'Eine Sahneschnitte für Carla' von Lilli Karlsson
Mein Name ist Carla, Carla Brandner, was sich in Ermangelung eines Heiratskandidaten vermutlich kurzfristig auch nicht ändern wird. Heute ist mein dreißigster Geburtstag und ich kann dem Schicksal nur raten, mir im nächsten Lebensjahr endlich mal einen vernünftigen Traummann zu präsentieren. Vielleicht hilft ja die „verzauberte“ Sahnetorte, die ich von einem Freund geschenkt bekommen habe: Für jedes verspeiste Tortenstück werde ich angeblich im nächsten Jahr einen Mann kennenlernen – und lieben!
Bleibt zu hoffen, dass nicht nur langweilige Sandkuchen dabei sind, sondern irgendwann auch die perfekte Sahneschnitte ...
Gleich lesen: Eine Sahneschnitte für Carla
Leseprobe:
Der dreißigste Geburtstag ist ja an sich schon ein äußerst deprimierendes Ereignis im Leben einer jeden Single-Frau. Als sei dies nicht genug, beginnt mein Ehrentag auch noch damit, dass ich in aller Herrgottsfrühe von einem äußerst penetranten Klingeln aus dem Tiefschlaf gerissen werde. Ich brauche einige Sekunden um zu bemerken, dass es nicht mein Wecker ist, der meinem wohlverdienten Schlaf ein unschönes Ende bereitet, sondern die Klingel an meiner Haustür.
Ich überlege, ob ich mir einfach die Decke über den Kopf ziehen und das Klingeln ignorieren soll. Zumal ich gestern Abend einsam und allein auf meinem Sofa das eine oder andere Glas Wein zu viel getrunken habe.
Aber: Wer auch immer da draußen vor der Haustür steht, lässt nicht locker. Da ich bei diesem Geräuschpegel ohnehin nicht weiterschlafen kann, krabbele ich schließlich grummelnd aus den Federn und schlurfe zur Haustür. Ich drücke auf den Türöffner und blicke vorsichtig um die Ecke zum Hauseingang. Da stürmen auch schon meine besten Freunde und mein Bruder Daniel hinein – offenbar wild entschlossen, sich über meine klare Ansage hinwegzusetzen, dass ich keinerlei Festivitäten zum Beginn meines neuen Lebensjahres wünsche.
Als Erster drückt mein bester Freund Arne – groß, tolle blaue Augen, sportlich und immer gut gelaunt – mir einen riesigen Blumenstrauß in die Hand und umarmt mich.
„Happy birthday“, trompetet er.
Direkt im Anschluss werde ich von meinem großen Bruder Daniel abgeknutscht: „Alles Gute, Kleine!“
Na ja, mit 1,80 m ist man vielleicht nicht gerade klein … aber gut.
Seine blonde Freundin Steffi, die mittlerweile auch eine gute Freundin für mich geworden ist, umarmt mich.
„So schlimm ist es gar nicht, dreißig zu werden“, lacht sie.
„Du sagst es! Auf die dreißig! Du siehst immer noch aus wie neunundzwanzig“, scherzt Leo, stellt einen großen Karton ab und fällt mir wie immer euphorisch um den Hals. Leo – seines Zeichens Daniels bester Freund aus Kindertagen – ist ein Mann, der sich seines guten Aussehens sehr bewusst ist, aber die Grenze zur Arroganz nie überschreitet. Er ist wie ein zweiter Bruder für mich und liebt es, mich als seine kleine Schwester vorzustellen. Wobei wir bereits im Teenageralter die Rollen getauscht haben und ich als „die Vernünftige“ die beiden permanent aus allerlei misslichen Situationen raushauen musste.
Als Nächstes werde ich herzlich von den besten Freundinnen der Welt umarmt – meinen Studienfreundinnen Isabelle (Isa) und Kathrin – letztere mit prallem Babybauch.
„Herzlichen Glückwunsch!“, rufen die beiden gleichzeitig und köpfen noch im Flur eine Sektflasche.
Zu guter Letzt kommen Isas vierjährige Zwillinge Tommi und Leni um die Ecke gerannt und stürmen ohne Begrüßung an uns vorbei in meine Wohnung.
„Dürfen wir auf deinem Bett Hüpfburg spielen, Tante Carla?“, ruft Leni.
„Ja, natürlich!“, rufe ich hinterher, und seufze dann: „Leute, ich hatte euch doch extra gesagt, dass ich …“
„Papperlapapp“, unterbricht mich Arne, „heute ist dein Geburtstag, wir lieben dich und deshalb sind wir hier.“
„Und haben alles mitgebracht, was wir für einen ordentlichen Geburtstagsbrunch brauchen“, ergänzt Isa und hält einen riesigen Korb mit allerlei Leckereien hoch.
Ich bringe es nicht übers Herz, die fröhlichen Gesichter vor mir zu enttäuschen, und gebe mir einen Ruck.
„Also gut. Aber gebt mir eine halbe Stunde zum Wachwerden und Duschen, okay?“
„Dein Wunsch sei uns Befehl“, erklärt Leo und kommandiert: „Mädels – ihr deckt im Wintergarten den Tisch. Arne – sorg mal für vernünftige Musik. Daniel – du brätst uns eine ordentliche Portion Rührei mit Speck.“
„Und was machst du?“, wage ich zu fragen, als ich mit frischen Klamotten über dem Arm aus meinem Schlafzimmer komme.
„Ich übernehme den wichtigsten Job.“
„Und der wäre?“, will Kathrin wissen.
„Die Geburtstagstorte schneiden natürlich! Ich hab extra nur neunundzwanzig Kerzen drauf getan, damit’s nicht so viel aussieht …“
Ich strecke Leo die Zunge raus und verschwinde im Bad. Kurz darauf tönt Gute-Laune-Musik durch die ganze Wohnung und ich höre die anderen lachen und scherzen.
Ich werfe einen Blick in den Spiegel – Bestandsaufnahme. Ich heiße immer noch Carla Brandner, was sich in Ermangelung eines Heiratskandidaten vermutlich kurzfristig auch nicht ändern wird. Mein schulterlanges Haar ist immer noch dunkelblond – oder auch straßenköterblond, wie Daniel zu sagen pflegt –, und über Nacht sind dem ersten Anschein nach keine grauen Haare aufgetaucht. Dafür sind in den letzten zwölf Monaten aber mindestens drei neue Sommersprossen auf meiner Nase entstanden, auch wenn sie jetzt im Winter eher blass daherkommen. Ich steige auf die Waage – das Ergebnis spricht dafür, dass ich Arnes größte Sorge, ab neunundzwanzig komme der Speck, zumindest bisher nicht teilen muss. Trotz meiner immer noch nicht gerade bombigen Laune muss ich mir eingestehen, dass ich eigentlich ganz zufrieden mit mir sein kann.
Und während ich mein neues Pure-Happiness-Duschgel ausprobiere, gelange ich langsam aber sicher zu der Erkenntnis, dass es vielleicht doch keine so große Katastrophe ist, dreißig zu werden. Zumindest nicht, wenn man die besten Freunde und die liebste Familie der Welt hat.
Eine halbe Stunde später sitzen wir bei strahlend blauem Februarhimmel in meinem Wintergarten und lassen uns frischen Obstsalat, Croissants, Rührei und hunderte andere Kleinigkeiten schmecken. In der Mitte des Tisches prangt die riesige Geburtstagstorte von Leo – mit einer „30“ aus bunten Schokolinsen und exakt neunundzwanzig Kerzen.
Tommi und Leni haben die Hüpfburg in meinem Schlafzimmer mittlerweile verlassen und spielen friedlich mit Bauklötzen in einer Ecke.
Arne steht auf und erhebt feierlich sein Glas.
„Auf dass alle deine Wünsche in Erfüllung gehen mögen!“
„So zwei bis drei würden schon reichen“, antworte ich.
„Zum Beispiel?“, hakt Arne nach.
„Mal ein paar vernünftige Männer kennenzulernen zum Beispiel.“
„Hey, und was ist mit uns?“, entrüstet sich Leo.
„Ich sagte ‚vernünftige Männer‘, Leo.“
„Ha-ha!“
„Ich hab neulich von so einem Naturvolk in Afrika gelesen, wo die unverheirateten Frauen irgendeinen Zauber anwenden, um ihren Traummann zu finden“, berichtet Isa. „Wie war das noch gleich? Ach ja! Jeder Frosch, den eine unverheiratete Frau an ihrem Geburtstag aufisst, steht für einen Mann, den sie im kommenden Lebensjahr kennenlernen und lieben wird.“
„Igitt, hör bloß auf“, ekelt sich Kathrin, „mir ist eh schon schlecht!“
„Es müssen ja nicht unbedingt Frösche sein“, meint Leo, „ich bin mir ziemlich sicher, dass das Rezept für Geburtstagstorte von meiner Tante Albertina mindestens ebenso wirksam ist.“
„Du hast doch gar keine Tante Albertina“, entgegnet Daniel irritiert.
„Darum geht’s doch jetzt gar nicht“, wiegelt Leo ab. „Hauptsache ist doch, dass die Torte ihren Zweck erfüllt. Also, Carla! Für jedes Tortenstück, das du heute aufisst, lernst du in deinem nächsten Lebensjahr einen Mann kennen.“
„Und lieben?“, fragt Isa nach.
„Und lieben!“, bestätigt Leo.
Isa schüttelt grinsend den Kopf.
„Du hast eindeutig zu viel Phantasie!“
„Oder irgendwas Seltsames geraucht“, ergänzt Daniel.
Leo ignoriert die Sticheleien geflissentlich und reicht mir ein riesiges Stück Torte.
„Auf geht’s!“
Ich teile das Stück kurzerhand mit dem Tortenmesser in zwei Teile.
„Hey, du schummelst!“, entrüstet sich Leo.
„Mit dreißig darf man das“, erkläre ich.
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Labels: Bücherbord, Humor, Liebe, Lilli Karlsson, Sonar
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