'Reinigungsaufgaben' von Aileen O'Grian
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Blog Aileen O'Grian |
Gegen den Widerstand der Erwachsenen setzen sich das weiße Mädchen Jessica und die Farbige Amal dafür ein, Afrika wieder bewohnbar zu machen. Sie wollen nicht länger die moderne Sklaverei in Europa dulden.
Helen entdeckt gefährliche Viren, die so virulent sind, dass sie sich im gesamten Weltraum ausbreiten und alles Leben vernichten würden. Verzweifelt versucht sie, das Schlimmste zu verhindern.
Cathy lebt in einem Turmbau, wie sie überall in der Nordsee entstanden sind, nachdem große Teile Europas vom Meer verschlungen wurden. Die Menschen wohnen dicht gedrängt, Nahrungsmittel sind knapp und müssen mühsam gewonnen werden. Oft bedrohen schwere Hurrikans die Bewohner der Siedlung, unter denen sich auch viele afrikanische und asiatische Flüchtlinge befinden. Hinzu kommen die Altlasten des 20. Jahrhunderts: Giftige Schadstoffe, gefährliche Munitionsreste und atomarer Müll verseuchen die Meere.
Diese und sechs weitere spannende Geschichten handeln von Zukunftsvisionen, die hoffentlich nie eintreten werden.
Leseprobe:
Mörderische Reinigungsaufgaben
Der Richter schaute mich streng an. Selbst mein Geständnis schien ihn nicht milder zu stimmen. Dabei: Was war schon groß daran, etwas schmutziges Wasser ins Meer zu leiten? Bei der großen Menge im Ozean fielen doch so ein paar Kubikmeter gar nicht auf. Unruhig knetete ich meine Hände unter seinem Blick.
„Im Namen des Gesetzes verurteile ich Sie hiermit zu fünf Jahren Zwangsarbeit im Meeresklärwerk“, verkündete er.
Meine Beine gaben nach, vor meinen Augen verschwamm der Gerichtssaal, haltsuchend griff ich an den Tisch. Die Höchststrafe! Er hatte mich zur Höchststrafe verurteilt! Wegen so einer Bagatelle!
„Herr Burow, verstehen Sie mich?“, fragte mein Anwalt.
Wie durch Watte hörte ich ihn. Benommen nickte ich.
„Geht es Ihnen nicht gut?“
„Bei so einer Strafe …?“, flüsterte ich fassungslos.
„Wir gehen in Berufung. Beim nächsten Gericht haben Sie einen anderen Richter, einen milderen. Herr Lautbeißer ist für seine Strenge bekannt.“
Leider riet mir mein Anwalt eine Woche später davon ab. Inzwischen war ein neues Gesetz erlassen worden und Umweltvergehen wurden noch strenger als vorher bestraft.
„Herr Burow, sobald Sie entlassen werden, melden Sie sich bei mir. Ich helfe Ihnen bei der Resozialisierung und Arbeitssuche“, versprach er mir. Dann ging er, und ich blieb zurück - im Gefängnis. Morgen sollte ich in das Klärwerk Nord-Atlantik gebracht werden. Es liegt auf dem 10. Längen- und dem 70. Breitengrad im Atlantik und ist nur mit einem Schiff zu erreichen. Meine Frau und meine Kinder würde ich fünf Jahre lang nicht mehr sehen. Dabei hatte ich nur ihretwegen das Bilgewasser ins Meer abgepumpt! Hätte ich es nicht getan, hätte mein Reeder mich entlassen. Bei jungen Offizieren duldeten sie das kostenintensive Abpumpen im Hafen in Reinigungstanks, aber die älteren Kapitäne, die nicht mehr als so leistungsfähig gelten, müssen die Kosten auf ihren Schiffen ins Unmögliche senken, um nicht arbeitslos zu werden.
Von der Zelle des Transportschiffes wurde ich durch eine Gangway in das mehrstöckige Gebäude des Klärwerks gebracht. Von dort ging es, begleitet von zwei Gefängniswärtern, mit dem Aufzug abwärts. Immer weiter, immer tiefer. Als die Aufzugtür aufging, stießen mich die beiden wortlos hinaus und weiter durch endlos lange, dunkle Gänge.
In einem Waschraum musste ich duschen, dann schor ein Gefangener in einem blauen Kittel und gleichfarbiger Hose meinen Kopf und gesamten Körper kahl. Noch nie hatte ich mich so erniedrigt und gedemütigt gefühlt. Ein anderer drückte mir blaue Gefängniskleidung und Badelatschen in die Hand.
„Na, wird’s bald. Dalli, dalli“, trieb der eine Wärter an.
Sobald ich angezogen war, stieß er mich weiter bis in eine Kajüte. Pardon!, eine Zelle. An jeder Wand befanden sich zwei Pritschen hintereinander, je drei übereinander.
„Dort hinten“, sagte ein Aufseher und zeigte auf die linke Ecke. Die Koje war also für mich bestimmt. Eine dünne Wolldecke lag auf ihr.
Handtuch, Seife und Zahnbürste legte ich auf das Brett über dem Bett, dann musste ich meinen Arbeitstrupp aufsuchen.
„Kalle, dein Neuzugang, Kapitän Burow“, rief ein Wärter in den Raum und zu mir gewandt: „Kalle leitet den Trupp. Er kennt sich bestens aus, er ist seit zwanzig Jahren hier.“ Damit übergaben mich die Wärter jenem Kalle und verschwanden.
„Was soll ich mit so einem Alten hier? Immer schicken sie uns die ollen Knacker“, meckerte Kalle laut hinter den Wärtern her.
„Kalle war Leichtmatrose und musste auf Geheiß seines Kapitäns die Tanks auf See reinigen“, raunte mir ein Uralter zu.
„Hast du wenigstens Muckis?“ Kalle griff prüfend an meine Oberarme. Ich versuchte, die Muskeln so locker wie möglich zu halten. Sollte mich Kalle ruhig unterschätzen.
„Wieder so ein Schlappschwanz“, war sein Kommentar. „Peter, nimm den Käpten mit“, befahl er gleich darauf.
Peter hieß also der Uralte. Ich folgte ihm kriechend durch einen schmalen Schacht.
„Die Reißanlage ist verstopft, wir müssen wie bei einem Rasenmäher die Verstopfung beseitigen“, erklärte er mir.
Am Ende des Schachtes öffnete er eine Klappe und kroch hindurch. Wir befanden uns zwischen rasiermesserscharfen Messern. Voller Sorge schob ich mich hinter Peter her. Meine Anspannung wuchs mit jedem Zentimeter.
„Verletz dich bloß nicht“, warnte er mich.
Wir krochen vorbei an den Häckselmessern, bis wir die Ursache des Staus fanden. Mit Harken lösten wir den Müll. Schließlich griff Peter, durch Lederhandschuhe geschützt, in die Klingen und bewegte sie hin und her, bis sie leichtgängig waren.
„Schnell zurück“, rief er und beeilte sich, die Luke zu erreichen. Ich hetzte auf allen vieren hinterher.
Wir hatten die Tür noch nicht verriegelt, als die Maschinen wieder zu rotieren begannen. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Hier fünf Jahre heil zu überstehen, würde schwierig werden.
„Du musst sehr aufpassen und ganz schnell zurück sein, sonst zerhacken die dich. Die warten nicht, ob die Arbeitskräfte wieder in Sicherheit sind. Es gibt genug Gefangene, ein paar mehr oder weniger machen nichts aus, Käpten.“
„Ich heiße Robert. Hier habe ich keinen Rang“, stellte ich klar.
Peter grinste mich an. „Die Offiziere sind bei uns in der Überzahl.“
„Kein Wunder, die tragen auch die Verantwortung und werden zur Rechenschaft gezogen.“
„Ich bin Peter Christiansen, war früher leitender Ingenieur auf einem Handelsschiff und bin seit drei Jahren hier.“
„Warum ist Kalle schon so lange gefangen?“
„Na ja, zu den Umweltsünden kam noch eine Schlägerei mit Todesfolge und hier hat er auch schon einen Aufstand angezettelt und einen Aufseher umgebracht.“
„Oh nein“, entfuhr es mir.
„Doch, und Offiziere mag er nicht, die schindet er besonders.“
Das waren schöne Aussichten. Später erfuhr ich, dass Peter erst Ende vierzig war, sechs Jahre jünger als ich. Dabei sah er aus wie siebzig. Alterten hier alle so schnell?
Wenn wir nicht Stillstände der Maschinen beseitigten, sortierten wir den Müll mit der Hand vor. Peter vertraute mir an, dass das gar nicht nötig wäre, aber irgendwie mussten die Gefangenen beschäftigt werden. Mir wurde der Tag lang und die Glieder schwer. Immer wieder dachte ich an meine Frau Kaja und meine Kinder und sehnte mich nach ihnen. Ihretwegen musste ich überleben!
Nach einer Woche durften wir endlich duschen. Natürlich nur lauwarm. Hinterher wuschen wir noch unsere Anzüge mit der Hand und hängten sie für den nächsten Tag auf. Wir besaßen zwei Sträflingsanzüge zum Wechseln.
Abends gab es für jeden zwei Schwarzbrote mit Fett, dazu schales Wasser. Danach saßen wir noch etwas zusammen und unterhielten uns. Einige Männer sangen. Ich war zu müde zum Sprechen und versuchte zuzuhören. Aber mir fielen fast die Augen zu.
Peter klopfte mir auf die Schulter.
„Schließstunde, wir müssen in unsere Zelle.“ Er merkte, wie müde ich war. „Mit der Zeit wird es einfacher, du bekommst eine bessere Kondition.“
„Bei dem Essen?“
„Pst.“ Er nickte kaum sichtbar zur Ecke, in der zwei Wärter standen und uns beobachteten.
Labels: Aileen O'Grian, Dystopie, Erzählungen, Science Fiction
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