14. Juli 2016

'Aufgewacht - Angedacht: Wenn Zeitgeist auf Satire trifft' von Harald H. Risius

Vor mehr als vierzig Jahren gingen Yoko Ono und John Lennon zusammen ins Bett, um gegen den Krieg zu protestieren. Das damals berühmteste Künstlerpaar der Welt machte seine Flitterwochen öffentlich und verkündete aus dem Bett heraus: „Make love, not war!“

Auch das Paar Auguste-Elisabeth und Hugo geht eine seiner Lieblingsbeschäftigungen im Bett nach: Nämlich dem Zwiegespräch. Ganz gleich, ob es um den Klimawandel, um Erotik unter dem Tschador oder Frust, Alkohol und Nikotin geht, es gibt kaum ein Thema, über das sich nicht zur Schlafenszeit oder gleich nach dem ersten Augenaufschlag vortrefflich diskutieren ließe. Gemeinsam gehen sie dem Zeitgeist und vermeintlichen Missständen auf den Grund und denken zu Ende, was unsere Politiker in vielleicht guter Absicht, aber ohne Sachverstand begonnen haben. Sie finden Lösungswege, die ihnen plausibel erscheinen und den Leser schmunzeln lassen.

Intelligent, ironisch und erfrischend – ein Beziehungsbuch, das sich mit dem Zeitgeist und den sich daraus ergebenen wichtigen Problemen befasst: Ein Buch in dem Männer zuhören und Frauen mit Sicherheit einparken können.

Gleich lesen: Aufgewacht - Angedacht: Wenn Zeitgeist auf Satire trifft

Leseprobe:
Vorangestellt: Gedankenschitzel
Darf denn heute jeder Reden und Schreiben wie er will? Und bin ich gezwungen das zu verstehen? Etliche Rechtschreibreformen haben uns eine großzügige und nie geahnte Freiheit des Schreibens beschert. Groß- und Kleinschreibung, Doppel-s oder ß, Kommaregel – alles darf, so scheint es jedenfalls auf den ersten Blick, nach Gefühl und Wellenschlag auf dem Papier oder Bildschirm verteilt werden.
Mal davon abgesehen, dass unsere Finanzpolitiker bei der Aufnahme von Schulden ohnehin schon immer die Tendenz hatten, Kommas möglichst weit nach rechts zu schieben, um so die Zahl der linken Nullen immer größer werden zu lassen.
Für mich als Autor könnte dadurch das Leben sehr einfach werden. Muss ich mich doch bei kniffligen Rechtschreibproblemen nicht durch den Duden wälzen, sondern kann mir einfach sagen: „Es wird schon eine Regel geben, die genau diese Schreibweise erlaubt.“ Schlimmstenfalls kann ich mich sich immer noch auf die sogenannte Süddeutsche Ausnahme berufen, wenn ich zum Beispiel aus Versehen „der Radio“ oder „der Foto“ schreibe. Das glauben Sie nicht? Stimmt aber, so steht es im Duden.
Darf ich mir also wirklich die Regel aussuchen, die aktuell gerade zu meinem Schreibstil und der Handlung passt? Leider nein!
Für den gewissenhaften Autoren, der es natürlich allen Lesern Recht machen möchte, wird das Leben dadurch nämlich viel schwerer. Was ist, wenn ein Leser genau diese Regel, die ich schlauerweise angewendet habe, nicht kennt oder auf Anhieb nicht findet? „So ein doofer Autor“, denkt der sich. Und oft denkt er das nicht nur, sondern schreibt es auch als fiese Rezension in den Online Buch Shop seines Vertrauens. Und dort steht es dann festzementiert bis in alle Ewigkeit. Wahrscheinlich ist auch Petrus online und wird mich mit diesen Vergehen konfrontieren, wenn ich einmal vor seinem Himmelstor erscheine.
Damit ist es amtlich, ich bin ein doofer Autor, der nicht einmal die Rechtschreibregeln kennt. Pech für mich, für den Verlag und für den Händler, keiner will das Buch mehr kaufen.
Anderseits wird das Schreiben natürlich effizienter, wenn ich mir nicht mehr so viele Gedanken über die Grammatik und Orthographie machen muss. Ich schreibe schneller, ich schreibe flüchtiger und verlasse mich darauf, dass mein Rechtschreibprogramm all’ die bekannten und unbekannten Regeln kennt, die es noch gibt.
Leider stimmt das nicht! Es scheint sogar recht dumm zu sein und kennt meine, oft mühevoll erdachten, feinsinnigen Wörter nicht, die genau zu der Situation passen, die ich gerade beschreiben will. Es kennt dieses bestimmte Wort nicht – aber es kennt ein ähnliches. Und Schwupps, steht genau dass Wort dort, das ich eigentlich gar nicht schreiben wollte. Hoffentlich merke ich es noch rechtzeitig. Als Krimischreiber habe ich es zum Beispiel natürlich oft mit DNA-Analysen zu tun, mein Computer aber scheint keine DNA zu haben und ersetzt dieses regelmäßig durch DANN – und zwar in großen Buchstaben. Was soll das denn sein, eine DANN-Analyse? Schlimm wäre es beinahe auch geworden, als ich meinen Helden idyllische Landferien genießen lassen wollte – es wurden idyllische Landfrauen daraus. Damit wäre das Buch fast jugendgefährdend geworden. Aus einem Stadl wurde auch schon mal schnell ein Stahl, was natürlich nicht die Beschreibung einer Landschaft am Chiemsee passt. Na ja, was der Computer nicht kennt, das mag er eben nicht.

Jetzt sollte man sich eigentlich sagen: „He, bleib locker, schreib’ wie dir der Schnabel gewachsen ist. Die Leute werden es schon verstehen.“ Das stimmt, meistens verstehen es die Leute auch, wenn man etwas guten Willen voraussetzen kann. Nur als Autor darf man das natürlich nicht, Sie wissen schon, da gibt es ja die Rezensenten und – um politisch korrekt zu bleiben - die Rezensentinnen.
So aber bekommen wir allmählich eine Flüchtigkeit des Schreibens, die sich gerade im Alltag immer mehr ausbreitet. Achten sie mal auf die Werbetafeln vor Restaurants oder den Läden in der Einkaufsstraße. Da wird aus dem netten Gemüsehändler am Stresemannplatz ganz schnell der Gemüse-Stressmann. Und damit tut man ihm wirklich Unrecht.
Bei meinem Lieblingswirt am See wurde gestern ein Schitzel als Tagesgericht angeboten. Sogar in XXL. In anderen bairischen Biergärten gibt es dann auch schon mal eine Obzda, serviert wird aber tatsächlich ein Obatzter, dieses beliebte Gericht aus altem Käse. Und es wird auch gerne mal ein frischer Salat mit gegrillten Garnellen angeboten. Lustig war es auch, als unser Japaner mit dem Angebot „Lust auf Susi?“ warb. Hatte ich, aber es wurde dann doch nur Sushi serviert.
Gedankenlos, oder? Es wäre doch sicherlich noch Zeit gewesen, auch das n oder ein paar zusätzliche a’s und t’s zu schreiben, bevor die ersten Gäste eintreffen. Interessant ist, dass diese Fehler vom Leser kaum bemerkt werden. Wir haben eine bestimmte Vorstellung im Kopf und lesen das, was wir lesen wollen. Es handelt sich sozusagen um Gedanken-Schitzel.
Oder verlangt die neue Effizienz, überflüssige Buchstaben einfach wegzulassen? Alle Selbstlaute zum Beispiel? Wird aus dem beliebten Schnitzel bald ganz offiziell ein neudeutsches SchNTZL.
Hat der Verfasser der Werbetafel etwa zu viele SMS (ich habe mich hier durch geschickten Satzaufbau bewusst vor dem Artikel gedrückt, denn die österreichische Variante lautet „das SMS“, während wir in Deutschland „die SMS“ sagen) oder Mails bekommen? Haben ihn Sätze wie BRADUHI (brauchst du Hilfe), BSE (bin so einsam, nicht zu verwechseln mit der Gehirnkrankheit der Rinder), ZUMIOZUDI (zu mir oder zu dir) oder BVID (Bin verliebt in Dich) verwirrt? Mal ganz abgesehen von dem bewährten, alten ASAP, das die Älteren unter uns ja noch aus den Fernschreiberzeiten kennen.
Sie sollten sich auch keine Sorgen machen, wenn Ihnen ihr Freund oder Freundin HDSL unter die WhatsApp schreibt. Sie oder er hat keine neue, hochansteckende Krankheit, sondern „hat dich sehr lieb“.
Und es sind oft nicht nur ein paar Buchstaben, die fehlen. Manchmal fragt man sich: ob der Verfasser der Reklametafel überhaupt weiß, was er da schreibt, wenn zum Beispiel vor einem Fischgeschäft an der Ostsee als „Catch of the Day: Frische Ofenkartoffel“ angeboten wird. Als aufmerksamer Leser habe ich auch herausfinden, das eine Bayrische Fleischerei „Landfrauenwurst“ verkauft, die aber keinesfalls aus frischen Landfrauen zubereitet wurde. Und gab es da auch noch einen Hof, das mit einem „frischen Bauern-Ei“ wirbt. Wobei das jedoch weder biologisch noch politisch ganz korrekt ist, denn hier hätten auch die BäuerInnen erwähnt werden müssen.
Und dann wäre das noch das nette Wort ‚angedacht’ zu erwähnen, das unsere Politiker immer dann verwenden, wenn sie sich nicht festlegen wollen. Auch sonstige Wichtigmacher verwenden dieses Wort gerne, wenn sie sich nicht sicher sind, ob der Chef nicht doch eine andere Meinung hat. „Ich habe da mal was angedacht ...!“
Warum denkt ihr das ‚Angedachte’ nicht einfach zu Ende?

Im Kindle-Shop: Aufgewacht - Angedacht: Wenn Zeitgeist auf Satire trifft

Mehr über und von Harald H. Risius auf seiner Website.

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