17. Oktober 2019

'Schmetterlinge Unerwünscht: Liebe kann warten' von Maja Overbeck

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Maja Overbeck
Wenn dir Liebe gerade noch gefehlt hat.

Mit vierzig noch mal von vorne anfangen? Auf keinen Fall! Immerhin hat Gina ganz schön Arbeit in ihr perfektes Leben gesteckt. Das wird sie sich doch nicht von einer kleinen Affäre ihres Mannes zerstören lassen. Am liebsten würde sie den peinlichen Seitensprung einfach ignorieren. Doch so einfach geht das nicht, denn er hat sich dafür ausgerechnet Ginas beste Kundin ausgesucht. Die pubertären Ausfälle ihrer Tochter und der jugendliche Lover ihrer Mutter machen die Sache nicht besser. Selbst ihre beste Freundin ist neuerdings ein Totalausfall. Hannah scheint ihr aus dem Weg zu gehen, und Gina hat nicht die geringste Ahnung warum. Als sie zur Ablenkung nach Hamburg fährt, trifft sie auch noch überraschend ihren Jugendschwarm Mads wieder, und ihr Puls schlägt plötzlich Purzelbäume, genau wie damals mit sechzehn. Doch ausgerechnet jetzt auch noch ihr Herz zu verlieren, erscheint Gina als die schlechteste Idee von allen …

Eine Liebesgeschichte zwischen München und Hamburg über das ewige Streben nach Luftschlössern, über unerwartete Umstände, krisenfeste Freundschaft und die große Liebe - erzählt mit Herz und Biss und viel Wodka Soda.

Leseprobe:
Gina
Das Handy klingelte auf dem Beifahrersitz, als Gina gerade versuchte, sich aus dem engen Jackett zu schälen. Es war viel zu heiß für Ende September. Seufzend schob sie den Arm zurück in den Ärmel, drückte auf die Aircondition und nahm den Anruf an.
»Hallo Sophie!«
»Mama?«, es kicherte im Hintergrund. »Seid doch mal leise! Mama?«
»Ja?«
»Du, Mama, kann ich mir eine Jacke kaufen?«
»Wieso?«
»Ich bin mit Leonie in der Stadt. Ich bleib übrigens heut auch bei ihr, das hab ich dem Papa schon geschrieben. Also hier ist alles krass reduziert. Bitte, Mama, so ein Parka, wie ich ihn die ganze Zeit wollte …«
Es klopfte an.
»Sophie, ich muss auf die andere Leitung. Meinetwegen, aber nicht so teuer, hörst du?«
»Danke, Mama! Viel Spaß in Berlin!«
»Ich bin nicht mehr –« Sophie hatte das Gespräch schon beendet. Gina behielt den Hörer am Ohr.
»Ja, Wolf?«
Sie wusste, dass es ihr Chef war, ohne auf das Display zu sehen. Sie kannte diese Anrufe, so wie sie ihn insgesamt in- und auswendig kannte. Sie hatten sich erst vor zehn Minuten im Flughafen-Parkhaus verabschiedet, aber irgendjemanden rief er immer an, musste er anrufen, sobald sich die Schranke hinter seinem Wagen schloss, und meist war sie es, zumindest stand ihre Nummer ganz oben in seiner Favoritenliste. Wolfs Multitasking-Fähigkeit war zwanghaft. Er tat stets mindestens zwei Dinge gleichzeitig, sonst überfiel ihn die Panik, dass er faul verarmen oder der Alterslethargie zum Opfer fallen würde oder so ähnlich. Von wegen wer rastet und so, und im Zweifel half es eben, mit seiner engagiertesten Mitarbeiterin ein paar Bälle am Telefon zu schmeißen, ob es nun etwas zu sagen gab oder nicht. Aber es war auch etwas Gutes daran, tatsächlich hatte Gina mit ihrem Chef ein so vertrautes Verhältnis wie sonst niemand in der Agentur, und vielleicht lag das an diesem vermeintlich überflüssigen Austausch, den sie mehrmals täglich pflegten.
»Hi Gina.« Wolfs knarrende Stimme dröhnte durch den Wagen untermalt vom Rauschen der Autobahn. Gina drehte die Freisprechanlage leiser.
»Das war echt Bombe heute, selbst der Peters war begeistert. Und Binder hat mir gerade schon eine WhatsApp geschickt. Den haben wir vor seinem Chef so gut dastehen lassen, das wird der uns nie vergessen. Wir sollten jetzt …« Der Rest seines Satzes fiel dem Dröhnen eines Lastwagens zum Opfer. Wolf fuhr offen, wahrscheinlich nur ein paar Autos vor ihr.
Gina ließ den Blick über die anderen Spuren schweifen, aber der silberne Porsche war nirgends zu entdecken. Neben ihr leuchtete die Allianz-Arena, und vor ihr plötzlich rote Rücklichter. Verdammt, aber klar, Freitagabend. Stau auf der A9 statt Sundowner in Berlin-Mitte. Warum musste ihre Berliner Feier-Freundin Bea auch gerade heute mit Magen-Darm flachliegen? Wo Gina den Termin mit dem neuen Hauptstadt-Kunden extra vor ein Wochenende gelegt und die schwarzen Bikerboots im Trolley mitgeschleppt hatte. Zu schade, zu früh gefreut aufs Tanzen und auf ein bisschen Abwechslung vom geschniegelten München. Hach, Berlin, beim nächsten Mal wieder!

Während Gina sich hinter dem Steuer eingeklemmt endlich aus ihrem Jackett schälte, redete Wolf sich in Fahrt. Er feuerte ihr seine üblichen Ideen wie Tennisbälle in den Wagen, und Gina hielt ihn mit vagen Bestätigungen bei Laune, auch wie üblich. Klar, genau, sehe ich auch so. Später würde sie alles so machen, wie sie es geplant hatte, und Wolf würde okay damit sein, solange auch der Kunde zufrieden war, und das war er meistens. Fast fünfzehn Jahre arbeiteten sie nun schon auf diese Weise zusammen, und das sehr erfolgreich.
Auf der Straße herrschte mittlerweile totaler Stillstand.
»Scheiße, ich verpasse meinen Friseurtermin!«, schimpfte Wolf. »Ich will mir die Haare tönen lassen, so als Statement, jetzt, wo ich vierzig werde. Was sagst du dazu?«
Gina lachte. Einer seiner Scherze, mit denen er nach Anerkennung fischte. Er war süchtig danach. Wahrscheinlich zupfte er in diesem Moment seine Stehfrisur sorgfältig vor dem Rückspiegel in Form. Sie war sein Markenzeichen, ein bisschen verwegen, ganz der wilde Rockstar.
»Tust du nicht!«, sagte Gina und drehte ihren eigenen Rückspiegel so zurecht, dass sie einen Blick auf ihren Zustand werfen konnte. Zack, da war es wieder – das Comicgesicht: Doppelstrich zwischen den Brauen, Strahlenkranz um die Augen. Sie konnte es nicht mehr ausblenden, seit dieser Grafiker sie neulich, ganz ohne es böse zu meinen, so skizziert hatte. Und diese Haare! Auf dem Hinweg, obwohl morgens um fünf, hatten sie noch geföhnt und geglättet strahlend auf den Schultern geschaukelt, jetzt klebten sie dort wie abgegossene Spaghetti. Gina drehte den Spiegel zurück, klappte den Auslass der Lüftung in Richtung ihres Gesichts und schloss kurz die Augen. Sie vermisste ihren kleinen Fiat mit dem Faltdach. Neuerdings fuhr sie Elektro, einen BMW i3, zukunftsweisend, aber potthässlich. Was tat man nicht alles den Kunden zuliebe!
»Also dann«, sagte Wolf. Er hatte offensichtlich genug Bälle platziert.
»Schönes Wochenende!« Gina tippte auf den roten Knopf. Der Verkehr lief immer noch im Schneckentempo. Sie checkte ihre Nachrichten. Axel hatte sich nicht gemeldet, obwohl sie ihm nach der Landung geschrieben hatte. Wahrscheinlich war er auch unterwegs. Schade. Sie hatte sich gefreut auf ihren Mann. Zweisamkeit war selten geworden zwischen ihnen. Die Terminkalender zu voll, das Leben zu schnell. Wir müssten mal wieder. Tat man dann doch nicht. Sie hätte den Abend gern spontan mit ihm verbracht, ihm von ihrer Präsentation erzählt, mit ihm auf den neuen Berliner Kunden angestoßen. Sie war sogar in der Stimmung, Axels Kochkünste zu genießen, und das wollte was heißen. Eigentlich ein Albtraum, dass ihr Mann gerade zum Küchenphilosophen mutierte. Er achtete in letzter Zeit so penibel auf Ernährung wie Gwyneth Paltrow, begeisterte sich für Küchengeräte wie manche ihrer älter werdenden Freunde für Sextoys. Und er lud neuerdings im großen Stil nach Hause ein. Leute, die Gina gar nicht kannte, die wichtig für seine Projekte waren, gerade vor denen spielte er gern den Küchengott in seinem bestens ausstaffierten Reich. Die Gäste beglückwünschten Gina dann zu ihrem persönlichen Sternekoch, und Axel suhlte sich in den Komplimenten und machte Geschäfte beim Sorbetrühren. Unter ihrem Lächeln schämte sie sich, wenn er vor versammelter Runde seine Trüffelpasta als Erster kommentierte. Hmm! So fein, oder? Schlimm. Doch heute würde sie es genießen, ihn bitten, einfach mal nur für sie zu kochen – sie würde ihm sogar ein sinnliches »Hmm« dafür schenken. Aber es sah nicht so aus, als ob es dazu kommen würde, schade.
Der Stau löste sich endlich auf, und zwanzig Minuten später parkte Gina ihren Wagen an einer der beiden Ladestationen direkt vor ihrer Haustür. Axel hatte es möglich gemacht, wie auch immer. Sein weißer Tesla hing an der anderen. Er fand das weit vorne, Gina ein bisschen peinlich. Nun ja, praktisch war es allemal, wer sonst im Glockenbachviertel hatte schon einen Dauerparkplatz.

Der alte Fahrstuhl ruckelte in den sechsten Stock und hielt mit dem üblichen Hüpfer. Gina, den Trolley an der einen Hand, kramte mit der anderen in der Handtasche vor ihrer Hüfte. Sie fingerte den Schlüssel aus dem Chaos, steckte ihn ins Schloss, drehte um – die Wohnungstür war nicht verschlossen. Axel war zu Hause.

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