'Sonntags kommt das Alien (Soontown 1)' von Clark C. Clever
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Schräge Science-Fiction aus der nahen Zukunft einer amerikanischen Kleinstadt.
Anleser:
Am Dienstag lief Hank Borrows seine Runde mit dem Hund. Es war schon dunkel, Donner grummelte in der Ferne. Hank kümmerte das wenig. Jip musste schließlich raus, egal, ob am Tag oder abends, ob bei Sonnenschein oder wenn die Welt unterging, was sie nun, im Indian Summer, ja gerne mal tat. Sturmböen kämmten durch die Baumkronen, Hanks Runde führte durch den Wald. Jip, der Cocker-Sonstwas-Mischling, lief ohne Leine. Der Hund war in die Jahre gekommen und stocktaub, das Gewitter ließ ihn kalt. Hank wusste, dass der Wald bei diesem Wind nicht der ideale Aufenthaltsort war, doch er war davon überzeugt, dass Jip und ihm schon kein Ast auf den Kopf fallen würde. Er hatte in seinem Leben schon genug Pech gehabt, das Maß war voll, mehr passte nicht rein. Hank war geschieden, arbeitslos, und vor einem Monat hatte sein Arzt Parkinson bei ihm diagnostiziert. Immerhin hörte er noch etwas, da war er Jip gegenüber klar im Vorteil.
Er hörte den Knall – so laut, dass die Bäume erzitterten.
Hank zuckte mächtig zusammen. Junge, war das ein Rumms gewesen! Aber wie ein Donnerschlag hatte sich das eigentlich nicht angehört. Durch eine lichte Stelle unter dem Blätterdach spähte er in den Gewitterhimmel hinauf. Die Wolkendecke war in Bewegung, mehrere Schichten übereinander, jede davon in eine andere Richtung unterwegs. Verrückt war das. Skylar, sein Nachbar, musste ihm mal erklären, wie das möglich war. Skylar war Lehrer für Erdkunde und Philosophie und wusste solche Dinge. Meteorologie. Thermik. Physikalische Phänomene auf der Erde. Manchmal unterhielten sie sich über so etwas. Hank hatte zwar keinen Job, aber er war deshalb ja nicht blöd. Ihn interessierte Physik, auch, wenn er sie nicht immer verstand. Vielleicht gerade deswegen. Man wuchs schließlich an seinen Herausforderungen.
Am liebsten sprach er mit Skylar über den Weltraum, über die Sterne, über schwarze Löcher und fremdes Leben da draußen. Das war immer so erhebend. Hank kam sich dabei mit seinem irdischen Pech dann nicht mehr so bedeutend vor, ihm wurde leichter zumute. Wenigstens, bis er die Kneipe verließ und wieder zuhause ankam, meistens mit Skylar zusammen. Hank hatte Skylars Einliegerwohnung gemietet. Der Lehrer war ein korrekter Bursche, er machte nie Ärger, obwohl Hank vier Monatsmieten im Rückstand war. Noch während er im Bett lag und auf Schlaf hoffte, gingen ihm an solchen Abenden ihre Gespräche über Asteroiden, ferne Galaxien, interstellare Reisen und Marsmenschen durch den Sinn. Manchmal las Hank dann noch etwas in der Richtung – nichts Wissenschaftliches, nur Spannungslektüre, aber immerhin. Jip war in der Regel schneller weggenickt als er, am Fußende, eine übergroße Wärmflasche, die nie erkaltete.
Die Wolkenformationen waren wirklich sehenswert. Vor allem, wenn in den höheren Lagen ein Blitz aufflammte wie einmaliges Stroboskopleuchten. Ein Wimpernzucken lang bekam der Nachthimmel dadurch eine dramatische, plastische Tiefe. Der Rumms vorhin musste ein Blitz gewesen sein, der den Weg zur Erde gefunden hatte. Es hatte eingeschlagen im Wald, dem Krach nach zu schließen gar nicht weit von hier. Da hatte sicher ein Baum dran glauben müssen. War das spannend! Hank fühlte sich bestens unterhalten, und diese spätabendliche Show in der Natur kostete ihn keinen Penny.
Jip war ein Stück vorgelaufen. Er sah den Hund wie einen Schatten im Unterholz, ein schwarzer Schemen mit neonpink leuchtendem Halsband, inklusive Funkortung auf fünfzig Metern. Nur ein billiges Werbegeschenk. Zusätzlich verfolgte Hank Jip mit seiner Gassi-Taschenlampe, bis der Mischling verschwunden war. Dann steckte er die Funzel weg und pfiff auf zwei Fingern. »Hieeerher!« Hören konnte Jip ihn zwar nicht mehr, aber alte Gewohnheiten waren nun mal schwer abzulegen. Er knipste die Taschenlampe wieder an und folgte seinem vierbeinigen Freund tiefer in den Wald. Verlieren würden sie sich nicht, sie gingen ja immer dieselbe Route, und aus dem Alter, wie wild einem Fuchs oder Hasen nachzujagen, war Jip schon lange raus.
An der Lichtung mit dem Picknicktisch und den Bänken wartete der Hund auf ihn, um sein traditionelles Zwischendurch-Leckerli in Empfang zu nehmen. Hank schaltete die Lampe aus und legte den Kopf in den Nacken. Hier hatte man einen freien Blick ans Firmament. Der nächste Blitz ließ nicht lange auf sich warten. Gedankenschnell erhellte er das reinste Hochhaus aus Wolken, einen wabernden, ausgefransten Turm, der nach Hanks Schätzung bis hinauf in die Stratosphäre reichte, was nach Skylars Worten schon ziemlich hoch war. Während Jip kaute, schraubte Hank den Flachmann auf und gönnte sich ein Schlückchen. Und noch eins, weil er trotz Unwetter so wacker hier draußen mit dem Hund ...
Fast hätte er den Schnaps vor Schreck in die Gegend geprustet.
Eine Formation dunkler Punkte verließ den Wolkenturm, ein weiterer Blitz hatte oben das Licht angeknipst. Und schon wieder aus.
Allmächtiger! Was war denn das gewesen? Mindestens ein halbes Dutzend Flugobjekte, sehr hoch, oder sehr klein. Gedrungen, mehr Frisbee-Scheiben ähnlich als Düsenjets. Frisbees mit flacher Nase und rundem Heck.
Hank ließ den Flachmann sinken, starrte gebannt empor. Da! Der nächste Blitz! Endlich! Gerade eben noch sah er das letzte Was-auch-immer-es-War am Himmel in einer weiteren gigantischen Wolkenmasse verschwinden. Er hatte sich das nicht eingebildet.
Mannomann! Das wurde ja immer besser!
Der Donner klang jetzt schon näher. Mit zittrigen Fingern schraubte Hank den Stöpsel zurück auf den Flachmann. Er zitterte öfter in letzter Zeit. Der Arzt sagte, das wäre Teil der Krankheit. Jetzt kam noch die Aufregung hinzu.
Hank fuhr fort, den Gewitterhimmel zu beobachten. Als das Blitzlicht in den Wolken wieder für eine Zehntelsekunde an ging, waren da oben keine Frisbees mehr zu sehen. Und aus. Und wieder an. Und aus. Nein, es war gewiss: Da oben war nichts mehr. Aber er, Hank Borrows, hatte es mit eigenen Augen gesehen.
Und die Show war noch nicht vorbei. Als Hank den Blick von dem Nachthimmel löste, fiel ihm das Flackern zwischen den Bäumen auf.
Feuer!
Der gewaltige Rumms vorhin. Es hatte tatsächlich eingeschlagen!
Dann kam ihm ein anderer, kühnerer, noch viel aufregenderer Gedanke. Was, wenn eines dieser Frisbee-Dinger oben im Gewittersturm abgeschmiert war? Wenn ein Blitz so ein Ding getroffen und außer Gefecht gesetzt hatte? Das Krachen und Splittern vorhin war ganz schön mächtig gewesen, hatte womöglich noch bis zum Waldrand gehallt, wo die ersten Häuser standen. Zu mächtig vielleicht für einen Baum ...
Hanks Entschluss stand fest: Er musste da hin, wo es brannte. Musste dem auf den Grund gehen, auch, wenn die Stelle abseits seiner gewöhnlichen Route lag, querfeldein. Vorsichtshalber leinte er Jip an, schaltete die Taschenlampe wieder ein und machte sich auf den Weg, auf das rötliche Flackern zu. Dabei fummelte er an seiner Innentasche herum. Mist! Sein HoloCom stand zuhause in der Ladestation. Was immer er hier draußen finden würde, er konnte jetzt niemanden per Mobilfunk verständigen, auch nicht die Polizei. Konnte keine Hilfe herbei rufen. Hank Borrows und sein tauber Hund waren auf sich gestellt – alleine gegen das Unbekannte.
Das war mal was! Ein richtiges Abenteuer! Fast, wie in seiner Science-Fiction-Einschlaflektüre.
Der Schnaps stärkte ihn, Angst hatte Hank kaum, trotz Gewitter. Umsichtig bahnte er sich den Weg durchs Unterholz, bog Zweige auf die Seite, machte lange Schritte über modernde Baumreste und vermied es, im spärlichen Schein der Lampe in ein Kaninchenloch zu treten. »Wollen doch mal schauen, was, Jip?«, murmelte er, den Blick auf das unstete Licht zwischen den Bäumen gerichtet. Ein Windstoß trieb ihm den Regen ins Gesicht, er zog den Reißverschluss bis zum Ende hoch und die Kapuze tief in die Stirn. Hank Borrows im tapferen Kampf gegen die Elemente.
Der Mischling schnüffelte herum. Jip hatte nichts gegen die außerplanmäßige Erkundungstour einzuwenden.
Allmählich wurde das Flackern größer. Jetzt erkannte Hank zweifelsfrei, dass es ein Feuer sein musste. Fiebrige Anspannung packte ihn, der Alkohol tat ein Übriges. Weiter! Mit etwas Glück würde er den Jungs in der Kneipe bald richtig was zu erzählen haben.
Eine Ansammlung von Stechpalmen nahm ihm die Sicht, Hank musste etwas hin und her stapfen, ehe er eine passierbare Stelle gefunden hatte. Schon ganz nah jetzt! Er bildete sich ein, bereits die Wärme zu spüren, die von dem Feuer ausging. Die Stechpalmenblätter piekten ihm in die Hände, als er sich durch das Gebüsch schlug. Seine Anspannung war auf Jip übergesprungen, der Hund zog ihn vorwärts, die Nase an die feuchte Erde geheftet, alles aufsaugend, was sich in den Schichten aus Herbstlaub so an Düften verbarg.
Dann hatten sie die Stelle erreicht. Hanks Hand krampfte sich um die Leine. Jip war stehengeblieben, einen Vorderlauf angewinkelt, als wäre er wieder ein junger Rüde.
Es hatte mehr als nur einen Baum erwischt. Eine ganze Schneise hatte es geschlagen, ein paar Buchen waren komplett umgemessert worden. Und da, am Ende der Schneise, steckte es im Mutterboden wie eine riesige schwarze Rübe. An den Rändern der Schneise brannten Zweige und Farngewächse. Ausbreiten würde sich das Feuer nicht, dafür war der Wald zu sehr mit Regen getränkt. Die Furche, die das Wrack gezogen hatte, vertiefte sich im weiteren Verlauf. Der nasse Rumpf glänzte metallisch, als Hank die Taschenlampe darauf richtete.
Eine Weile gaffte er mit offenem Mund. Jip zog nicht mehr an der Leine, das Feuer verunsicherte das Tier. Ab hier sollte lieber Herrchen die Führung übernehmen. Langsam ging Hank näher an die metallene Rübe heran, der Furche folgend, die in der Krume klaffte wie eine offene Wunde. »Heilige Scheiße!«
Als er auf fünf Schritt herangekommen war, hörte Hank ein leises Zischen, wie von einer leeren Dose Sprühsahne, aus der nur noch Luft entweicht, wenn man den Spender drückt. Ihm wässerte der Mund. Vor Aufregung. Und wegen der Parkinson-Krankheit. Der Arzt hatte gesagt ...
Er schob den Gedanken auf die Seite. Unwichtig.
Das hier war ...
Das hier war ...
Das hier war ganz und gar unglaublich! Eine Sensation! Wie oft hatte er mit Skylar und den Jungs bierselig über so etwas fabuliert! Hatte sich ausgemalt, wie es wäre, wenn sie eines Tages einmal tatsächlich Besuch bekämen – Besuch von da oben, aus dem All! Denn dass die Rübe keinen irdischen Ursprung hatte, das stand für Hank fest. Nie zuvor hatte er so eine Bauweise gesehen. Der Antrieb schien zwar am Heck angebracht zu sein, doch bis auf eine Reihe schmaler Schlitze, kaum höher als eine Flasche Budweiser, war in der Außenhaut hinten keinerlei Öffnung zu sehen. Zischen tat es, weil aus der Rübe irgendwo etwas entwich, das unter Druck stand, so viel konnte Hank sich auch mit seinen rudimentären Physikkenntnissen zusammenreimen. Aber sonst ... Kein Dampf, kein Rauch, kein Nebel. Keine Flammen, die aus der von der Bruchlandung verzogenen Metallschale schlugen. Keine Explosionen – so, wie das immer in den Filmen dargestellt wurde, die Hank gelegentlich streamte, immer sonntags, als kleine Belohnung dafür, dass er die Arbeitswoche erfolgreich ohne Arbeit bewältigt hatte. Skylar erlaubte ihm, sein Abo mit zu nutzen, und wenn es um Filme ging, hatten sie ja eine Schnittmenge. Weltraumschlachten. Mondkolonien. Cyborgs. Zoff in Alpha Centauri.
War das spannend!
Auch, wenn die schwarze Metallrübe einfach nur im Boden steckte. Ohne Explosion. Das Feuer entlang der Schneise kapitulierte zusehends vor dem Gewitterregen.
Hank umrundete das Schiff. Besonders groß war es nicht, ragte vielleicht drei, vier Meter aus der Erde. So hoch wie die Stechpalmen, aber niedriger als die anderen, richtigen Bäume ringsum. Die mutmaßliche Führerkanzel verschwand im Humus, eingewühlt wie ein übergroßer Maulwurf. Luken waren keine sichtbar. Dafür blinkten in der vorderen Hälfte mehrere verborgene Leuchtdioden in dem Metall, weiß, nacheinander, im Intervall. Ein sanftes, abgeblendetes Licht, das nun wiederrum ganz gut zu den Filmen passte. Ein kühles, sternenmäßiges Weiß.
Hank schluckte. Machte einen Schritt auf das Licht zu. Schluckte wieder. Noch ein Schritt. Jip ließ ihm bereitwillig den Vortritt, die Nasenflügel des Mischlings bebten. Kein Zweifel: Die Rübe war außerirdischen Ursprungs. Dieses Ding war viel zu cool für etwas, das von der Erde kam. Er war jetzt so nah, dass er es berühren könnte, wenn er die Hand ausstreckte. Nun sah er auch, dass die Reihe aus Leuchtdioden an etwas endete, das ihn entfernt an den Außengriff einer Flugzeugtür erinnerte, eine Art Hebel, aerodynamisch versenkt in der Metallhaut. Ob man das Ding damit öffnen konnte? Vielleicht lag innen ein schwer verletzter Marsmensch über einem geborstenen Armaturenbrett und brauchte seine Hilfe?
Hanks Hand hob sich wie von allein. Verharrte über dem Hebel. War das Ding überhaupt aus Metall? Oder war das ein anderes Material? Es spiegelte das Licht der Taschenlampe, aber auf eine stumpfe Art, als wäre es mit einem matten Lack überzogen, mit irgendeiner Beschichtung.
Der eingelassene Hebel konnte natürlich auch etwas ganz anderes sein, als ein Türöffner. Ein Auslöser. Ein Selbstzerstörungsmechanismus. Gott weiß was konnte geschehen, wenn er jetzt daran herumfummelte. Vielleicht sollte er es besser lassen.
»Jip, alter Junge«, murmelte Hank, wechselte die Lampe in die Hand mit der Leine und kratzte sich den Schädel unter der Kapuze. »Soll ich oder soll ich nicht?«
Der Hund registrierte, dass Herrchen ihn ansah, und kläffte einmal. Klares ›Ja‹. Jip hatte entschieden, was Hank sehr recht war. Es lag ihm nicht so, die Verantwortung zu tragen.
Er berührte den Hebel. Das Material fühlte sich warm an, schon irgendwie metallisch, aber auch anders. Gläsern? In jedem Fall war der Hebel glatter als Hanks Halbglatze. Er spürte sein Herz in der Brust Polka tanzen. Dann betätigte er den Hebel.
Alle Dioden der kühlen Lichterreihe glommen einmal gleichzeitig auf und erloschen.
Hatte ... Hatte er die Rübe deaktiviert?
Ein Summen aus dem Innern wischte seine Annahme vom Tisch. Ganz im Gegenteil: Da war irgendetwas aktiviert worden! Hank nahm die Hand fort. Plötzlich hellte sich die ganze Vertiefung rund um den Hebel auf, wechselte von schwarz zu dunkelblau zu hellblau. Ein geheimnisvolles Leuchten aus dem Inneren des Schiffes. Eine Blende fuhr zurück, und aus der Öffnung, silbrig schimmernd im blauen Schein, kam ein Roboterarm herausgefahren. Ein rotes Licht drang aus der Luke, wie von einem Laserpointer oder einem Zielfernrohr.
Wie in den Filmen.
Hank hatte genug gesehen.
Er war selbst überrascht, wie schnell er mit seiner Diagnose noch laufen konnte, wenn es denn so richtig pressierte.
Sie waren da! Die Aliens! Die Killerroboter! Sie waren gelandet! Und sie waren hinter ihm her!
Jip kam kaum mit, die Leine spannte sich. Jetzt zog der Mensch den Hund, statt umgekehrt.
Weg hier! O Gott! Nichts wie weg!
Blitze zuckten in den Wolken, und der Donner rollte über den Wald. Stechpalmenzweige peitschten Hank ins Gesicht, während er alles aus Lungen und Beinen heraus holte, was sein Körper noch zu bieten hatte. Ein bisschen zu spannend, das Ganze.
Ein bisschen zu real.
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Labels: Clark C. Clever, Science Fiction, SciFi, Sonar
1 Kommentare:
Sei mir nicht böse, dass ich den Anleser nicht komplett gelesen habe. Ich habe Angst, gespoilert zu werden. Ansonsten gefällt mir deine Vorstellung.
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