15. August 2016

'Mobbic Walking' von Ulla B. Müller

An zwei Dingen kommt Mona nicht vorbei: An ihren fünfzigsten Geburtstag und der Fitnessgranate, die es auf ihren Arbeitsplatz abgesehen hat. Da Mord nicht die Lösung ist, um ihre Stelle in der Sportequipment-Firma zu behalten, bleibt ihr nur der steinigste aller Wege: Abnehmen und Sport. Ausgerechnet dabei trifft sie auf den größten Stolperstein, ihren Nordic-Walking-Trainer. Die Laufstrecke verwechselt er mit einem Truppenübungsplatz, aber seiner Mutter im Seniorenheim liest er jeden Wunsch von den Augen ab. Es kostet viel Schweiß und Nerven, bis Mona begreift, wie wichtig dieser attraktive Quälgeist für sie ist.

Der zweite Liebesroman von Ulla B. Müller für Frauen, bei denen Fitness und sich neu Verlieben ganz oben auf der To-Do-Liste stehen.

Gleich lesen: Mobbic Walking

Leseprobe:
Das war Teufelswerk. Mona spürte es ganz deutlich. Wie jeden Morgen musste sie auf dem Weg vom Parkplatz zum Fabrikgebäude an dieser Bäckerei vorbei, und meistens schaffte sie es ohne Unterbrechung. Auch heute war sie schon ein paar Meter weiter. Doch mit einem Mal wurden ihre Füße immer schwerer, und plötzlich kam sie überhaupt nicht mehr von der Stelle. Eine unsichtbare Macht zwang sie kehrtzumachen und noch einmal auf das Angebotsschild am Eingang zu schauen. Verflixt! Da stand es wirklich: Drei Schokocroissants zum Preis von zwei. Selbst wenn man höchstens zwei schaffte, würde kein vernünftiger Mensch so blöd sein und der Frau hinter der Theke zusäuseln: »Packen Sie mir ruhig eins weniger ein.« Das machte man doch nicht! Eher würde man sich das dritte für später aufheben, auch auf die Gefahr hin, dass es nach kurzer Zeit labberig in sich zusammenfiel.
Entschlossen öffnete Mona die Ladentür und kehrte nach drei Minuten mit der prall gefüllten Sonderangebotstüte und einem Kaffee im Pappbecher wieder. Heute war es sowieso egal. Der Tag war so gut wie gelaufen.
Wenige Minuten später stand sie vor ihrem Büroschreibtisch und lud alles, was sie in den Händen hielt, vor die Tastatur ihres Rechners. Im Nu überlagerte herrlicher Kaffeeduft das Luftgemisch aus verstaubten Heizkörpern und Industrie-Teppichboden.
Ihr Schreibtischstuhl ächzte, als sie sich zurücklehnte und sich dem himmlischen Geschmack der kleinen Schokoladenstückchen aus dem ersten Croissant hingab. So ein früher Morgen, ganz allein in der Firma, hatte etwas Angenehmes, etwas Friedliches.
Heute war sie nur Rudi, dem Pförtner, begegnet.
»Tach, Frau Seitz«, hatte er sie begrüßt und dabei wie gewöhnlich mit zwei Fingern an die Stirn getippt. »Heute doch in die Firma?« Zum Lächeln war ihm bei dieser Frage nicht zumute gewesen.
»Ja, ja. In den zwei Stunden bis elf kann ich noch Einiges vom Tisch kriegen.« Mona hatte schon ein wenig schlucken müssen, als ihr die schwarze Armbinde an seinem rechten Hemdsärmel aufgefallen war.
Mit den anderen Kollegen brauchte sie an diesem Freitagmorgen nicht zu rechnen.
Obwohl es nicht zum Anlass des heutigen Tages passte, hatte der Morgen auch zu Hause schon überraschend gut begonnen, als sie ihr schwarzes Kostüm anprobierte, das seit der Abiturfeier ihres Sohnes vor fünf Jahren unbenutzt im Schrank schlummerte. Ihre düsteren Vorahnungen hatten sich zum Glück nicht bewahrheitet. Es passte noch. Besser gesagt, gerade noch so eben. Nur das eisgraue ärmellose Oberteil mit dem Bündchen am Hals hatte sie nach der Anprobe schnell wieder zurückgehängt. Es hatte sich wie ein Taucheranzug an ihren Körper geschmiegt, wobei das noch sehr schmeichelhaft formuliert war. Und heute Vormittag ging es eher darum, auf- und nicht abzutauchen.
Sie hatte es mittlerweile aufgegeben, sich wegen der fünfzehn Kilo mehr ständig selbst mit Vorwürfen in den Ohren zu liegen. Seit ihrer Scheidung von Henning war ihr Gewicht so ziemlich das Letzte, mit dem sie sich herumschlagen wollte. Ihre beste Freundin hatte sie schon öfters dezent darauf hingewiesen, dass es für fast alle Lebensmittel auch Light-Versionen gab. Ute war zwar Köchin, aber trotzdem ungewöhnlich schlank und das sogar ohne Nikotin oder Pülverchen aus der Apotheke. Sie musste auch schlank sein, denn sie hatte sich vor zwei Jahren zur Ernährungsberaterin fortbilden lassen, und wer eiferte schon jemandem nach, der mit einer Taillenweite jenseits von Gut und Böse herumlief? Für Monas Lieblinge, Croissants und Nougatschokolade, fiel Ute allerdings auch keine fettarme Variante ein, und die patzige Ausrede, dass die zusätzlichen Pfunde im Alter gut gegen Falten wirkten, wurde von ihr nur müde belächelt.
»Da kannst du dir gleich Botox spritzen lassen. Das hat wahrscheinlich weniger Nebenwirkungen als dein Übergewicht. Aber wie wär’s denn mal mit Sport? Das strafft auch.« Als Nächstes folgte der läppische Spruch: »Es gibt nichts Gutes, außer man tut es«, und Walking oder Schwimmen bildeten dann die Quintessenz ihrer freundschaftlichen Empfehlungen, angesichts der drallen Figur ihrer Freundin.
Mona beantwortete diese Art von Ratschlägen gewöhnlich mit einem genervten Augenrollen. Gut kochen können und gertenschlank sein - nie würde sie begreifen, wie das zusammenging. Und wenn einem beziehungstechnisch übel mitgespielt wurde, erwartete man auch in einem Plus an Körperertüchtigung keine Wunder. So entschied sie kurzerhand, ihr Gewicht vorübergehend aus ihrem näheren Wahrnehmungsbereich auszuschließen und die drei Kleidergrößen mehr unter der Rubrik Trostpflaster zu verbuchen.
Die Sonne schien bereits streifenförmig durch die Lamellen der Jalousie und heizte den Büroraum zusehends auf. Für die zwei geplanten Arbeitsstunden war ihre Garderobe jetzt schon entschieden zu warm. Mona hielt rücklings den rechten Ärmel ihres Blazers fest und versuchte krampfhaft den Arm herauszuziehen. »Mona Seitz, eine rheumageplagte Anakonda häutet sich mit Sicherheit eleganter«, mopperte sie vor sich hin, als sie trotz merkwürdiger Körperwindungen nicht aus der schwarzen Hülle herauskam. Zu allem Übel klingelte auch noch das Telefon. Bevor die rechte Hand endlich befreit zum Hörer greifen konnte, krachte es am vorderen Ärmelansatz. Die Naht zur Schulter klaffte zehn Zentimeter weit auseinander und gestattete einen freien Durchblick auf das seidige Innenfutter.
»Mist!«, zischte Mona und legte den Hörer ans Ohr.
»Ja, genau darum geht’s. Es geht um den Mist, den sie meiner Mutter vor zwei Wochen geliefert haben. Ich gehe mal davon aus, dass ich mit dem Kundendienst der Firma Kaiser verbunden bin?« Die dunkle Männerstimme klang sehr bestimmt und sehr unzufrieden.

Im Kindle-Shop: Mobbic Walking

Labels: , ,

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite