25. September 2019

'Froschkönige: Ein Köln-Krimi' von Ingo Lackerbauer

Kindle | epubli | Taschenbuch
Website Ingo Lackerbauer
Die kleine Hinterhoffirma »Froschkönige - Agentur für Lebenshilfe« in Köln-Ehrenfeld bietet unter der Ladentheke eine Dienstleistung der »besonderen« Art an. Auf Kundenwunsch, nur gegen Empfehlung und sehr viel Honorar bringen Margaux, Paul und Hannes Menschen in Misskredit - und zwar auf breitester Front. Angefangen bei der Nachbarschaft, dem Bäcker, Arbeitgeber, Metzger und Supermarkt über den Tennis-und Golfclub bis hin zu den sozialen Medien.

»Begeisterte« Auftraggeber sind dabei hauptsächlich betrogene und rachsüchtige Ehefrauen, die den untreuen Ex-Gatten nach der Scheidung gesellschaftlich ruinieren möchten. Doch beim aktuellen Auftrag läuft schon kurze Zeit später alles aus dem Ruder. Die Auftraggeberin nebst Gatten werden umgebracht. Von jetzt auf gleich sehen sich die drei als zentrale Figuren in einem außergewöhnlich brisanten Kriminalfall. Weitere Mordopfer pflastern plötzlich den Weg der Froschkönige und die Spuren führen bis in höchste politische Kreise.

Leseprobe:
»Hallöchen«, trällerte Palmira mit schriller Stimme. Ihre Erscheinung glich einer Detonation. Die Gespräche in der Bäckerei verstummten auf einen Schlag und Fassungslosigkeit machte die Runde bei der vornehmen Kundschaft des Edel-Brötchenverkäufers im noblen Stadtteil Köln-Marienburg. Die Naturgewalt baute sich breit auf, ließ ein unüberhörbares Stöhnen vom Stapel und wedelte sich mit einem überdimensionierten und knallbunten Fächer die Schweißperlen von der Stirn.
Palmira hatte den schönsten Zwirn übergeworfen, den ihr gewaltiger Fundus bot. Den 120-Kilo-Körper zierte ein wallendes, teils transluzentes Kleid in zartem Hellblau. Sie sah aus wie ein gefallener Engel, der aufgrund des zu hohen Körpergewichtes die Tragfähigkeit seiner Wolke überschritten hatte und Richtung Erde gestürzt war. Die platinblonde Perücke krönte ein kleiner Fascinator mit Netz und Feder, und zwar in Knallrot. Die Krönung des Ganzen war jedoch Dürer – der Mops, den sie auf dem Arm trug und der dröge vor sich hin sabberte und die typischen röchelnden Atemgeräusche ausstieß. Und warum Dürer? Palmira fand, dass ihr Hund ein wenig Ähnlichkeit mit Dürers berühmtem Aquarell eines Feldhasen hatte – speziell, was die Augen betraf. Die Übereinstimmung zwischen dem Feldhasen und Palmiras Mops war allerdings nur dem Frauchen vergönnt zu sehen. Dürer – also dem Hund – war das egal.
Palmira ließ erst einmal die Blicke im Geschäft schweifen. Nicht, dass sie das Angebot des Bäckers interessiert hätte, sie musste aber das Spannungsniveau des Auftritts erhöhen bzw. zumindest halten. Sie schlenderte ziellos locker umher, nickte mit dem Kopf und sprach das ein oder andere mit Dürer. Der Blick blieb an einer Ecke des Ladens hängen. Eine Glasvitrine beherbergte hässliche Gebilde aus Salzgebäck, die wohl die architektonischen Highlights Marienburgs darstellen sollten. Gruselige Kunst aus dem Kindergarten!
»Oh ha, welches Salzteigmonster hat sich denn hier ausgetobt?« Palmira schüttelte angewidert das augenfällige Haupt. Es war ihre Show und sie hatte einhundert Prozent Aufmerksamkeit. Der Plan ging auf. Keiner der Kunden wagte, auch nur ein Wort zu sagen. Also ergriff sie die Initiative und wandte sich an die Runde der Anwesenden.
»Was für ’ne scheiß Hitze. Da läuft einem doch glatt die Suppe in jede Falte unterhalb des Körperäquators.« Eine grelle, schrille und unüberhörbare Transen-Lachsalve folgte. Gleichzeitig stieß Palmira die ihr am nächsten stehende Person mit der Schulter an.
»Stimmt’s, Rumpelstilzchen!?«
Palmiras Opfer war ein hagerer, älterer, gepflegter Herr mit Nickelbrille sowie einem affigen roten Barett als auffälligstes Merkmal auf dem Haupt. Kurzerhand griff sich die Gute, im Überschwang der Gefühle, den verdatterten Opa und versenkte dessen vergleichsweise kleinen Kopf inklusive Kopfbedeckung in ihrem gewaltigen Plastik-Dekolleté. Der mindestens zwei Nummern winzigere Greis bekam Schnappatmung, rang nach Luft und konnte sich schließlich nur mit äußerster Mühe befreien. Die Augen des Rentners wirbelten hilfesuchend und panisch hin und her. Sinnlos! Rettung war nirgendwo in Sicht. Die restliche weibliche Kundschaft mittleren Alters betrachtete dezent und fremdschämend die Szenerie. In den Augen der vermögenden Gattinnen machte sich jedoch auch ein Funken Faszination bemerkbar. So etwas hatten die Damen der feineren Gesellschaft hier noch nicht gesehen.
Palmira richtete ihre Aufmerksamkeit in Richtung Verkäuferin und holte zum finalen Vernichtungsschlag aus.
»Sagen Sie, wissen Sie, was mit Herrn Dr. Blastonk los ist? Keiner öffnet die Tür. Ich wollte nur mal nach dem Rechten schauen, da Fritz gestern nicht zu unserem monatlichen Schamanen-Workshop erschienen ist. Das ist für den Lieben eher untypisch, zumal er einen lang vorbereiteten Vortrag zum Thema Natursteine als Rettung der Seele zu halten beabsichtigte. Wir machen uns wirklich Sorgen. Nicht wahr, mein Kleiner.« Dabei küsste sie ihren Mops auf die zu kurz geratene Nase, was bei Kundschaft und Verkaufspersonal gleichermaßen für einen Ekelanfall sorgte.
Keiner der Anwesenden fühlte sich bemüßigt zu antworten. Es entstand eine peinliche Pause, während Palmira auffordernd in die Runde blickte.
»Nicht die Spur einer Ahnung, was im Hause Blastonk los ist?«
Die Verkäuferin fand als Erste die Contenance wieder. »Schamanen-Workshop?«
»Ja meine Beste. Wir treffen uns, wie erwähnt, einmal im Monat des nächtens im Kölner Grüngürtel, entkleiden uns und lauschen den Gedanken und Erfahrungen der Mutter Erde.«
»Entkleiden?«, fragte die verunsicherte Kauffrau irritiert nach. Die Ärmste dachte wohl, dass sie die Gesprächsführung übernehmen musste. Eine fatale Entscheidung, sie würde den Kürzeren ziehen.
»Natürlich Liebelein, was denkst du denn? Nur so können wir das gesamte Spektrum der Schwingungen aufnehmen und dem Geist einverleiben. Und wenn es zu extremer Körperlichkeit zwischen den Mitgliedern des esoterischen Zirkels kommt, dann ist die Erdgöttin Gaia manchmal gutgesinnt und beglückt uns mit ihren übersinnlich-transzendenten Botschaften«, referierte Palmira, die sich in Höchstform redete.
Rumpelstilzchen wurde hellhörig. Mittlerweile hatte sich der Rentner mit der roten Baskenmütze aus Palmiras Fängen befreit, blieb jedoch interessiert stehen und hörte aufmerksam zu.
»Ähm Gnädigste, was meinen Sie mit Körperlichkeit?«, fragte er flüsternd.
Palmira lächelte ihn verführerisch an und befingerte mit ihrer behaarten Bauarbeiterpranke zärtlich das Kinn des begierigen Pensionärs.
»Na, na, na, wer wird denn hier gleich wuschig werden. In der Tat haben es Fritz und ich beim letzten Treffen ein wenig zu heftig getrieben. Er fiel über mich her, wie der Mistral das französische Hinterland im Herbst heimsucht.«
Rumpelstilzchen hatte Feuer gefangen. Er hing fasziniert an Palmiras Lippen.
»Und jeder kann bei Ihnen Mitglied werden?«, fragte er schüchtern.
»Natürlich, Knuffelchen.«
Die Brötchenverkäuferin mischte sich wieder ein. »Herr Weyrich, Sie werden doch wohl nicht …« Herr Weyrich räusperte sich und verließ fluchtartig den Laden. Dabei vergaß er die Tür zu öffnen und lief prompt gegen die Glasscheibe des Geschäftes. Es wummerte mächtig, Rumpelstilzchen prallte zurück und landete erneut in Palmiras Armen, was ihm nun weniger unangenehm schien als beim ersten Mal.

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