20. November 2020

'DER TOD KENNT DEIN GEHEIMNIS: Gordon Rabes vierter Fall' von H.C. Scherf

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
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Die Würde des Menschen ist unantastbar

Dieser wichtigste Artikel des Grundgesetzes wird in abstoßender Art und Weise von Menschenhändlern missachtet, als sie junge Frauen in Containern ins Land schmuggeln.

Das Team um Gordon Rabe muss nicht nur um das Leben von unschuldigen Frauen bangen, die von brutalen Händlern zur Prostitution gezwungen werden.

Ein scheinbarer Suizid wirft viele Fragen auf, deren Antworten ungeahnte Familiengeheimnisse preisgeben. Die Lösung scheint so einfach, bis eine unerwartete Wendung alle schockt.

Der vierte Band der Thriller-Reihe um den Ermittler Gordon Rabe.

Anleser:
Schon längst hatte die Nacht ihre Schleier über den Essener Stadthafen am Rhein-Herne-Kanal gedeckt, als am Anlegebereich Hektik aufkam. Container, die mit einem Kahn aus den Niederlanden transportiert worden waren, warteten darauf, gelöscht zu werden. Zwei der vier Brücken- und Portalkrane waren besetzt und griffen wie gewaltige Geisterfinger nach den schweren Behältern, die sofort auf wartende LKWs verladen wurden. Was in dieser Nacht für geübte Betrachter ungewöhnlich hätte erscheinen können, waren die beiden dunklen Limousinen, die in einiger Entfernung warteten. Ihre Insassen beobachteten genau, welchen Weg die einzelnen Container nahmen. Schließlich hängten sie sich an zwei bestimmte LKWs auf den Weg durch den Essener Norden.
Boris Bogdanow, was so viel bedeutete, wie Gottesgeschenk, verließ den großräumigen Mercedes und eilte auf den Fahrer des ersten Lastwagens zu, der schwerfällig vom Führerhaus auf den Schotter des Ladehofes stieg. Er rechnete nicht mit der Reaktion des heraneilenden Boris und musste die volle Wucht des Schlages gegen die rechte Niere hinnehmen. Er knickte in den Knien ein und konnte nur mit Mühe verhindern, dass seine Stirn gegen die Metallstufen des Wagens stieß. Als er sich am Boden wand, erwischte ihn abschließend die Fußspitze seines Auftraggebers in die Rippen. Während er sich schützend zusammenkrümmte, schrie er neben dem Schmerz die Frage heraus: »Was soll die Scheiße? Es hat doch alles hervorragend geklappt. Du bringst mich ja um.«
Mit in die Seiten gestemmten Fäusten stand Boris breitbeinig über dem Fahrer, wobei seine Augen zu schmalen Schlitzen geschlossen waren.
»Da liegst du nicht einmal falsch. Alles in Ordnung, sagst du? Nichts als Scheiße hast du im Hirn. Was glaubst du, hier zu transportieren, du Wahnsinniger? Du kannst diese Container nicht befördern, als wären da Stofftiere drin. Die Ware ist nur dann wertvoll und wirft hohe Gewinne ab, wenn sie gut erhalten ist. Geht das in deinen Schädel rein? Du heizt damit über die Straßen, als würdest du nach Zeit bezahlt. Ich sollte dir für diesen miesen Job keinen Rubel zahlen. Hörst du? Nicht einen Rubel. Wenn darin irgendwas beschädigt wurde, werfe ich dich ins Hafenbecken.«
Boris nahm den Stiefelabsatz wieder vom Ohr des Fahrers, den er dorthin gesetzt hatte. Als er schon mehrere Meter entfernt war, drehte er sich noch einmal um.
»Fahr die Kiste in die Halle und setz den Container vorsichtig auf dem Boden ab. Höre ich auch nur ein falsches Geräusch, bist du tot.«
Jewgeni, der Fahrer wusste genau, dass Boris meinte, was er sagte. Man hörte hier und da von den drakonischen Strafen bei Verrat oder Versagen. Der Boss hatte schon für weit weniger als das hier Leute beseitigen lassen. Er stieg wieder fluchend ins Führerhaus und rangierte rückwärts in die riesige Halle, wo eine Schar von Männern wartete. Betont vorsichtig senkte er den Behälter auf den Boden und beeilte sich damit, das Fahrzeug wieder nach draußen zu bewegen. Boris wirkte zufrieden und fasste mit an, als die Plomben entfernt und die Verschlüsse geöffnet wurden. Etliche Handlampen blitzten auf und beleuchteten den Innenraum des ersten Containers. Über dreißig Augenpaare richteten sich ängstlich auf die Männer, die neugierig die Ware betrachteten, die man ihnen angekündigt und nun mit Verzögerung endlich geliefert hatte.
Der Transport hatte sich durch unvorhersehbare Umstände um zwei Tage weiter hinausgezogen. So wunderte sich keiner darüber, dass die LED-Leuchten längst ihre Akkus aufgebraucht hatten und im Innenraum schon lange absolute Dunkelheit geherrscht haben musste. Sofort erkannte Boris, dass sämtliche Behälter, in denen man bei Transportbeginn Wasser bereitgestellt hatte, bis auf den letzten Tropfen geleert worden waren. Einige der Frauen hockten auf dem Boden und zeigten Wunden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Kampf um das lebensnotwendige Nass entstanden waren. Nur mühsam erhoben sie sich in der Hoffnung, nun endlich in die versprochene Freiheit entlassen zu werden. Schützend hielten sie die Hände vor die Augen. Besondere Aufmerksamkeit brachte Boris Bogdanow einer Frau entgegen, um die sich zwei andere fürsorglich kümmerten. Um nach dem Rechten zu sehen, näherte er sich. Er stockte, als sich ihm eine fast gleichgroße dralle Frau mit wilden Augen in den Weg stellte.
»Fass sie bloß nicht an. Sie ist tot. Ihr habt sie umgebracht, ihr verfluchten Menschenschinder. Sie ist schon gestern gestorben. Niemand hat uns darauf vorbereitet, dass diese Teufelsfahrt so lange dauern würde. Habt ihr uns über Australien verschifft? Von der Ukraine bis Deutschland ist es doch nur ein Katzensprung.«
Die harte Faust traf Daria direkt hinter dem Ohr und ließ sie wortlos zusammensinken. Boris wusste, wo Schläge kaum Spuren hinterließen, aber dennoch wirksam waren. Er drehte sich um und winkte den erstbesten Helfer herbei.
»Ich brauche den Namen der Toten. Ruf in Odessa an und sage denen, dass ich für das Weib meine Kohle zurückhaben will. Für Kollateralschäden komme ich nicht auf. Dann ab mit ihr, lasst den Kadaver verschwinden. Ihr wisst, was zu tun ist. Die anderen Frauen in kleine Gruppen aufteilen und zur Erstversorgung in das Quartier. Sorgt dafür, dass sie sauber und satt sind, wenn die Kunden sie abholen. Gebt ihnen ordentliche Klamotten. Hier stinkt es wie in einem Ziegenstall. Und jetzt will ich den zweiten Container sehen.«
»Was soll das heißen – wenn die Kunden sie abholen? Wir wollen endlich wissen, wofür wir so viel Geld bezahlen mussten. Ist das mit den Arbeitspapieren geregelt?«
Diesmal war es der herbeigerufene Schläger, der die vorwitzige Natalya zur Ordnung rief, indem er ihr in die Mähne griff und den Kopf nach hinten riss. Boris wandte sich ihr zu.
»Ich mag das, wenn Frauen selbstbewusst sind. Ihr müsst die Natur einer Raubkatze besitzen. Das ist gut fürs Geschäft. Hör mir zu, du kleine Wildkatze – und das gilt auch für alle anderen – ihr werdet sehr schnell Arbeit und bulgarische Papiere dazu bekommen. Nicht jedem von euch wird das gefallen, aber das ändert sich mit der Zeit. Nun zu dem Geld, das ihr bezahlt habt. Die dreißigtausend Hrywnja, die ihr gelöhnt habt, reichen gerade einmal dazu, Leute zu schmieren, um euch über die Grenze zu kriegen. Transport und Unterbringung kosten hier ein Vermögen. Wir sind nicht mehr in der Ukraine. Eure paar Flöhe sind lediglich etwas mehr als neunhundertdreißig Euro wert. Ich habe viel Geld, sehr viel Geld investiert, um euch bis hierher zu transportieren. Das will ich zurück. Habt ihr mich verstanden? Jeden einzelnen Cent will ich zurück. Ich will an euch nichts verdienen. Nein, ich bringe euch legal in Lohn und Brot. Papiere müssen zusätzlich angeschafft werden. Wie ihr seht, geht es momentan noch darum, schnell das Geld wieder reinzuholen, das ich investiert habe, denn auch ich bin nicht auf Rosen gebettet.«
Boris drehte sich und blickte jeder Frau tief in die Augen. Kaum eine Frau war dabei, die den Blick nicht senkte – außer Natalya. Sie stellte trotzig eine weitere Frage.
»Wo bringt ihr uns hin und was müssen wir tun, um das Geld zu verdienen? Keine von uns wird auf den Strich gehen, damit das von vorneherein klar ist. Das haben wir schon vorher untereinander abgesprochen. Also, was geschieht mit uns?«
»Das wird erst entschieden, wenn die Kunden euch gesehen haben. Sie werden euch sagen, wo ihr arbeiten werdet. Ich bin nur für den Transport zuständig. Einen kleinen Obolus werde ich aufschlagen, da ich das größte Risiko trage. Wir werden euch jetzt in kleine Gruppen aufteilen und gut versorgen. Duschen, Essen, Trinken und ein bequemes Bett. Neue Klamotten bekommt ihr auch. Mit diesen Fetzen am Leib wird euch keiner haben wollen. Schlaft euch aus. Morgen sieht die Welt wieder besser aus. Das mit der Verzögerung tut mir leid, aber es war nicht unsere Schuld.«
Natalya schüttelte ihr Haar und half Daria auf die Beine, die langsam wieder zu sich fand und Boris mit hasserfüllten Augen verfolgte. Der nahm einen Mann zur Seite und flüsterte mit ihm.
»Nimm dir die beiden Drecksweiber in einer Sonderbehandlung vor. Die versauen uns die anderen und wiegeln sie gegen uns auf. Die gehen in Kostjas Puff. Der kriegt die schon zahm mit seinen Einreitern.«

Blick ins Buch (Leseprobe)

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