Uhr
46, 47, 48 ... Ich beobachte den Sekundenzeiger, beuge mich über die Dachkante und schaue nach unten. Hm, warum liegt auf solchen Dächern eigentlich immer der gleiche Kies herum und warum sehen alle gleich aus? Verdammt! Ich mache mir wieder Gedanken über irgendeinen Schwachsinn, dabei habe ich Wichtigeres zu tun.

16:31:05 Uhr
Vielleicht verteilen sie den Kies, damit Leute wie ich hier nicht unbemerkt bleiben. Das könnte man schon fast als böswillig bezeichnen. Oh Mann, bleib aufmerksam! Vor einem Auftrag sollte ich weniger koksen. Beruhige dich! Du hast es schon tausend Mal durchgeplant. Egal, es wird hundertprozentig funktionieren. Aber ich will es perfekt haben. Schade, dass ich es nicht filmen kann. Shit! Die Uhrzeit?

16:31:21 Uhr Die magische Zeit. Jetzt noch schnell das abgebrochene Stahlrohr fest in die Hand nehmen und über den Rand des Daches halten. Verdammt schwer das Ding. Komisches Gefühl auf der Handfläche. Dieser Rost scheint jedes Nervenende meiner Handfläche zu reizen. Irgendwie unangenehm, aber trotzdem vertraut. Jetzt erst einmal die Position prüfen. Ich schaue wieder auf den verfluchten Kiesboden. Direkt an der Spitze meines rechten Lederschuhs, liegt ein ovaler braun getönter Stein und gleich daneben ein recht unförmiger grauer. Ich stehe also perfekt. Liste komplett. Jetzt fängt die Entspannungsphase an und der Puls geht in den Keller. Ich scheine still zu stehen. Als wäre ich die Zeit. Oder James. Nicht nur mein Geist steht still, sondern auch mein Körper und alles, was darin ist. Nur noch mein Mantel bewegt sich im sanften Wind. Die Sekunden verstreichen, ich stehe still, bis ich total entspannt zu mir komme und der Realität gegenüberstehe.
Diesem respekteinflößenden Blick über den Betonrand. Ein Hochhaus mit fünfzig Stockwerken, aber man gewöhnt sich daran. Verdammte Gewohnheit! Fuck, bin ich high! Bin zu unkonzentriert. Schluss jetzt! Tippe zweimal auf den Anrufknopf. Ich liebe die Wahlwiederholung. Es klingelt ...
»Hi!«
Dieser Idiot Martin Scheittmann. Fett, Halbglatze und mit einer Brille, die so groß ist, dass man daraus zwei machen könnte. Sitzt da gemütlich auf einer Holzbank, mit seinem missgebildeten Käsebrot und ist super ätzend angezogen. Trägt eine Hose, die genauso grau ist wie sein Leben und versucht, diese Tristesse mit einem rot-grün-blau gestreiften Poloshirt wettzumachen. Wahrscheinlich haben sich die Fasern schon mit seiner Körperbehaarung verwoben, die er ganz ungeniert aus seiner Spießerkleidung platzen lässt. Besonders eklig sind seine Unterarme. Der hat einen verschissenen Urwald oberhalb des Handrückens. Man stelle sich diesen Nerd vor, und dann meldet er sich mit einem hippen »Hi!«? Dazu noch mit diesem schwuchteligen Unterton, der absolut zu seinem scheußlichen Poloshirt passt.
Ich versuche nicht, über sein nicht verdientes Selbstbewusstsein zu kotzen, sondern antworte mit einem unterkühlten: »Hallo!« Gott, ich will alles tun, um nicht so lächerlich zu klingen wie er.
»Wer spricht?«
Oh, höre ich da ein wenig Aufmüpfigkeit heraus? Nun ja, ich lass ihm den Spaß und antworte monoton.Das lässt mich ein wenig kaltblütiger wirken. Glaube ich zumindest.
»Fred ist mein Name.«
Am Anfang hatte ich noch Probleme damit, meinen wahren Namen zu nennen, bis mir bewusst wurde, dass es egal ist. Der Name ist in ein paar Stunden sowieso Geschichte.
»Wer bist du?«
Jetzt fängt der Spaß an, denn das ist nun der Wendepunkt, an dem es für ihn unheimlich wird.
»Ach, Martin. Du kennst mich nicht, und das ist echt schade. Wenn du wüsstest, wie viel Zeit wir miteinander verbracht haben und wie oft wir uns immer wieder frisch kennenlernten. Und damit meine ich auf einer nicht homoerotischen Ebene. Wenn du nur so verstehen könntest ...«
»Was?«
Fuck you! Niemand unterbricht mich! Erst recht nicht, wenn ich mal so etwas Tiefsinniges sage.
»Jetzt kommt das Schlimmste. Heute ist unser Tag. Unser letzter Tag! Verstehst du? Ein einzigartiger Tag. Zumindest für mich. Ich habe ihn geplant, geplant, geplant, aber heute werde ich es schaffen. Es wird ein Meisterstück für meine Vita. Beispiellos. Leider weiß ich, dass es sich verhält wie beim Vögeln. Man bereitet sich vor, nutzt all seine Energie und Kraft, aber wenn der Höhepunkt erreicht ist, fühlt man sich schlapp. Und man weiß, dass es lange dauern wird, es wieder so intensiv zu spüren. Unfair, oder? Vögeln kann man immer mal wieder, aber, wenn ich hier fertig bin, wirst du weg sein. Es ist nicht reproduzierbar, weil du weg bist. Für immer! Und das ist schade. Zumindest für dich, du ekelhafter Bastard. Deshalb werde ich einen Regenbogen kotzen, wenn ich dich erledige.«
Soviel habe ich noch nie mit ihm geredet. Bin auf seine Antwort gespannt. Die lässt aber eine Weile auf sich warten.
»Ich weiß ja nicht, was für ein Gestörter du bist, Fred. Aber ich glaube, du solltest mich nicht mehr anrufen, denn ich habe gefährliche und einflussreiche Freunde. Und eins sag ich dir: Die lieben es, solche psychotischen Arschlöcher wie dich zu foltern. Das würden die sogar kostenlos machen. Also leg lieber auf, sonst hat dein Hals bald keine Abdeckung mehr.«
Ich liebe so was. Versucht er doch tatsächlich, mit coolen Drohungen seinen Penis zu vergrößern.
»Kann ja sein, Martin. Aber ich denke, du hast eher noch gefährlichere und einflussreichere Feinde. Die wollen nämlich, dass du stirbst. Und das in den nächsten paar Sekunden. Cool, oder?«
Verdammt. Darf die Uhr nicht aus dem Blick verlieren.

Im Kindle-Shop: Memorabilia.
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