'Kassandras Weg' von Nona Simakis
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Dem Ruf dieser mysteriösen Weissagung folgend unternimmt Kassandra eine Reise nach Griechenland in das Land ihrer Ahnen. Doch kaum angekommen überstürzen sich die Ereignisse. Antike Götter erscheinen, mystische Wesen und Gestalten aus einer fernen Vergangenheit machen sich bemerkbar, um das Schicksal und Kassandras Leben zu beeinflussen. Als ob das nicht verwirrend genug wäre, wird sie von einem unbekannten Feind in das antike Delphi entführt. Auf der Suche nach Antworten verlieren sich schnell die Grenzen zwischen Realität und Phantasie. Alles deutet auf eine einzige Aufgabe hin. Kassandra muss sich entscheiden, welchen Weg sie nimmt, um den Lauf der Geschichte ins Gute zu lenken.
Wird sie ihr Erbe annehmen und die Herausforderung erfolgreich bestehen? Ihr Schicksal und das Überleben ihrer Ahnenreihe hängen davon ab. Kassandras einziger Ratgeber ist eine Eule, nicht irgendeine, es ist die sprechende Eule der Pallas Athene.
Leseprobe:
Meine Augen waren geöffnet, doch konnte ich in der mich umgebenden Dunkelheit nichts erkennen. Vorsichtig fühlte ich nach der kleinen Feder, die Gott sei Dank noch in meiner Hand lag. Erleichtert seufzte ich auf. Sobald ich die knicken würde, wäre alles gut. Mein Körper lag auf einem kalten, steinigen Untergrund. Von irgendwoher streichelte ein Lufthauch mein Gesicht. Es roch nach verfaulten Eiern und verbranntem Holz.
Wo war ich verdammt noch mal? Was war passiert? Ich setzte mich auf, und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Nichts, es war nichts zu sehen. Eine lähmende Angst durchdrang mich und verhinderte jeden Ansatz logischen Denkens. Beim Aufstehen stieß ich mir den Kopf an Stein. Befand ich mich in einer Höhle?
»Hallo, ist hier jemand?«, rief ich mit schriller Stimme in die Finsternis hinein. »Das ist nicht lustig und ich habe keinem etwas getan. Hallo!«, rief ich lauter. »Bitte, hört mich denn keiner?«
Ich ging wieder in die Hocke und umarmte zitternd meine Knie. Tränen rannen über mein Gesicht und ich fühlte mich allein gelassen. Die Feder, wie konnte ich Glaukos Feder vergessen? Ich tastete mit meiner freien Hand sachte nach der kleinen Feder in meiner Handinnenfläche und knickte sie mit aller Kraft zusammen.
»Glaukos«, schrie ich, »Glaukos, bitte hilf mir.« Weinend brach ich zusammen und ließ zu, dass die Angst sich zu einem paranoiden Wesen entwickelte, das mich fest im Griff hatte.
Wo blieb nur Glaukos, was war passiert? Ein heller Lichtschein leuchtete vor meinen Augen auf und ich sah eine Laterne oder Fackel, es war nicht klar, zu erkennen. Langsam kroch ich auf das Licht zu. Dabei bohrten sich viele spitze Steine in meine Knie. Die Sicht wurde immer klarer und ich erkannte, dass ich tatsächlich in einer großen Höhle war. Da die Decke höher wurde, stellte ich mich auf. Die Feder von Glaukos lag immer noch zerdrückt, in meiner verschwitzen, dreckigen Hand.
In der Mitte der Höhle stand ein riesiger Amboss und aus der Wand gegenüber lief ein schmaler Streifen Lava herunter. Wenn es hier Geräte gab, hieß das im Klartext, dass es hier auch einen Ausgang geben musste. Dieser Gedanke gab mir neuen Mut. Suchend drehte ich mich um und starrte in die dunklen Augen eines Mannes. Erschrocken schrie ich auf, stolperte rückwärts und knickte mit meinem Knöchel um. Ein brennender Schmerz durchfuhr meinen Körper und erneut schossen Tränen in meine Augen.
»Hallo Kassandra, wie schön, dich endlich begrüßen zu dürfen«, hörte ich eine klangvolle Stimme.
»Wer bist du und warum bin ich hier?«, fragte ich ängstlich. Ich war gefangen in einer Höhle mit einem Fremden, der meinen Namen kannte.
»Nun, vorgestellt wurden wir uns noch nicht.« Der Unbekannte schnippte mit den Fingern und in der runden Höhle flammten zeitgleich mehrere Fackeln auf.
Vor mir stand Hugh Jackman, der Hollywood-Schauspieler. Ich konnte es nicht glauben und war mir sicher, dass ich alles nur träumte. Ich schloss meine Augen, zählte bis drei und öffnete sie wieder. Ich war immer noch in der Höhle und auch der Mann, der diesem Hollywood-Star auffallend ähnlich sah.
»Hast du dich überzeugt, dass dies alles kein Traum ist? Falls ja, dann lass uns doch Platz nehmen und ein bisschen weiterplaudern.«
Auf ein zweites Fingerschnipsen erschien ein Tisch mit zwei Stühlen mitten in der Höhle.
»Bitte setz dich doch. Ein Glas Wein?«
Ein weiteres Schnipsen erklang und eine goldene Weinkaraffe mit zwei Pokalen erschienen auf dem Tisch.
Unsicher nahm ich Platz, beobachtete aber weiterhin argwöhnisch meine Umgebung.
Die weiteren Abschnitte der Höhle lagen im Dunkeln, sodass ich nicht mehr viel erkennen konnte. Aber der vorherrschende faulige Geruch lag mittlerweile auf meiner Zunge und erschwerte mir das Schlucken.
»Entspann dich bitte, es tut mir leid, dass unser Treffen, nun, sagen wir mal, etwas intensiv verlaufen ist, aber du hast es ja provoziert.«
Inzwischen gelang es mir, mich zu fangen, und ich bekam es sogar hin, meiner Stimme einen forschen Klang zu geben:
»Wer bist Du?«
Dabei hielt ich immer noch die Feder von Glaukos in der Hand und ein Teil in mir hoffte, dass er aufgrund der Zeitverschiebung den Rückholbefehl nicht sofort gespürt hatte.
»Wer ich bin, meine Schönheit? Das ist eine der leichtesten Antworten, die du heute bekommen wirst. Ich bin Ares, der Sohn des Zeus und der Hera. Man nennt mich auch den Kriegsgott.«
Er deutete eine Verbeugung an und nahm Platz. Spöttisch beobachtete Ares, wie ich ihn taxierte. Ares war ein unverschämt schöner Mann. Lange, schwarzglänzende Haare wurden mit einer Goldspange gehalten. Bei jedem anderen würde das albern aussehen. Doch bei ihm unterstrich es einfach nur seine wie gemeißelte Schönheit. Seine hohen Wangenknochen lagen im bläulichen Schatten eines sehr gepflegten Dreitagebartes. Er hatte wirklich etwas von Hugh, nur seine Augen wirkten irgendwie kalt und metallisch glänzend. Breite Schultern sprengten fast den Maßanzug, der wenn mich nicht alles täuschte, ein Anzug von Brioni war, einem der teuersten Hersteller der Welt.
Je länger ich ihn beobachtete, umso mehr sah er wie ein Männermodel in Designergarderobe aus als ein Kriegsgott. Sein Handgelenk schmückte eine breite Platinuhr von Patek. Unbezahlbar für unsereins. Gepflegte Hände mündeten in makellos polierten Fingernägeln, die so gar nicht zu einem Kriegsgott passen wollten. Das war ein Mann, der Frauenherzen höherschlagen ließ und weiche Knie verursachte. Ich konnte mich von dieser hypnotisierenden Männlichkeit nicht abwenden. Es waren jedoch die kalten Augen und mein mittlerweile pochender Knöchel, die meine Wachsamkeit schärften.
Ares schenkte mir Wein ein und schob mir den mit Juwelen besetzten Pokal zu. »Trink, meine Schöne und entspann dich. Je eher du dich beruhigst, umso schneller werden wir das Loch meines Bruders Hephaistos verlassen.« Er hob seinen Pokal und nahm einen tiefen Schluck von dem Wein.
»Du bist ganz schön modern für einen Gott der Antike«, entfuhr es mir. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mich wegen einer Stilberatung entführt hast.«
»Entführt ist etwas theatralisch, meinst du nicht auch?«, antwortete er spöttisch und das süffisante Lächeln ließ ein Grübchen an seiner rechten Wangenseite erscheinen »Und eine Stilberatung, nein, die brauche ich tatsächlich nicht. Mir gefällt deine Epoche sehr gut. Hervorragende Stoffe, schöne Anzüge und die Schwertschmiedekunst sind fast perfektioniert. Warum sollte ich mich nicht so kleiden, wie es zu mir passt?«
»Es ist mir egal, wer du bist, ich verlange, dass du mich sofort freilässt.«
»Sonst noch was, meine Liebe? Möchtest du mir, kleiner Erdling, mir dem unsterblichen Gott des Krieges drohen? Falls ja, dann bist du mir ja ähnlicher als ich dachte, denn die Drohung ist ein Attribut des Krieges.«
Ein zynisches Lächeln überzog das sonst so makellose Gesicht, schmälerte jedoch nicht seine maskuline Ausstrahlung. Er ist nicht dein Typ, Cassy, reiß dich zusammen, der Kerl hat dich entführt und du weißt nicht einmal, wo du steckst.
»Nun gut, dann möchte ich dir sagen, was ich von dir erwarte und du wirst ein braves Mädchen sein und das tun, was ich dir vorschlage. Dann darfst du wieder artig in dein Bett und deinen Urlaub genießen.«
Sprachlos sah ich ihn an. Angesichts dieser triefenden Arroganz erkannte ich, dass sein Auftreten nur dem Zweck diente mir Angst einzujagen und mich kleinzuhalten. Doch der liebe Ares hatte sich in mir getäuscht. Mit seiner Art jagte er mir keine Angst ein, sondern brachte vielmehr meinen angeborenen, griechischen Sturkopf hervor. Doch war mir klar, dass ich weiterhin wachsam sein musste, wenn ich nicht in diesem Loch vermodern wollte.
»Und was erwartest du von mir, dass du dir derat große Mühe machst, mich in dieser stinkenden Höhle festzuhalten?«
»Diese stinkende Höhle, wie du sie nennst, wäre dann in Zukunft dein Aufenthaltsort, solange du lebst. Selbstverständlich würde ich, soweit es meine Geschäfte zulassen, dich hier ab und zu besuchen und dir ein paar Neuigkeiten aus der Welt der Lebenden mitbringen. Vielleicht lasse ich dich auch frei und du darfst deine ersten und letzten Erfahrungen in der Welt der Antike ohne Zahnseide und Antibiotika machen. Du kannst also einen Dauerurlaub gewinnen oder eine sichere Heimkehr.«
Im Kindle-Shop: Kassandras Weg.
Für Tolino: Buch bei TwentySix
Mehr über und von Nona Simakis auf ihrer Website.
Labels: Fantasy, Nona Simakis
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