22. Januar 2021

'Waldstettener G'schichten: Das alte Gutshaus' von Brigitte Teufl-Heimhilcher

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„Diese Frauen machen mich noch wahnsinnig“, stöhnt Bürgermeister Ludwig Paffler.

Als das alte Gutshaus zu einem Seniorenheim umgebaut werden soll, muss sich Ludwig nicht nur mit seiner Schwester Traudl, sondern auch noch mit der neuen Amtskollegin von Stettenkirchen auseinandersetzen. Beide Damen sind ziemlich eigenwillig und verfolgen höchst unterschiedliche Ziele.

Traudl ist Anfang fünfzig und nicht gerade ein Ausbund an guter Laune. Da sie mit ihrem Leben reichlich unzufrieden ist, sieht die ehemalige Architekturstudentin in dem Bauvorhaben eine Chance, ihren Jugendtraum zu verwirklichen. Wesentlich undurchsichtiger sind die Ziele, die Irma Duscher verfolgt. Will die Bürgermeisterin das Projekt Seniorenheim zu Fall bringen? Und warum versucht sie, ausgerechnet Ludwig zu umgarnen?

Ein heiterer Gesellschaftsroman mit kriminalistischem Touch.

Anleser:
Bürgermeister Ludwig Paffler betrachtete kopfschüttelnd den vor ihm liegenden Brief. Er war bei Gott kein Genie der deutschen Sprache, nie gewesen, aber das, was Tini hier zu Papier brachte, war ja noch schlechter als alles, was er selbst je abgeliefert hatte.

Wehrte Kolegin,

las er da. Das fing ja gut an. Selbst wenn er jetzt die ärgsten Fehler ausbesserte, hieß das noch lange nicht, dass er den Brief abschicken konnte. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als die Gemeindekorrespondenz in nächster Zeit in seiner Baufirma schreiben zu lassen. Seine Sekretärin war es gewohnt, seine stichwortartig hingeworfenen Inhalte in wohlklingende Sätze zu kleiden. Das konnte natürlich nur eine Übergangslösung sein. Er musste sich wohl oder übel eine neue Sekretärin fürs Gemeindeamt suchen.
Schade. Tini war ein liebes Mädel, stets bemüht, es allen recht zu machen. Leider gelang ihr das höchst selten – zumindest nicht auf dem Gemeindeamt.
Dieser Brief war besonders heikel. Er richtete sich an die neue Bürgermeisterin der Großgemeinde Stettenkirchen, Irma Duscher.
Bisher kannte er sie nur flüchtig von dem Telefonat, in dem er ihr die Sache mit dem Seniorenheim hatte schmackhaft machen wollen. Er hätte ihr die Details dazu zwar lieber persönlich erklärt, aber die Gnädigste bestand auf einem Schreiben, das sie dem Gemeinderat vorlegen konnte.
Offenbar versuchte sie, dem ihr vorauseilenden Ruf gerecht zu werden. Es hieß, sie sei überheblich und ihrem Vater nicht unähnlich. Ulrich Duscher war in der Gegend nicht sonderlich beliebt, angeblich war er ein Schlitzohr, jedenfalls ein beinharter Geschäftsmann. Ihm gehörten der Steinbruch, einige Schotterteiche und ein Fuhrwerksunternehmen. Ludwig hatte schon öfter mit dieser Firma zu tun gehabt. Dabei war immer alles korrekt abgelaufen, also hatte er bisher nicht viel auf das Geschwätz gegeben.
Sein Schwager Anton meinte allerdings auch, die neue Frau Bürgermeisterin sei zwar eine Hübsche, aber auch eine Hantige, mit der nicht gut Kirschen essen sei. Auf Antons Meinung gab Ludwig schon mehr, schließlich hatte der seine Schwester Traudl geheiratet. Mit den Hantigen kannte er sich also bestens aus.
Ludwig besserte die gravierendsten Rechtschreibfehler aus und überflog das Schreiben noch einmal. Er fand, es stand alles drin, was drinstehen sollte, aber sicher fehlten wieder ein paar Blümchen rundherum, wie er das gerne nannte. Seine Frau Liesl hatte neulich gesagt, er fiele immer mit der Tür ins Haus. Möglich. Er redete ja sonst auch nicht um den heißen Brei. Also würde er Liesl das Schreiben vorab lesen lassen. Während er es in seiner Aktentasche verstaute, spielte sein Smartphone die Elisabeth-Serenade.
Er hob ab und sagte launig: „Geliebtes Eheweib, was gibt’s Neues zur Mittagsstunde?“
„Leider keine frohe Kunde. Ich habe soeben Tante Wetti ins Krankenhaus einweisen lassen müssen. Lungenentzündung.“
„War sie etwa bei dir in der Praxis?“ Seine Tante war bekannt dafür, dass sie um Ärzte einen weiten Bogen machte.
„Dazu wäre sie gar nicht mehr in der Lage gewesen. Traudl hat mich verständigt. Sie hat mit ihr telefoniert und war etwas beunruhigt, weil eure Tante so kurzatmig war und auch stark hustete. Da niemand von uns einen Schlüssel hat, haben wir Steffi, ihre Nachbarin, angerufen. Die hat mich ins Haus gelassen. Ich kann nur sagen, es war höchste Zeit.“
„Aber warum hat Tante Wetti nicht wenigstens Traudl angerufen?“
„Gute Frage, ich kann sie nur leider nicht beantworten. Sagst du deinen Eltern Bescheid?“
„Kann ich machen, aber ich glaube, du als Ärztin …“
„Schon gut. Ich fahr nachher vorbei. Also dann, bis später.“
„Was gibt’s denn heute zum Abendessen?“
„Das musst du Anna fragen, sie hat heute den Küchendienst übernommen.“
Das war keine schlechte Nachricht. Seine Stieftochter Anna war in der Küche recht talentiert und tauschte alle möglichen Verpflichtungen gerne gegen Küchendienste ein.
„Na wunderbar, dann hast du vielleicht noch Zeit, den Brief an die Kollegin aus Stettenkirchen durchzulesen.“
„Geht’s um das Projekt Seniorenhaus?“
„Ganz genau.“
„Dann mach ich es besonders gerne. Ich kenne mehr als einen Waldstettener, der darin besser aufgehoben wäre als allein daheim.“
„Du meinst jetzt aber nicht meine Eltern?“
„Zumindest nicht ausschließlich, aber darüber reden wir am Abend. Mach’s gut.“
„Du auch“, murmelte Ludwig. Er wusste Liesls Sorge um seine Eltern durchaus zu schätzen, doch in diesem Fall übertrieb sie einfach. Es mochte ja sein, dass seine Mutter manchmal etwas zerstreut wirkte, aber so schlimm war es nun wirklich nicht. Erst gestern Mittag hatte er bei ihr ein erstklassiges Gulasch gegessen. Und Vater war schließlich auch noch da.

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