15. Juli 2016

'Frauenpower trotz MS - Trilogie: Jetzt liegt es an mir!' von Caroline Régnard-Mayer

Mit 39 Jahren bekam Caroline Régnard-Mayer diagnostiziert, dass sie Multiple Sklerose (MS) hat, die sie in ihrem weiteren Leben nun begleiten sollte. Nach zahlreichen Klinikaufenthalten und erfolglosen Therapien stellte sie sich dieser unheilbaren Erkrankung und nimmt die Leser mit auf eine Achterbahnfahrt, die authentisch und fesselnd erzählt wird. Ihr eigenes Akzeptieren der MS und das Leben mit der Krankheit bedeutet an jedem Tag eine Herausforderung. Dennoch genießt sie ihr Leben, schöpft Kraft im Glauben und der Feldenkraislehre und sieht positiv in die Zukunft.

In der vorliegenden Trilogie möchte die Autorin ihre Leser mit einem ähnlichen Schicksal oder Lebenskrise ermutigen.

Gleich lesen: Frauenpower trotz MS-Trilogie: Jetzt liegt es an mir!


Leseprobe:
Mit Elan und einem Wunschdenken, das Zusammenfassen meiner ersten beiden Bücher und das neu geschriebene vierte Buch würde mir irgendwie ein gutes, zufriedenes Gefühl geben, da irrte ich mich gründlich. Meine Mademoiselle[1] würde sich jetzt, wenn sie neben mir stehen würde, in die Hosen machen vor lauter Lachen. „Mam­sell, lache nicht so gehässig, dir zeig ich es mal wieder! Erst den ganzen Schlamassel mit dir und deinen Standpauken und jetzt schon wieder Belehrstunden von dir!? Nein danke. Du hast mir sehr geholfen, dafür bin ich dir auf ewig dankbar, aber auslachen lasse ich mich heute nicht mehr von dir. Basta!“ Und mit einer Handbe­wegung war sie gedanklich vom Tisch.
Beim Sortieren und Zusammenfassen der ersten beiden Bücher kamen mir Zweifel, ob die ganze Arbeit sich lohnen würde, auch ob meine Leser oder irgend ein Mensch auf dieser Welt über­haupt interessiert ist, wie sich mein Leben mit der MS bis heute entwi­ckelt hat. Ich musste notgedrungen selbst die Bücher noch­mals durchlesen, denn Absätze und Kapitel, die sich durchs Ko­pieren verschoben hatten, überflog ich flüchtig. Dann über­arbeitete ich doch beide Bücher komplett.
Ich tauchte ein in Vergangenes, die alten Gefühle der plötzlich veränderten Lebenssituation, die mein ganzes Denken und Fühlen beeinflusst hatten, betrachtete ich mit Abstand der Zeit. Ich hatte mich verändert! Nur fragte ich mich: Habe ich dies wirklich erlebt und überlebt? In den Schubladen der Vergessen­heit waren die Geschichten gut platziert und selten musste ich auch über sie nach­denken. Ich hatte gelernt, meine Altlasten und Verletzungen zu verstehen, die Ursachen teils zu erkennen und die Verantwortung für schmerzhafte Erinnerungen und weniger gute Erlebnisse zu übernehmen, befreite mich von Schuldzu­weisungen anderer Men­schen mir gegenüber und wie im dritten Buch hielt ich mir den Spiegel vors Gesicht. Ich vergab mir selbst, um Frieden mit meinem Innersten zu schließen und die Seele heilte. Dadurch veränderte sich mein Krankheitsverlauf ent­scheidend, das körperliche Wohl­befinden fand den Weg zu mir, die Zukunftsangst reduzierte sich und ich konnte genesen.
Mamsell wäre jetzt stolz auf mich, hatte ich meine Lektionen in ihrem Unterricht während ihres Einzugs bei mir, doch verstan­den und meine Vermeidungsstrategie, Altes aufzuwärmen und zig Mal durchzukauen, hatte ebenso Erfolg. Der Suppeneintopf wurde nicht ständig erwärmt und ich verdränge nichts mehr, zugegebenerma­ßen nur das Fensterputzen oder das Wäsche bügeln.
Die MS war meine Chance in der Krise, die eine Daseinsbe­rech­ti­gung hatte, um niemals aufzugeben trotz physischer und psychi­scher Einschränkungen. Jeden Tag entscheide ich aufs Neue, was mir gut tut und wann ich dringend Ruhe brauche. Meine Felden­krais Stunden versäume ich fast nie, und vernach­lässige kaum meine vollwertige Ernährung. Mit Gottes Hilfe ver­änderte ich meinen Blick aufs Leben.
Heute kann ich über vieles besser reden und erzählen, was meine Erkrankung angeht und die Wut ist verflogen. Alles braucht eben doch seine Zeit. Nach der schwindenden Euphorie kam dann doch die Lust, die Trilogie von „Frauenpower trotz MS“ fertigzu­stellen. Sie werden beim Lesen selbst erfahren, dass ich nicht mehr der­selbe Mensch bin, der das erste Buch geschrieben hat. Und es ist gut so, wie es ist!
Heute, nach 12 Jahren MS-Karriere nach der Diagnose im Feb­ruar 2004, blicke ich selten zurück. Ich kenne meinen Weg, der vor mir liegt, nicht. Das Ende ist weiterhin offen. Aber die Strecke, die ich zurückgelegt habe: Frust, Zorn, Enttäuschung, nicht ak­zeptieren und kämpfen gegen einen Dämon, der nicht zu be­siegen ist. Verlo­rene Jahre, aber hätte ich sie vielleicht nicht so erlebt und durch­lebt, wäre ich heute nicht der Mensch, der ich geworden bin. Auch mein Umfeld wäre nicht das gleiche. Lieber sich auf das Wesent­liche im Leben und im Alltag beschränken, aber zufrieden und aus­geglichen. Dabei trennte ich mich auch von Bekannten und Freun­den. Glück ist ein starkes Wort, das ich im Zusammenhang mit meiner Erkrankung nicht in den Mund nehmen kann. Dank­barkeit und Vertrauen in mich, das empfinde ich oft. Wenn der Dämon morgens an meiner Bettkante sitzt und mich einen beschissenen MS-Tag durchstehen lässt, werfe auch ich kurz­zeitig alles über Bord. Da geht es rund bei mir wie beim Untergang der Titanic, nur im Stillen.
Ich hadere mit meinem Schicksal, bin traurig, aber die Frus­tration und die Ungerechtigkeit, die ich früher in solchen Ge­fühlsmomen­ten verspürte, sind verschwunden. Ich frage mich schon Jahre nicht mehr: „Warum ich?“, sondern denke: „Warum ich nicht?“, wenn überhaupt. Das Aufbegehren gegen diese Erkrankung kostet nur Kraft und Lebensqualität, ich schickte sie vor langer Zeit in den Kosmos und lernte mit dem anders gesund Sein zu leben.
Leider bin ich schon immer ein umtriebiger Mensch gewesen und fragte mich letzte Nacht, was tue ich als nächstes, wenn dieses Buch fertig geschrieben ist? Ich musste nicht lange überlegen... schrei­ben - eine Idee zu einem neuen Projekt kam ganz spontan und das sind die Besten. Schreiben und Monate ein­tauchen in die PC-Arbeit, das sind die effektivsten Stunden der Verarbeitung, besser als jede Psy­chotherapiestunde. Wobei ich bei der Wahrheit bleiben muss, ganz ohne Frau Ballering, meiner Psychotherapeutin, wäre es in den schwärzesten Krisenstunden nicht gegangen.
Nach jahrelangem schubförmigen Verlauf, zuerst vollständige Re­mis­sion und später unvollständige Rückbildung der Symp­tome, die ganze Therapiepalette an Medikamenten rauf und run­ter, bin ich heute sekundär chronisch progredient. Die vielver­sprechenden Medikamente wie Gilenya (Zulassung 2011) oder die Fumarsäure, die dieses Jahr den Markt erobern wird, kom­men zu spät für mich. Noch vor zwei Jahren hätte mich dies frustriert und mutlos ge­macht. Aber noch gibt es das Mitoxantron (Chemotherapie) als Op­tion und die Forschung schläft nicht. Der große Durchbruch in der MS-Forschung wird hoffentlich die nächste Generation beglücken. Bei meinem Ver­lauf sehe ich auch etwas Positives. Er ist zwar schleichend, aber die Angst vor Schüben, die mir nicht nur bildlich gesprochen so oft den Boden unter den Füßen weggezogen hat oder das Erwachen am Morgen mit einem Schleier oder Doppelbil­dern vor den Augen ist vorbei! Ob dieses Schleichen der MS zum Kriechen oder zum Wettrennen mit der Zeit wird, bleibt mir zum Glück verborgen. Ich werde es noch früh genug „mitbekommen“.
Auch durch die Jahre mit Mitbetroffenen und meiner ehrenamt­lichen Tätigkeit bei der DMSG lernte ich eine andere Sichtweise der Erkrankung kennen und verlor die Angst vor Hilfsmitteln wie mei­nen Rollator oder Rolli. In meinem ersten Buch schreibe ich über ‚mein erstes Mal‘ mit meinem Stock, mittlerweile bin ich im Um­gang mit dem Rollator und Rollstuhl geübt. Ohne Rollator in Rom in den letzten Herbstferien mit meinen Kindern wäre un­denkbar ge­wesen, denn nach der Reise war mein Fazit: „Einmal Rom hin und zurück, aber niemals mehr eine Städtereise!“ Die überhöhten itali­enischen Bordsteine und die Metro brachten mich zur Ver­zweiflung und ich wünschte nichts sehnlicher, als dass dieser Ur­laub schnell abgespult wurde.
Das Rollifahren erlernte ich fachmännisch in der Reha-Klinik „Quellenhof“ und während einem DMSG- Rolli-Training hier in Landau, das ich mit einem Therapeuten aus Bad Wildbad, Sana-Kli­nik, organisierte. Aber auch hier gilt: üben, üben, üben.
Somit übe ich mich in Gelassenheit, lebe meine alten und neuen Träume, entsorge und verarbeite die alltäglichen Erlebnisse, akzep­tiere dort, wo es nicht zu ändern ist, und entscheide für mich und mein Seelenheil, damit es mir mit Madame MS und Mademoiselle größtenteils gut geht.
Mit diesem Buch möchte ich all diejenigen erreichen, die auch auf der Suche sind und Lebenskrisen verarbeiten wollen. Die durch den Kauf dieses Buches hoffentlich einige Anstöße finden, Ange­hörige besser mit ihrer Außenseiter-Situation zurechtkommen und mit Liebe, Geduld und Kraft einen gemeinsamen Weg finden. Mir liegt am Herzen bei diesen Menschen im Innern einen Stein ins Rollen zu bringen und meine Erfahrungen, mein fachliches Wissen über die MS und Zuwendungen, die ich in all den Jahren erfahren durfte, weiterzugeben. Wir haben es selbst in der Hand, wie wir mit unse­rem Leben verfahren und wie wir mit einer Lebenskrise um­gehen. Das ‚Lebenslänglich‘ kann sich in alle Richtungen positiv entwi­ckeln, wenn wir uns mit uns selbst aussöhnen. Zumindest wünsche ich mir das für alle Betroffenen und meinen Lesern von ganzem Herzen. Seien sie gut zu ihrem Schutzengel und zu sich selbst!

[1] „Mademoiselle klopft an meine Tür! v. C. Régnard-Mayer; Verlag BOD

Im Kindle-Shop: Frauenpower trotz MS-Trilogie: Jetzt liegt es an mir!

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