13. Juli 2020

'Eine Träne am Horizont 1: Sehnsucht nach dem Verlorenen' von Thomas Brandl

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Sehnsucht nach dem Verlorenen, nach einer verlorenen Zeit und einer fehlenden Harmonie mit der Welt.

Ein vom Leben gezeichneter Mann liegt im Frühjahr 1966 mit rätselhaften Symptomen in einem Privatkrankenhaus von Buenos Aires. Auf dem Krankenbett denkt Vincent von Hohenholte an die glücklichen Tage seiner Jugend zurück. Im Jahr 1913 hatte er an der kaiserlichen Universität in Wien Geschichte studiert und sich in die schöne Angela verliebt. Hohenholte erlebte unvergessene Momente der Liebe und der Verbundenheit, aber ein uraltes Geschöpf aus den Tiefen der Vergangenheit neidete dem Paar das Glück. Es lockte Angela und Vincent an Bord eines Schiffes. Die Kreuzfahrt auf der Donau hatte als Ziel das Schwarze Meer, aber dort sollten sie nie ankommen.

Hohenholte musste feststellen, dass seine Lehrbücher an der Universität in vielen Dingen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen.

Anleser:
Die Gedanken eines alten Mannes

Müde mache ich meine Augen auf. Vor mir erscheint langsam eine verschwommene Welt. Wo bin ich? Was mache ich hier eigentlich? Und warum bin ich so kraftlos, kann mich kaum bewegen? Mein Kopf fühlt sich so schwer wie ein Eisenamboss an und ich komme einfach nicht richtig zu mir. Unweigerlich drifte ich wieder in die Dunkelheit ab. Es fällt mir sogar schwer, die Augen offen zu halten.
Erneut wache ich auf, blinzle ein paar Mal und fühle mich etwas besser. Es dauert zwar einige Zeit, aber meine Augen gewinnen ihre Schärfe zurück. Mir gegenüber ist eine weiße Wand, an der ein Kruzifix mit dem leidenden Christus hängt. Die geschundene Figur auf dem dunkelbraunen Holz sieht in etwa so aus, wie ich mir den Gottessohn zur neunten Stunde seines Martyriums auf diesem Hügel in Jerusalem vorstelle.
Sein gequälter Gesichtsausdruck, halbverdeckt durch die blutige Dornenkrone, setzt etwas in mir in Gang. Wie ein falsch gespielter Akkord auf einer Kirchenorgel dröhnt eine unheilvolle Schwingung tief in meinem Innern und kurz darauf beginnt etwas Unangenehmes unaufhaltsam mit piksenden Spinnenbeinen in mir empor zu krabbeln. Es wäre mir lieber, wenn es nicht an die Oberfläche käme, aber ich spüre, dass es zwecklos ist, sich dagegen zu wehren. Kurz vor dem erzwungenen Durchbruch kommt jene friedvolle Linie, an der ein letztes Mal eine Woge Harmonie das Bewusstsein umspült. Und dann trifft mich die größte Qual, die es gibt. Es ist die Erinnerung.

Blick ins Buch (Leseprobe)

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