27. November 2018

'Der Tod lernt mit: Ein Dorfkrimi' von Alexander Huberth

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Das ist schlimmer als eine Wurzelbehandlung: Mit Mitte dreißig muss Leo ins Schwulz zurückkehren. Ins Schwarzwald-Schulzentrum also, den Ort, den er einst nach dem Abitur fluchtartig verlassen hatte. Aber weil Julius, der Sprössling von Leos Kumpel Alex, gemobbt wird, bleibt Leo nichts anderes übrig, als sich seiner schulischen Vergangenheit zu stellen – er und Samson, der furchteinflößende Irische Wolfshund, sollen das tun, was sie am besten können: mobbenden Kindern Furcht einflößen.

Während sich das sechsbeinige Detektivduo um die fiesen Kids kümmert, pflastern Leichen, Lehrer und ein später Wintereinbruch den Weg der beiden. Außerdem werden Leo und Samson in eine Entführung verwickelt. Sie ahnen nicht, wie schnell sich ihnen das Unheil nähert – und es ist gefährlicher als eine 6 in Mathe.

Leseprobe:
Robbie fuhr so schnell und risikoreich, wie es die Dunkelheit zuließ. Kurz bevor er die Stadtgrenze und damit den letzten Anstieg erreichte, kurvte er durch ein abschüssiges Waldstück. Wäre er nicht erst siebzehn gewesen, sondern ein paar Jahre älter, hätte er sich vielleicht Gedanken gemacht, was eigentlich passieren würde, sollte ein Wildschwein, ein Reh oder auch nur ein Fuchs seinen Weg kreuzen. Möglicherweise hätte er dann die Geschwindigkeit gedrosselt. So aber hatte er nur eines im Sinn: Mia.
Noch vier Kurven. Robbie beugte sich über den Lenker wie ein Zeitfahrer bei der Tour de France. Links raschelte etwas im Gebüsch, etwas Großes. Doch Robbie hörte nur den Fahrtwind. Er registrierte nicht, dass ein Hirsch majestätisch auf die Straße trat – Sekundenbruchteile, nachdem Robbie die Stelle in einem Höllentempo passiert hatte.
Noch zwei Kurven, die nächste war besonders eng. Robbie bremste, richtete sich auf, lenkte in Richtung des rechten Fahrbahnrands und schwenkte scharf nach links. Einen herrlichen Moment lang fühlte er sich schwerelos. Er fühlte sich ...
Was war das? Im schmalen Scheinwerferkegel von Robbies Rad tauchte ein Auto auf. Er raste genau darauf zu.
»Scheißeeeeee«, schrie Robbie. Er zerrte an den Bremsen, versuchte gleichzeitig, den Lenker nach links zu ziehen, um irgendwie auszuweichen. Verdammt, das wurde knapp. Richtig knapp. Scheißknaaaaapppp!!!
Robbie brüllte. Erst vor Angst, dann vor Erleichterung. Er würde es schaffen. Eine Sache von Zentimetern, aber es würde reichen, es würde reichen, es würde ...
In diesem Moment öffnete sich die Fahrertür.
Das Rad krachte mit voller Wucht dagegen, der Knall ließ Vögel dutzendfach erschreckt auffliegen.
Robbie segelte durch die Luft. War der Baumstammstapel, dem er sich mit Lichtgeschwindigkeit näherte, eben schon hier gewesen? Das Ding wurde immer größer und bedrohlicher, während Robbie wie ein abgestürzter Skispringer in der Luft taumelte.
Dann war es vorbei. Robbie schlug hart auf der rissigen Waldstraße auf. Rollte sich zusammen, während er über den rauen Asphalt schlitterte. Dass er sich am ganzen Körper die Haut aufriss, spürte er kaum. Den Baumstapel sah er nicht mehr. Schon gar nicht, als er mit dem Kopf dagegen prallte und liegen blieb.
Einen Moment lang herrschte Stille, der Wald schien den Atem anzuhalten.
Bis Robbie aufstöhnte.
Erst wunderte er sich, dass er keine Schmerzen verspürte. Dann kamen sie mit Gewalt. Die zerrissene Haut, die Steinchen, die sich in sein Fleisch gefressen hatten. Der gebrochene Arm, dessen zerborstener Knochen sich durch Robbies Jacke gebohrt hatte und der aussah wie ein zu kurz geratener Spazierstock. Oh Gott!
Robbie schrie. Er schrie und hörte nicht mehr auf.
Schritte näherten sich.
Eine Stimme sagte: »Unfassbar, der Fahrradhelm hat dir das Leben gerettet.«
Robbie kannte die Stimme. Sie würde ihm helfen, würde einen Krankenwagen rufen, ihn nicht allein lassen. Vor Erleichterung hätte er beinahe geweint, doch die Schmerzen verdrängten jedes aufkeimende Glücksgefühl sofort.
»Was soll ich nur mit dir anstellen? Robbie, Robbie, Robbie, du machst es mir echt nicht leicht«, sagte die Stimme, die so teilnahmslos klang, als hätte der Wind ein Blatt über die Straße geweht. Und nicht die Fliehkraft den Körper eines Jungen zerschmettert.
Eine Hand, mit Handschuhen geschützt, kam in Robbies Blickfeld. Durch all die Schmerzen kroch Panik Robbies Rücken hinauf, eroberte seine Nervenenden, setzte sich in seinem Bewusstsein fest. Nackte Panik.
Die Hand verschwand. Robbie hätte nicht sagen können, wie viel Zeit seit dem Sturz vergangen war. Drei Sekunden? Dreißig? Dreihundert? Vielleicht Dreitausend? Was wäre das in Minuten? Oder in Stunden?
Die Hand tauchte wieder auf. Ein großer Stein lag in ihr, spitz zulaufend, wie das unbeholfen bearbeitete Werkzeug eines Neandertalers. Schweigend machte sich die Gestalt an ihr Werk. Legte den Stein in die andere Hand. Hob Robbies Kopf an. Platzierte den Stein an der Stelle, wo eben noch der Kopf gelegen war.
Robbie spürte, wie die Kraft in jener Hand, die seinen Schädel hielt, zusammenfloss, wie sich die Energie sammelte, wie sie sich auf den tödlichen Schlag vorbereitete. Dann wurde sein Kopf nach unten gewuchtet. Die ungeschützte Schläfe knallte auf die Spitze des Steins.
Robbie bekam nicht mehr mit, wie das Auto davonfuhr. Er bekam nicht mit, wie sich nach endlos langer Zeit ein weiteres Auto näherte, der Fahrer das auf der Straße liegende Fahrrad überrollte, dabei Spuren verwischte, die Scheinwerfer auf die reglose Gestalt am Straßenrand richtete und unter Schock stehend Hilfe herbeirief.
Und er bekam nicht mit, dass sein Handy ihn mit einem Signalton über eine eingegangene Nachricht informierte.
»Hey«, schrieb Mia, »wann bist du endlich daheim? Rufst du mich an? Würde gerne deine Stimme hören.« Dazu ein Kuss-Smiley.
Nichts davon bekam Robbie mit. Er war tot.

Im Kindle-Shop: Der Tod lernt mit: Ein Dorfkrimi (Ein Fall für Leo und Samson 4).
Mehr über und von Alexander Huberth auf seiner Website.



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