28. April 2014

'Curry, Senf und Ketchup' von Friedrich Wulf

Kommissar Max Berger muss einen ersten Mord lösen, zu dem es viele Zeugen, aber weder Spuren noch Motive gibt. Professor Liedvogel ist während einer Vorlesung erschossen worden. Der zweite Mord ist grässlicher als der erste und führt Max Berger und seine Assistentin Clarissa Klabund in die Skinhead-Szene. Wer grotesken Humor mag, der wird schmunzeln, wenn nicht lachen über den halbverrückten Buchhändler Bernhard Schwarz.

Ein Mörder geht um in Paderborn. Mordet er um des Mordens willen? Willkürlich, weil er einen Rekord aufstellen will? Was treibt den Mörder an? Es scheint, als ob die Opfer wahllos abgeschlachtet würden. Auf den ersten Blick gibt es nichts, was sie miteinander verbinden könnte. Professor Liedvogel ist während einer Vorlesung erschossen worden. Ein zweiter Mord liefert fast poetische, jedenfalls hochsymbolische Spuren, aber der Ermordete passt nicht zum ersten Fall. Das dritte Opfer ist eine Politikerin, also wieder eine prominente Person.

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Leseprobe:
Zur Besprechung mit Liedvogel federte er den Korridor hinunter, als käme er gerade aus einem Seminar über die glückbringende Wirkung von Mimik und Bewegung. Und was verriet sein Gesicht mit der messerscharfen Nase? Grinse außen, dann grinst du auch innen. Seminarziel erreicht!
Die Faust von Liedvogel reichte bis in Roberts Eingeweide. Sein Magen eine zusammengepresste Blechdose. Alle verwünschten Liedvogel, aber alle hingen auch an seinen Lippen und lechzten nach seinem Lob und nichts weniger als das erwartete Zimmermann für seinen Aufsatz.
Ganz außerordentliche Ergebnisse hatte er zutage gefördert. Sah sich schon in der „Kulturzeit“, hörte die einführenden Worte von Zobel: „Eben erschien in Paderborn eine sensationelle Untersuchung. Zu Gast heute Abend im Studio der Medienwissenschaftler Robert Zimmermann. Bevor wir über Einzelheiten sprechen, möchte ich Sie bitten, die Ergebnisse Ihrer Studie kurz vorzutragen. Schon der Titel ist ein Knaller.“
„Ja gern, Herr Zobel. Mein Aufsatz heißt: Das Fernsehen als lebensförderndes Palliativum für Senioren.“
„Sehr schön, ganz famos, sensationell!“, sagte Zobel.
Vor der Tür zum Liedvogelschen Büro zögerte Robert einen Wimpernschlag lang und seine Haare gaben preis, welche Unwetter sich in seiner Kuppel entluden. Sie standen zu Berge und flirrten wie Kolibriflügel. Doch, doch der Aufsatz war ein kolossaler Wurf! Die Sprache kernig und männlich wie bei Schopenhauer. Und dann erst die Ergebnisse, so überraschend wie neu; der Durchbruch war da! Gedanken wie Axthiebe! Sein Anklopfen entsprach dem anschwellenden Sturm in seinem Hirn.

„Zimmermann, na endlich!“ Liedvogel blickte auf seine Uhr. „Wegen der zehn Minuten brauchen Sie die Tür nicht gleich einzuhämmern. Hier Zimmermann!“
Liedvogel warf ihm einen Aufsatz zu. „Mist! Überarbeiten!“ Zimmermanns käsiges und hagerknochiges Gesicht verfärbte sich, wurde nicht gerade puterrot, aber immerhin bekamen seine Wangen etwas Rosiges.
„Wie bitte?“
„Setzen Sie sich mit Nieljung zusammen, so geht das nicht. Er lieferte schon gestern und ist uneinsichtig, sieht nicht, welche Plattitüden er da aneinanderreiht. Und die Sprache, sie müssen da mit dem Hobel ran Zimmermann. Nieljung ist ein Schwachkopf. Selbst bei Orkan fällt der Apfel eben nicht weit vom Stamm. Ich habe ihn rausgeworfen. Aber das hier erledigen Sie noch zusammen mit ihm.“
„Nieljung rausgeworfen?“
„Wollen Sie ihn weiterhin mit durchziehen, Zimmermann?“
„Hat der Stamm schon angerufen?“
„Nein!“
„Macht er denn noch mit, nach dem Rauswurf. An dem Aufsatz meine ich?“
„Er glaubt noch nicht so richtig dran, machen Sie mal. Und nun zu ihren Geistesblitzen. Nachtarbeiter wie?“
An einem Dutzend Stellen pappten Zettel zwischen den Seiten seines Aufsatzes. Ein gutes Zeichen, ein bedrohliches Zeichen? Waren das die Stellen mit den kräftigen Thesen oder den noch kühneren Folgerungen?
„Setzen Sie sich. Kommen Sie her!“ So nah, so nah war Zimmermann unheimlich, und schon hatte er sich gestochen an der Liedvogelschen Au, Au, Aura.
Gemeinsam schauten sie in den Aufsatz. Pluszeichen hielten den Fragezeichen die Waage. Auf den ersten beiden Seiten. „Zimmermann, das hier“, Liedvogel tippte auf unterschlängelte Stellen, „das ist gut, wirklich stark.“
Wie bitte? Zimmermanns Geist machte dicht. Was? Wie? Wo ist das Aber? Kommt kein Aber? Das sei gut, sei gar stark?
„Aber“, fuhr Liedvogel fort, „um Himmels willen, erfinden Sie eine authentische Quelle. Zum Beispiel eine Umfrage unter Senioren, nehmen Sie meinetwegen Ihre Großmutter, aber verweisen Sie doch nicht auf einen Roman als Belegmaterial für ihre Thesen.“
Eine Großmutter wollte Robert wohl erfinden, eine Kleinigkeit. Die Rettung aus der stachligen Aura trat ins Büro. Chrissi Hains überreichte Zimmermann eine Kopie seines Aufsatzes und so konnte er Reißaus nehmen aus der Liedvogelschen Stachelaura.

Liedvogel nahm den Seiteneingang zum Hörsaal, denn schon eine Viertelstunde vor dem Beginn der Vorlesung waren auch die Treppenstufen des Saals besetzt. „Durch die Katakomben“, wie er es nannte. Zimmermann hörte etwas anderes hindurch, Liedvogels Eitelkeit, seine Enttäuschung darüber keinen Auftritt zu haben, nicht die Treppe hinuntertänzeln zu können.
Chrissi und Robert warfen die Maschinerie in Gang. Robert fuhr die Leinwand hinunter, Chrissi legte die DVD ein, positionierte den Beamer und drehte am Objektiv, bis das Bild scharf war. Liedvogel war ein Liebhaber des Details, das Große und Grobe bekamen auch die Doofen mit, aufs Feine und Kleine kam es ihm an und auf den Subtext, besonders den Subtext und den ironischen Blick.
Und was wurde gegeben? Hier wurde nichts gegeben! Liedvogel hielt eine Vorlesung mit dem Titel: „Paradoxie und Selbstreferenz im modernen Film.“
Nach der ersten Szene, ein hysterisches Pärchen überfällt ein Restaurant, stoppte Chrissi den Computer und Liedvogel erklärte, was alle gesehen, aber im feinen Detail eben doch nicht gesehen hatten. Denn Studenten sahen nun mal nichts, dazu brauchten sie die Augen eines großen Gelehrten. Erst der setzte ihnen Augen ein. Und wer sähe mehr und tiefer als ein deutscher Denker?
Zimmermann sah allerdings kaum etwas, dazu war ihm viel zu warm, zu wohlig, so dämmersüchtig zumute, so zum Gähnen gemütlich! Vier Schüsse reißen seinen Kopf hoch. Aus tiefem Traum erwacht, kann er noch gerade sein letztes Traumbild mit in den Hörsaal herüberzerren: Charles Bronson mit Mundharmonika. Doch kein Mundharmonikaspiel-mir-das-Lied-vom-Tod im Hörsaal. Es ist ruhig im Saal und auf den Stufen. Eine entsetzliche Stille! So still wie nach den vier Schüssen in seinem Traum. Das Bild läuft nicht mehr, Liedvogel spricht nicht mehr. Einer liegt vor der Leinwand.
Ein Pistolenschuss zurück! Zimmermann träumte noch von Cowboys im Staube von Arizona oder Utah und Chrissi, ihre Hand noch auf der Maus, wartete noch auf den Wink von Liedvogel, als ihr Harry auf die Schulter tippte. „Was machst du danach?“ „Gleich, gleich, sei still!“
Sie drehte sich wieder um und blickte zu Liedvogel hinunter. Er winkte und dann knallte es aus der erhobenen Hand und der Mann ging zur Seitentür hinaus, durch die sie vor einer halben Stunde gekommen waren. Aber es war nicht Liedvogel, der gewinkt hatte und nun hinausging. Liedvogel lag vor der Leinwand.

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24. April 2014

"Zufällig Hawaii" von Sabine Landgraeber

Ein Reiseabenteuer. Luisa hat ihr Leben satt. Sie sitzt stundenlang am Computer, hängt nur noch im Internet rum und hat jeglichen Kontakt zum wirklichen Leben verloren. Ihr Freund Alex, den sie auch nur von Facebook kennt, lädt sie ein, ihn zu besuchen und so landet Luisa zufällig auf Hawaii. Doch anstatt mit einem Mai Tai und einem gut aussehendem Mann in Waikiki am Strand zu sitzen, findet sie sich unter einer Autobahnbrücke wieder, überfallen und ausgeraubt.

Luisa versucht Anja, ihrer ehemals besten Freundin, zu erreichen. Vergeblich. Der wortkarge Polizist Beni Korea will ihr helfen und scheint sehr an ihr interessiert zu sein. Aber dann bekommt Luisa noch viel größere Probleme und auch Detective Korea weiß keine Lösung. Anja ist die Einzige, die ihrer besten Freundin den Weg zeigen kann.

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Leseprobe:
Ich schnappte nach Luft und öffnete die Augen.
Manchmal wacht man auf und weiß genau, dass etwas nicht richtig ist. Ich lag nicht in meinem Bett, sondern auf dem Mittelstreifen einer vierspurigen Straße. Die Autos fuhren in hohem Tempo an mir vorbei. Die warme Luft schmeckte nach Staub und Abgasen. Ich versuchte mich aufzurichten und schaute in den Himmel, aber den gab es in diesem Albtraum nicht. Über mir befand sich eine weitere Straße, von der ich nur die graue, rußverschmutzte Unterseite sehen konnte. Ich rutschte über den staubigen Boden zu einem Betonpfeiler, lehnte mich daran und schloss die Augen.
Allein das Nachdenken über diese merkwürdigen Umstände nahm mir meine ganze Kraft. Ich fühlte mich wie betrunken und mein ausgetrockneter Hals schmerzte.
"Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“
Was für eine blöde Frage. Was sollte ich darauf antworten?
Ich öffnete wieder die Augen und sah ein paar schwarze Hosenbeine, direkt vor mir.
"Können Sie mich verstehen?"
Ein riesiger Mann ging ächzend in die Hocke, ich sah die Schweißperlen auf seiner Stirn, die unter seiner Mütze hervorrannen. Sein kurzärmliges schwarzes Hemd spannte über seinem Bauch. Seine Hand berührte meine Schulter. Polizeiuniform.
"Ma'am, Sie können hier nicht bleiben. Sie scheinen einen Unfall gehabt zu haben, tut Ihnen etwas weh?"
Ich musterte meinen Körper, der sich seltsam fremd anfühlte. Einen Unfall? Ich trug meine weite bequeme Boyfriend-Jeans, die, die man sich auch ohne Boyfriend kaufen konnte. Meine Füße steckten in den grauen, schnürsenkellosen Chucks. Ich bewegte meine Zehen, kein Problem. Hose und Schuhe waren ein bisschen schmutzig, was ja auch kein Wunder war, wenn man sich mal die Umgebung ansah, in der ich saß. Auch auf meinen nackten Armen konnte ich keinerlei Verletzungen erkennen, und das blaue T-Shirt war noch so, wie es sein sollte.
"Du siehst wirklich Scheiße aus", kam es von meiner Linken. In einiger Entfernung saß ein zotteliger, dürrer Mann auf einer Decke aus Zeitungen. Ein mit Dosen gefüllter Einkaufswagen stand neben ihm.
Ich hatte Angst davor, etwas zu sagen, denn dann würde das alles hier zur Realität werden. Ich suchte die Umgebung nach Spuren eines Unfalls ab. War ich vielleicht aus einem Auto herausgeschleudert worden, das jetzt mit den Rädern nach oben im nächsten Graben lag? Ich konnte nur die Fahrspuren rechts und links von mir sehen und in einiger Entfernung einen weiteren Betonpfeiler. Ein warmer Windstoß wehte Staub und eine Plastiktüte an mir vorbei.
"Ma'am, kommen Sie jetzt mit?"
Ich nickte und versuchte mich hochzurappeln. Das war nicht so einfach, wie ich erwartet hatte. Der dicke Polizist hatte da auch so seine Schwierigkeiten, wieder in die Aufrechte zu kommen.
"Mein Name ist Officer Malawa, ich bringe Sie aufs Revier."
Ich konnte immer noch nicht sprechen und so nickte ich einfach. Der Polizist drehte sich zu dem Mann mit dem großen Dosenkontingent um.
"Tim, hast du irgendwas gesehen?"
"Nein, die saß schon da, als ich kam. Scheiße, Scheiße, Scheiße."
Er murmelte weitere unverständliche Worte vor sich hin.
"Tim lebt schon seit Jahren auf der Straße und das ist sein Platz", entschuldigte der Officer das wirre Gebrabbel des Mannes.
"Kommen Sie."
Ich folgte ihm hinter den Brückenpfeiler. Dort stand ein Streifenwagen. Er öffnete die hintere Tür und ich stieg ein. Es roch erstaunlich frisch und fruchtig.
"Wollen Sie vielleicht erst ins Krankenhaus?"
Er drehte mir den Rückspiegel so, dass ich mich darin sehen konnte. Ich rutschte vor und sah dabei auch die Ursache für den fruchtigen Duft. Auf dem Beifahrersitz stand ein geöffnetes Schälchen mit Ananasstücken.
Das, was ich im Spiegel sah, war schrecklich. Ich hatte eine Platzwunde auf der Stirn und geronnenes Blut klebte auf meinem Gesicht. Ich sah aus wie ein Zombie. Ich befühlte die Beule, aber die eigentliche Wunde schien nicht so groß zu sein, wie das viele Blut es vermuten ließ.
"Danke, kein Krankenhaus."
Ich sank zurück in den Sitz. Ich konnte es nicht mehr weiter verschieben. Das alles war kein schrecklicher Alptraum, es war real. Und dort sah sie ihn.

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16. April 2014

'Taranee: Zeiten des Zweifels' von Kristin B. Sword

Auftakt zu einer Familiensaga um Liebe, Vertrauen, Intrigen, Rache, Freundschaft, Verlust, Pflichtgefühl, Lüge, Glaube, Hoffnung und Zweifel. Der erste Band der Reihe webt, um teilweise real existierende Örtlichkeiten herum, die fiktive Lebensgeschichte der im Waisenhaus aufgewachsenen Taranee Gardner. Das Erbe ihrer Mutter, zu der sie nie Kontakt hatte, verschlägt die Achtzehnjährige im Sommer 1986 aus der Anonymität Hamburgs in die fränkische Provinz.

Dort träumt sie von einer eigenen Familie an der Seite des richtigen Mannes. An Männern mangelt es nicht, doch welcher ist der richtige, wem kann sie trauen – und kann sie ihren eigenen Gefühlen trauen? Bald schon weckt sie auf ihrer Suche einen rachsüchtigen Schatten, der am Ende alles zu zerstören droht.

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Leseprobe:
Vellberg, November 2010
Mit unbarmherziger Regelmäßigkeit dröhnte und verebbte das Geräusch des Presslufthammers in Taranee Gardners Ohren. Sie kniff die Augen zusammen, vermeinte, einen Lichtblitz hinter ihren geschlossenen Lidern wahrzunehmen. Als sie die Augen wieder öffnete, stand sie im Dunkeln. Selbst die Straßenlaterne war ausgegangen.
Und dennoch spürte sie, dass sie nicht allein war, noch bevor sie aus dem Augenwinkel einen Schatten wahrnahm. Ihr blieben nur Sekundenbruchteile, um Luft zu holen, bevor sich ein sehniger Arm von hinten um ihre Taille legte und sich das kalte Metall eines Pistolenlaufs gegen ihre Schläfe presste.
»Ein einziges Wort und der Erste, der durch diese Tür tritt, um dich zu retten, wird sterben«, zischte der Mann. »Und wer mag das wohl sein? Dein zartes, unschuldiges Töchterlein vielleicht oder sogar … dein Liebster? Das würde dir nicht gefallen, oder?«
Sie gab jedwede Gegenwehr sofort auf.
»So ist es brav. Und jetzt gehst du ganz langsam, auf Samtpfoten sozusagen, wie ihr Ballerinas das so wunderbar drauf habt, mit mir zur Haustür.«
Sie nickte zum Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte.
Zu leise ließ ihr Entführer die Haustür ins Schloss fallen, zu leise zerrte er sie zu seinem Wagen, zu leise stülpte sein Komplize ihr einen Sack über den Kopf. Einer der beiden rammte ihr etwas Hartes in den Magen, verhinderte so, dass sich ihr unvermitteltes Keuchen zu einem panischen Schrei auswuchs. Während ihr die Sicht verschwamm, empfand sie fast so etwas wie Dankbarkeit dafür. Ihr Schrei hätte nur weitere Leben gefährdet.
Als sie wieder zu sich kam, beunruhigte sie das leichte Ziehen in ihrem Bauch weit mehr als ihr dröhnender Schädel. Gewaltsam öffnete sie die Lider, erkannte zunächst nur die Umrisse des Raumes, in den man sie gebracht hatte. Sie spürte die modrige Pritsche unter den verspannten Gliedmaßen.
Nach und nach gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit und sie konnte nicht mehr nur den muffigen Geruch, sondern auch die Einzelheiten ihrer Zelle ausmachen. An der Decke nahm sie einen riesigen Flachbildfernseher wahr, auf dessen Funktion sie sich keinen Reim machen konnte, außerdem einen Lautsprecher und eine Videokamera. Ihr Blick folgte einem langen Riss im Mauerwerk, stahl sich durch die Gitterstäbe auf den Gang, an dessen Wand zweifellos auch der Schlüssel zu ihrer eigenen Zelle hing.
Sie schnellte hoch, zuckte aufgrund der plötzlichen Bewegung zu ihrer Linken zusammen, ehe sie in dem Schreckgespenst mit den wirren, blutverkrusteten Haarsträhnen und den glanzlosen Augen ihr eigenes Abbild erkannte. Ein Einwegspiegel?
Ein Kratzen ließ sie herumfahren und die Luft anhalten. Schier endlose Sekunden vergingen, ehe sie das Geräusch den zappelnden Beinen einer Ratte zuordnen konnte, deren Schnauze jetzt über den Rand der gesprungenen Toilettenschüssel lugte. Der saure, übelkeitserregende Gestank biss sich in Taras Nasenschleimhäuten fest. Neben dem Abort stand ein verdrecktes Waschbecken mit einem weiteren Spiegel. Keine Dusche.
Ein bitteres Lachen entrang sich Taras Kehle, als der Gedanke in ihr hochstieg, wie es seinerzeit begonnen hatte. Beinahe unscheinbar, in einem Badezimmer, das seinen Namen im Gegensatz zu diesem hier redlich verdient hatte. Ganz gleich, wie überzeugt sie damals gewesen war, dass sie es nicht schlimmer hätte treffen können.

Vellberg, Juli 1986
Tara hasste das Geräusch, mit dem die altrosa Klobrille ihre Oberschenkel freigab.
Sie hätte geschworen, dass sie das Haus ihrer Mutter langsam und mit gebührendem Argwohn betreten würde. Gestern noch hätte sie es geschworen, ohne Zögern. Beim Grab ihrer guten alten Mari. Bei Jonas’ Leben sogar.
Doch es gab niemanden, der sie hätte schwören lassen. Und die halbe Stunde, die Tara im strömenden Regen am Hessentaler Bahnhof auf das offenbar einzige Taxi in dieser Wüstenei von Käffern hatte warten müssen, hatte andere, primitivere Bedürfnisse in den Vordergrund treten lassen.
Sie versuchte, das Zittern zu unterdrücken, als sie den Blick durch die winzige Nasszelle schweifen ließ. Eine mit grauenhaften Veilchenapplikationen verzierte Porzellantoilette, ein nicht weniger altmodisches, lindgrünes Waschbecken unter einem halbblinden Holzspiegel und eine schäbige Duschkabine von derselben Farbe bildeten ihr Begrüßungsensemble. Das zweite an diesem verflixt verfluchten Tag, nebenbei bemerkt.
Nein, das hier war nicht die Sorte Neuanfang, die sie sich erhofft hatte. Aber es war besser als keiner. Und Tara hatte nicht erwartet, dass ihre Mutter ihr keine Steine in den Weg gelegt hatte. Womöglich war es aussichtslos.
Dennoch straffte sie die Schultern, stieg aus den tropfnassen Kleidern und unter die Dusche, drehte den Hahn voll auf und ließ das warme Wasser über ihre steif gefrorenen Glieder laufen.
Dann machte sie sich an das Wagnis, den Rest des Häuschens zu inspizieren, der aus lediglich einem weiteren Raum bestand. Und dieser Mühe definitiv nicht wert war.
Ein augenkrebserregendes Sammelsurium aus schrulligem, abgewetztem Hausrat, dominiert von einem grün geblümten Ungetüm von einem Sofa, das aus jeder Pore den Geruch von peniblem Lavendel, bitterem Kaffee und altjüngferlicher Ignoranz ausdünstete.
Die plötzliche Enge in Taras Kehle ließ ihren Blick zum Fenster fliehen.
Und dort sah sie ihn.

"Taranee: Zeiten des Zweifels" im Kindle-Shop

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15. April 2014

"Die Frau, die sich nicht umdrehte" von Elsa Rieger

Ein Erzählband. Ich spaziere durch Städte, bevorzugt durch meine Geburtsstadt Wien, und sehe zwischen den flanierenden Menschen eine Gestalt, die sonst keiner erblickt. Ich entdecke in diesem rothaarigen Mädchen eine Geschichte. Ihre Geschichte von Liebe und Qual, in der sie sich einem Mann ausliefert, sich seiner Obsession hingibt, die letzten Endes ihr Tod sein wird. Nein, ich denke, sie wird es überleben und fortan als wahre Königin durch das Leben wandeln. Warum? Weil sie zu reizend ist, um sie sterben zu lassen.

Oder ich sitze im Kaffeehaus nahe der Hofburg, und sehe nicht, dass der alte, magere Mann seine Adlernase in einen Cognacschwenker senkt, um den Duft des Weinbrands aufzusaugen, der ihm Sekunden von Erinnerungen an eine bessere Zeit schenkt, lange, ehe er von den Nazis nach Auschwitz verschleppt wurde, lange, bevor er halbnackt und abgemagert in eine Stadt heimkehrte, in der die Einwohner nur ein paar Schritte vom Kaffeehaus entfernt auf dem Heldenplatz „Heil!“ gebrüllt haben.

Ich schreibe über das, was ich nicht sehe, aber dennoch über alles, was es geben könnte. Vielleicht.

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Leseprobe aus "Amour fou":
Carlo nannte sie nur Rotkehlchen. Getauft war sie auf den Namen Rita nach der Großmutter, doch ihre Eltern riefen sie zärtlich bei diesem Kosenamen. Ihr Geliebter hatte ihn bei dem einzigen Besuch in ihrem Haus aufgeschnappt.
‚Rotkehlchen’ passte wie die Faust aufs Auge zu Rita, sie war mit einem großflächigen Feuermal auf ihrem Dekolletee zur Welt gekommen.
Diese Hautanomalie sah aus wie ein Herz, das auf dem Kopf steht, genau so, wie es diese Vogelart auf der Brust trug. Flammend rot. Der Zufall oder die Ironie wollten es, dass das Mädchen auch noch rote Haare hatte.
In der Schule zog Rotkehlchen nur hochgeschlossene Kleidung an, vom Schwimmunterricht hatte sie sich befreien lassen; keiner sollte ihren Makel sehen. Der roten Haare wegen verspottet zu werden, reichte ihr vollkommen. Sie trug sie ganz kurz, was zu ihren zarten Gesichtszügen ausgezeichnet passte.
Nun war sie zwanzig und hatte sich unsterblich in Carlo verliebt, der doppelt so alt wie sie war. Kennengelernt hatte sie ihn in einer Eisdiele. Sie las gerade Die Brust von Philip Roth und amüsierte sich königlich über die Absurditäten, während sie nebenher Pistazieneis löffelte, als ihr jemand übers Haar strich.
Nachdem sie nur wenige Menschen an sich heranließ, ihre Zeit vorwiegend damit verbrachte, zu lesen und kreuz und quer durch die Wälder rund um die Stadt zu laufen, hob sie erstaunt den Blick vom Buch.
Vor ihr stand ein eindrucksvoller Mann mit Sonnenbrille. Das Hemd fast bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. Die breite, gebräunte Brust zierte ein Yin-Yang-Symbol an einer dickgliedrigen Kette, beides aus massivem Gold.
„Was für ein Zauberwesen“, lächelte er, „aus welchem Märchen bist du denn rausgestiegen?“

Ihre Eltern waren überhaupt nicht einverstanden mit der Beziehung, aber ihr war das egal. Nach einem fulminanten Streit zog sie daheim aus und bei Carlo ein. Er war Chef eines lukrativen Bordells, gewöhnt, von willigen Frauen umgeben zu sein.
„Ich steh total auf das Feuerherz über deinen Brüsten, Rotkehlchen“, sagte er, wenn sie Sex hatten und er diesen Fleck in Ekstase küsste. Dafür liebte Rotkehlchen ihn über alle Maßen.
Carlo hingegen hatte das junge Ding bald satt, er war es gewöhnt, sich zu nehmen, was er wollte, das brachte der Job mit sich. Deswegen sagte er nach ein paar Monaten: „Wir sollten deinen interessanten Körper nicht für uns behalten, das wäre egoistisch. Vielleicht magst du ja was ausprobieren?“
„Du meinst, ich soll als Hure arbeiten?“
Rotkehlchen war klug.
„Aber nein! Nur ein bisschen an der Stange tanzen, die Gäste erfreuen. Ist ja bestimmt langweilig, immer nur daheim herumzusitzen und auf mich zu warten, Süße.“
Verstört zog sie die Laufschuhe an und rannte in den Wald. Carlo dachte indessen über die Vermarktung des Mädchens nach.
Als Rotkehlchen erschöpft von der Enttäuschung auf einem Granitfelsen ausruhte, dachte sie über das Angebot nach. Vielleicht könnte sie ja im Freudenhaus einen neuen Mann kennenlernen, der sie wirklich ohne bösartigen Hintergedanken liebte? Es waren doch vor allem einsame Seelen, die es nötig hatten, Huren aufzusuchen. Ihr war klar, Carlo würde sie früher oder später dazu treiben, den Tanz an der Stange gegen den Tanz in der Horizontalen auszutauschen. Ihn zu verlassen, war keine Option; wo sollte sie hin? Die Eltern wollten nichts mehr von ihr wissen, gelernt hatte sie nichts, womit sie ihr Leben hätte finanzieren können, was blieb ihr übrig?
Sie hatte Carlo vertraut, ihn geliebt. Er war der erste Mann in ihrem Leben und sie hatte sich in ihrer Erscheinungsform angenommen gefühlt.
Rotkehlchen fröstelte, es wurde langsam Nacht, dennoch wollte sie auf keinen Fall heimlaufen, ehe sie eine Entscheidung getroffen hatte. Es war Ende Oktober und Nebel kroch zwischen den Baumstämmen auf sie zu.

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14. April 2014

'Eine tödliche Story' von Matthias Zipfel

Ein fesselnder Krimi zu einem hochaktuellen Thema. Am Deininger Weiher, einem idyllischen See im Münchner Süden, wird eine weibliche Leiche gefunden. Alles deutet auf einen Sexualmord hin. Doch was zunächst wie ein Routinefall erscheint, entpuppt sich schon bald als teuflisches Verbrechen von internationalem Ausmaß.

Hauptkommissar Mark Trenkwalder und seine junge Kollegin Laura Sperling stoßen auf ein gut organisiertes Netz aus Frauenhandel, Zwangsprostitution und skrupellosen Killern. Es sind mächtige Kreise, die sie stören. Und Trenkwalder muss schon bald feststellen, dass seine Gegner nicht davor zurückschrecken, auch Hauptkommissare auf ihre Abschussliste zu setzen ..

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Leseprobe:
Niemand hatte ihn kommen sehen, das Gebäude hinter seinem Rücken schien ihn ausgespuckt zu haben – plötzlich und unvermutet. Er knöpfte seinen kamelhaarfarbenen Kaschmirmantel auf, stellte die Reisetasche neben sich auf das Pflaster und sog die milde Herbstluft genussvoll, ja fast gierig ein, gerade so, als atme er zum ersten Mal. Dann schaute er auf seine goldene, ein wenig zu protzige Armbanduhr: Warum ließen sie ihn warten? Hatte er nicht schon lang genug gewartet, den Kopf hingehalten und geschwiegen?
Sekunden später bog eine schwarze Luxuslimousine um die Ecke und hielt vor ihm am Straßenrand. Der Mann im Kaschmirmantel ging auf den Wagen zu. Auf halbem Wege drehte er sich noch einmal um, als wolle er Abschied nehmen von den hohen Mauern und den Wachtürmen. Er lachte auf – kurz, bitter und gleichzeitig triumphierend. Im nächsten Moment wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst und abweisend wie zuvor. Wortlos nahm er auf dem Rücksitz Platz und wartete ungeduldig, bis der Fahrer die Tasche im Kofferraum verstaut und sich wieder hinter das Lenkrad gesetzt hatte. Endlich fuhren sie los.
Die Stille im Inneren der Limousine war unbehaglich. Der Chauffeur hatte es längst aufgegeben, ein freundliches, unverbindliches Gespräch zu beginnen. Sämtliche Versuche waren an seinem Fahrgast abgeperlt wie Tautropfen von einer Lotospflanze. Deshalb beließ er es jetzt dabei, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Dabei sah er viel öfter in den Rückspiegel, als es nötig gewesen wäre: Wer war dieser Mann, der so beeindruckend, fast einschüchternd wirkte, obwohl er doch stumm und scheinbar teilnahmslos dasaß? Und woher hatte er diese fleischige Narbe, die sich im Zickzack über seine hohe Stirn zog?
»Wann geht der Flug?«, fragte der Mann im Fond endlich.
»Wann immer Sie wollen. Die Maschine steht auf Abruf für Sie bereit.«
»Gut, sehr gut! Dann nutzen wir die Zeit für ein bisschen Sightseeing. Wäre doch unhöflich, wenn ich mich von dieser gastlichen Stadt nicht gebührend verabschieden würde.« Er schaute auf die Armbanduhr. »Aber sorgen Sie dafür, dass wir um Punkt halb elf beim Dallmayr sind!«
Am Odeonsplatz, kurz vor der Feldherrnhalle, bogen sie rechts ab in die Brienner Straße. Der Mann im Kaschmirmantel beobachtete die Menschen, die vor den Schaufensterscheiben standen oder in den Straßencafés saßen und den sonnigen Herbsttag genossen. Besonders aufmerksam betrachtete er die jungen Frauen. Aber seine Blicke waren weder freundlich noch bewundernd oder begehrlich. Sie waren berechnend. Er begutachtete die Frauen, wie ein geiziger Käufer das vermeintliche Schnäppchen taxiert. Er hatte schon lange keine Frau mehr gehabt, denn es gab keine Frauen dort, wo er herkam. Davon abgesehen war es ihm jedoch nicht schlecht ergangen in Stadelheim, denn im Knast galt das Gleiche wie anderswo. Wer über genügend Geld verfügte, der konnte sich alle Annehmlichkeiten erkaufen: Einzelzelle, Fernsehen, Zeitungen, vernünftiges Essen statt Gefängnisfraß – kein Problem! Selbst Smartphones der jeweils neuesten Generation hatten sie ihm in den Knast geschmuggelt – verboten zwar, aber ebenfalls kein Problem. So war er stets auf dem Laufenden geblieben, hatte es sich in der Anstaltsgärtnerei vergleichsweise bequem eingerichtet und sich mit Sport und Gymnastik fit gehalten. Trotzdem, sechseinhalb Jahre hinter Gittern – eine Ewigkeit!
Um fünf vor halb elf hielten sie in der Dienerstraße.
»Warten Sie hier, in einer Viertelstunde bin ich zurück!«, sagte der Mann im Kaschmirmantel, stieg aus und betrat kurz darauf das Feinkosthaus Dallmayr. Er durchquerte das Ladengeschäft, steuerte zielstrebig einen der Stehtische an und bestellte sich eine Tasse Kaffee. Das alles hatte er die letzten Jahre nur in der Fernsehwerbung gesehen, und jetzt war es Wirklichkeit! Die Duftwolke aus Fleisch- und Wurstwaren, Obst, Gemüse und Kaffee überw.ltigte ihn fast. Aber es war nicht der Duft der Delikatessen, der ihn hierher führte.
Um zwanzig vor elf gesellte sich ein Mann zu ihm an den Tisch. »Ich habe heute in der Zeitung gelesen, dass das Wetter an der Costa del Sol momentan sehr angenehm sein soll«, sagte er mit deutlich ausländischem Akzent.
»Na, da trifft es sich doch gut, dass ich gerade auf dem Weg dorthin bin!«
»Ja, es gibt doch wirklich glückliche Zufälle! Apropos …« Der Fremde legte unauffällig einen Briefumschlag auf den Tresen, »… zufällig ich habe hier etwas für Sie, das Ihnen sehr nützlich sein dürfte. Angenehme Reise!«
Der Mann im Kaschmirmantel nickte seinem Gegenüber kurz zu, steckte den Umschlag ein und verließ das Feinkosthaus, vorbei an den Bedienungen, die im wirklichen Leben tatsächlich so adrett aussahen wie in der Werbung.
Auf dem Weg zum Flughafen, in der vertraulichen Abgeschiedenheit der schwarzen Luxuslimousine, öffnete er das Kuvert. Es enthielt seine neue Identität, gefälscht natürlich, und das ganz exzellent. Auf die Organisation war eben nach wie vor Verlass! Zum ersten Mal seit langer Zeit machte sich Zufriedenheit in ihm breit – er war wieder im Spiel! Und eines war ganz sicher: Nie wieder würde ihm ein so blöder Fehler unterlaufen wie der, der ihm sechseinhalb Jahre Knast und diese verdammte Narbe eingebracht hatte ...

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13. April 2014

"Erkül Bwaroo auf der Fabelinsel" von Ruth M. Fuchs

Erkül Bwaroo ermittelt in seinem zweiten Fall. Graf Alexander von und zu Saragessa ist der Regent einer Insel, die vor allem von Fabelwesen bewohnt wird. Als zwei Geißenmädchen ermordet werden, spricht alles dafür, dass der einzige auf der Insel lebende Wolf der Mörder ist. Doch Alexander von und zu Saragessa ist sich da nicht so sicher und bittet Erkül Bwaroo um Hilfe. Der Elfendetektiv wappnet sich also gegen seine Seekrankheit und reist auf die Insel.

Schnell muss er erkennen, dass Fabelwesen so ihre Eigenheiten haben. Und das Morden ist noch nicht zu Ende. Auch in seinem neuen Fall steht dem Elfen mit dem stattlichen Schnurrbart und dem belgischen Akzent sein unerschütterlicher Dieners Orges zur Seite. Allerdings wird der von den amourösen Absichten einer Katzenfrau etwas abgelenkt. Und welche Rolle spielt Bernard Fokke, den man auch den Fliegenden Holländer nennt?

Die Reihe „Erkül Bwaroo ermittelt“ ist eine humorvolle Hommage an Agatha Christie und ihren berühmten belgischen Detektiv - echte Krimis, aber vielleicht auch mit ein bisschen Märchen.

Gleich lesen: Erkül Bwaroo auf der Fabelinsel (Erkül Bwaroo ermittelt 2)

Leseprobe:
Erkül Bwaroo stand an der Reling und blickte gequält in die Gischt. Obwohl die Sonne schien, hatte er drei Seidenschals um den Hals geschlungen und trug außerdem noch einen Mantel. Ja, gegen die Gefahr eines Schnupfens hatte er alles unternommen, aber was konnte man schon gegen die Seekrankheit tun? Der Elf fühlte sich überhaupt nicht wohl. Da half es auch nicht, einfach nicht daran zu denken, wie ihm sein Diener Orges geraten hatte. Erkül Bwaroo wusste, dass er seekrank wurde, sobald er auch nur einen Fuß auf ein Schiff setzte. Und genau so geschah es auch.
„Sieh mal“, hörte er da eine hohe, fast schon schneidende Frauenstimme ein Stück neben sich, „dieses helle Grün ist genau die Farbe, die mein neues Abendkleid haben soll!“
„Welches helle Grün?“ fragte jemand neben ihr, der offenbar ihr Mann war.
„Na, wie das Gesicht dieses Elfen da! Das ist genau die Farbe.“
Unwillig wandte Bwaroo den Kopf in Richtung der Stimme und gewahrte eine pummelige Frau mittleren Alters, die mit dem Finger auf ihn wies. Ihr Gatte neben ihr fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Ob es daran lag, dass seine Frau ein neues Kleid haben wollte oder weil ihm ihre Unhöflichkeit peinlich war, ließ sich unmöglich sagen.
„Ja, Liebling“, presste er schließlich hervor und wandte sich in die andere Richtung, um zu gehen. Aber seine Frau war noch nicht fertig: „Komischer kleiner Kerl“, sie sprach nun nur noch halblaut, doch Bwaroo hatte ausgezeichnete Ohren und verstand jedes Wort. „Guck mal, für einen Elfen ist er aber ziemlich klein. Das ist doch ein Elf oder? Mit einem Kopf wie ein Ei. Vielleicht ist er ja auch ein Mischling. Und er muss kugelrund sein. Obwohl man das ja nicht genau sagen kann, so eingemummelt wie er ist. Bei diesem herrlichen Wetter! Meinst du, der Schnurrbart ist echt?“
„Bien sûr, Madame“, wandte Erkül Bwaroo sich da direkt an sie. „Selbstverständlich ist mein Schnurrbart echt. Wie alles andere übrigens auch, einschließlich meiner Anfälligkeit für Zugluft.“
Wenn er die Absicht gehabt hatte, die Dame in Verlegenheit zu bringen, hatte er keinen Erfolg. Sie lächelte und nickte. Nur widerstrebend ließ sie sich von ihrem Mann wegführen, der zunehmend beschämt schon eine geraume Weile an ihrem Ärmel zupfte.
Der seekranke Elf nahm derweil genau in der Mitte der Bank Platz, die sich vor der Brücke des Postschiffs befand. Dort, so würde er jedem erklärt haben, der ihn danach gefragt hätte, schlingerte das Boot am wenigsten. Wobei man sagen muss, dass das Boot ohnehin nicht schlingerte, denn die See war spiegelglatt und völlig ruhig. Und Bwaroo benahm sich, als würden sie das Meer bei einem Sturm mit Windstärke 7 befahren. Dass ihn das vielleicht lächerlich erscheinen ließ, war ihm, das muss man bewundernd anmerken, völlig egal.
Erkül Bwaroo zupfte seine Seidenschals zurecht und dachte daran, wie er nur in die missliche Situation hatte geraten können, mit diesem Schiff auf dem Meer zu reisen.
Es war nun vier Tage her, dass ihn eine Winddepesche erreicht hatte. Solche Depeschen waren die neueste Mode. Man fing dazu auf magische Art einen Windhauch ein, der dann einen Brief durch die Luft transportierte. Das ging wesentlich schneller als jeder Botendienst und war inzwischen auch für Nichtzauberer nutzbar. Die verschiedenen Vereinigungen der Berufsboten hatten anfangs protestiert und ein Verbot dieser Windnutzung gefordert – mit der Begründung, es handele sich hier um nicht vertretbare Luftbewegungsquälerei. Jedoch stellte sich schnell heraus, dass so ein Wind nicht mehr als ein einzelnes Blatt tragen konnte und dass es sich insgesamt um einen Luxus handelte, den sich nur wirklich betuchte Menschen leisten konnten. Die Botendienste waren überhaupt nicht gefährdet und prompt verebbte auch die Besorgnis um das Wohlbefinden der Winde.
Der Absender der Depesche an den Elfendetektiv war in der Tat reich genug, sich haufenweise Winddepeschen leisten zu können: Graf Alexander von und zu Saragessa, Hochwohlgeboren und gewählter Regent der Insel Saragessa im Jaspischen Meer bat um einen Termin bei Erkül Bwaroo.

Als der Graf tags darauf das Büro des Elfendetektivs betrat, wirkte der eigentlich geräumige Raum plötzlich klein. Der Besucher war aber auch eine sehr stattliche Erscheinung, obwohl er seine Flügel eng angelegt hatte und den Kopf gesenkt hielt. Er versuchte gar nicht erst, auf einem der Stühle Platz zu nehmen.
Erkül Bwaroo blieb deshalb ebenfalls stehen und betrachtete Alexander von und zu Saragessa mit kaum verhohlener Neugier. Denn obwohl er bereits mit den ungewöhnlichsten Fällen und bizarrsten Orten und Wesen zu tun gehabt hatte, war er bisher noch nie einem Greifen begegnet. Und dieser hier war fürwahr ein Prachtexemplar seiner Spezies. Der Rumpf des Greifen ähnelte dem eines Löwen, der Vorderleib samt Flügeln und Kopf dem eines Adlers. Allerdings hatte er keine Vogelkrallen, sondern Hände ähnlich denen eines Menschen. Federn und Fell waren im gleichen Goldton gehalten, doch um den Hals war ein Ring aus Federn in tiefstem Blau. Auch die großen Ohren hatten an ihren Spitzen einige Federchen in dieser Farbe. Der Elf erinnerte sich daran, dass ein Greif, wie es hieß, ein Pferd mitsamt Wagen emporheben und wegtragen konnte. Das erschien ihm nun gar nicht mehr so unglaublich.
„Sie sind Erkül Bwaroo, der Detektiv?“ eröffnete der Graf das Gespräch.
„A votre service“, der Elf verneigte sich. „Womit kann ich Ihnen dienen, Graf Saragessa?“
Statt einer Antwort fragte der Greif: „Sie kennen Saragessa?“
„Ich war noch nie persönlich dort, aber natürlich kenne ich die dortigen Verhältnisse“, nickte Bwaroo.
„Gut. Dann wissen Sie auch, dass die Insel einst meinem Urgroßvater gehörte. In der schlimmen Zeit, als die Fabelwesen noch nicht als freie Bürger des Landes anerkannt waren, bot er sie den Verfolgten als Zuflucht an. Jetzt ist sie ein eigenständiger Staat, dessen Bewohner ihr Staatsoberhaupt frei wählen...“
„Wobei sie seit vielen Jahren immer wieder Sie wählen.“ Der Elf schmunzelte und fragte sich, ob der Graf sich immer so umständlich ausdrückte oder nur, wenn er nervös war. Denn nervös war er mit Sicherheit. So, wie sich die Federn an seinem Hals sträubten.
„Nun ja.“ Der Greif entspannte sich ein wenig.
„Das spricht doch nur für Ihre weise Regierung“, vermutete der Detektiv.
„Es ist nicht schwer, Fabelwesen glücklich zu machen“, wehrte der Graf in wohl einstudierter Bescheidenheit ab. Er schloss einen Moment die Augen, als müsste er sich selbst dazu zwingen, zum Grund seines Besuches zu kommen.
„Wir sind ein friedliches Volk, Herr Bwaroo“, begann er schließlich. „Wir liegen mit niemandem in Streit und auch untereinander leben wir in Frieden. Doch nun wird unsere kleine Welt von unvorstellbaren Verbrechen heimgesucht.“
Saragessa ist eine weitläufige Insel im Jaspischen Meer, das seinen Namen von den intensiven Rottönen hat, in denen es wegen einer besonderen Algenart schimmert, die dort überall in Ufernähe wächst. Auf der einzigen Insel inmitten dieses Meeres leben fast ausschließlich Fabelwesen. Diese sind sehr darauf bedacht, unter sich zu bleiben. So sind sie vor übereifrigen Großwildjägern sicher. Denn auch heute noch gibt es Personen, die glauben, dass Fabelwesen einfach nur Tiere sind, die zufällig sprechen können. Da es solche Jäger sowohl unter den Menschen als auch bei den Feien gibt, brauchen beide Völker gleichermaßen eine Besuchserlaubnis, um die Insel betreten zu dürfen.

Im Kindle-Shop: Erkül Bwaroo auf der Fabelinsel (Erkül Bwaroo ermittelt 2)

Mehr über und von Ruth M. Fuchs auf ihrer Website.

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11. April 2014

"Operation Castus" von Ilona Bulazel

Der Thriller greift die Spekulationen über die »Glocke« der Nazis auf und zeigt, dass dahinter weitaus mehr als nur eine Fantasie stecken könnte. Mai 2017, der »Europaflughafen« nahe Mainz wird durch Explosionen beinahe dem Erdboden gleichgemacht. Die Behörden gehen von einem Unfall aus. Doch der deutsche Abenteurer Peter Kromus findet schnell Hinweise auf eine finstere Verschwörung, die bis in die Zeit des Nazi-Regimes zurückreicht. Zusammen mit dem südafrikanischen Geheimdienstler Thabo Zuma und der Französin Catherine Morel begibt er sich auf eine spannende Jagd nach der Wahrheit, die um den halben Erdball führt.

Aber ihr wahnwitziger Gegner ist bereit zu töten, und verfolgt jeden ihrer Schritte – das Schicksal der Welt steht auf dem Spiel. Eine dunkle Zukunft droht.

Gleich lesen: "Operation Castus" von Ilona Bulazel

Leseprobe:
Tagebucheintrag, 08. Mai 2017
»Operation Castus« ist gescheitert. Um 12.00 Uhr MEZ wurde das erste Ziel getroffen. Die Anlage in Grünau ist zerstört. Um 12.01 Uhr MEZ detonierten neun weitere Sprengladungen auf dem Europaflughafen bei Mainz. Die Auswirkungen waren verheerend – Terminal 1 und 2 haben schwere Schäden erlitten, während Terminal 3 fast dem Erdboden gleichgemacht wurde. Lediglich der Rohbau des neuen Terminals 4 steht noch. Auf allen Kanälen sieht man die Bilder der Zerstörung. Welch ein Anblick! Die Ergebnisse sind beeindruckend, waren jedoch so nicht geplant. Ich muss jetzt alles noch einmal durchgehen. Irgendwo steckt ein Fehler, irgendetwas habe ich übersehen … Ich muss die Tagebucheintragungen meines Vaters nochmals durcharbeiten. Ich habe ihm mein Ehrenwort gegeben und das werde ich halten. Koste es, was es wolle – wir werden siegen!

Deutschland, 8. Mai 2017, später Abend – SoKo »Europaflughafen«

»Sehen Sie das?«
Die anderen im Raum traten näher.
»Spielen Sie das noch mal ab!« Der Beamte am Computer ließ die Aufzeichnung erneut über den großen Bildschirm laufen. Erst in normalem Tempo, dann immer langsamer.
»Und das ist alles, was wir haben?«, fragte einer der Anwesenden. Der Beamte am Computer nickte. Er war erschöpft, genauso wie die anderen Mitarbeiter im Raum. Nach der Katastrophe waren sie alle hier zusammengezogen worden. Eine notdürftig eingerichtete Ermittlungszentrale, so nah wie möglich am zerstörten Europaflughafen. Sie alle waren Spezialisten auf ihrem Gebiet. Dafür ausgebildet, im Falle eines Horrorszenarios wie diesem die Arbeit aufzunehmen. Aber darauf hatte sie niemand vorbereitet. Es gab keine Spuren, keine Hinweise. Niemand wusste, was passiert war. Es gab kein Muster und keinen Anhaltspunkt darüber, was überhaupt die Detonationen ausgelöst hatte. Ein Angriff aus der Luft konnte ausgeschlossen werden. Ein Angriff von innen schien unwahrscheinlich.
In den letzten zwei Jahren war der Europaflughafen zu einem der sichersten Plätze der Welt gemacht worden. Alle renommierten Sicherheitsexperten schlossen Selbstmordattentäter oder Bombenkoffer aus. Vielleicht wäre ein Sprengstoffkoffer durchgekommen. Eine Explosion, die man nicht hätte verhindern können, aber das … Alle waren sich darüber im Klaren, dass man, was die Theorie eines Anschlags anging, komplett im Dunkeln tappte. Ein Sachverhalt, der die leitenden Beamten der Sonderkommission über einen möglichen Unfall nachdenken ließ. Eine Theorie, die man nun mit Eifer versuchte zu belegen.
Der Beamte fing an zu sprechen: »Sämtliche Kameras im Innenbereich sind ausgefallen, bis auf diese.« Er deutete mit dem Finger auf den Bildschirm, dann fuhr er fort: »Wir wissen, dass es kurz vor den Explosionen einen riesigen Energieanstieg gegeben hat, dann ist die gesamte Technik ausgefallen. Einige Außenkameras haben ›überlebt‹. Aber bis auf diese Aufnahmen aus Terminal 1 haben wir nichts wirklich Brauchbares.«
Wieder startete der Beamte die Sequenz. Die Männer und Frauen im Raum starrten reglos auf den Bildschirm. Der Anblick, der sich ihnen bot, würde sich für immer in ihre Köpfe einbrennen. Einige rangen nach Luft, hofften, dass die anderen ihren Schmerz und ihre Angst nicht bemerkten. Sie wollten stark sein für diese Aufgabe, doch die Bilder zwangen die meisten in die Knie. Auch erfahrene Ermittler schluckten schwer.
Die belegte Stimme des Beamten durchbrach das Surren der Computer: »Das Mädchen, es scheint etwas zu bemerken. Es streckt die Hand aus …« Dann brach ihm kurz die Stimme, bevor er sich räusperte und fortfuhr: »Für das Protokoll: Auf dem Bildschirm sieht man dieses Kind, vielleicht sechs Jahre alt. Es trägt eine blaue Latzhose, weiße Söckchen und kleine Turnschuhe. Die braunen Haare sind zu zwei Zöpfen geflochten. Die Anzeige auf dem Bildschirm zeigt 11.59 Uhr.« Wieder musste sich der Sprecher räuspern. Die Sekunden auf der Leinwand zählten unbarmherzig weiter, als der Beamte erneut ansetzte: »Um 12.00 Uhr dreht das Mädchen den Kopf ein wenig. Die Kamera erfasst den Blick des Kindes. Es reißt die Augen weit auf und öffnet den Mund. Dann streckt es einen Arm aus und deutet mit dem Finger in Richtung Gepäckbänder. So, als hätte es etwas entdeckt. Neben dem Mädchen steht die Mutter. Um 12.01 Uhr sieht man weiße Blitze, die Explosion.«
Die nächsten zehn Minuten vergingen für alle Anwesenden endlos langsam. Der Bildschirm blieb weiß, nur die Uhr zählte weiter. Dann konnte man wieder etwas erkennen. Den Ermittlern bot sich ein Bild der Zerstörung: Chaos, Feuer, leblose Körper und einzelne blutige Gliedmaße. Mittendrin stand das kleine Mädchen. Den Arm immer noch ausgestreckt. Es war, als hielte es etwas in seiner Hand, etwas, das tropfte. Einer der geflochtenen Zöpfe hatte sich gelöst. Das Mädchen klammerte sich mit dem anderen Arm ängstlich an das Bein seiner Mutter. Man konnte den weißen Damenpumps erkennen, die leicht gebräunte Haut; um das Knie legte sich der Rocksaum mit hübschem Blumenmotiv. Das Mädchen drückte sich ganz fest daran. Eine Beamtin konnte ein lautes Schluchzen nicht unterdrücken. Die Mutter hatte die Explosion nicht überlebt. Ihr Körper war zerfetzt worden. Alles, was von ihr geblieben war, war dieses eine Körperteil. Das Bein, das das Mädchen nun mit all seiner Kraft umschlang.

"Operation Castus" im Kindle-Shop

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10. April 2014

"Im Schatten der Roten Mühle" von George Tenner

Mit der Falschen angelegt – die Geschichte der fürchterlichen Rache!

Die deutsche Unternehmerin Theres Wildings wird von der ‘Ndrangheta erpresst. Als sie sich weigert, schickt man ihr den Kopf ihres Hundes. Da sie trotzdem hart bleibt, wird Ihre wertvolle Stute Acola entführt, ein Karton mit einem Pferdeherz erreicht sie in ihrem Büro. Ein weiterer „Gruß“ des Paten der ‘Ndrangheta, Don Michele.

Theres Wilding ist die erste Frau im Leben des Paten, die sich seinem Wunsch widersetzt. Siegessicher fährt Don Michele zum Urlaub in sein Haus auf Kunfunadhoo Island. Doch dort ereilt ihn grausame Rache, in einer Art, die er niemals für möglich gehalten hätte.

Gleich lesen: Im Schatten der Roten Mühle



Leseprobe:
Der Tod kam überraschend. Er erreichte den achtundfünfzigjährigen Michele Antonioli in dem Augenblick, als er ein Glas gekühlter Oragenlimonade zum Mund führte. Er fühlte das Aufklatschen der Kugel an seiner Brust, das er so nur bei der Großwildjagd in Afrika erfahren hatte, konnte aber den Knall des Schusses nicht mehr wahrnehmen. Auch den zweiten Schuss, der ihn punktgenau zwischen die Augen traf, vernahm er nicht mehr.
Dafür hörte die Schüsse der Mann, der für die Sicherheit Antoniolis verantwortlich war. Mario Martelloni war gerade dabei, auf Geheiß seines Arbeitgebers den Rücken der gerade achtzehnjährigen Luciana Pellicano mit Sonnenschützöl einzureiben. Er dachte daran, wie sich Don Michele mit dieser Perle vergnügt hatte. Allein die Vorstellung und der Vergleich mit seiner eigenen Person, dessen Waschbrettbauch bei den Damen sehr beliebt war, ließen seine Fantasien ins Unermessliche steigen. Zugegeben für Martelloni war der Dienst an einer jungen Schönheit eine wesentlich interessantere Aufgabe, als die beständige Suche der Umgebung nach Gefahren. Auch, wenn das durch eine Sonnenbrille für andere Gäste nicht so aussah – es war eine zwar gut bezahlte, aber auch anstrengende Tätigkeit und wenn man glaubte, nur ein kleines bisschen Zeit für etwas anderes einsetzen zu müssen, geschah das hier. Eine solche Schweinerei passierte immer nur wegen Unachtsamkeit.
Martelloni wusste das. Und von dieser Minute an begann die Furcht vor der Vergeltung der zuständigen Cosche. Denn ihn, und allein ihn, Martelloni, würde man zur Rechenschaft ziehen. Er empfand das als ungerecht, denn er hatte nur den Befehl seines Dons befolgt, als er zum Sonnenschutzöl griff.
Kreischend waren die wenigen Menschen, die um den Pool versammelt waren, auseinandergestoben. Es waren vier. Lucio, der alte Butler des Dons, der gerade die Orangenlimonade serviert hatte, Prospera, die Köchin, die den Don auch in Plati bekochte und auf deren Kochkünste er niemals verzichten würde, die sehr junge Luciana Pellicano, die bei dem Don als ein durchaus angenehmer Zeitvertreib galt, und der Bodyguard Mario Martelloni.
Sich mit einem großen Sprung hinter einer großen Amphore in Deckung bringend, hatte Mario Martelloni die Grenzen des Grundstücks anvisiert. Aber diese Grenzen waren fließend. Mitten im tropischen Blätterwald stand nicht nur die Villa des Dons, angrenzend – und durch das dichte Grün unsichtbar – auch die zauberhaften Villen des Hotels Soneva Fushi. Sie befanden sich in einem tropischen Inselparadies vom Feinsten. Es kann als das Schönste bezeichnet werden, das die Malediven zu bieten haben. Außerdem ist das Soneva Fushi eines der wenigen Hotels auf den Inselgruppen, das über einen eigenen Weinkeller verfügt. Das Hauptrestaurant – gebaut in teils offener Bauweise mit Sandboden ist für Frühstück, Mittag- und Abendessen geöffnet und bietet zu allen Jahreszeiten internationale sowie asiatische Gerichte an. Speisen Sie à la Carte und genießen Sie an speziellen Tagen die köstlichen Buffets, heißt es in der hoteleigenen Werbung. Da das auf der Insel selbst angebauten Gemüse, Kräuter, verschiedenste Salate und Obst frischer nicht zu bekommen sind, hatte Michele Antonioli speziell das und die gute Küche geschätzt. Deshalb war er dort hin und wieder zum Essen Gast, wenn ihm ein wenig nach Unterhaltung zumute war.
Genau aus dieser Richtung kam der Schuss. Nur zu sehen war der Schütze nicht. Das grüne Ungeheuer Tropenwald verbarg ihn erfolgreich vor den Augen Martellonis. ...

Im Kindle-Shop: Im Schatten der Roten Mühle

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9. April 2014

'Sarah in Mirathasia' von Veronika Aretz

Wenn du dich nach echten Freunden sehnst ... Ein Kinderbuch. Die 12-jährige Sarah will dem Geheimnis ihres Vaters und ihrer Stiefmutter auf der Spur kommen: Warum darf ihr Halbbruder Georg im Internet surfen und sie nicht? Als sie es heimlich testet, landet sie in einem Land, das so unglaublich wie fantastisch ist. Mirathasia. Träumt sie? Alles fühlt sich echt an, sie findet Freunde und kann sich gegenüber Carlos Bande wehren, die dauernd nur Streiche aushecken.

Ganz anders als im realen Leben, wo sie auch noch Ärger mit ihrer Klassenkameradin Alina hat. Ist es eine Feindin fürs Leben? Immerhin findet sie Trost im Land der Fantasie, und dort taucht auch dieser seltsame Junge Nico auf ...

Gleich lesen: Sarah in Mirathasia

Leseprobe:
Daniela, rief Platyroh und winkte einem Wesen zu, das gerade durch den korallenbesetzten Torbogen schwamm.
Ein Schwarm schwarz-roter Drachenkopflinge begleitete die Frau, als sei sie eine von ihnen. Wie ein Schleier wehten die Fische hinter ihr her.
Platyroh lächelte. Der Wassermensch stand mit einer Harke in seinem Garten, um die lästigen Algen von den Seeanemonen und den blühenden Mooskissen fortzurechen. Er hatte einen der schönsten Gärten in Unterschwalm, einer kleinen Stadt auf dem Grund des einzigen Sees dieser Welt. Hohe Riffe, die sich beinahe bis zur Wasseroberfläche ausdehnten, umgaben diese und schützten so die Einwohner vor gefährlichen Mitbewohnern.
Ich grüße dich, Oberhaupt der Torga, entgegnete Daniela. Sie legte die rechte Hand aufs Herz und nickte Platyroh freundlich zu. Lange braune Haare wirbelten um ihr Gesicht und ihr blaues, inzwischen verblasstes Kleid schmiegte sich eng an ihren schlanken Körper. Wie eine Mondsichel schimmerte sie, war nicht ganz Mensch, womöglich ein Traum. Manchmal wurde ihr silbriger Schein vom Wasser in tanzende Fasern verzerrt.
Platyroh empfing ihre Worte deutlich in seinem Kopf. Unter Wasser konnten sie sich nicht anders als durch Gedankenübertragung verständigen und obwohl Daniela kein Wassermensch war, hatte sie die Sprache der Torga schnell gelernt.
Es ist so weit – ich werde meine Mission durchführen.
Erschrocken rammte Platyroh seine Harke in den Boden und köpfte dabei eine gelbe Schmetterlingsanemone. Aber du begibst dich in Gefahr! Wir brauchen dich! Was ist, wenn du nicht zurückkehrst …
Daniela senkte den Kopf, als wollte sie den Gedanken von sich schieben. Ich habe euch alles gelehrt, was ich weiß. Doch der Friede in dieser Welt hängt am seidenen Faden und dein Stamm wird noch immer vom Verächter unterdrückt. Seine Untergebenen, die Schwarzen Männer, werden euch irgendwann aufspüren.
Platyroh ließ seine Kiemen heftig flattern, als er um Daniela herum schwamm. Für ihn war es leicht, sich unter Wasser fortzubewegen, denn an seinen Händen und Füßen – so groß wie Suppenteller – wuchsen dicke Schwimmhäute. Wir haben gute Kämpfer! Wenn die Schwarzen Männer kommen, werden sie auf Widerstand stoßen!
Sanft berührte Daniela seine rötlich glänzenden Schuppen. Ich weiß, ihr trainiert hart. Doch es gibt einen anderen, besseren Weg. Deshalb ziehe ich mich zurück, um sie zu uns zu holen.
Überrascht blies Platyroh einen Schwall Luftringe ins Wasser. Du willst … sie … herbringen? Zu uns?
Der silbrige Schimmer um Danielas Körper verblasste etwas. Ja, wir können nicht länger warten. Nur sie kann diese Welt befreien – ich dagegen bin nur eine Erscheinung, wie du weißt.
Platyroh schüttelte den Kopf, sein roter Haarschopf schlug dabei wie eine Haifischflosse hin und her. Sie ist doch noch so jung, noch immer ein Kind!
Auch ich habe ihre Tage gezählt, sie wird bald zwölf. Daniela senkte die Augenlider und als sie sie wieder aufschlug, schwemmte das Wasser ihre Tränen fort. Ich weiß, sie wird noch viel lernen und erst in ihre Aufgabe hineinwachsen müssen. Doch vertrau mir, ich werde sie führen!
Traurig hob Platyroh die geköpfte Blüte auf. In der Welt der Schwarzen Männer wird sie nicht überleben! Du weißt selbst, dass der Verächter die Kinder seiner Untergebenen nicht mehr gehen lässt.
Ich werde sie auf Umwegen zu uns bringen. Und sollte ich nicht zurückkehren …
Tu es nicht! Bitte! Platyroh sah sie flehend an.
Daniela lächelte, ihre Augen funkelten wie zwei Glitzerfische. Ich muss mich jetzt zurückziehen, um Kraft zu schöpfen. Wartet nicht auf mich – aber wartet auf meine Tochter. Eines Tages wird Sarah zu euch finden.

Im Kindle-Shop: Sarah in Mirathasia: Wenn du dich nach echten Freunden sehnst ... (Sarah & Nico (Qindie) 1)

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8. April 2014

'Die letzte Lektion' von Friedrich Wulf

Ein Krimi mit Humor. Der Mörder wartet nicht, bis ein Lehrer aufzeigt. Im Nu sind einige Lehrer in die ewigen Ferien verabschiedet worden. Warum gerade Lehrer? Stimmt, Bankmanager hätten es auch getan, aber es sind halt Lehrer geworden. Und wer hätte nicht einen Pauker im Keller seiner grausamsten Fantasien?

Ist es da also verwunderlich, dass es auch einmal Lehrer trifft? Dass sie vom Leben befreit werden, sollte allerdings nicht allzu ernst genommen werden, denn ohne Humor wäre das Leben ein Irrtum.

Gleich lesen: > > > Auf dem Kindle



Leseprobe:
„Mord. Am Michaelskloster wurde doch ein Lehrer ermordet. Schwerdtfeger oder Schwerdtegger oder so ähnlich. Jetzt ist ein weiterer Pauker - ist in die ewige Unterrichtsstunde geschickt worden“, sagte Janine.
„Hu, hu, hu“, sagte er. „Sieht ganz nach einem Schwärmer aus. Ein auf den Kopf gestellter Gutmensch. Gut, gut! Kuck ich mir an.“
Horst wurzelte in seinem Büro herum, um seinen Textfetzen zu präparieren, einen zweiminütigen Report für Die Welt um eins. Aber er langweilte sich so sehr dabei, dass er ein unerquickliches Telefonat vorzog.
„Tut mir leid, es gibt nichts hinzuzufügen zur offiziellen Erklärung“, sagte der Polizeisprecher.
„He Männeken, hier spricht Horst Krock, also nicht so vorlaut“.
Pressesprecher waren noch schlimmer als grüne Redakteure. Sie masturbierten auf unterstem journalistischen Niveau.
Wer, fragte sich Horst mit ehrlichem Ekel, als er den Hörer fallen ließ, würde Pressesprecher werden, wenn er das Zeug zum echten Journalisten hätte. Pressesprecher salbaderten über Instinkt und Spürnase und über gute Schreibe und dann ging ihr Leben auf in so großartigen Wiederholungen wie: „kein Kommentar.“ Elende Gartenzwergsammler und Sockenbügler.
Missmutig wandte Horst sich wieder der Meldung zu, die nur ein paar Einzelheiten enthielt. Ein Biolehrer war tot aufgefunden worden, aber nichts über sein Privatleben, kein Hinweis auf mögliche Verdächtige.
Horst rief noch einmal bei der Polizei an, ließ sich dieses Mal aber nicht mit dem Pressesprecher abspeisen. Anders als der Pressesprecher begrüßte ihn der Polizeipräsident herzlich.
„Horst, was machen die Zähne?“
Horst fragte nicht, woher er das wusste, das war schließlich der Polizeipräsident, weshalb er gleich zum Punkt kam.
„Schweigen ist Gold wie, oder warum kriegt man von Ihren Jungs nichts zu -, die Öffentlichkeit ist beunruhigt, sie haben ein Recht auf …
„Offiziell oder unter uns?“
„Offiziell, unter uns, wie es beliebt, Hauptsache Fleisch ist dran und nicht nur Knochen.“
„Also gut.“
Die Meinung des Polizeipräsidenten über Horst schwankte. Manchmal meinte er, er könne ihm vertrauen, meist aber war er skeptisch. Horst Krock war so vertrauenswürdig wie ein Kettenhund, der ausgebüxt war und sich jetzt als Straßenköter einen Namen machte.
„Tatsache ist, wir glauben ein Fanatiker, ein Verrückter ist da am Werk. Der letzte Mord ähnelt dem am Lehrer des Michaelsklosters. Er hinterlässt Briefe am Tatort.“
„Was steht drin?“
„Hier, hör zu.“ Der Polizeipräsident raschelte durch seine Papiere. „Diesen ließ er auf der Lehrerleiche des Michaelsklosters: „So soll es allen humorlosen Tafelfüllern und Rechenmaschinen gehen, die meinen auf diesem Wege die Welt zu erkennen. Wir aber wollen die Feinheit und Strenge der Mathematik in alle Wissenschaften hineintreiben, um damit unsere menschliche Relation zu den Dingen festzustellen. Die Mathematik ist nur das Mittel der allgemeinen und letzten Menschenkenntnis.“
„Und was soll das heißen?“, fragte Horst.
„Find’ es heraus und sag es mir. Und dies ist von heute morgen, lag auf dem Biolehrer: „Und so ergeht es den Lauten, den Schreihälsen, die durch die Macht ihrer formalen Autorität herrschen wollen. Was den berühmten Kampf ums Überleben angeht, er ist damit zu Ende. Auch in die Klasse geschrien, ist der Kampf ums Überleben einstweilen mehr behauptet als bewiesen. Wo gekämpft wird, kämpft man um Macht.“
„Leck mich am Arsch“, sagte Horst.
„Genau. Und wir wollen nicht, dass das rausgeht, weil …“
„Weil es genug Pavianärsche gibt, die fünf Minuten berühmt sein wollen und ihr dann nicht wisst, woran ihr seid“, endete Horst für ihn. Das war das übliche Verfahren, wenn sie es mit Mördern zu tun hatten, keine Details herauszugeben.
„Gut, steckt schon in meinem Tresor, klappe zu“, sagte Horst und bedankte sich beim Polizeipräsidenten. Das war zum Sichbesaufen, weil Horst herzlich wenig der gelangweilten Welt um ein Uhr zu berichten hatte, aber zumindest kannte er jetzt den Grund fürs offizielle Schweigen. Er machte sich auf den Weg zum Studio und war dabei Sätze, ja ganze Absätze in seinem Kopf vorzuformulieren. Viel zu sagen, ohne etwas zu sagen, darin lag die ganze Kunst unter solchen Umständen. Er musste grinsen, als er an sein Vorbild dachte. Es war erst 12.15 Uhr, als er im Studio ankam, aber es gab keinen Grund zu warten.
„Lass es uns aufnehmen“, sagte er zum Toningenieur, verantwortlich fürs Drehen und Schieben von Knöpfen und Reglern. Gerade bei Horst war seine Ingenieursgenialität gefragt, er musste dafür sorgen, dass seine Ansager und Reporter, dass insbesondere Janine und Horst nüchtern klangen.
Um diese Zeit war das meist noch kein Problem und so hatten sie beim ersten Anlauf eine passable Aufnahme.

Im Kindle-Shop: Die letzte Lektion

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7. April 2014

'Zwischen Blut und Schatten' von Jennifer J. Grimm

Niamh ist die Assassine der Vampirkönigin- und eine Schattentänzerin. Bisher hat sie jeden Auftrag sauber erledigt und kein Problem damit zu töten. Nun soll sie den verbotenen Vampir Henry töten, der nicht einmal existieren dürfte – und versagt.

Sie bringt es nicht übers Herz den Barbesitzer zu töten und bringt damit die mächtigste Frau der Welt gegen sich auf. Sie muss sich mit dem Vampir verbünden, denn die Schattentänzerin hat nur eine Chance, um lebend aus der Sache heraus zu kommen: Die Königin muss sterben!

Gleich lesen: "Zwischen Blut und Schatten" von Jennifer J. Grimm




Leseprobe:
»Du musst jemanden finden«, die kleine Frau erhob sich aus dem hölzernen Ungetüm, ihrem Thron. Niamh nickte. Soweit war das nichts Neues. Ständig erledigte sie die Drecksarbeit und tötete Verräter. Bei ihrem Lebenslauf hätte sie auch bei der Mafia anheuern können. Innerlich erhellte ein amüsiertes Grinsen ihr Gemüt.
»Es ist ein Mann. Ein Vampir«, fügte Cassandra hinzu und ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Die Assassine erstarrte. Ein männlicher Vampir? Diese hatte Cassandra ausmerzen lassen, bevor Niamh überhaupt das Licht der Welt erblickt hatte.
»Wie bitte?«, brachte sie hervor. Es war verboten, männliche Vampire zu erzeugen. Die Gründe dafür lagen weit in der Vergangenheit von Cassandra und deren Mutter.
Unheilvoll nickte die Königin und strich über ihr bodenlanges Kleid. Der dunkle Samt schimmerte grün im einfallenden Licht der bunten Glasfenster.
»Ich weiß nicht wer so töricht und dumm genug sein konnte, einen Mann zu verwandeln. Doch diejenige muss bestraft werden. Ich werde an diesem hirnlosen Waschweib ein Exempel statuieren, das seinesgleichen suchen wird.« Wut verzerrte das engelsgleiche Gesicht zu einer Fratze, als sie sich in Rage redete.
Es hätte Niamh nicht überrascht, wenn die Königin angefangen hätte, Schaum zu spucken. Diese wandte sich ihr zu.
»Du wirst diesen Bastard finden!«, befahl sie, ihre Stimme bebte noch immer vor Zorn. »Doch vorher musst du herausfinden, ob es noch mehr von Ihnen gibt!« Nur langsam gewann sie ihre Fassung zurück. »Sie müssen alle vernichtet werden! Es darf keine männlichen Vampire geben!«
Niamh verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Längst hatten sich die feinen Härchen auf ihrer Haut aufgestellt, die Gänsehaut überzog ihren gesamten Körper. Eine Abwehrreaktion, welche durch die unkontrollierbare Stärke der Königin ausgelöst wurde. »Habt ihr einen Anhaltspunkt?«
Cassandra deutete mit der Hand nach links. Dort, hinter einer steinernen Säule wartete Bernhard, ihr Assistent.
»Bernhard hat die Informationen erhalten. Sprich mit ihm.« Wieder gefasst schritt sie auf ihren Thron zu und ordnete ihr Kleid, bevor sie sich setzte.
»Ich hoffe, du verstehst meinen Standpunkt, Assassine.« Cassandra gab die Adelige beinahe perfekt. Allerdings nur, wenn man von ihren legendären Wutausbrüchen absah, vor denen ihre Belegschaft erzitterte.
Niamh neigte als Antwort den Kopf zur Seite. Die braunen Locken der Perücke strichen über ihre Wange. »Ich bin nicht dumm, meine Königin«, ruhig legte sie ihre Hand auf dem Griff ihrer Waffe ab. Doch Cassandra ignorierte ihre Untergebene erneut. Das Gehabe der jungen Frau ging schon seit Jahrhunderten so.
»Beiße nie die Hand, die dich füttert, Niamh.«
Cassandra lehnte sich auf ihrem Thron zurück. Die kurzen Haare umspielten ihr Gesicht. Es kostete sie nur einen Handwink und ein riesiger Mann erschien aus einer dunklen Ecke. Für seinen muskelbepackten Körper fiel Niamh nur ein Wort ein.
Grotesk.

Doch Cassandra ignorierte den Menschen. Sie interessierte sich lediglich für das Tier, das er auf einem seiner mächtigen Unterarme sitzen hatte. Im krassen Gegensatz zu seiner Körpermasse stand ein winziger Vogel. Die Eule war etwas größer als Cassandras Hand, bemerkte Niamh, als diese den Sperlingskauz zu sich nahm.
Sanft strich sie dem zahmen Tier über die weißen Brustfedern. Im Kontrast dazu standen die dunkelbraunen Schwingen der Eule. Ungeduldig klapperte das Tier mit dem kleinen Schnabel.
Niamh nahm die Hand von ihrer halbautomatischen Pistole und verließ den Raum, ohne ein weiteres Wort.
Erst jetzt verneigte sich der Mann vor Cassandra. »Ich könnte dem Mädchen etwas Benehmen beibringen, mi querida ...«, unterwürfig hallte seine Stimme durch den Saal. »Ach Manuél«, sie winkte ihn näher heran. Doch sobald er vor ihr stand, packte sie ihn am Kragen seines maßgeschneiderten Hemdes.
»Finger weg von der Assassine«, ihre Augen verengten sich. Fester krallten sich ihre Finger in seine Haut. Sie erhob sich von ihrem Thron.
»Du gehörst mir.«
Ruckartig ließ sie ihn los. Die Eule breitete ihre Schwingen aus und flog durch den riesigen Saal.
Das samtene Kleid raschelte leise, als es zu Boden sank. Ihr wohl gerundeter Körper leuchtete in einem milchigen Weiß. Diesen Körper reinster Weiblichkeit hatte sie ihrer Mutter zu verdanken. Lilith, die erste Frau Adams.
Gierig weiteten sich die Augen des Mannes, der eben noch kurz davor gestanden hatte zu ersticken. Dennoch erfüllte der schwere Geruch seiner Lust den Raum.
Verlockende Brüste, runde Hüften und eine schmale Taille.
Cassandra lächelte. Es war wirklich leicht, einen Mann in Versuchung zu bringen ...

"Zwischen Blut und Schatten" im Kindle-Shop

Mehr über und von Jennifer J. Grimm auf ihrer Website.

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4. April 2014

'Centro: In der Tiefe' von Katharina Groth

Das Jahr 2075: Durch ein misslungenes Experiment ist das Überleben auf der Erdoberfläche nicht mehr möglich. Die Strahlung der Sonne hat die Menschheit in die Tiefen verbannt. Die 17-jährige Kay und ihre kleine Schwester leben in der Gesellschaft des Centro. Sie bietet Schutz und Nahrung. Doch der Preis dafür ist hoch. Strenge Gesetze regieren den Alltag in dem modernen Bunker, der von Wissenschaftlern geführt wird.

Am Rande der Gesellschaft, versucht Kay das Überleben von sich und ihrer kleinen Schwester zu sichern. Als es zu einem Aufstand kommt, gelingt den Mädchen die Flucht in die Tiefen des Gebirges, doch auf das was sie dort erwartet, waren sie nicht gefasst ...

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Leseprobe:
Die verkohlten Überreste des einstigen Stadtwaldes rasten an mir vorbei. Übelkeit überkam mich sofort, als der unverkennbare Geruch von verbranntem Holz in meine Nase stieg. Ich atmete tief durch, aber das beengende Gefühl in meiner Brust blieb. Stumm bezeugten die schwarzen Baumstümpfe das Unglück aus vergangener Zeit. Als heiße Luft in meine Lunge drang, trat ich kraftvoll in die Pedale meines Drahtesels. Marcie hasste es, wenn ich diesen Weg nach Hause einschlug. Ich sah ihre verschränkten Arme, die zusammengepressten Lippen und ihre zu Schlitzen verengten Augen bereits deutlich vor mir. Es lief jedes Mal auf das gleiche Streitgespräch hinaus. Ein Blick zur aufgehenden Sonne trieb mich zur Eile an. Mein Brustkorb schmerzte, unter dem heißen Wind und zwang mich, stoßweise zu atmen. Erleichtert bemerkte ich, dass ich die ersten Gebäude der Vorstadt passiert hatte. Verfallene Häuser säumten die Straße. Es wurde zu einer wahren Zitter-Partie, als mein Rad über den unebenen Boden holperte. Das Muster, welches die Hitze, in den Betonboden gesprengt hatte, vibrierte durch meinen Körper. Ein Stück vergessene Geschichte begleitete mich, wenn ich dieses Areal durchquerte. Die Älteren unter uns schwiegenüber das, was geschehen war. Eine Ahnung, dass es sich um mehr als ein misslungenes Experiment handelte, umgab mein Bewusstsein wie ein düsterer Schatten. Das Gefühl von Trauer und Tod, welches an diesem Ort vorherrschte, ließ sich weder abschütteln noch leugnen. Das Schweigen der Greise bedeutete in meinen Augen, dass man über diese Epoche nicht mit Stolz erfüllt seinen Enkeln erzählte. Ich entspannte ein wenig, als ich mich dem Zentrum der verfallenen Stadt näherte. Es war nicht mehr weit. Das gab mir Hoffnung. Unvermittelt durchbrach ein Knistern die Stille und ließ mich zusammenfahren. Zischend stieß ich Luft aus, als mein Blick auf die Planen an den Häuserwänden fiel. Ich las die Parolen »Rettet die Erde!«, »Alternative Energien sind die Zukunft!« und unterdrückte ein bitteres Lachen. Aus meiner Sicht verspotteten diese Überreste längst vergangener Zeit die Überlebenden, die sich hierher verirrten. Keuchend vor Anstrengung, hob ich den Kopf und beobachtete kurz den feuerroten Ball am Himmel. Trotz des dünnen Overalls und meines dunklen Teints, spürte ich wie meine Haut unangenehm zu brennen begann. Zwanzig Minuten, von denen zehn vergangen waren. Mehr Zeit gab mir die Sonne an diesem Ort nicht. Ich schalt mich für mein misslungenes Zeitmanagement. Obwohl ich wusste, dass mich keine Schuld daran traf, dass Lichtfilter Nummer vier seinen Dienst versagt hatte. Niemand der anderen Erntehelfer war so lange geblieben wie ich. Enttäuschung durchströmte mich, als mir erneut bewusst wurde, dass sie mich zurückgelassen hatten, während ich noch fluchend an der Sonnenklappe gezerrt hatte. Dabei sollten sie eigentlich wissen, wie wichtig die Klappen für das Gelingen unserer Ernte waren. Schirmten sie die Pflanzen nicht tagsüber von der Sonne ab, waren drei Monate Arbeit vollkommen umsonst gewesen. Und doch dachte jeder von ihnen nur daran seine eigene Haut zu retten. Mir entfuhr ein wütendes Schnauben. Mit Mühe unterdrückte ich den Ärger und konzentrierte mich auf die gleichmäßigen Bewegungen meiner Beine. Sich darüber aufzuregen, kostete unnötige Energie. Und wenn ich jetzt eines brauchte, dann genug Kraft. Meine Gedanken kehrten zu Marcie zurück und ihre Sorge um mich, die sie einmal mehr auszustehen hatte. Sie hegte wenig Verständnis, für meine Opferbereitschaft gegenüber dem Centro. Doch tat ich das tatsächlich? Bis zu ihren offenen Vorwürfen hatte ich immer gedacht, unser gemeinsames Überleben wäre es, für das ich mich aufopferte. Die letzten Monate hatten uns viel abverlangt und der Gedanke daran, dass es dieses Mal nicht ausreichen würde, hatte unangenehm an meinem Unterbewusstsein genagt. Keuchend raste ich durch die Gassen und genoss den Schatten, der von den Gebäuden ausging. In der Dämmerung noch fünf Minuten, doch in Anbetracht der steigenden Sonne benötigte ich heute sicher doppelt so lange. Mein Pferdeschwanz hatte sich gelöst, sodass schwarze Strähnen feucht auf meiner Stirn klebten. Die dunklen Haare meines Vaters umgaben, dick und leicht gewellt mein ovales Gesicht mit der olivfarbenen Haut. Sie reichten knapp bis unter meine Schulterblätter. Wenn man meine Schwester betrachtete, sah man die tiefrote Mähne meiner Mutter sowie die weiße fast durchscheinende Haut, die sie nahezu zerbrechlich wirken ließ. Ihre Statur war im Gegensatz zu meiner, welche eher kurvige und sportliche Attribute aufwies, elfenhaft-zart. Mit ihren vierzehn war sie vier Jahre jünger als ich.

"Centro: In der Tiefe" im Kindle-Shop

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3. April 2014

"7ter Himmel oder so" von Ina da Sasso

Liebesroman rund um die Suche "Bauer sucht Frau". Ida ist 28 und verliert zugunsten einer langweiligen Schnepfe ihren Job als Gemeindesekretärin. Kurz darauf heuert sie als Heiratsvermittlerin in der Agentur 7. Himmel an. Ihr Leben wird bunt und aufregend, sie erfährt die intimsten Wünsche und Geheimnisse nicht mehr aus irgendwelchen Liebesromanen, sondern live von ihren Klienten. Als pfiffiges Mädchen hat sie sich auf die Vermittlung von Jungbauern in ihrem Dorf spezialisiert.

Alles dreht sich nur mehr um Liebe und Leidenschaft. Außer in ihrem eigenen Privatleben, für das sie immer weniger Zeit hat, obwohl sie merkt, dass mit ihrem Freund Roland etwas nicht stimmt.

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Leseprobe:
Herrlich! Ach es gibt kaum Schöneres! 100. 110. 120 ... – die Straße gehört mir allein. Kurve links, Kurve rechts. Die Sonne scheint. Meine Haare wehen im Wind! Aber Hallo! Eigentlich hab ich gar keinen Grund so glücklich mit dem Motorrad dahinzubrausen.
Egal. Ich bin eben der Typ, der den Augenblick genießt. Und genau das mache ich jetzt, obwohl ich seit gestern arbeitslos bin. Vor lauter Wut, dass mir der Bürgermeister den Weisel gegeben hat – mir, der Mitarbeiterin des Jahres! – bin ich einfach davon gestürmt. Das hab ich jetzt davon: Ich muss noch einmal zurück in mein Büro und meinen Schreibtisch räumen, der ja gar nicht mehr meiner ist. Am liebsten würde ich da gar nicht mehr hin gehen. Die Blicke der Kollegen – nein danke! Aber was hilft es, da muss ich noch einmal durch, allein schon wegen meiner Harley Davidson Füllfeder, die ich von Roland zu unserem fünften Jahrestag bekommen habe.
Also stelle ich mein Bike vor dem altehrwürdigen Gemeindeamt ab, nehme meine Ledertasche aus dem Schalenkoffer und los geht es: Vorbei an der verblüfften Nanni, die wie immer eifrig das Foyer wischt und die sich wahrscheinlich wundert, dass ich sie nicht gegrüßt habe. Aber wenn ich jetzt nur einen Piep sagen muss, dann fließen wahrscheinlich die Tränen wie Sturzbäche über meine Wangen.
So eine Schweinerei! Ich muss gehen, weil ich jung, ungebunden und ohne Verantwortlichkeiten bin. Die Marie darf bleiben, weil sie zwei Kinder und einen Mann hat. Der Anton, ihr Mann, bringt als Techniker ein gutes Gehalt heim und auf die Kinder schaut großteils die Omi, die im selben Haus wohnt. Es gibt also überhaupt keinen Grund die tranige Schnepfe, die ständig am Rauchen, Kaffee trinken und Computerspielen ist, mir vorzuziehen. Unrecht ist der Welten Lohn, das wusste Vater – wie hieß der gleich? – schon.
Mit energischen Handgriffen kippe ich den Inhalt meiner Stiftbox in die Tasche, das Bild meiner Eltern im letzten Urlaub mit Roland und mir, mein Fremdwörter- und mein Rechtschreiblexikon. – Alles ab in die Tasche. Die Bücher hab ich mir schließlich in einem Anflug von Wer-perfekt-sein-will-schaut-lieber-einmal-zuviel-als-zu-wenig-nach-Perfektionismus selbst gekauft. Soll diese Arbeit raubende Tussi Marie doch schauen wo sie ihr Deutsch jetzt aufbessern kann. Schluss mit: „Ach, Ida – Schätzchen, kannst du das mal kurz überfliegen, ich bin heute so durch den Wind.“ Der Flirt mit dem Bürgermeister wird ihr dabei auch kaum helfen, denn der verlässt sich ja auf uns – das heißt ab sofort allein auf Marie, die bei Asterix sicher den klangvollen Namen „Germanokannnix“ bekommen würde. Aber was soll ich darüber jetzt nachgrübeln, bringt nichts außer Falten, würde meine Oma sagen. Sollen die doch sehen, wo sie ohne meine Wenigkeit bleiben. Ich werde schon etwas Neues finden, etwas Aufregendes, Herausforderndes. Ja. Außerdem tut mir ein bisschen Urlaub sowieso ganz gut. Vielleicht fahr ich einfach ein paar Tage ans Meer. Nur träumen: Von besseren Zeiten und neuen Abenteuern. Vielleicht geh ich im Herbst auch noch einmal zur Uni und mach mein Diplomstudium fertig. Warum nicht? Frau Magistra Ida Wald! Würde ganz gut klingen. Na ja, mal sehen.
So. Fertig. Gott sei Dank hat Marie pünktlich ihren Schreibtisch verlassen, wie ein sinkendes Schiff. Ihr falsches Mitleid hätte mir zu meinem Unglück gerade noch gefehlt. Die Laden sind leer, der Tisch blitz-blank. Was mache ich mit meinem schönen Philodendron? Und mit der Wasserlilienzucht? Egal. Lass ich am Besten hier. Den Transport am Motorrad würden die Pflanzen kaum überleben. Und außerdem bleiben sie als Mahnwächter an Ida Wald da, an die tüchtige Gemeindesekretärin – Scherzchen am Rande muss ja auch einmal sein, und wenn es auf meine eigenen Kosten ist, ha. Hört ja Keiner. Vermissen sollen sie mich, jawohl! Aber das ist ja oft so, dass man etwas oder jemanden erst schätzt, wenn man ihn los ist.
Was habe ich mich immer über meinen großen Bruder geärgert, der immer alles besser zu wissen glaubte, eventuell in Frage kommende zukünftige Lover in die Flucht schlug und meine Freundinnen im Gegenzug angebaggert hat. Als er auszog, fehlte er mich plötzlich so, dass ich ihn eine Zeit lang einmal pro Woche besucht habe. Richtig zwanghaft war das damals. Das hat sich aber gelegt, mit der Zeit.
Also: Meinen wunderschönen, riesengroßen Philo nun doch mitnehmen? Ach was. Ah. Da ist ja noch mein Aschenbecher. Obwohl ich gar nicht rauche, habe ich das hässliche schwarze Ding mit graviertem Sockel „Mitarbeiterin des Jahres“ vom Chef überreicht bekommen. Der soll niemandes Auge mehr beleidigen, am Flohmarkt ist der sicher auch unverkäuflich. Ab in den Müll damit.
„Halt. Nein, den hast du doch zum Fünf-Jahres-Jubiläum bekommen, Mädel! Den kannst du doch nicht wegschmeißen!“ - Der Bürgermeister, wie er leibt und lebt. Nicht zum Fünf-Jahres-Jubiläum!
„Ach, nein?“ Ich halte ihm das gute, beziehungsweise schlechte Stück entgegen.
„Danke?! Aber ... Na gut. Du rauchst ja nicht, gell? Das hat meine Frau, die Gerti nicht gewusst. Damals. Ähm, ja. Ähm. Dein Maschinen-Geknatter wird mir abgehen. Aber du weißt ja ... wir müssen ...“
„Ja. ...Sparen. Ich weiß,“ entgegne ich knapp und im heuchelnd verständnisvoll. Was für eine breite Schleimspur! Warum tu ich das? Ich verstehe nämlich nicht! Überhaupt nicht! Ganz und gar nicht verstehe ich, warum ich gehen muss und nicht die intelligenzfreie Marie! – Hoppla, hab ich das jetzt laut gesagt?
„Ja, schau. Mädel! Das geht ja nicht gegen dich. Nicht gegen deine Arbeit.“
„So, so. Nicht gegen mich? Interessant. Und warum fühl ich mich wie weg geworfen,“ frage ich mit einer ordentlichen Portion Tabasco in der Stimme. Da zuckt der doch wirklich einfach nur mit seinen breiten Schultern, die so überhaupt nicht zum Anlehnen taugen und wendet sich ab.
„Du findest schon was. Du bist jung. Kannst gehen, wohin du willst. Bist ungebunden“, meint er hilflos, der Arme.
„Aber die Marie kann bleiben. Obwohl sie ewig braucht, bis sie die Einschalttaste beim Computer findet.“ Den auf andere Qualitäten schielenden Mann interessiert mein Einwand wenig.
Schon wieder steigen mir die Tränen auf. Mist. Schon als Kind war ich bekannt dafür, dass ich nahe am Wasser gebaut bin. Ich hasse diesen Ausdruck. Mein Staudamm bricht eben von Zeit zu Zeit. Keine Ahnung, woher das schlechte Baumaterial dafür kommt. Ich habe meine Arbeit geliebt. Jeden Tag war irgendetwas Neues los. Konnte man irgendjemandem helfen, spürte die Dankbarkeit. Am Abend war ich dann zufrieden und gut drauf. So eine Arbeit gibt dem Leben einen Sinn. Vor allem auch, wenn der Roland so wenig Zeit hat. Familie oder auch nur eine vage Planung in diese Richtung, daran ist mit ihm überhaupt nicht zu denken, geschweige denn zu reden!
Kinder sind toll, hinreißend, lustig, superwitzig und der absolute Hit – solange es keine eigenen sind und sie jederzeit an die fachkundigen Eltern zurückgegeben werden können, sobald sie quengeln, schreien oder sich übergeben müssen. Das ist Rolands Einstellung zu Nachwuchs. Somit ist klar, das Thema ist heikel und ich hüte mich, meinen Kinderwunsch noch einmal mit Nachdruck zu deponieren. Die biologische Uhr gibt mir ja zum Glück noch einigermaßen Zeit. Nächste Woche werde ich achtundzwanzig.

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1. April 2014

"Nora Morgenroth: Die Gabe" von Kerstin Michelsen

Ein übersinnlicher Krimi. Es geschieht mitten in der Nacht auf einer verschneiten Autobahn: Nora Morgenroth, frisch geschieden, übersteht nahezu unbeschadet einen schweren Autounfall. Sie hat Glück gehabt, doch bald nach dem Unfall wird Nora von seltsamen Träumen und Stimmen heimgesucht. In der Wohnung, die sie nach der Trennung von ihrem Mann bezogen hat, verstärken sich die Visionen.

Dann erfährt Nora, dass dort vor kurzem noch eine junge Frau gelebt hat, die unter ungeklärten Umständen ums Leben kam …

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Leseprobe:
Ich höre die Stimmen der Verstorbenen. Das ist eine Tatsache.
Es begann mit dem Unfall, daran besteht für mich kein Zweifel, auch wenn das, wie ich einsehe, noch lange keine Erklärung ist. Einen Beweis für diese Gewissheit kann ich jedenfalls nicht vorweisen. Wie sollte ich auch? Und dennoch ist es so. Ich kann mein Leben ganz eindeutig in ein Vorher und Nachher unterteilen. Das begann oder endete, je nachdem, wie man es betrachten will, am 26. Dezember des vergangenen Jahres. An den Unfallhergang habe ich keine Erinnerung, auch nicht an das, was unmittelbar danach geschah. Ich weiß, was sich in den Stunden zuvor zugetragen hat, wie ich mit Hedda und Marc, die mich rechts und links untergehakt hatten, aus der Bar unten am alten Fischmarkt torkelte und wir lachend in den Wagen stiegen. Hedda hatte nicht getrunken, auf jeden Fall am wenigsten von uns dreien. Am Anfang des Abends, im China-Restaurant, hatte sie ein kleines Bier zu ihrem süß-sauren Schweinefleisch bestellt, danach nichts mehr. Das konnte ich der Polizei gegenüber später bezeugen. Auch die Blutuntersuchung hatte nichts anderes ergeben. Der Restalkohol in Heddas Blut war verschwindend gering gewesen, jedenfalls weit unterhalb der gesetzlich erlaubten Höchstgrenze.
Es wäre unmöglich, rekonstruieren zu wollen, worüber wir im Einzelnen geredet hatten und was uns so überaus komisch erschienen war. Ich mochte meinen Schwager ja nicht einmal besonders – normalerweise. Ein Mittvierziger, dessen sportliche Jahre lange zurücklagen und der sich für meinen Geschmack zu sehr bemühte, noch jugendlich zu wirken. Doch an diesem Abend fand ich ihn richtig prima, betrunken, wie ich war.
Hedda lachte über unsere Albernheiten. Erst als wir die Stadt hinter uns ließen, wurde sie stiller und konzentrierte sich auf das Fahren. Der Schneefall hatte zugenommen. Die Autobahn war nahezu leer. Nur selten kamen uns andere Scheinwerfer entgegen. Kein Wunder, es war mitten in der Nacht, und wer nicht hinaus musste, blieb bei dieser Witterung lieber zuhause.
„Seht mal! Irre, oder?“, rief Marc und rutsche auf der Rückbank nach vorne. Er deutete auf die Windschutzscheibe. Vom Scheinwerferlicht angeleuchtet, tanzten uns die Flocken entgegen. Es war hypnotisierend. Ich lehnte meinen Hinterkopf an die Nackenstütze und starrte nach draußen. Vielleicht lag es an dem Alkohol, der durch meine Adern floss. Plötzlich konnte ich die Augen nicht mehr abwenden. Es war, als flögen sie nur für mich. Die Welt außerhalb des Wagens hatte aufgehört zu existieren. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass Marc sich wieder zurückgelehnt hatte. Die Scheibenwischer quietschten wie besessen von einer Seite zur anderen, doch gegen den wilden Flockenflug konnten sie kaum etwas ausrichten. Die Nacht, in die wir hinein fuhren, war eine undurchdringliche, schwarz–weiß gepunktete Wand. Mit einem Mal war ich entsetzlich müde und sehnte mich nach meinem Bett. Bis Erzfeld hatten wir noch mindestens zwanzig Minuten zu fahren, bei der zunehmenden Glätte sogar eher mehr. Ohne mich umzusehen, spürte ich, dass auch bei Marc die Stimmung umgeschlagen war. Er seufzte ungeduldig.
„Herrgott, Hedda, ein bisschen schneller könntest du schon fahren!“
Schweigen.
„Hallo?“
„Ich habe dich gehört“, kam es von meiner Schwester ebenso gereizt zurück.
„Warum antwortest du dann nicht? Und wenn du so weiter fährst, sind wir morgen früh noch nicht zuhause!“
Nicht jetzt, dachte ich, jetzt keinen Streit.
Was war passiert? Eben noch hatten wir uns vor Lachen gekringelt, doch mit einem Mal knisterte die Luft vor Feindseligkeit. Vielleicht war sie die ganze Zeit vorhanden gewesen und ich hatte es nur nicht gespürt, nicht spüren wollen. Beziehungsstress hatte ich selbst genug gehabt in den letzten Monaten, mein Bedarf war gedeckt. Dies sollte mein Abend sein, so hatten wir es verabredet: Erst der alljährliche Gänsebraten bei Mutter in Vallau, danach wollten wir uns zur Belohnung für die überstandene Langeweile in das Nachtleben der Großstadt stürzen. Das war mein Weihnachtswunsch an die beiden gewesen. Ich wollte feiern und für einen Abend alles abwerfen, die Scheidung, die triste neue Wohnung, meine finanziellen Sorgen und nicht zuletzt Mutters vorwurfsvolle Blicke.
Das gleichmäßige Brummen des Wagens war einschläfernd. Meine Lider wurden immer schwerer. Ich dachte noch, oh Gott, ich kann einfach nicht mehr, auf den letzten Drink hätte ich doch lieber verzichten sollen.
Als Hedda aufschrie, riss ich die Augen auf und wusste nicht, wo ich war.
„Was zum Teufel …“
Ich wurde in den Sitz gepresst, als säße ich in einem Karussell. Alles drehte sich, viel zu schnell. Es fühlte sich an, als müsste ich mich übergeben. Erst als es ohrenbetäubend knallte und wir kopfüber fielen, wurde mir klar, dass mir nicht einfach nur schwindelig geworden war. „Hedda!“, schrie ich noch oder ich glaubte zumindest, dass ich es war, die rief. Jedenfalls war das letzte, was ich hörte, der Name meiner kleinen Schwester. Dann ein heftiger Schlag und lauter Knall. Und dann Stille.

"Nora Morgenroth: Die Gabe" im Kindle-Shop

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