9. Juli 2015

"Einfach nur ICH ... ich habe überlebt" von Daggi Geiselmann

Ein Buch über ein abenteuerliches Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. Schonungslos offen und ehrlich erzählt. Erfahrungen auf die ich teilweise liebend gerne verzichtet hätte, aber sie gehören nun einmal zu meinem Leben. Nicht immer leicht, keine schöne Geschichte, keine schönen Erfahrungen, einfach nur ICH, mit allen Ecken, Kanten, Fehlern und guten Seiten. Keiner hat dieses Leben für mich gelebt und keiner wird es mir abnehmen und für mich weiterleben.

Gleich lesen: Einfach nur ICH ... ich habe überlebt






Leseprobe:
Bis zu einem gewissen Alter hatte ich eine ganz normale Kindheit, wie viele andere Kinder auch. Ich wurde 1963 als fünftes Kind in eine Arbeiterfamilie hineingeboren. Was vielleicht nicht ganz normal daran war, ist die Tatsache, dass meine Mutter bereits drei ledige Kinder hatte, ehe sie meinen Vater heiratete. Mit ihm bekam sie meine um vier Jahre ältere Schwester und mich. Vater hatte schon eine Ehe hinter sich, aus der aber keine Kinder hervorgegangen waren. Das alles war für die damalige Zeit vielleicht nicht ganz üblich, jedoch keine Besonderheit, die in irgendeiner Weise rechtfertigt, was dann in meinem Leben geschah.
Dafür bin ich allein verantwortlich.
Meine älteste Halbschwester ist 1952 geboren, mein Halbbruder 1955 und meine dritte Halbschwester 1957. Für die damalige Zeit war es schon ein Hammer, drei uneheliche Kinder zu haben, wie ich mir gut vorstellen kann. Noch dazu, wenn man, wie meine Mutter, ein Findelkind war. Die Ziehmutter nahm nach und nach drei Findelkinder in der Familie auf, weil sie dachte, dass sie außer der einen leiblichen Tochter keine weiteren Kinder bekommen kann. Entgegen dieser Erwartung gebar sie aber doch zwei weitere eigene Kinder. So wuchs meine Mutter, die 1932 geboren ist, mit fünf „Geschwistern” auf. Sie erzählte uns, dass ihre Ziehmutter nie irgendwelche Unterschiede zwischen den leiblichen und den angenommenen Kindern gemacht hatte. Vielleicht führte das bei meiner Mutter dazu, dass es auch in unserer Familie keine Unterschiede zwischen den Kindern gab. Weder von ihrer Seite, noch vonseiten meines Vaters. Er war immer der Papa für uns alle. Ich schaue jetzt beim Schreiben die Worte Halbschwester und Halbbruder doof an, weil mir alle meine Geschwister ganz nahe sind und ich sie nicht als „halb“ empfinde. Das ist eine Tatsache.
Wir waren also eine ganz normale Arbeiterfamilie. Mein Papa war gewöhnlicher Hilfsarbeiter auf dem Bau und später dann Kraftfahrer bei einer Plattenlegerfirma im Nahverkehr. Geld war bei uns immer knapp, aber am Notwendigsten fehlte es nie. Zumindest kann ich mich nicht erinnern, jemals hungrig ins Bett gegangen zu sein. Aber ich erinnere mich an einige Male, wo meine Mama „keinen Hunger“ hatte. Das fällt mir jetzt erst auf, weil ich diese Ausrede meinen Kindern gegenüber schon verwendet habe.
Ich bin die Jüngste und wurde als Nesthäkchen von allen geliebt und verwöhnt, bis ich zehn Jahre alt war. Dann passierte etwas, das meine, bis dahin ganz normale, Kindheit doch ein bisschen abnormal werden ließ.
Meine Schwester Marion war gerade 16 Jahre alt und schwanger. Ich denke, meine Mutter wollte ihr das Dasein als ledige Mutter, welches sie selbst ja erlebt hatte, ersparen. Kurzerhand arrangierte sie die Verlobung von Marion mit dem Vater des Kindes, der 12 Jahre älter als sie war. Nur schade, dass der nette Mann zwei Monate nach der Verlobung, als sie im dritten Monat war, von der Polizei verhaftet wurde. Er war Unterhaltsverpflichtungen gegenüber zwei anderen ledigen Kindern und zwei verschiedenen Müttern nicht nachgekommen. Außerdem wurden ihm noch kleinere Betrugsdelikte vorgeworfen. Das war für meine Mutter natürlich Anlass genug, die Verlobung sofort zu lösen, was auch meiner Schwester recht war. Meine Mutter kannte solche Situationen nur zu gut, denn auch die Väter meiner Halbgeschwister hatten sich stets in Luft aufgelöst, wenn es um Unterhaltszahlungen ging.
Meine älteste Schwester (ich sage ab jetzt nicht mehr Halbschwester, weil ich das Wort nicht mehr sehen kann) und Marion haben denselben Vater. Zwischen den beiden wurde noch mein Bruder geboren, der einen anderen Erzeuger hatte. Ja, meine Mutter hatte sich damals entschieden, ihren ersten Liebhaber nicht zu heiraten, weil er ein Hallodri war, wie sie ihn immer nannte. Dann trat der Vater meines Bruders in ihr Leben, den sie auch nicht geheiratet hat, als ihr klar wurde, dass er meine älteste Schwester nicht mochte. Das wäre kein schönes Leben für das Kind geworden. Irgendwann tauchte dann wohl ihr erster Liebhaber wieder auf. Sie klammerte sich an den Strohhalm, doch noch ein normales Leben mit ihm führen zu können und versuchte es noch einmal mit ihm. Ergebnis: Eine weitere Tochter und immer noch derselbe Hallodri, von dem sie sich dann endgültig trennte.
Ich behaupte und bestätige trotz allem, dass unsere Mutter stets für ihre Kinder gelebt hat und heute noch lebt. Es kommt später in den Aufzeichnungen durch eine weitere Tatsache zum Ausdruck, welcher ich jetzt aber noch nicht vorgreifen möchte.
Als wir Mädels im richtigen Alter waren, erzählte meine Mutter oft von ihrem Spießrutenlaufen der ledigen Kinder wegen, vom Einsatz, den sie aufbrachte, um sie zu ernähren. Sie arbeitete in einer Näherei, die Kinder gingen zuerst gegen Bezahlung tagsüber in eine private Pflege, weil ihre eigene Ziehmutter auch in diesem Betrieb arbeitete. Aber Mutter hatte nie auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwendet, die Kinder zur Adoption freizugeben. Nur eines sagte sie immer wieder: „Wenn es damals die Pille schon gegeben hätte, dann hätte ich bestimmt keine unehelichen Kinder gehabt. Ihr wisst ja gar nicht, Mädels, wie leicht und wie schön ihr es heute habt. Uneheliche Kinder müssten nicht mehr sein!”
Das sagte sie auch meiner Schwester Marion, als sie merkte, dass sie in einer Beziehung zu diesem Gauner und Unterhaltspreller stand. Zur Antwort bekam sie: „Aber hör mal, Mama, wir wissen genau, was wir tun.” Als es dann so weit war, und Marion ihr in Tränen aufgelöst gestand, schwanger zu sein, sagte meine Mutter: „So, und nun habt ihr genau gewusst, was ihr getan habt?”

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