14. Juni 2019

'Home Sweet Home' von J. Vellguth

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Für die hübsche Mary Simmons, Designerin in ihrem eigenen kleinen Modegeschäft in New York City mit einer Vorliebe für extravagante Kleider, läuft es gerade gar nicht gut: Erst verliert sie einen wichtigen Auftrag und dann bricht sie auch noch auf der Straße zusammen. Im Regen.

Eins ist klar: Mary bräuchte dringend Unterstützung, aber was, wenn sie die unmöglich annehmen kann? Dann ist da auch noch Luke: Frauenheld, Lebenskünstler und Organisationstalent, der mit Schirm und Charme viel zu schnell ihr Herz erobert. Doch was steckt wirklich hinter seinen zweideutigen Sprüchen und dem verschmitzten Lächeln?

Eine romantisch-moderne Liebesgeschichte über alte Erinnerungen, neue Wahrheiten und die Bedeutung von Familie - witzig, spannend und wunderschön gefühlvoll.

Weitere Bücher von J. Vellguth auf ihrer Autorenseite.

Leseprobe:
When It Rains It Pours – Luke Combs

Links eine Tüte, rechts eine Tüte und auf dem Gesicht ein erschöpftes, aber glückliches Lächeln, so trat Mary aus dem kleinen Geschäft, in den nicht mehr ganz so sonnigen Nachmittag.
Sie beachtete die aufziehenden Wolken nicht und auch nicht den Wind, der an ihrer dünnen, türkisfarbenen Strickjacke zerrte. Während sie über den breiten Bürgersteig schlenderte, zwischen hohen Häusern hindurch und an einem pastellfarbenen Flickenmuster aus Backsteinfassaden und Sandsteinwänden vorbei, waren ihre Gedanken ganz in ihrem eigenen kleinen Laden und bei dem pompösen Rokokokleid, das sie erst vor etwa einer Stunde fertiggestellt hatte.
Es sah atemberaubend aus. Ein wahrer Traum.
Das vordere Mittelstück des Rockes war aus drei schneeweißen Lagen mit feinster Spitze gearbeitet. An der Hüfte war der glänzende, altrosafarbene Stoff des Oberrocks so weit ausgestellt, dass fünf Kleinkinder bequem darunter Platz finden konnten. Über der Brust hatte sie das Korsett mit einer silbernen Kordel kreuzgeschnürt, und da wo der Stoff des Oberkleides auf das Weiß des Mittelteils traf, hatte sie den Rand mit siebenhundertsechsundachtzig schimmernden Perlen per Hand verziert. Trichterförmige Ärmel und eine Schleppe vervollständigten das wahrhaft königliche Bild.
Und ja, sie hatte sich von Die Schöne und das Biest inspirieren lassen, und nein, es war historisch nicht korrekt.
Aber darum ging es schließlich nicht.
Es ging um die Kundin, die gleich nach der Fertigstellung ein Foto bekommen, doch natürlich noch nicht geantwortet hatte.
In den letzten Wochen war Miss Fisher sowieso sehr still geworden – wahrscheinlich hatte sie genug mit ihren Vorbereitungen zu tun.
Es musste ihr einfach gefallen. Sie würde auf ihrem Maskenball umwerfend darin aussehen und sicher ihren Freundinnen erzählen, wer es für sie gemacht hatte.
Ob das Marys Durchbruch wurde?
Dann war sie endlich nicht mehr auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen – allein bei dem Gedanken fühlte sie sich schon um zehn Kilo leichter – vor allem, weil ihr Dad bald in Rente ging und das Geld dann knapp wurde. Wenn ihr Traum von der anerkannten Modedesignerin Flügel bekam, könnte sie ganz auf eigene Kosten ihre Wohnung in Manhattan bestreiten.
Das kleine Stadthaus mit dem etwas anderen Mietvertrag war in den letzten Jahren zu ihrer zweiten Heimat geworden. Sie durfte das unter keinen Umständen verlieren.
An der nächsten Ampel war die Kreuzung mit Autos vollgestopft und sie zwängte sich mit den anderen Fußgängern an Stoßstangen und Auspuffen vorbei.
Mary arbeitete schon so lange, so hart für ihren kleinen Laden und damit ihren großen Traum. Besonders in den letzten zwei Monaten, wegen dieses ganz besonderen Auftrags. Und in den vergangenen zwei Nächten hatte sie so gut wie gar nicht mehr geschlafen, um die Frist einzuhalten.
Kopf: Es muss ihr einfach gefallen.
Bauch: Was, wenn sie allen erzählt, dass es ein Desaster ist?
Kopf: Beruhig dich.

Sie spürte, wie der Henkel der rechten Tüte ihr in die Finger schnitt.
Das komische Gefühl kam sicher nur durch den Benzingestank der Autos und durch die Müdigkeit.
Sie wäre schon längst im Bett, wenn sie Natty nicht zugesagt hätte, ihr noch ein paar Medikamente zu besorgen. Und, wenn sie sich selbst nicht versprochen hätte, zur Feier des Tages einen ganzen Becher Eiscreme zu kaufen – Sea Salt Caramel, auch bekannt als Zum-Niederknien-Lecker.
Mary war ein wenig schummrig, als sie die nächste Straße überquerte, doch das würde sich wieder geben, sobald sie im Bett lag. Sie ignorierte das seltsame Bauchgefühl, genau wie die dunklen Wolken, die aufzogen.
Heute konnte ihr niemand etwas.
Das Schicksal hatte sich zum Besseren gewendet – endlich.
Genau da gab es einen kleinen Ruck und einen Knall, und schon hatte die rechte Tüte ihren Inhalt auf dem Bürgersteig entleert. Mary seufzte. Sie wollte doch einfach nur in die weichen, sonnengelben Laken ihres Bettes fallen und ins süße Land der Träume driften.
Aber sie würde sich ihre gute Stimmung nicht verderben lassen. Weder von dummen Zufällen noch von Wolkenbergen, die mittlerweile den Tag zur Nacht machten und scharfen Wind durch die Straßenschluchten pfeifen ließen. Sie sammelte den Eiscreme-Becher und die Medikamentenschachteln vom Boden auf, wickelte sie in die Plastiküberreste, um die zweite Tüte nicht auch noch zu riskieren, und eilte weiter. Da traf der erste Regentropfen ihr Gesicht.
Super!
Die Finsternis griff mit langen Fingern in die Straßen, Scheinwerfer von Autos huschten vorbei und zu dem ständigen Rauschen gesellte sich ein lang gezogenes Donnergrollen, das bis tief in ihren Magen hinein rumpelte – der sich ja sowieso nicht sonderlich wohlfühlte.
Hastig stopfte sie ihren Einkauf unter die Jacke, auch auf die Gefahr hin, dass die Eiscreme schmolz – halb flüssig schmeckte die sowieso am besten. Doch weil ein ordentlicher New Yorker Schauer in wenigen Minuten ganze Kleiderschichten durchweichen kann, ganz zu schweigen von Medikamenten-Verpackungen, tat Mary etwas, das sonst nur Touristen machten oder Menschen, die glaubten, unverwundbar zu sein. Sie kaufte sich für fünf Dollar einen Regenschirm am Straßenrand.
Zur Sicherheit.
Bis zu Hause musste der reichen.
Es war schließlich nicht mehr weit.
Da brachen auch schon die Wolken auf und eine nasse, graue Wand aus dicken Tropfen sog sich sofort in ihre Jacke. Mary beschleunigte ihren Schritt, ihr Herz erhöhte den Takt und sie schaffte es irgendwie, den Schirm aufzuspannen, der zumindest ihren Kopf und ihre Brust vor den Wassermassen schützte. Sie ignorierte ihre weichen Knie, das Schwimmen in ihrem Bauch und konzentrierte all ihre Gedanken auf ihr Bett, das nur wenige hundert Meter entfernt auf sie wartete.
Mittlerweile war es dunkel wie die Nacht. Feuchtigkeit klebte ihr die weißblonden Locken ins Gesicht und die schwergewordenen Jackenärmel an die Haut.
Da summte das Handy in ihrer Hosentasche und sie machte einen kleinen Satz.
Natürlich wäre es schlau zu warten, bis sie zu Hause war.
Schlau, weil dann das Handy nicht komplett nass wurde und weil sie sich im Trockenen immer noch über die Antwort ihrer Kundin freuen konnte.
Aber Mary hielt es nicht aus. Sie war so neugierig und musste einfach sofort wissen, was Miss Fisher über das Kleid dachte. Ob es ihr gefiel, ob es so geworden war, wie sie es sich vorstellte, und ob sie genauso hingerissen war wie Mary.
Die Ampel an der nächsten Kreuzung sprang auf Rot. Noch mehr Regen sog sich in ihre Kleider, klebte die Jeans an ihren Oberschenkeln fest und lief in dicken Rinnsalen ihren Rücken hinunter. Aber die Verzögerung kam ihr trotzdem mehr als gelegen. Mit zitternden Fingern zog Mary ihr Telefon heraus und tippte auf die Nachricht.

Miss Fisher: Danke für die Mühe. Aber die Feier findet nicht statt. Ich habe keine Verwendung mehr für das Kleid.

Eine unsichtbare Blase breitete sich in atemberaubender Geschwindigkeit um Mary herum aus und verschluckte die Wirklichkeit. Das Rauschen der Autos wurde dumpf, den Regen hörte sie kaum noch, nur ihr Puls hämmerte wie Donnerschläge bis in ihren Hals hinauf.
Sie konnte sich nicht rühren.
Selbst dann nicht, als die Ampel umsprang.
Es ist vorbei.
Endgültig vorbei.

Ganz Manhattan schien langsam unter ihr aufzubrechen, schwarz bröckelte der Beton, kalter Felsen barst in tiefen Spalten und dann grinste ihr aus dem Höllenschlund das rote Glühen des Erdkerns entgegen, das sie im Nu zu Asche verbrennen würde.
Ein Auto rauschte an ihr vorbei, spritzte das Wasser einer tiefen Pfütze gegen ihre Beine, nasser Fahrtwind griff in ihren Schirm, riss ihn in die Höhe und zerstörte das klapprige Gestell. Die erbärmlichen Überreste ihrer neuesten Errungenschaft flatterten wie ein verzweifeltes Fähnchen über ihrem Kopf – schwarze Fetzen, ein klägliches Symbol ihrer endgültigen Niederlage.
Vorbei.
Nasse Locken schlangen sich um ihr Gesicht, klebten an ihrem Hals und Pfützenwasser schwappte in ihre Schuhe.
Ihr Geschäft war dahin. Wenn sie endlich aufhören wollte, ihren Eltern auf der Tasche zu liegen, musste sie nach Kansas zu ihrer Tante ziehen und für den Rest ihres Lebens Hosen kürzen. Das schummrige Gefühl in ihrem Bauch breitete sich in einer Übelkeit erregenden Welle aus und ließ ihre Knie noch weicher werden.
Es ist vorbei.
Immer wieder kreisten diese drei Worte sinnlos durch ihren Kopf.
Und dann … hörte der Regen plötzlich auf, ganz abrupt und nur über ihrem Kopf.
Seltsam.
Sie hob den Blick, alles drehte sich, ihr war so schlecht. Die kalte Eiscreme an ihrer Brust machte das absurd entrückte Gefühl nur schlimmer, die nasse Jacke schlang sich fest um ihren Körper und sie erblickte ein Sternenzelt über sich. Goldgelbe Punkte auf dunkelblauem Himmel, der sich dicht über ihr aufspannte.
Verrückt.
Sie schwankte.
»Hi.« Sie drehte den Kopf. Leuchtend grüne Augen im Scheinwerferlicht, sandblonde Locken, die samtig in seine Stirn hingen, und ein verschmitztes Lächeln.
Dann sackte sie in sich zusammen und alles wurde schwarz.

Im Kindle-Shop: Home Sweet Home: Liebesroman.
Mehr über und von J. Vellguth auf ihrer Website.



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