'Zwischen Tafelspitz und Ministerrat: Sammelband' von Brigitte Teufl-Heimhilcher
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Als Sybille einwilligt, das Amt der Sozialministerin zu übernehmen, tut sie es, um mehr Ehrlichkeit in die Politik zu bringen. Das stellt sich bald als schwieriger heraus als gedacht, denn Kanzler Reifenstein hat nur eines im Sinn: Wählerstimmen. Sybille lässt nicht locker. Trotz der Streitigkeiten mit dem Kanzler, ihrer pubertierenden Tochter und ihrem sturköpfigen Vater, geht sie der Frage nach, ob der Unfalltod ihres Vorgängers Mord gewesen sein könnte. Keiner will das so recht glauben, nur Viktor Raab, der Chefredakteur des Tagblatts, unterstützt sie und ist auch sonst immer öfter an ihrer Seite.
2. Buch – Der Fall Finkenberg
Zwei Jahre später ist Sybille Vizekanzlerin und Parteichefin. Sie liebt ihre Arbeit, auch wenn die ihr nur wenig Zeit für Privates lässt. Das stellt zunehmend eine Belastung dar, denn gerade jetzt würde Viktor Raab ihre Zuwendung brauchen. Als das Gerücht auftaucht, Umweltminister Finkenberg sei in Schwarzgeldgeschäfte verwickelt, geht Sybille der Sache dennoch auf den Grund, merkt bald, dass die Dinge nur selten so sind, wie sie auf den ersten Blick scheinen und trifft eine Entscheidung, mit der niemand gerechnet hat.
Anleser:
Als Sybille schlaftrunken die Jalousien hochzog, war es draußen dunkel und nebelig. Ihre Tochter Kerstin wollte auch nicht aus den Federn. Das konnte sie ja verstehen, aber dass sie dann auch noch das Bad stundenlang blockierte, zerrte schon ziemlich an ihren Nerven, und als sie beim Frühstück mit einem ihrer Igitt-igitt-Blicke sagte: „Wie siehst du denn heute aus?“, schien das Maß voll.
Wie immer zählte Sybille erst heimlich bis zehn, ehe sie, schon etwas weniger gereizt, antwortete: „Lass mich raten: schwarz und traurig? Genauso fühle ich mich, heute ist doch das Begräbnis von Doktor Winter.“
„Okay, aber du bist seine Kabinettschefin, nicht seine Witwe“, antwortete Kerstin gelangweilt, trank ihren Orangensaft, schnappte sich einen Apfel und ging.
„Du sollst doch …“, den Rest konnte sie sich sparen, die Tür war bereits hinter Kerstin ins Schloss gefallen.
Lustlos aß sie ein paar Löffel von ihrem Müsli, verstaute die restlichen Lebensmittel wieder im Eiskasten und betrachtete sich im Vorzimmerspiegel. Vielleicht war die schwarze Bluse zusammen mit dem schwarzen Kostüm und ihrem schwarzen Haar doch etwas zu viel. Seufzend ging sie zurück ins Schlafzimmer.
Weiß? Rosa? Ach, hier war noch diese silbergraue Schleifenbluse. Die hatte sie schon eine Ewigkeit nicht getragen, aber zusammen mit der Blutsteinkette und den dazu passenden Ohrgehängen sah sie gar nicht so übel aus. Noch ein wenig Lippenstift, dann machte sie sich auf den Weg zu ihrem Vater.
Sie konnte zwar nicht verstehen, warum er sich diese Tortur freiwillig antat, aber er behauptete, als alter Parteifreund wäre es seine Pflicht, an den Trauerfeierlichkeiten teilzunehmen. Sie vermutete eher, dass er Langeweile hatte, jetzt, wo die Golfsaison endgültig vorbei zu sein schien.
Obwohl sie fünf Minuten vor der Zeit da war, stand er schon vor dem Haus. Gut sah er aus, mit seinem schwarzen Mantel und dem schlohweißen Haar.
Er bedeutete ihr einzuparken, doch sie öffnete nur das Fenster: „Komm, steig ein, mit deinem Schlitten bekommen wir doch nie einen Parkplatz.“
„Irrtum Kind, mit meinem Schlitten brauchen wir keinen Parkplatz.“
Dieser Logik konnte sie zwar nicht folgen, aber sie wollte nicht schon jetzt mit ihm diskutieren. Also sagte sie nur: „Okay, aber ich fahre.“
„Meinetwegen.“
Sie parkte seufzend ein und nahm in seinem großen, alten Mercedes Platz. Schön war er ja, mit seinen weinroten Ledersitzen und den Rosenholzeinlagen auf dem Armaturenbrett, aber verdammt unpraktisch.
Während sie den Wagen vorsichtig durch den dichten Morgenverkehr lenkte, fragte er: „Wie geht’s meiner Enkelin?“
„Im Moment vermutlich gar nicht gut, sie hat heute Literatur-Test und bestimmt zu wenig gelernt.“
„Das arme Kind, muss sich mit toten Dichtern herumschlagen, wo es doch so viel Spannenderes gibt.“
„Ich kann mich nicht erinnern, dass du mir gegenüber jemals auch nur halb so viel Bedauern ausgedrückt hättest.“
„Du warst sowieso immer eine Streberin. Deswegen hast du heute so wenig Verständnis für deine Tochter. Kerstin ist halt mehr der praktische Typ.“
Da sie sich bereits dem Friedhof näherten, enthielt sie sich einer Antwort, obwohl es sie schon längere Zeit wurmte, dass ihr Vater, wie auch ihr Exmann, immer die Verständnisvollen spielten und es ihr überließen, sich um den nervigen Alltag zu kümmern.
„Hier gleich rechts“, dirigierte er sie eben auf den Parkplatz der Ehrengäste.
„Ich weiß nicht, ich bin doch kein Ehrengast.“
„Ich schon“, antwortete er mit Würde und kletterte aus dem Auto. Der Parkwächter grüßte respektvoll und steckte eine Nummer hinter die Windschutzscheibe.
„Na bitte, geht doch“, lächelte er und reichte ihr seinen Arm.
Blick ins Buch (Leseprobe)
Labels: Brigitte Teufl-Heimhilcher, Frauen, Roman
1 Kommentare:
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