28. Januar 2017

'Der liebe Gott und sein teuflisches Bodenpersonal' von Brigitte Teufl-Heimhilcher

Die Zustände im Vatikan rufen sogar den lieben Gott auf den Plan. Sonst ein eifriger Verfechter des freien Willens beschließt er, Papst Leo einen kleinen Hinweis zu geben, und bedient sich dabei höchst irdischer Mittel:

1. Buch: die andere Schwester des Papstes
Im Vorfeld eines Wien-Besuchs von Papst Leo XV wird bekannt, dass die geschiedene und wiederverheiratete Allergieexpertin, Dr. Katharina Bender, eine seiner Schwestern ist. Der Papst ist darüber not amused, doch körperliche Beschwerden zwingen ihn in Wien zu bleiben, und sich einer Behandlung durch seine Schwester zu unterziehen. Dabei prallen höchst unterschiedliche Sichtweisen aufeinander. Auch Freunde aus Jugendtagen, allen voran Erika, einst Studienkollegin und Leo sehr zugetan, beginnen sein Weltbild zu verändern.

2. Buch: Als Papst lebt man gefährlich
Seit der Papst in den Vatikan zurückgekehrt ist, hat sich die Zahl seiner Gegner drastisch erhöht. Den Konservativen zu ist er nun zu fortschrittlich, den Reformern zu konservativ, und dass er Erika, als Chefin einer neu gegründeten Reformkommission, in den Vatikan berufen hat, sorgt ebenfalls bei vielen Purpurträgern für Unmut. Wirklich gefährlich wird die Sache aber, als er beschließt, den Machenschaften in der Vatikanbank ein Ende zu setzen.

Gleich lesen: Der liebe Gott und sein teuflisches Bodenpersonal: Sammelband

Leseprobe:
Prolog aus dem Himmel
Da soll doch gleich einmal der Blitz dreinschlagen!
Irgendetwas scheine ich in meiner göttlichen Allmacht falsch gemacht zu haben. Diese Menschen haben immer noch nicht kapiert, worum es in ihrem Erdenleben geht. Vielleicht war die Sache mit dem freien Willen doch etwas übertrieben.
Dabei habe ich es doch an nichts fehlen lassen. Erst habe ich ihnen die zehn Gebote gegeben, die waren ja wohl klar und deutlich. Aber es hat nichts genützt! Also habe ich vor kurzem auch noch meinen Sohn geschickt. Mit allem Brimborium. Sogar Eltern habe ich ausgesucht, war alles gar nicht einfach. Dreiunddreißig Jahre hat er unter ihnen gelebt, ihnen alles gesagt und erklärt, dabei Kranke geheilt und den Sündern verziehen. Hat es genützt? Mitnichten.
Ja gut, ein paar Mal hat er getrickst. Übers Wasser zu gehen und aus Wasser Wein zu machen, das hätte vielleicht nicht sein müssen, das könnte den ein- oder anderen nachhaltig verwirrt haben. Manche versuchen das immer noch. Wasser zu Wein zu machen ist ihnen noch nicht vollständig gelungen, dafür machen sie aus Schimmelpilzen Erdbeeraroma – aber so war das doch nicht gemeint! Na gut, das sind Kleinigkeiten: Peanuts sagen sie neuerdings. Jedenfalls haben wir nichts ausgelassen, das volle Programm durchgezogen, inklusive Tod und Auferstehung. Damit haben wir sie allerdings auch etwas überfordert, an der Sache mit der Auferstehung kiefeln sie heute noch.
Das Unerträglichste aber ist, dass die Herrschaften aus der Kommandozentrale in Rom, besser gesagt im Vatikan - sie mussten ja gleich einen eigenen Staat haben - um nichts besser sind. Was sage ich – schlechter noch! Eine teuflische Mischung aus Ängstlichkeit und Überheblichkeit ist dort am Werk. Veränderungen fürchten sie wie der Teufel das Weihwasser, dabei sind sie von einer Überheblichkeit, die ich nur schwer ertrage. Ja gut, nicht alle, natürlich nicht, das wäre ja auch noch schöner!
Vielleicht hätte ich mich beim letzten Konklave doch deutlicher zu Wort melden sollen – manche haben mich darum gebeten –, aber ich wollte ihnen ja wieder einmal ihren freien Willen lassen.
Jetzt überlege ich, doch wieder einmal ordnend einzugreifen. Nein, keine Sintflut diesmal, nur ein ganz kleiner Fingerzeig, eine Andeutung, dass etwas falsch läuft. Aber an wen soll ich mich wenden? Es müsste schon jemand sein, der klug genug ist, es zu verstehen. Unter denen, die sie großspurig „Laien“ nennen, gäbe es etliche, aber würden sie denen glauben? Vermutlich nicht. Dann also jemand, der in ihrer Hierarchie – die im Übrigen auch nicht meine Idee war - ziemlich weit oben steht.
Vielleicht sollte ich es gleich mit dem Papst versuchen. Dieser Leo ist zwar auch ziemlich überheblich, aber immerhin scheint er guten Willens zu sein, und hat nicht eine seiner Schwestern ohnehin noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen? Da war doch was …

1. Buch: Die andere Schwester des Papstes
Das Interview
Katharina blickte auf die Uhr, massierte kurz die Schläfen und drückte den Knopf der Sprechanlage: „Der Nächste, bitte!“ Es war ein langer Tag gewesen, sie war müde und freute sich auf einen gemütlichen Abend.
„Fertig für heute“, antwortete ihre Sprechstundenhilfe. „Nur ein junger Mann vom Kurier wartet noch auf Sie.“
„Ist er angemeldet?“
„Das nicht“, flüsterte die Sprechstundenhilfe, „aber ich denke, er kommt wegen Ihres Buches. Jedenfalls hat er eine Kamera dabei.“
„Dann soll er hereinkommen.“
Katharina zog rasch die Lippen nach, noch während sie den Stift wieder in ihre Handtasche gleiten ließ, rief sie: „Herein!“
Der junge Mann, er mochte etwa dreißig sein, erwiderte ihren kräftigen Händedruck, das gefiel ihr, sie konnte es nicht leiden, wenn die Hand des anderen schlaff in der ihren lag. „Mein Name ist Felix Winter. Ich komme im Auftrag des Kuriers und würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.“
„Das freut mich“, antwortete sie. „Ich habe eigentlich gedacht, mein Buch sei schon in der Rundablage gelandet. Bitte, nehmen Sie Platz.“
„Sie haben ein Buch geschrieben?“, fragte er, während er sich setzte.
Diese schlichte Frage ließ Katharinas Müdigkeit schlagartig zurückkommen.
„Über Allergiebehandlung, ich dachte, deswegen seien Sie gekommen“, antwortete sie dementsprechend gereizt.
„Leider nein“, erwiderte Felix Winter und schickte dieser Nachricht ein gewinnendes Lächeln nach. „Ich komme sozusagen in heikler Mission.“
Er machte eine Pause, sie bedeutete ihm weiterzusprechen.
„Wie Sie sicherlich wissen, findet heuer im September der Welt-Jugend-Tag in Wien statt.“
Während Katharina zustimmend nickte, spürte sie, wie ihr Puls schneller wurde. Er sah sie fragend an, doch sie hatte nicht vor, ihm entgegenzukommen.
„Aus diesem Anlass wird Papst Leo seiner Heimat einen Besuch abstatten. Ich nehme an, auch das ist Ihnen bekannt.“
Sie nickte abermals. „Es stand so etwas in der Zeitung.“
„Ich nehme weiter an, Sie sind diesbezüglich nicht auf die Informationen der Medien angewiesen.“
Da irren Sie, junger Mann.“
„Aber Sie sind doch eine Schwester des Papstes?“

Im Kindle-Shop: Der liebe Gott und sein teuflisches Bodenpersonal: Sammelband

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26. Januar 2017

'Der Klang des Schweigens' von Heike Adami

Kennen Sie das Gefühl, Sie stehen kurz vor einem Ziel und erreichen es nicht? Sie beginnen, an sich zu zweifeln. Ein schwerwiegender Unfall folgt. Ihre Welt bricht zusammen. Sie fühlen sich zu jung, um zum alten Eisen zu gehören.

Heike Adami entschied sich für das Kloster. Harte Arbeit an sich selbst. Am Innersten. Gedankenmuster lösen. Glaubenssätze beleuchten. In diesem Journal berichtet Heike Adami über Entwicklungen, Sichten und Einsichten während fünf Tage im Kloster des Schweigens. Im Kloster Triefenstein bei Würzburg.

„Der Klang des Schweigens – Eine Reise zu Dir selbst“, ein Journal mit Übungen an sich selbst, für Sie.

Gleich lesen: Der Klang des Schweigens - Eine Reise zu Dir selbst

Leseprobe:
Zugfahrt
Regenwolken trüben den Tag ein. Dunkelgraue Wolken Unterbrechen eine helle Wolkenfigur. Es könnte ein Geist sein, der langsam dahinzieht. Dahinschwebt. Ein Geist. Eine Wolke, die sich von den anderen abhebt. Beleuchtet. Bestrahlt. Als verstecke sich dahinter ein sanfter Sonnenstrahl. Als befände sich dahinter das glänzende Leben. Freude. Lachen.
Der Geist verschiebt sich mit den dunklen Wolken. Regen. Grau. Nebel am Horizont, hinter den Feldern. Den braunen Feldern, auf denen der letzte Getreidehalm abgebrannt ist. Der Nebel hinter den sattgrünen Feldern, auf denen die Zuckerrüben ihre letzten Tage verbringen und das düste, todwirkende Sein des Feldes mit ihren dunkelgrünen Blättern belebt.
Das Bild verändert sich. Doch grau bleibt der Himmel.
Orangerot verfärbte Blätter der Bäume zwischen kahlen Ästen. Efeu und Brennnesseln zwischen dem Grün der Tanne und Fichte. Ein Herbstwald säumt den Weg. Schenkt die Vielfalt.
Das Farbige unter dem grauen Himmelszelt. Kein Ton der noch nicht weggezogenen Vögel. Kein Quaken der Frösche am Teich ist zu hören. Nur die Katze auf dem Feld schaut, ob sie sich vor dem umhertreibenden Fuchs in Sicherheit befindet.
Der Zug fährt seinen Weg, zielsicher an den gewünschten Ort. Während am Horizont, im Tal der Berge, ein blauer Himmelsfleck das Grau zur Seite schiebt. Als sage er, ihr wart lange genug hier.
Mein Herz saugt die Sonne auf, bevor der Nebel alles unsichtbar erscheinen lässt. Alles überdeckt. Nichts zum Vorschein bringt.
Regentropfen fallen auf das Dach. Ein heimisches Geräusch, das beruhigend wirkt. Zum Kuscheln einlädt.
Im Zug.
Regentropfen treffen am Fenster auf. Runde Tropfen bleiben an der Fläche des Fensters stehen, wie Augen, die beobachten. Sie, die Oberflächenspannung der Regentropfen, bewegt sich durch den Ruck des Zuges. Ihre innere Kraft löst sich auf. Der Zusammenhalt bricht auf, und der Tropfen läuft und fließt hinunter. Von links. Von rechts. Sie fließen sich entgegen. Vereinigen sich zu einem größeren Regentropfen. Zu einer Träne. Am Fenster des Zuges. Der Weg, der Druck löst sie auf. Das Fensterglas ist nicht mehr benetzt. Es scheint, als wäre nichts gewesen. Klar und frei wirkt das Glas. Der Blick hinaus ist untrügerisch. Weinrote Blätter säumen den Wegesrand. Kräftig leuchtend schenkt die Farbe Kraft dem Betrachter, im Moment des Seins.
Die Zugfahrt von Augsburg nach Wertheim ist lang und vergeht schnell. Einsteigen. Aussteigen. Umsteigen.
Zwischenstation.
Aufenthalt. Unfreiwillig.
Sie gehört dazu. Wo würde der Zug enden ohne Zwischenstation?
Wie würde ich das Ziel erreichen? Kleinere Strecken mit dem Bus fahren, wäre die Option. Aber dann wäre die Fahrtzeit länger. Mehr Umsteigestationen inbegriffen. Später wäre ich am Ziel. Zwischenstation – unfreiwillig!
Den Moment genießen. Die Zwischenstation als Geschenk annehmen. Darin verweilen und danken, im Hier und Jetzt sein zu dürfen. Der scheinbar kürzere Weg ist nicht immer der, der mir das gibt, was ich im Leben brauche. Entwicklung auf dem Weg, heißt auch über Umwege zum Ziel gelangen.
Ausgewachsene rote Geranien zwischen kräftig lilablühendem Heidekraut und weißen Weihnachtsglöckchen deuten den Wandel der Zeit an. Der Himmel auf vorzeitige Abendstimmung eingestellt. Dunkel, erhellt durch künstliches Licht. Der Weg wird kürzer und das Ziel kommt näher. Wie wird es aussehen, das evangelische Kloster in Franken?

Im Kindle-Shop: Der Klang des Schweigens - Eine Reise zu Dir selbst

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25. Januar 2017

'Der Schwan ist tot: Ein Rosenheim-Krimi' von Peter Brand

Landkreis Rosenheim: In einer Klinik wird ein Patient brutal ermordet – ein lange verschollener Klassenkamerad des Privatdetektivs Michael Warthens. Für Michael unfassbar: erst wenige Tage zuvor erhielt er den Auftrag, den Mann aufzuspüren! Wieso verschwand der Abiturient des Jahres 1979 vor Jahren spurlos und endet gerade jetzt als Mordopfer?

Bei seinen Recherchen nach einem Mordmotiv ahnt Michael einen möglichen Zusammenhang ihrer gemeinsamen schulischen Vergangenheit an einem Rosenheimer Gymnasium. Der spektakuläre Tod eines weiteren einstigen Schulfreunds, ein prominenter Stadtrat, erhärtet seinen Verdacht. Bis auf denselben Abitur-Jahrgang haben die Opfer nichts gemein. Oder doch? Was sonst treibt den Täter an, nach so langer Zeit, grausam zu töten?

Mysteriös: Als Michael wegen der Toten aus seiner Klasse einen Blick auf das Foto der Abschlussklasse von 1979 werfen will, scheint keines davon mehr zu existieren – und das Morden geht weiter …

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Leseprobe:
Er wachte auf. Der Geruch von frischer Bettwäsche irritierte ihn. Aus durchsichtigen Schläuchen tropften Flüssigkeiten in seine Adern. Augenscheinlich war er in einem Krankenhaus. Er drehte sich auf die Seite. Die Infusionsnadeln pieksten unter der Haut.
Wenn das hier seine Endstation bedeutete, fragte er sich, liefen die Jahre dann wirklich wie ein Film vor einem ab? Das Auf und Ab in seinem Leben hatte ihm noch nie Angst gemacht. Doch nur die Bilder seines letzten Schuljahrs besetzten sein Gehirn. Unerlaubt, aber lebendig und aufdringlich, als wollten ihm sogar die Erinnerungen Qualen zufügen. Er wusste warum. Ergeben murmelte er vor sich hin: Der Herr ist mein Hirte – mir wird nichts mangeln – er weidet mich auf grüner Au …
Mit schläfrigen Augen beobachtete er, wie die Tür zum Zimmer behutsam aufging. Zwei schwarz verschleierte Gestalten betraten den Raum. In welchem verfluchten Land war er? Jemand beugte sich über ihn. Ein Augenpaar sah ihn für Momente an. Liebevoll? Nur, es ergab keinen Sinn. Wieder stachen ihn die Nadeln. Tief unter die Haut. Der Schmerz kam heftig – die grausame Erkenntnis brannte schlimmer als der Schmerz: keine dünnen Nadeln bohrten sich in sein Fleisch – Dolche!
Nacht.

1. Kapitel
Dienstag, 9. Oktober. Nördlicher Landkreis. Herbstruhe.
Die Nebelsuppe auf der Fahrt von Rosenheim nach Griesstätt zerrte an Michaels Geduldsfaden. Wenn er schon seine Tante aus der Klinik abholen musste, hätte wenigstens das Wetter mitspielen können. Welch ausgedehnte Autoschlange seinem Smart im Nacken saß, konnte er sichtbedingt nur ahnen. Erst auf der Anhöhe kurz vor Griesstätt stach die Sonne durch. Sofort zogen ein paar ganz Eilige an ihm vorbei.
„Das hätten die jetzt auch noch abwarten können“, grantelte er und bog rechts ab zur Klinik.
Tante Berti erwartete Michael in der Vorhalle. Sie hatte eine Ellbogen-OP hinter sich. Die Schwester seiner verstorbenen Mutter wirkte durch ihre gebückte Haltung erstaunlich klein. Ihre ähnlichen Gene aber waren nicht zu übersehen: Michaels einzig verbliebene Verwandte besaß die gleichen warmen, braunen Augen wie ihr Neffe.
„Grüß dich, Tante Berti, bist schon ferti’?“, reimte er.
„Schon ist gut!“, tadelte sie ihn, „ausgemacht war eine Stund’ früher.“
Michael verkniff sich eine Ausrede. Nach dem Nebel hatte er mit der Parkplatzsuche gekämpft, weil Krankenwagen und beachtlich viele Polizeiautos die Zufahrten verstellt hatten.
Tante Berti war nicht wirklich eingeschnappt.
„Ist aber nicht schlimm, weil: da hast jetzt ein bisserl was versäumt wegen deiner Verspätung.“
Vor kurzem hatte sie erfahren, was der Michi Warthens neuerdings beruflich so trieb. Ganz glaubte sie noch nicht daran, er würde seine Selbstständigkeit wirklich durchziehen. „Privatdetektiv – so ein Schmarren. Die gibt’s doch bloß im Fernsehen“, war ihr einziger Kommentar dazu gewesen. Aber jetzt …
„Michi, also echt, da war grad ein Trubel wegen einem Patienten.“ Sie senkte ihre Stimme und zischelte ihm dezent zu: „Ich glaub’, wegen einem ermordeten Patienten!“
Grundsätzlich glaubte Michael, seine Tante sei in ihrem Alter schon noch bei Verstand. Jetzt fragte er sich, ob sie nur eine blühende Fantasie oder erste Anzeichen von Demenz zeigte.
„Ist schon recht“, wiegelte er ab, „hast eigentlich schon ausgecheckt?“
„Was denkst denn du? Wegen dem Aufruhr haben die doch keine Zeit gehabt. Aber ich kriege alles nachgeschickt.“
„Ins Heim?“
Tante Berti wohnte seit ein paar Jahren in einem kleinen Apartment im Margaretenhof. Michael hatte oft mit ihr über das doch teure „Betreute Wohnen“ gesprochen. Er hätte sich freilich um sie gekümmert, wenn sie ihn gebraucht hätte – und das ohne Hintergedanken. Zu erben gab’s bei Berti sowieso nichts. Ein Zuschuss für Michi, wenn sein Konto mal wieder leer war wie der Stadtbach bei der Auskehr, war aber durchaus drin.
„Stell dir vor, noch dazu schicken sie es mit der Post!“, frotzelte sie. „Durch’s Telefon geht’s nämlich nicht.“
Michael trat von einem Bein aufs andere.
„Also, was ist jetzt?“
„Jetzt wart halt mal!“ Berti schielte zu den drei Herren, die soeben über die Treppe vom ersten Stock in die Vorhalle herabstiegen. Alle drei kamen Michael bekannt vor, und einer von ihnen ganz besonders:
„Gerald?“
Der smarte Typ in weißem Arztkittel schaute überrascht, bis ihm klar wurde, wer ihn da mit Vornamen angesprochen hatte.
„Mike?“
Michael verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. Mike hatten ihn seine Schul- und Fußballfreunde genannt. Er nickte.
„Sag bloß, du bist Arzt geworden?“
Gerald wimmelte ihn sanft ab.
„Du, könnten wir später… Wir haben ein Problem hier.“
Das sah Michael selbst. Geralds Begleitung bestand aus Kriminalhauptkommissar Obermeier, einem rotgesichtigen, schwammigen und pensionsreifen Beamten, und Piet Maurer. Piet hatte einige Jahre die Schulbank mit Michael gedrückt und war demnach im selben Alter – um die Fünfzig.

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24. Januar 2017

'Millionärin wider Willen: Elenas Geheimnis' von Brigitte Teufl-Heimhilcher

Nach einem erfüllten Berufsleben muss sich die Ärztin Elena Prinz, aus gesundheitlichen Gründen, in den wenig geliebten Ruhestand zurückziehen. Aus Langeweile kauft sie einen Lottoschein – und gewinnt den Jackpot.

Der unerwartete Geldsegen wirbelt ihr Leben ganz schön durcheinander. Wie damit umgehen? Ihren Kindern schenken? Aber was würde das Geld mit den beiden machen?

Elena beschließt, vorerst nur ihren Anwalt einzuweihen. Der ist neuerdings Witwer und seine souveräne Art gefällt ihr von Mal zu Mal besser, aber er ist so unglaublich zurückhaltend. Während Elena überlegt, woran das liegen könnte, überstürzen sich die Ereignisse …

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Leseprobe:
Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freundinnen und Freunde des heiteren Gesellschaftsromans, mit dem vorliegenden Roman möchte ich euch in ein unbekanntes Land entführen. Es liegt irgendwo zwischen Bayern und Österreich, dennoch werdet ihr es auf keiner Landkarte finden - auch Google Earth wird keine Hilfe sein - obwohl euch Charaktere wie Situationen durchaus bekannt vorkommen könnten.
Ich hoffe, ihr mögt Land und Leute, und wünsche viel Freude beim Lesen!

Elena – Immer diese Radfahrer
Seit wenigen Tagen war Elena im sogenannten Ruhestand. Was für ein dummes Wort, sie hatte sich selten unruhiger gefühlt.
Wehmütig schlenderte sie durch ihre ehemaligen Praxisräume. Achtundzwanzig Jahre hatte sie hier als Allgemeinmedizinerin gearbeitet, es war ihr zweites Zuhause gewesen. Bald würde ein anderer Arzt hier praktizieren, während sie ihre Pension genießen sollte. Was für ein seltsames Gefühl. Es war wie damals, in ihrer Kindheit, wenn sich zu Beginn der großen Ferien alle wie verrückt über die schulfreie Zeit gefreut hatten – nur sie hatte nicht recht gewusst, was sie damit anfangen sollte.
Sie war gern zur Schule gegangen, hatte voller Eifer studiert und später viel und gern gearbeitet. Zu viel, wie ihre Kinder nun sagten.
Ihr Sohn Axel meinte, sie hätte es versäumt, zu leben. Blödsinn. Die Medizin, ihre Patienten, die Praxis, das war ihr Leben.
Wie hatte sie sich nur dazu überreden lassen können, ihre Praxis dicht zu machen? Gut, sie hatte gesundheitliche Probleme gehabt, aber jetzt war sie doch wieder fit.
Kerstin, ihre Tochter, hatte vorgeschlagen, sie solle verreisen. Mitkommen wollte sie allerdings nicht. Das wäre im Augenblick ganz unmöglich, wo sie doch so knapp davorstand, endlich als Partnerin in die Anwaltskanzlei einsteigen zu können, für die sie seit Jahren tätig war. Darauf wartete sie ungeduldig, dafür arbeitete sie Tag und Nacht.
Im Grunde waren sie einander ziemlich ähnlich – deshalb hatte es zwischen ihnen auch nie so besonders gut geklappt. Verreisen?
Blöde Idee. Sie war noch nie gern gereist, schon gar nicht allein. Bestenfalls würde sie ein paar Tage in ein Thermenhotel fahren. Ein wenig Wellness und etwas Bewegung in frischer Luft konnten schließlich nicht schaden – das hatte sie ihren Patienten auch immer gesagt. Aber selbst dafür hätte sie lieber Begleitung gehabt. Mal sehen, was sich so ergab. Es hatte ja keine Eile.
Sie kontrollierte noch einmal ihre Schreibtischladen und sämtliche Schränke. Alles leer. Ihre Praxishilfe und ihre Schwiegertochter Maren hatten ganze Arbeit geleistet, während sie sich im Kurheim wie verrückt abgestrampelt hatte, um ihr Herz wieder in Schwung zu bringen.
Als sie endlich zurück war, hatte sie gerade noch verhindern können, dass die beiden ihrem Nachfolger auch noch die Küche leer geräumt hatten. Also wirklich.

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23. Januar 2017

'Löwenflügel' von Thalea Storm

Wie normal kannst du sein, wenn du eigentlich total unnormal bist? Leo hält sich für unnormal, denn er ist anders. Schüchtern, zurückhaltend und vielleicht ein bisschen komisch. Er lebt in seiner eigenen Welt, die keinen Platz für die Leichtigkeit des Lebens lässt.

Den Blicken und Vorurteilen der Gesellschaft ausgesetzt, versucht er, sich durchs Leben zu schlängeln und eckt dabei überall an, wo er nur anecken kann. Kaum jemand ahnt, was hinter seinem merkwürdigen Verhalten steckt, denn Leo ist krank. Psychisch krank. Er leidet unter einer Sozialen Phobie, die ihm die Teilhabe am Leben nahezu unmöglich macht. Sein Alltag ist erfüllt vom eigenen Kampf gegen sich selbst und der steten Hoffnung, irgendwie in eine Gesellschaft zu passen, die ihn nicht akzeptieren will. Erst die quirlige, lebenslustige Maya, die hinter seine geheimnisvolle Fassade blickt, haucht ihm mit ihrer Neugierde, Aufgeschlossenheit und vor allem Toleranz, endlich wieder Leben ein. Sie nimmt ihn an die Hand und er lässt sich von ihr führen, unter dem trügerischen Gefühl von Sicherheit. Leo gibt sich Maya und ihrer Zuneigung vollends hin und ahnt dabei nicht, welche dramatischen Folgen ihre Freundschaft für ihn haben wird. Wie schnell muss man rennen, um dem eigenen Selbst zu entkommen?

Leo und Maya. Eine herzerwärmende, emotionale Geschichte von aufregender Freundschaft, zaghafter Liebe, unsterblicher Hoffnung und dem steten Versuch, etwas passend zu machen, das einfach nicht passt.

Lesermeinung: „Diese Geschichte hat einfach alles: Sie bringt Humor und Ernsthaftigkeit so eng zusammen und trägt so viele verschiedene Gefühle in sich, die zum Nachdenken darüber anregen, was im Leben wirklich wichtig ist.“

Gleich lesen: Löwenflügel

Leseprobe:
“City-Ticket oder lieber Zone 1,2,3 oder 4?”
Die Busfahrerin starrte mich auffordernd an. Hinter mir drängelten mehrere Fahrgäste und schoben mich immer weiter und weiter in den Bus hinein. Reflexartig griff ich an eine Haltestange und hielt mich fest. Die Luft im Innenraum war stickig. So stickig, dass ich glaubte, jeden Moment nicht mehr atmen zu können. Meine Brust zog sich zu.
“Junger Mann, wohin wollen Sie?”, hakte sie noch einmal nach. Die Schulkinder hinter mir kicherten. Nein, sie kicherten nicht, sie lachten. Ein verächtliches, lautes Lachen. Ich spürte ihre Blicke in meinem Rücken, dafür musste ich mich gar nicht zu ihnen umdrehen. Sie brannten ein Loch durch meine Jacke bis auf die Haut hinunter.
“Ich…”, versuchte ich zu antworten. Mein Herz begann unter ihrem eindringlichen Blick zu rasen.
“Ich…ich möchte…” Der Schweiß brach mir aus. Meine Stirn wurde nass und es kitzelte, als ein Schweißtropfen meine Wange hinab rollte. Verlegen wischte ich ihn weg und die Hand an der Hose ab. Hatten sie das alle gesehen? Ganz bestimmt hatten sie das. Was sollten sie nur über mich denken? Das ich dreckig bin? Oder eklig? Sicher ekelten sie sich vor mir. Ich ließ die Hand in der Hosentasche verschwinden.
“Was ist das denn für ein Idiot?”, hetzten sie sogleich hinter mir los. Ein kleiner Junge wurde gegen mich geschubst und meine Hand an der Haltestange verkrampfte so sehr, dass die Knöchel weiß hervortraten.
“Machen Sie schon, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.”
Noch einmal versuchte ich, tief Luft zu holen und meinen Fahrkartenwunsch auszusprechen. City-Ticket. Das waren doch nun wirklich keine schweren Worte. Gefühlt hunderte Male hatte ich sie bereits in meinem Leben ausgesprochen. Doch sie wollten mir in diesem Moment nicht über die Lippen kommen.
Das Herz in meiner Brust schlug so heftig, dass ich Sorge bekam, es würde jeden Moment zerspringen. Das Klopfen dröhnte in meinen Ohren.
“Was wird das denn hier? Ich habe heute noch einen Termin.”, schimpfte ein kleiner, rundlicher Mann, der einen Jungen hinter sich herzog. Er drückte mich zur Seite und bezahlte seine Fahrkarte bei der Busfahrerin. Die Jungs hinter mir drängelten sich sofort nach ihm durch. Ich quetschte mich zurück nach draußen und vermied es, den Menschen ins Gesicht zu sehen. Ihre Blicke bohrten sich dennoch heiß und schmerzhaft in mein Gesicht, übergossen mich mit Unzufriedenheit und Beschuldigungen. Ich wagte es nicht, auch nur eine Sekunde nach oben zu sehen. Als die frische Luft mir endlich entgegen stieß, atmete ich mehrmals kräftig durch. Wenn ich doch nur hätte laufen können. Es regnete nicht und war sogar noch hell. Doch dann würde ich niemals ankommen, dachte ich und stellte mich mehr unfreiwillig als freiwillig ganz ans Ende der Schlange. Rasch lichtete sich die Reihe und ein Fahrgast nach dem anderen verschwand im Inneren des Busses. Schneller als erwartet stand ich wieder vor der Busfahrerin. Per Knopfdruck und mit einem zischenden Geräusch schloss sie die Türen hinter mir.
Was sollte das? Durfte ich jetzt nicht mehr raus?
Die Schulkinder hatten sich direkt die Plätze hinter der Fahrerin ausgesucht und fixierten mich mit neugierigen Blicken. Sie konnten ihr Lachen kaum unterdrücken. Ich wünschte, ich hätte einfach verschwinden können.
“Kopfnicken oder -schütteln werden Sie ja wohl hinkriegen. City-Ticket?”
Ich nickte.
“Na geht doch. Macht 1,20 €.”
Zitternd zog ich das Portemonnaie aus der Hosentasche. Es rutschte mir aus den schweißig-feuchten Händen und fiel zu Boden. Die Kinder kreischten vor Lachen und zeigten auf mich. Wenn es nicht noch alberner gewirkt hätte, hätte ich mich einfach auf den Boden gesetzt, die Knie zur Brust gezogen, den Kopf in den verschränkten Armen versteckt und darauf gewartet, dass es alles irgendwie ein Ende hatte.
“1,20 € bitte.” erinnerte sie mich noch einmal. Der Reißverschluss hakte beim Öffnen. Zudem drohte ein Schweißtropfen von der Stirn in mein rechts Auge zu laufen. Hektisch wischte ich ihn weg, wobei das geöffnete Portemonnaie erneut zu Boden fiel und das Kleingeld kreuz und quer durch den Einstiegsbereich rollte.
“Man, man, man. Sowas hab ich in 20 Jahren Berufstätigkeit noch nicht erlebt.” schimpfte die Fahrerin, trat aus ihrer Kabine und half mir beim Einsammeln der Münzen.
“Hier, die behalte ich gleich. 1,20€.” Sie zeigte mir ihre geöffnete Handfläche, auf der die Münzen lagen. Kaum sichtbar nickte ich. Aus ihrer Kabine reichte sie mir den Fahrschein und fuhr los, während ich mich auf den Weg durch den Bus machte. Die Blicke der restlichen Fahrgäste stachen wie tausende kleine Nadelstiche auf meiner Haut. Vor mir, hinter mir und neben mir hörte ich sie kichern und tuscheln. Unendlich lang erschien mir der Gang bis zum orangenen Stempelautomaten in der Mitte des Busses. Mit größter Mühe schob ich die kleine Karte in die vorhergesehene Öffnung. Es klickte so laut, dass ich mich am liebsten auf den Automaten geworfen hätte, damit sich nicht auch noch die letzten Fahrgäste umdrehten, die bisher kein Interesse an mir gezeigt hatten. Beim Herausziehen sah ich, dass der Stempel auf der falschen Seite war. Egal. Ganz sicher würde ich die Karte nicht ein zweites Mal stempeln. Sie wussten sowieso schon alle, dass ich der totale Trottel war. Ich steckte die Fahrkarte in die Hosentasche und ließ meinen Blick durch die Reihen schweifen. Ganz hinten im Bus saßen ein paar Jugendliche, die mich amüsiert ansahen und mir irgendetwas zuriefen. Ich bemühte mich, nicht hinzuhören. Mir gegenüber saß eine kleine, ältere Frau, die ihre Hände auf einen Gehstock stützte und mich mitleidig ansah. Vorne im Bus tummelten sich die kleineren Schulkinder, sowie Vater und Sohn. Wo war das geringste Risiko für mich? Die Jugendlichen konnten mich angreifen oder beleidigen. Sie waren zu viert, ich alleine. Auf keinen Fall wollte ich mich zu ihnen setzen oder auch nur in ihre Nähe kommen. Das Gelächter der kleinen Schulkinder drang mir bereits durch Mark und Bein. Ihr Gekicher und Getuschel würde nur für noch mehr Schweißperlen und Schnappatmung sorgen. Auch keine gute Idee. Vater und Sohn hatten mich bereits einmal vor allen blamiert. Zu ihnen wollte ich um keinen Preis der Welt. Blieb nur die ältere Frau. Was konnte sie mir schon tun? Außerdem saß sie mittig im Bus. Von allen Gefahrenquellen weit genug entfernt und so nah an einem Ausgang, dass ich an jeder Haltestelle in Sekundenschnelle hinausspringen könnte. Ich überlegte keine Minute länger und entschied mich für einen Platz vor der freundlich blickenden Omi. Sobald ich saß, rutschte ich tief nach unten und lehnte den Kopf an die kühle Scheibe. Meine Beine zitterten so sehr, dass die Schnallen meiner Schuhe ein lautes, klapperndes Geräusch erzeugten. Ich wünschte, ich hätte es abstellen können. Je mehr ich das wünschte, umso lauter wurde es. In meinem Rucksack suchte ich die Kopfhörer, doch ich fand sie nicht. Die Fahrt zu Tobis Haus dauerte ein paar Minuten, die ich ohne Musik nur schwer überstehen konnte. Es machte mich nervös, die Menschen um mich herum reden zu hören, ohne ihren genauen Wortlaut zu verstehen. Sicher sprachen sie über mich. Ich hatte mich wieder einmal wie der totale Vollidiot angestellt. Jedes Kleinkind konnte seine Fahrkarte besser kaufen als ich. Noch immer liefen mir vereinzelte Schweißtropfen von der Stirn. Auch unter meinen Armen triefte es. Wahrscheinlich konnten sie mich alle schon riechen. Verkrampft presste ich die Arme an meinen Körper und traute mich kaum zu atmen. Zu meiner Erleichterung stiegen die Jugendlichen der hinteren Reihe bereits eine Station weiter aus. Allerdings nicht, ohne vorher noch einmal in meine Richtung zu grinsen.
“Ein schöner Abend ist das heute, finden Sie nicht auch?”
Vorsichtig drehte ich mich nach hinten um. Die alte Frau nickte aufmunternd in meine Richtung. Ich nickte zaghaft zurück und drehte mich rasch wieder nach vorn.
“Sie reden wohl nicht so gerne?”
Warum hatte ich daran nicht gedacht? Alte Leute suchten doch immer jemanden zum Reden, jemanden, den sie einfach anquatschen konnten, dem sie auf die Nerven gehen konnten. Was sollte ich denn jetzt machen? Die letzte Sitzreihe war nun leer. Wenn ich schnell genug sein würde, könnte ich dorthin wechseln. Aber was würde sie dann von mir denken?
“Man muss ja auch nicht mit jedem reden. Das machen sie schon ganz richtig.” Ich drehte mich noch einmal halb zu ihr um und hoffte, dass sie an meinen verzogenen Mundwinkeln erkennen konnte, dass ich mich bemühte, sie anzulächeln.
‘Nächster Halt: Trabensen Markt’
Eigentlich war das eine Haltestelle zu früh. Vom Bahnhof aus lief ich etwa 5 Minuten zu Tobis Haus. Vom Markt allerdings mindestens eine Viertelstunde. Der Bus wurde langsamer.
“Sie haben sicher etwas Schönes vor. Als ich in ihrem Alter war bin ich jeden Samstag …”
Ich sprang aus dem Sitz als hätte mich etwas in den Hintern gestochen. Ohne die alte Frau anzusehen, kroch ich aus den Reihen und eilte den Gang entlang. Vor der hinteren Tür drückte ich mehrmals den ‘Halt!’-Knopf. Wenige Sekunden später hielt der Bus am Markt und ließ mich endlich frei. Die Last, die von meinen Schultern fiel, ließ mich gleich etwas aufrechter stehen. Endlich. Freiheit. Luft. Atmen. Was waren schon 15 Minuten Fußweg? Als der Bus wieder anfuhr, glitt mein Blick über die Fenster und blieb an der alten Frau hängen. Sie schüttelte verwundert den Kopf.
Der einzige Mensch in diesem Bus, der mich nicht von Anfang an für den größten Trottel gehalten hatte, bekam durch meine Flucht genug Potential, um es schnellstmöglich nachzuholen.
Erschöpft lief ich los.
Eigentlich hätte ich auch sofort wieder umdrehen können.

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20. Januar 2017

'Ruf des Südens' von Emilia Doyle

Nach einem Streit mit ihrem Freund Benjamin irrt Nathalie während eines Gewitters durch ein Neubaugebiet und stürzt in eine Baugrube. Als sie wieder zu sich kommt, sieht sie sich kurz darauf einem Reiter gegenüber, der sich als Hank Craven vorstellt. Verwirrt lässt sie sich von ihm auf seine Plantage bringen. Langsam begreift Nathalie, dass sie durch ein Zeitloch gefallen und im Süden der USA gelandet ist. Der Sklavenhandel blüht und das Land steht kurz vor dem Bürgerkrieg.

Trotz ihrer Furcht und der Sehnsucht nach ihrer Familie arrangiert sie sich mit der neuen Lebenssituation, stößt aber durch ihre unkonventionelle Art den Sklaven gegenüber auf Unverständnis. Sie zieht sich den Hass von Mathew, Hanks Stiefbruder und Besitzer der Plantage, zu, der sie beschuldigt, eine Hure zu sein oder gar der Abolitionistenbewegung anzugehören, die den Sklaven zur Flucht verhilft.

Nathalie, die ihre Herkunft nicht nachweisen kann, verliebt sich in Hank und steht hilflos Mathews Forderung gegenüber, seine Mätresse zu werden. Ansonsten würde er sie von der Plantage jagen.

Gleich lesen: Ruf des Südens: Zeitreiseroman

Leseprobe:
Ein monotones Rumpeln schallte vom Weg zu ihr herüber. Die Sicht war durch das Buschwerk am Wegrand verdeckt. Womöglich waren Forstarbeiter dort am Werke. Sie rief um Hilfe. Ihre Stimme wollte ihr anfangs nicht gehorchen, war wie belegt, doch nach mehrmaligem hartem Räuspern, hatte sie sie im Griff. Sie rief, so laut sie konnte, und winkte mit den Armen. Verwundert stockte sie, als sie einen alten Pferdewagen aus der Biegung kommen sah. Befand sie sich in der Nähe eines Reiterhofes? Ein Mann hockte in gebückter Haltung auf dem klapprigen Wagen und hielt die Zügel. Sie schluckte schockiert. Für einen Moment war sie gewillt, sich zu verstecken. Ihre Vernunft siegte über ihre Angst. Vermutlich könnte es Stunden dauern, bis sie der nächsten Person begegnete. Sie überwand sich und rief erneut um Hilfe. Das Gefährt stoppte. Der Mann schaute in ihre Richtung, machte aber keine Anstalten, zu ihr zu eilen. Stattdessen blickte er irritiert nach vorn und hinter sich, als müsse er sich vergewissern, dass tatsächlich er gemeint war.
„Bitte helfen Sie mir. Ich brauche Hilfe“, rief sie erneut.
Endlich sprang er von seinem Wagen und kam unsicher und ohne Eile auf sie zu.
„Was ist mit Ihnen passiert, Ma’am?“
„Ich … ich weiß es nicht. Ich denke, ich bin überfallen worden.“
Der Schwarze musterte sie zurückhaltend und schien nicht zu wissen, was er tun sollte. Nathalie schätzte ihn auf annähernd vierzig Jahre. Er war ärmlich gekleidet. Sein schmuddeliges, ehemals weißes Hemd stand bis zur Brust offen, die Ärmel waren hochgekrempelt. Dazu trug er eine grobe, dunkle Hose, die auch schon bessere Tage gesehen hatte.
Nathalie ignorierte seine schäbige Aufmachung. „Wo bin ich hier?“
„Nicht weit von Oakland, Ma’am.“
„Oakland?“ Sie hatte keine Ahnung, wo das sein sollte.
„Hat Ihr Pferd Sie abgeworfen, Ma’am?“
Pferd? Verständnislos starrte sie ihn an. Was stimmte mit dem Kerl nicht? Es wurde ihr unheimlich. Und warum gaffte er so, als sei sie ein Alien? Sie wollte so schnell wie möglich dort verschwinden.
„Bringen Sie mich einfach nur hier weg“, fauchte sie gereizt.
„Jawohl, Ma’am.“
Sie wollte aufstehen, Schwindel erfasste sie, stöhnend sank sie zurück. Der Schwarze kniete an ihrer Seite. „Sie sollten sich nicht bewegen. Haben Sie Schmerzen, Ma’am?“
Wenigstens war er freundlich, das hielt ihre Angst in Grenzen. Sie bemühte sich, um eine gleichmäßige Atmung, um den Schwindel und das flaue Gefühl im Magen zu unterdrücken.
„Sie haben Glück, da kommt Mr. Craven.“ Er erhob sich und winkte jemandem zu.
Nathalie hatte niemanden kommen gehört. Verwundert blickte sie zum Weg.
Ein Reiter stoppte hinter dem Pferdewagen. Der Mann saß ab und kam die Böschung heruntergeeilt. „Was ist hier passiert?“, wollte er wissen.
Der Schwarze verdeckte ihr mit seinem breiten Kreuz die Sicht. Mit wenigen Worten gab er dem Neuankömmling Auskunft.
Ein attraktiver Mann, ein Weißer, erschien in ihrem Blickfeld. Ein amüsiertes Grinsen huschte über seine Züge, als sich ihre Blicke trafen. Er musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. „Wen haben wir denn hier?“
Nathalie konnte ihn nur verdutzt anstarren. Warum war er so merkwürdig angezogen? Drehten sie in der Nähe einen Film? Sie konnte sich schwach an einen Artikel in der Zeitung erinnern, in dem für einen historischen Film Statisten gesucht worden waren. Aber sollten die Dreharbeiten nicht erst im Herbst beginnen?
„Nun?“, hakte er nach.
„Mein Name ist Nathalie Brennan“, sie senkte den Blick, „und um Ihre Frage vorwegzunehmen, ich kann mich nicht erinnern, was geschehen ist.“
„Verstehe!“ Seine Belustigung war verschwunden. Er kniete sich neben sie und begutachtete ihren Kopf. „Sie bluten an der Schläfe.“
Erschrocken befühlte sie die Kopfseite. Das Blut war bereits angetrocknet. „Mein Kopf tut weh“, hauchte sie den Tränen nah.
„Das kann ich mir vorstellen. Sie müssen unverzüglich zu einem Arzt. Woher kommen Sie, Miss Brennan?“
„Aus Carlisle.“
Er sah sie mit gefurchter Stirn nachdenklich an. Der Mann hatte wunderschöne, klare Augen. Sie konnte nicht sagen, warum ihr gerade das auffiel. Verlegen wich sie seinem Blick aus.
„Bedaure, ich kenne diesen Ort nicht.“
„Er liegt zwischen den Städten Middletown und Dayton.“
Er schüttelte den Kopf. „Es sagt mir leider nichts, aber ich denke, das können wir auch später klären. Ich bin Hank Craven. Etwa zwei Meilen entfernt befindet sich die Plantage meiner Familie, dort wird man sich hinreichend um Sie kümmern.“
„Sie haben nicht zufällig ein Handy dabei?“
Er sah sie an, als hätte sie etwas vollkommen Irrsinniges gesagt. Qualvolle Sekunden ruhte sein eigenartiger Blick auf ihrem Gesicht, bevor er ihn abwandte und den Hang hinter ihr absuchte. „Waren Sie etwa ganz allein unterwegs?“
Sie wusste nicht, was sie ihm darauf antworten sollte und nickte lediglich.
Missbilligend schüttelte er den Kopf. „Das war sehr töricht.“
Hank Craven erhob sich und wandte sich dem Schwarzen zu, der einige Schritte zurückgetreten war. „Samuel, hast du eine Decke auf dem Karren?“
„Da müsste eine sein, Sir.“
„Gut, dann hol sie.“
„Mir ist nicht kalt“, erklärte Nathalie.
„Das glaube ich Ihnen. Aber in Ihrem sonderbaren Aufzug würden Sie zu großes Aufsehen erregen.“
„Was soll das heißen?“, empörte sie sich und sah an sich hinunter. Ihre Jeans wies seitlich am Oberschenkel ein paar Grasflecke auf und war teilweise etwas sandig. Kein Grund, sie deshalb zu beleidigen.
Sein Gesicht zeigte ein breites Grinsen und sein Blick maß unverhohlen ihren Körper.
„Mit Verlaub, Miss Brennan, Sie tragen Beinkleider.“
„Bein … was?“ Perplex starrte sie ihn mit offenem Mund an. In seinen Augen stand ein amüsiertes Funkeln. Allmählich wurde ihr die Sache zu dumm. Was bildete dieser arrogante Kerl sich eigentlich ein? Nur weil er offenbar zur Filmcrew gehörte und im Stil des neunzehnten Jahrhunderts gekleidet war, bedeutete es längst nicht, dass er sich auch so zu verhalten hatte. Sie gehörte nicht zum Team und ihr Auftritt stand nicht im Drehbuch. Ihr war weiß Gott was widerfahren, und der Kerl wagte es, sich lustig zu machen. Zorn stieg in ihr auf.
„Entschuldigen Sie, dass ich momentan nicht über Ihre primitiven Witze lachen kann, Mr. Craven“, zischte sie erbost. „Mein Schädel droht zu explodieren, und ich fühle mich gerade ziemlich miserabel. Also heben Sie sich derartige Scherze für einen anderen Zeitpunkt auf.“ Verärgert sprang sie auf die Beine. Sogleich begann sich alles um sie herum zu drehen.
„Miss Brennan!“
Sie spürte seine Hände an ihrem Körper; sie registrierte es wie in Trance. Augenblicke später hob er sie in seine Arme und marschierte mit ihr, anscheinend mühelos, die Böschung hinauf.

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19. Januar 2017

'Jungfrau, männlich, Single, mit Teddy' von Harald Schmidt

Alfred Reimann … dreiunddreißig, Single, gut aussehend … Jungfrau.

Bis heute lief das Leben des liebenswerten Finanzbeamten und seiner Teddydame Bienchen in geordneten Bahnen. Noch weiß er nicht, dass sich dieser Zustand mit dem Einzug der süßen Nachbarin Verena ändern wird. Seine Mutter ist davon alles andere als begeistert, denn in ihren Augen wollen junge Frauen wie Verena nur das Eine. Und dieses Chaos wird sie zu verhindern wissen!

Mithilfe von Verena und dem kauzigen Pfarrer Hollerberg stolpert Alfred in das eine oder andere Abenteuer. Ob er auf den Reisen sein Glück findet, bleibt abzuwarten ...

Ein rasanter Liebesroman mit dem gewissen Schmunzelfaktor.

Gleich lesen: Jungfrau, männlich, Single, mit Teddy

Leseprobe:
Dieser Tag und ich ... keine gute Basis für eine bleibende Freundschaft. Nichts deutete darauf hin, dass sich mein ruhiges Leben von Grund auf ändern sollte. Mama hatte mir schon seit frühester Jugend eingebläut, dass unnötige Hektik direkt nach dem Erwachen den gesamten Tagesablauf vorherbestimmen würde, und ich mit einer entsprechenden Ruhe und Zurückhaltung sogar einem Infarkt wirksam vorbeugen könnte.
Vorsichtig öffnete ich ein Auge, um befriedigt festzustellen, dass mein Biorhythmus exakt wie ein voreingestelltes Uhrwerk funktionierte. Perfekt, es war sechs Minuten vor Sieben. Mit dem Zweiten registrierte ich, dass sonnenangereichertes Tageslicht durch die Schlitze der Jalousie drang. Der erwachende Morgen begrüßte mich, den unermüdlich werkelnden Angestellten der örtlichen Finanzbehörde, auch heute mit all seiner Pracht. Genüsslich gähnend reckte ich die steifen Glieder. Meine Fingerspitzen berührten das samtweiche Fell der besten, allerdings auch einzigen Freundin. Bienchen, die Plüschbärin, saß wie immer am Kopfende, denn sie hatte sich zur Aufgabe gemacht, in der Nacht den Schlaf ihres Herrn und Gebieters zu bewachen.
Nach dem obligatorischen dicken Kuss auf ihr Schnäuzchen hockte ich mich abwartend auf die Bettkante. Mama hatte davor gewarnt, mich allzu schnell zu erheben. Sie meinte, dass mein Blut schließlich Zeit benötigt, um sich gleichmäßig im Körper zu verteilen ... zumindest so ähnlich. Den geübten Slalom um das Bügelbrett am Bettende und die Schuhberge im Dielenbereich schaffte ich unfallfrei, das war reine Routine. Mit noch halb geschlossenen Augen tastete ich vorsichtig nach dem Toilettendeckel. Die Blase wurde, begleitet von einem erlösenden Aaah, vom übermächtigen Druck befreit. Als ausgebildeter Sitzpinkler konnte ich Urinspritzer in der Toilettenumgebung vermeiden, die so manche Ehefrau sicher zur Weißglut trieben. Mama hatte mich einmal stehend erwischt, was dazu führte, dass sie mich das Bad wischen ließ ... eine ganze Woche lang.
Geschickt bückte ich mich unter dem vorstehenden Kleiderhaken der Garderobe durch und erreichte ohne Blessuren die Küche. Der Geruch abgestandener Essensreste, die in Töpfen und auf Tellern dem möglichen Reinigungsprozedere entgegensahen, schlug mir entgegen. Jahrelanges Training der Nasenschleimhäute erstickte den aufkommenden Würgereiz im Keim.
Während ich mein Müsli löffelte, das am heutigen Tag einen hohen Nussanteil enthielt, ließ ich den neuen Tag im Geiste ablaufen. Für den Vormittag hatte ich mir Freistunden genommen, um dringende, private Angelegenheiten zu erledigen. Dienstbeginn war also erst um dreizehn Uhr. Heute Morgen war Stufe eins der Körperpflege angesagt, zu der unter anderem das Zurückschneiden der Fußnägel und der Augenbrauen anstand. Danach Geld von der Bank holen, Blumen kaufen und nach der Arbeit das Traum-Finale: Abendessen mit Verena. Ich musste nicht lange nachdenken ... nein, es war mein erstes Date.
Als sie sich gestern einen kleinen Prüf-Schraubendreher auslieh, überraschte sie mich mit der Einladung. Sie ließ sich nicht dazu überreden, die Serienschaltung der Dielenbeleuchtung einem ausgebildeten Elektriker zu überlassen. Ich konnte mich nicht anbieten, da für mich das Arbeiten am Stromnetz mit Todessehnsucht gleichzusetzen war. Aber solche Kleinigkeiten erledigte Frau selbst, war ihre Devise ... Hochachtung. Die Zaubermaus Verena wohnte seit zwei Wochen eine Etage unter mir. Seitdem saß ich des Öfteren in der Küche und starrte auf den Fußboden, so als könnte ich durch die Decke sehen. Im Geiste sah ich sie genau unter mir sitzen, das Gemüsemesser geschickt über die festkochende Grata-Kartoffel führend, und vergnügt Wolle Petrys Erfolgshit Der Himmel brennt summend.
Bisher hatte ich nie den Mut gefunden, sie anzusprechen, obwohl sie mich stets freundlich grüßte. Solange ich denken konnte, hatte sich Mama alle Mühe gegeben, mich vor diesen berechnenden, jungen Biestern zu warnen. Sie hätten es immer nur auf das Eine abgesehen. Weitere Erklärungen blieb sie mir nach dieser Feststellung schuldig. Ihren Rat hatte ich in den letzten dreiunddreißig Jahren konsequent beherzigt. Grundsätzlich war ich damit bisher gut gefahren. Die Enttäuschungen, von denen meine Arbeitskollegen häufig am Mittagstisch berichteten, waren mir bis heute erspart geblieben. Meinen Tagesablauf wollte ich nicht fremdbestimmen lassen. Mein Leben lief perfekt. Ja, wenn da nicht ...

Verena fiel einfach vom Himmel. Engelgleich war sie neben dem Möbelwagen aufgetaucht und hatte mich allein durch ihr Lächeln in eine andere Galaxie geschleudert. Nach dem Zusammenprall wurde meine gestotterte Entschuldigung von einer noch nie vorgekommenen Körperstarre begleitet. Ich hätte mich dafür ohrfeigen können, weil ich sie den Inhalt der heruntergefallenen Einkaufstüte selbst aufheben ließ. War es das, wovon Kollegen in den Pausen immer wieder berichteten? Waren das alles Hormone, die sich plötzlich im Körper verteilten, wie eine ansteckende Krankheit ... ein gefährlicher Virus? Wenn ja, war es zumindest nicht unangenehm. Mama könnte sich ja auch dieses eine Mal getäuscht haben. Sie hatte schließlich auch immer behauptet, dass Frauen viel sparsamer seien als Männer. Die Behauptung stand nur solange, bis ich abends, nach einer feucht-fröhlichen Geselligkeit, die Tür zum Bad mit ihrem Schuhschrank verwechselte. Sie versuchte, die immense Anzahl an Pumps damit zu erklären, dass sie lediglich die Grundausstattung einer verheirateten Frau ihr Eigen nannte. Ich hatte nie gefragt, wie Papa das mit seinem Gehalt hat finanzieren können.
Beim Einzug half ich Verena, die schwere Bodenvase in die Wohnung zu tragen. Da geschah es zum ersten Mal. Als sie sich mit diesem besonderen Lächeln und dem flüchtigen Wangenkuss bei mir bedankte, rebellierte mein Bauch. Da war etwas durcheinander geraten, es flatterte eine Armee von ... ja, es mussten Schmetterlinge sein, da war ich mir sicher. Fortan tauchte Verena wieder und wieder vor meinem geistigen Auge auf. Sie schob sich immer öfter vor Mamas strenges Gesicht, was ich als absolut positiv einstufte. Ich hätte dieses Wesen aus dem Gedächtnis zeichnen können.
Mein absoluter Hit ab diesem so bedeutenden Tag wurde Living next Door to Alice. Smokie vergötterte ich schon immer, jetzt bekam Chris Norman die Seligsprechung. Allein die Existenz dieser Frau stellte mein gewohntes Leben komplett auf den Kopf. Das Fell der Teddydame Bienchen hatte den Geruch meines neuen Rasierwassers nun ebenfalls ange-nommen, was sie jedoch mit stoischer Ruhe tolerierte. Schließlich ging es ja um das Wohl und das Glück ihres Papas. Das Chaos in der Zweieinhalb-Raum-Wohnung war überschaubarer geworden, sogar die Bettwäsche wurde jetzt schon rein prophylaktisch alle drei Wochen gewechselt. Es tauchten plötzlich Tätigkeiten auf der To Do-Liste der Hausarbeiten auf, die zuvor von mir sträflich vernachlässigt wurden. Die Umräumarbeiten bedeuteten allerdings für mich als Gewohnheitstier eine komplette Neuorientierung in der Wohnung. Vieles befand sich nicht mehr an dem angestammten Platz. Das Unterbewusstsein, sogar die motorischen Bewegungsabläufe, erfuhren ein komplettes Reset.
Für mich wäre mein folgendes Leben wohl anders verlaufen, wenn ich, wie gewohnt, die Gummimatte beim Duschen in die Wanne gelegt hätte. Als ich das Versäumnis bemerkte, war es bereits zu spät. Unheilig lieferte den aktuellen Ohrwurm Geboren um zu leben, der mich zu Bewegungen verleitete, die ausschließlich für trockenen, stumpfen Untergrund geeignet waren. Meine angeborene Motorik war mit diesen Tanzeinlagen völlig überfordert, die Wanne außerdem zu glatt. Das dumpfe Geräusch der aufschlagenden Stirn auf dem Wannenrand bildete den Abschluss einer ungewollten Pirouette, die mindestens die Traumnote neun auf der Wertungsskala erlangt hätte. Da es unter der Stadt Essen häufiger zu Stolleneinbrüchen kam, störte sich auch jetzt niemand im Haus an den Erschütterungen, die nach kurzer Zeit wieder verebbten. Als ich nach wenigen Sekunden das Bewusstsein wiedererlangte, orientierte ich mich in dem beigegekachelten Badezimmer neu. Da ich den Ellenbogen während meiner kurzzeitigen, geistigen Abwesenheit auf den Auslauf gedrückt hielt, hatte sich das Wasser schon einige Zentimeter aufgestaut. Mit einem zufriedenen Gluckern nahm es nun den gewohnten Weg und ich wälzte mich über die Wannenkante auf die Badematte, die meinen Aufprall wohlwollend abfederte. Die starke Blutung versuchte ich, mit einem Handtuch zu stoppen. Allein die Vorstellung, bereits hektoliterweise dieses wichtigen Lebenssaftes verloren zu haben, brachte mich an den Rand einer erneuten Ohnmacht. Der verspätete Schrei zerriss zwar die Stille des Bades, befreite mich aber auch von der eingetretenen Angststarre.
Vor dem Spiegel betrachtete ich den ange-richteten Schaden genauer. Gut, ich konnte mein lockiges Deckhaar in die Stirn ziehen, damit die Wunde verstecken ... aber das war auf Dauer auch keine Lösung. Meine braunen Augen wirkten heute nicht so klar und selbstsicher, wie ich es gewohnt war. Ich gewann sogar den Eindruck, dass ich durch die abnormale Schonhaltung geschrumpft wirkte. Mama war immer so stolz darauf, wenn sie meine einhundertneunzig Zentimeter Größe vor Bekannten als Wertemaßstab anführte. Sie meinte, dass große Männer viel erfolgreicher durchs Leben gingen, mehr Türen für sie offenstanden. Nun denn, sie mochte damit recht gehabt haben, denn das hiesige Finanz-amt, in dem ich tätig war, hatte wirklich ein imposantes Portal.
»Fuck, wie sieht das denn aus? So kann ich mich doch nirgendwo sehen lassen. Verdammt, verdammt.«
Ich mochte mich ja täuschen. Aber dieses Grinsen in Bienchens Gesicht war vorher weniger intensiv und nicht derart spöttisch. Zur Strafe drehte ich das Plüschtier mit dem Gesicht zur Wand und marschierte gespielt beleidigt zum Erste-Hilfe-Kasten. Nachdem ich die Varianten Nähen und Tackern ausgeklammert hatte, richtete sich mein Blick auf den Zwei-Komponenten-Kleber. Jedoch der beißende Geruch des Lösungsmittels ließ mich auch diese Methode als ungeeignet einstufen. Schlichtes Pflaster musste in diesem Fall genügen. Solange es sich bei Krankheiten nicht um die gefürchtete und todbringende Männergrippe handelte, vermied ich konsequent den Besuch einer Arztpraxis. Das sollte sich in diesem speziellen Fall rächen.

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16. Januar 2017

'Das Geheimnis der Ronneburg' von Jörg Olbrich

Nach dem Tod seiner Mutter macht sich Julius Meyer auf die Suche nach seinem Vater. Diese führt ihn zur Ronneburg, die ein furchtbares Geheimnis birgt. Menschen werden bestialisch ermordet. Julius wird schnell in die beängstigenden Geschehnisse hineingezogen. Doch was haben die mit dem Verschwinden seines Vaters zu tun? Kann es ihm gelingen die dunklen Geheimnisse seiner Vergangenheit zu lüften?

Stück für Stück wird das tödliche Puzzle zusammengesetzt und Julius gerät in einen Abgrund von Leidenschaft, Gewalt und Hass.
Und dann erkennt er die Wahrheit.

Historischer Krimi von Jörg Olbrich.

Gleich lesen: Das Geheimnis der Ronneburg

Leseprobe:
Julius Meyer zog die Wirtshaustür auf und kam sich auf einmal klein wie ein Zwerg vor.
»Was willst du?«, brummte der Koloss, der vor ihm stand, und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich suche ein Quartier für die Nacht.« Hatte Julius gerade noch ein Durcheinander von Stimmen gehört, so sprach jetzt keiner der Anwesenden mehr ein Wort.
»Wir haben geschlossen«, sagte der Wirt. Die Männer standen so nahe beieinander, dass sie sich fast berührten.
»Der Raum ist voller Gäste. Wie kann da geschlossen sein? Ich bin gerade hier angekommen und möchte die Nacht nicht draußen im Nebel verbringen.«
»Das ist dein Problem. Für Fremde haben wir keinen Platz.« Der Wirt stank nach Alkohol und Schweiß. Er wich keinen Millimeter von seinem Platz, sodass Julius nicht einmal in den Raum sehen konnte.
Julius erinnerte sich an die Reaktion des Leichenwagenkutschers, der ihn hier abgesetzt hatte. Als er ihm sagte, dass er im Gasthaus „Zur Krone“ übernachten wollte, hatte der nur gelacht, sich umgedreht, war weggefahren und hatte ihn alleine auf der Straße zurückgelassen.
»Was ist denn das für ein Wirtshaus, in dem Reisende nicht bewirtet werden?«
»Schmeiß den Kerl endlich auf die Straße, dann ist Ruhe«, ertönte eine Männerstimme aus dem Schankraum.
»Ja, Josef«, rief ein Zweiter. »Du redest doch sonst nicht rum. Zeig dem Bürschchen, wer der Herr des Hauses ist.«
»Raus!«, sagte Josef. »Und zwar augenblicklich.«
Der Wirt trat einen Schritt vor, und Julius wich zurück.
»Könnt Ihr mir bitte erklären, was das soll?«
Ohne zu antworten, zog Josef die Tür ins Schloss und verriegelte sie von innen.
»Sind denn alle hier verrückt?« Julius ging auf ein Fenster des Wirtshauses zu, das zur Straße zeigte. Bevor er aber einen Blick in den Schankraum werfen konnte, wurden die Vorhänge zugezogen. Er drehte sich um. Der Ort wirkte wie ausgestorben. Nur im Wirtshaus brannte Licht. Es war still. Ungewöhnlich still.
Ärgerlich wischte sich Julius einen Regentropfen von der Nase. Er ging ein paar Schritte, und als er gerade die Hausecke erreichte, hörte er ein Geräusch von der anderen Straßenseite.
Eine Gestalt kam auf das Wirtshaus zu. Gehörte sie zu den Männern im Schankraum? War es möglich, dass der Wirt ihn beim Aussteigen aus dem Leichenwagen beobachtet hatte, und deshalb so schnell an der Tür gewesen war? Anders konnte es sich Julius nicht erklären, dass ihn der Koloss direkt an der Tür abgefangen hatte. Kam jetzt die Person, die Josef und die anderen eigentlich erwartet hatten?
Der Schatten erreichte die Eingangstür und klopfte.
»Ich habe dir doch gesagt, dass du verschwinden sollst!«, hörte Julius von innen.
Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Josef glaubte offenbar, dass er einen zweiten Versuch unternehmen würde, ins Gasthaus zu kommen.
»Ich bin es, Eva.«
Was macht eine Frau alleine mitten in der Nacht vor einem Wirtshaus? Die Situation wurde immer verwirrender. Julius hörte, wie sich die Tür öffnete.
»Was willst du?«
»Lass mich rein, Josef.«
»Verschwinde. Das hier ist nichts für Frauen und besonders nichts für dich. Ich habe dir gestern schon gesagt, dass ich mich um alles kümmern werde. Hör endlich damit auf, dich einzumischen.«
»Die Sache geht mich genauso viel an wie euch. Lass mich rein.«
»Nein. Es gibt nichts, was du jetzt tun kannst. Denk daran, was mit deinen Eltern geschehen ist. Geh nach Hause.« Hatte die Stimme von Josef gerade noch ärgerlich geklungen, so hörte er sich jetzt an, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen.
»Ich denke an nichts anderes«, zischte Eva. »Und ich habe ein Recht darauf zu erfahren, was ihr da drinnen plant.«
»Mach, dass du verschwindest. Noch einmal warne ich dich nicht.« Wieder fiel die Tür ins Schloss. Eva blieb im Regen zurück und hämmerte noch einmal mit beiden Fäusten gegen das Holz. Vergeblich.

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12. Januar 2017

'Von Worten berührt' von J. Vellguth

Penny hat einen Traum: Schriftstellerin werden. Das ist aber gar nicht so leicht, wenn man nicht nur eine verdammt gute Mutter für einen dreijährigen Wirbelwind sein möchte, sondern auch noch seine Brötchen als Assistentin eines bärbeißigen Bestseller-Autors verdienen muss, der einen die meiste Zeit als Fußabtreter benutzt.

Aber manchmal braucht das Schicksal nur einen kleinen Schubs, eine U-Bahn und einen Mann in Tweed.

Eine romantisch-moderne Geschichte über die Liebe, das Leben und die Macht der Worte.

Gleich lesen: Von Worten berührt: Liebesroman


Leseprobe:
Abenteuer
Ein Buchladen ist wie ein eigenes, kleines Universum. Hunderte von Welten reihen sich aneinander und bilden ein farbenfrohes Streifenmuster – den Strichcode des Lebens.
Ungeduldig warten diese Schöpfungen nur darauf, den nächsten willigen Leser mit aller Macht in ihr Gravitationsfeld zu ziehen und ihn mit ihren Worten fortzureißen, durch wilde Strömungen, plätschernde Seen und glitzernde Wasserfälle. Nur, um ihn am Ende der Reise völlig erschöpft und voller neuer Erinnerungen wieder in die Welt hinauszuspucken und ihn in sein eigenes großes Abenteuer zu entlassen.
Eric stand vor dem Eckregal in dem kleinen Laden, ließ die Finger über das sanfte Wellenmuster der Buchrücken streifen und lauschte den zarten Klängen des Klaviers hinter sich.
Amy trat neben ihn. »Heute so unentschlossen? Kann ich dir helfen«, fragte sie. Ihr blonder Bob glänzte im Schein der Frühlingssonne.
Automatisch setzte Eric sein Autorenlächeln auf und funkelte sie vielsagend an. »Eigentlich bin ich nur auf der Suche nach etwas … Inspiration.«
Sie lachte. »Heb dir deinen Charme lieber für deine Fans auf.«
»Hey, ich muss im Training bleiben, die nächste Signierstunde ist noch über eine Woche hin.« Er fuhr sich demonstrativ durch sein eigenes dichtes, blondes Haar und zwinkerte ihr zu. »Ryan wird schon nichts dagegen haben.«
Der junge Mann am Klavier, mit löchriger Jeans und Lederjacke, schien irgendwie gar nicht in den schicken Laden zu passen. »Das hab ich gehört«, rief er über die Schulter und ließ seine Finger stürmisch über die Tasten springen.
»Wir unterhalten uns nur ein bisschen«, schäkerte Eric. »Spiel du lieber weiter Musik.«
Diesmal bekam er einen gefährlichen Seitenblick zugeworfen und das Klavierspiel wurde noch etwas temperamentvoller.
Eric seufzte theatralisch. »Ich hab von Büchern gesprochen, okay? Von Büchern als Inspiration.« Damit zog er ein schwarzes heraus und legte es demonstrativ auf den Stapel, den er neben sich auf dem Fußboden gebildet hatte und der ihm mittlerweile fast bis zum Knie reichte. Sich mit Fans zu unterhalten war einfacher als mit normalen Menschen. Fans mochten es, wenn er mit ihnen flirtete, obwohl er es selten richtig ernst meinte.
Leider war Amy kein richtiger Fan. Sie mochte generell alle Bücher und hatte gelegentlich etwas von einer Enzyklopädie, was das anging, sie sah nur etwas hübscher aus. Natürlich kam sie nicht an die kleine Schwarzhaarige heran.
»Was macht eigentlich deine Freundin aus der U‐Bahn?«, fragte Amy, als könnte sie Gedanken lesen. Viel zu beiläufig griff sie nach dem Buch, das Eric gerade willkürlich auf seinen Stapel gelegt hatte.
»Sie ist nicht meine Freundin«, antwortete er viel zu hastig.
Jetzt bereute er, die mysteriöse Unbekannte überhaupt vor Amy erwähnt zu haben. Aber sein Bruder hätte nur falsche Schlüsse gezogen und seine Mutter wäre ihm wochenlang damit auf dem Keks gegangen.
Seine Lieblings‐Buchhändlerin ins Vertrauen zu ziehen, hatte damals nach einer guten Idee geklungen. Nur, um herauszufinden, was das andere Geschlecht von so einer Beziehung hielt, natürlich.
Jetzt war er sich nicht mehr so sicher, ob das wirklich so eine gute Idee gewesen war und wünschte sich, er hätte damals bloß seine Klappe gehalten.
Amy strich über ihren bunt gemusterten Rock. »Habt ihr euch immer noch nicht vorgestellt?«
»Nein«, sagte er knapp und zog einen blauen Wälzer aus dem Regal.
»Aber ihr sprecht immer noch jeden Morgen miteinander?«
Jetzt konnte er die Neugier in ihren Augen funkeln sehen, als wäre sie auf der Suche nach einer Geschichte. Nicht nach einer, die sie weitererzählen konnte, dafür war sie zu diskret. Aber nach einer Geschichte, wie man sie sonst nur in Büchern finden kann.
Das musste er im Keim ersticken. Also blieb er kurz angebunden. »Ja. Über Bücher. Sonst nichts«, das Buch aus seiner Hand wanderte ungesehen auf den Stapel. Amy sammelte es ein und betrachtete es skeptisch.
»Aha.« Sie kräuselte die Lippen. »Wenn das stimmt, dann frage ich mich nur, warum deine Leseauswahl so … eigenwillig ausfällt, während du darüber sprichst.« Sie hob eine Mützenstrickanleitung und einen Reiseführer in die Luft.
»Ich sag doch, ich suche nur nach Inspiration«, er schnappte ihr beide Bücher aus der Hand, erkannte, dass es sich um einen Reiseführer für Thailand handelte und legte trotzdem beides wieder auf seinen Stapel.
»Also, ich finde, du solltest sie nach ihrem Namen fragen«, sagte Amy.
Er seufzte beim Gedanken an die mysteriöse Unbekannte. Mehr als einmal hatte er das Thema vorsichtig angeschnitten, aber sie war immer ganz elegant ausgewichen. Hatte ihr glänzend schwarzes Haar hinter ihr Ohr gestrichen, verlegen zur Seite geblickt und das Thema gewechselt.
»Was hab ich denn davon? Höchstens ein neues Fangirl. Danke, aber davon gibt’s schon genug.«
»Nicht jede Frau, die dich nett findet, wird gleich zum schmachtenden Groupie.«
Ryan stoppte mitten im Spiel und grunzte. »Das will ich aber auch schwer hoffen.«
Schnell trat Amy hinter ihn und drückte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange.
Wenigstens wurde sie so vom Thema abgelenkt. Es gab sowieso nicht mehr viel zu sagen. Denn Eric wusste selbst nicht so genau, was er mit der jungen Frau aus der Bahn anfangen sollte.
Er wollte ganz sicher keine feste Beziehung. Allein bei dem Gedanken bohrte sich eine lange, glühende Stricknadel in seinen Hals, durch seine Lunge hindurch bis hinunter in seinen Magen.
Nein, Danke.
Allerdings bewies allein die Tatsache, dass Amy von der dunkelhaarigen Schönheit wusste, dass er viel zu oft über sie nachdachte.
Vielleicht war es tatsächlich an der Zeit, sie sich aus dem Kopf zu schlagen.
Dafür könnte er natürlich einfach eine andere Bahn zur Arbeit nehmen. Schließlich legte er seine Zeiten selber fest. Das wäre wohl die einfachste Variante gewesen. Oder aber, er könnte das Praktische mit dem Angenehmen verbinden.
Die Nadel in seiner Brust begann zu glühen.
Auf die eine oder andere Weise war es auf jeden Fall Zeit für eine Veränderung.

Im Kindle-Shop: Von Worten berührt: Liebesroman

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'Grundlagen der Programmierlogik' von Marcus Pérez

Programmiersprachen unterscheiden sich in ihrer Ausdrucks- und Schreibweise, die Konzepte dahinter sind jedoch meist sehr ähnlich. Daher ist es zunächst wichtig, die grundlegende Logik zu verstehen, welche alle gängigen Programmiersprachen miteinander gemein haben.

Die Programmierlogik bildet den Grundstein, um die Struktur von Computer-Programmen planen und entwickeln zu können. Erst wenn das Konzept steht, erfolgt die Umsetzung in einer sprachenspezifischen Schreibweise.

Unabhängig von einer speziellen Sprache dient dieses Buch als Vorbereitung zum Erlernen der ersten Programmiersprache. Ein wichtiges Hilfsmittel hierfür ist der Programmablaufplan, mit dem sich die logische Struktur leicht verständlich und nachvollziehbar darstellen lässt.

Gleich lesen: Grundlagen der Programmierlogik

Leseprobe:
Was ist eigentlich Programmierung?

Definition Programmierung (Informatik):
In der Informatik versteht man unter der Programmierung die Planung, Entwicklung und Umsetzung (Codierung) eines (Computer-)Programms.

Sicher stellt die Aussage, dass mit Programmierung das Erstellen eines Programms gemeint ist, keine besonders neue Erkenntnis für Sie dar. Allerdings gehört zur Programmierung mehr als nur das Eintippen von Computerbefehlen. Zwischen dem zu lösenden Problem und dem fertig ausführbaren Programm liegen viele Schritte. Grob lässt sich das in Planung, Entwicklung und Umsetzung gliedern. Zur Planung kann man die Problembeschreibung und -analyse, zur Entwicklung den Lösungsentwurf und deren Verbesserung zählen. In der Umsetzung wird daraus dann ein fertiges Programm. Doch was ist eigentlich genau ein (Computer-) Programm?

Definition (Computer-)Programm:
Ein Programm ist eine Folge von Befehlen, die dem Computer mitteilen, wie er eine Aufgabe zur Problemlösung abarbeiten soll.

Ein Programm ist folglich eine Beschreibung für die Vorgehensweise, um zu einer Lösung für ein bestimmtes Problem zu kommen. Wir selbst begegnen im Alltag ständig solchen Beschreibungen, die wir abarbeiten, wie z.B. in Form von Rezepten oder Wegbeschreibungen.
Nehmen wir an, Sie möchten zum Bahnhof und fragen einen Passanten, wie Sie dorthin kommen. Sie erhalten folgende Beschreibung:
▪ Fahren Sie die Straße bis zur 3. Ampel, dort biegen Sie links ab
▪ Nach 300m kommt ein gläserner Bürokomplex, hier rechts abbiegen
▪ Noch ein paar Straßen, dann sehen Sie auf der linken Siete den Parkplatz vom Bahnhof
Diese Beschreibung stellt im Prinzip eine Folge von Befehlen dar, mit deren Abarbeitung man das definierte Problem lösen kann. Folgen Sie den Anweisungen, löst dies Ihr Problem – nämlich wie Sie zum Bahnhof kommen. Doch ist es in der Form kein (Computer-) Programm, sondern eher ein Algorithmus.

Definition Algorithmus:
Ein Algorithmus ist die präzise und eindeutig verfasste endliche Folge von Anweisungen zur Lösung einer gegebenen Aufgabe bzw. eines Problems.

Anders formuliert: Ein Algorithmus ist die Beschreibung einer begrenzten Anzahl von Arbeitsschritten, die den Zweck erfüllen eine bestimmte Aufgabe zu lösen. Er muss äußerst präzise und eindeutig sein.
Dabei ist „präzise und eindeutig“ leicht differenziert zu betrachten. Ein Algorithmus ist erst einmal eine Art Bedienungsanleitung, z. B. ist ein Rezept eine Form von Algorithmus. Es erklärt uns in einer Folge von Anweisungen, wie wir zur Lösung unseres Problems gelangen, z. B. einen Kuchen backen. Ein Rezept erfüllt auch die Vorgabe, dass es endlich ist. Bleibt noch das „präzise und eindeutig“.
Beispiel: Nachdem wir alle Zutaten vorbereitet haben, steht in unserem Rezept: „Bei 200° für 60 Minuten in den Backofen geben“. Für uns ist das relativ präzise und eindeutig, zumindest ausreichend, um die Anweisung erfolgreich auszuführen. Vor allem können wir u. U. auf einen passenden Erfahrungsschatz zurückgreifen, wenn das nicht unser erster Kuchen ist. Möglicherweise fehlt uns die Information, ob wir den Backofen auf Ober-/Unterhitze oder Umluft stellen sollen, letztlich würden wir aber selbst eine Entscheidung treffen (können).
Der Computer kann das nicht und steht da wahrscheinlich schon vor einem Problem, denn: Computer sind dumm!
Computer können nicht selbstständig denken oder interpretieren, das heißt Sie müssen für den Computer jeden Schritt genau definieren und mögliche Hindernisse oder Probleme berücksichtigen. Jeder Tippfehler führt zu Fehlern.
Wenn wir einen geschriebenen Text lesen, der Fehler in der Grammatik oder Rechtschreibung enthält, dann werden wir diese teilweise überlesen oder zumindest den Inhalt dennoch korrekt interpretieren können. Ein Computer kann das von Haus aus nicht, allenfalls, wenn es ihm von einem Programmierer beigebracht wurde. Er arbeitet lediglich die vorgegebenen Befehle akribisch Schritt für Schritt ab. Entsprechend genau muss das Programm jede mögliche Situation berücksichtigen.
Zurück zu unserem Kuchenbeispiel: der Computer dürfte hier noch ganz andere Probleme haben, denn für ihn ist das alles viel zu unpräzise. Wenn wir dem Computer den Befehl geben würden, den Kuchen in den Ofen zu stellen, dann würde er das blind ausführen oder zumindest versuchen auszuführen.
Doch was ist, wenn die Ofentür geschlossen ist? Vermutlich würde er an der Aufgabe scheitern oder ggf. den Kuchen durch die Glasscheibe drücken. Wir müssten dem Computer also viel konkreter erklären, was er tun muss, damit am Ende der Kuchen im Backofen landet.
Zunächst müsste er nachsehen, ob die Ofentür geöffnet oder geschlossen ist und dann ggf. öffnen. Außerdem müssten wir ihm dann noch sagen, was er nehmen soll, wo er es findet und wohin es genau gebracht werden muss. Zum Schluss müssten wir ihm noch mitteilen, dass er die Ofentür schließen soll.
Das waren jetzt nur die Anweisungen für „in den Ofen schieben“, für den ganzen Rest wären genauso präzise Anweisungen nötig. Der Computer braucht also eine Schritt-für-Schritt-Anweisung, um korrekt arbeiten zu können.
Die Beschreibung „Jeder Einzelschritt muss für sich so einfach und so exakt beschrieben sein, so dass es keinen Zweifel über seine Abwicklung gibt.“ trifft den Punkt ziemlich gut, denn ein Computer kann mit zweifelhaften Anweisungen nicht umgehen.
Das Gute ist, das Programmiersprachen viel Arbeit abnehmen können, da typische Aufgaben bereits programmiert wurden. Man muss also nicht mehr alles von Grund auf programmieren, sondern kann auf bestehende Funktionen zurückgreifen und diese nach eigenem Bedarf kombinieren.

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10. Januar 2017

'Mein Vater, der Astronaut' von Frank Moulin

»Auf dem Mond erkennt Leon, was wahres Glück für ihn bedeutet. Doch es liegt in unerreichbarer Ferne. Können ihm seine ungewöhnlichen neuen Freunde dabei helfen, es zu erreichen?«

Leon ist Astronaut und liebt das Leben auf dem Mond. Doch er liebt auch seine Frau und seinen Sohn Ben, die auf der Erde geblieben sind. Um ihnen seine Zuneigung zu zeigen, lässt er sich etwas ganz Besonderes einfallen: Alle vier Wochen lässt er den Mond hell erstrahlen. Mit den Jahren wird die Sehnsucht nach seiner Familie jedoch übermächtig. Da stellt Leon entsetzt fest, dass er mit seinem Raumschiff nicht mehr zur Erde zurückkehren kann. Er ist verzweifelt – und erlebt die größte Überraschung seines Lebens …

Eine phantasievolle und berührende Erzählung rund um Abenteuer, Freiheit, Liebe und Freundschaft für Kinder (6–8 Jahre) und Erwachsene. Als E-Book in Ausgaben mit und ohne farbige Illustrationen erhätlich.

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Leseprobe:
Als ich vier Jahre alt war, trat mein Vater, der Astronaut, seine große Reise in eine ferne, unbekannte Welt an. Er landete auf dem Mond und war von dessen Anblick dermaßen überwältigt, dass er sich augenblicklich in ihn verliebte. Ab da gab es für ihn kein Zurück mehr. Er beschloss, dort zu bleiben – da oben in diesem dunklen, unendlichen Universum.
Ich begriff damals vieles noch nicht. Doch ich war traurig, denn ich vermisste meinen Vater.

Meine Mutter erzählte mir schließlich, was es mit dem Vollmond auf sich hatte. Damit wollte mein Vater meiner Mutter und mir eindrucksvoll zeigen, wie intensiv er an uns dachte. Die Batterien in seinem Raumschiff konnten für ein bis zwei Tage eine sehr hohe Leistung erbringen. War die Energie verbraucht, dauerte das Aufladen fast vier Wochen. Und so geschah es, dass er einmal im Monat alles, was in und an seinem Raumschiff Licht abgeben konnte, zum Leuchten brachte.
Die Menschen auf der Erde waren jedes Mal fasziniert von diesem runden, hellen Mond, der die Landschaft, die Dörfer und Städte in ein silbrig schimmerndes Licht hüllte. Manche jedoch wurden unruhig, konnten nicht schlafen oder verhielten sich gereizt. Was so ein Raumschiff alles bewirken konnte!

Viele Jahre später – mittlerweile war ich ein junger Mann – erzählte ich nahezu allen Menschen, die ich kennen lernte, diese Geschichte. Spätestens dann, wenn sie fragten, was meine Eltern so machten. Stolz berichtete ich ihnen, dass mein Vater, der Astronaut, auf dem Mond lebe. Und nur durch ihn könnten wir uns jeden Monat an diesem unglaublich schönen Vollmond erfreuen.
Manche Leute schauten mich mit großen Augen an, schüttelten den Kopf oder lächelten milde. Andere wiederum drehten sich um und gingen fort. Nur wenige fanden meine Geschichte vom Vollmond glaubhaft. Diese begeisterten sich allerdings so sehr an der Vorstellung eines Mannes auf dem Mond, dass sie alles ganz genau wissen wollten und gar nicht mehr aufhören konnten zu fragen. Das war, ganz ehrlich, ein bisschen nervig.
Und so wurde die Nacht des Vollmonds zu einer außergewöhnlichen – der Nacht meines Vaters.

Dann geschah etwas, das ich mir nach der langen Zeit gar nicht mehr hatte vorstellen können. Der Monat neigte sich dem Ende entgegen und meine Mutter und ich warteten sehnsüchtig auf den Vollmond, auf das Zeichen meines Vaters. Doch es blieb aus. Zuerst dachten wir an eine Verzögerung, aus welchem Grund auch immer. Tage vergingen. In dem unendlichen Sternenhimmel fehlte der leuchtend weiße Mond.
Voller Sorge standen wir Nacht für Nacht vor unserem Haus und blickten erwartungsvoll nach oben. Nichts war mehr wie zuvor und wir konnten nichts dagegen tun. Wir glaubten fest an den Vollmond und schickten unsere Gedanken und guten Wünsche durch das Weltall zu meinem Vater.
Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, war, dass er verzweifelt auf und ab ging. Die Batterien hatten mit einem Mal aufgehört, die Energie und somit den Strom für das Licht im Raumschiff zu speichern.
Er saß nun traurig vor seinem Raumschiff, stützte den Kopf in seine Hände und überlegte, was er noch tun konnte. Er hatte bereits alles versucht. Die Batterien hatten wohl ihr Lebensende erreicht. Lediglich die Notbeleuchtung im Raumschiff funktionierte noch, doch die konnte auf der Erde niemand sehen.

Gebannt schaute er zum blauen Planeten. Er hatte das Gefühl, er könnte unsere Gedanken spüren und die Erde würde ihn regelrecht anziehen. Ihn überkam tiefe Sehnsucht. Eine innere Stimme sagte ihm, dass nun die Zeit gekommen war, die Rückreise anzutreten. In diesem Augenblick wurde meinem Vater plötzlich klar, dass er mit seinem Raumschiff nicht mehr zur Erde zurückkehren konnte …

Was er nicht bemerkte, war, dass die Sterne in seiner Nähe ihm bereits eine ganze Weile zugeschaut hatten. Sie unterhielten sich mit besorgter Miene und beschlossen, den Mann auf dem Mond zu besuchen.

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Mehr über und von Frank Moulin auf seiner Website.

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9. Januar 2017

'Zwischen Schwarz, Weiß und Grau' von Bea Cach

Stell dir vor, du bist austauschbar – was dann?

Beate ist schon lange nicht mehr die alte Frau, die sie einst war, zumindest äußerlich. Sie lebt als Angelique, getrieben durch ihre Feinde, ihre Begabung und die Liebe. Ihr Können ist Gnade und Fluch zugleich, ermöglicht ihr Gefühle zu sehen, die gewöhnlichen Menschen verborgen bleiben. Verzweifelt sichert sie ihre Existenz, kämpft um ihre Identität, ihre Liebe und ihr Leben.

Wie wertvoll ist eine eigene Identität?
Wie wichtig ist die Vergangenheit?

Das Leben ist vielschichtig, die Menschen sind nicht in Kategorien von Gut und Böse einzuordnen, die Interaktionen zwischen ihnen werden von viel zu vielen Faktoren beeinflusst. Nicht alles ist Schwarz oder Weiß, in ihren Gedanken, wie im realen Leben. Vielleicht sieht sie die Nuancen, hört die Zwischentöne und schmeckt die Komposition der Gewürze des Lebens etwas deutlicher.

Grau, bringt nicht unbedingt Freude.
Grau, ist nicht immer nur schlecht!
Grau, in alle seinen Varianten kann eventuell die Resonanz unseres Sein verkörpern.

Zweites Buch der dystopischen Romanreihe von Bea Cach.

Gleich lesen: Zwischen Schwarz, Weiß und Grau

Leseprobe:
Die Temperaturen sind sehr angenehm, wir werden nett empfangen und genießen einen Abend am Strand. In einer der Tavernen wird gesungen und getanzt. Da wir jung und lebenslustig daherkommen, dürfen wir uns wie selbstverständlich dazu gesellen. Es ist wirklich überraschend anders und schön, unter Leuten zu sein. An Bord beschäftigten wir uns mit den täglichen Arbeiten und die Gesellschaft beschränkt sich nur auf uns. Mir fehlen gelegentlich andere Menschen und so genieße ich diesen Abend sehr. Ich lerne neue Leute und Tänze kennen, trinke etwas Wein, quatsche viel und bin sehr ausgelassen. So ein soziales Leben tut wirklich gut. Auf See beschränken sich unsere Kontakte auf das Netz, wobei in einigen Gruppen wirklich alles ausgeplaudert wird oder Menschen werden beschimpft, deformiert und beleidigt. Mir kommt es vor, als verroht unsere hochkultivierte Gesellschaft immer mehr. Dagegen ist es wirklich erstaunlich, dass das Christentum hier immer noch existieren darf. Die politische Lage spitzt sich auch an dieser Glaubensgrenze zu, wie lange werden die Waffen noch schweigen? Das gilt eigentlich für ganz Europa, nein die ganze Welt. Diese Generation muss nun ein Problem friedlich lösen, wofür andere Politiker die Verantwortung tragen, die sich dem Leben oder der Verantwortung bereits entzogen. Irgendwie ist bei Politikern für mich immer etwas Skepsis angebracht, zumal wir oft erleben, dass sie gegen jedes bessere Wissen der Gelehrten und Berater handeln.
Warum lassen wir uns das eigentlich immer noch gefallen?
Mit Jürgen diskutiere ich oft solche Dinge und irgendwann sind wir einig, dass wir eigentlich nichts tun können, verschiedene Standpunkte vertreten und trotzdem beide unzufrieden sind. Heute auch, wir können endlose Debatten führen. Doch bald schnarcht er friedlich in seiner Koje und ich hänge allein meinen Gedanken nach. An diesem Abend sind meine Gedanken allerdings bei Mat, wie so oft in den letzten zwei Jahren, ich kann ihn einfach nicht vergessen.
Gegen Morgen schlafe auch ich endlich ein und träume nur verrückte Dinge. Zeitig wache ich aus meinem Alptraum auf und koche im schönsten Sonnenschein meinen Kaffee. Das mit dem Schlaf klappt nicht so gut, seitdem ich ohne meinen Mann lebe, ist es eine regelrechte Qual. Viel zu viele Fragen stehen im Raum, um diese Episode abschließen zu können. Heute will ich allerdings einen weiteren Versuch starten. Bei dem schönen Wetter werde ich nicht hier im Hafen herumhängen und grübeln, sondern beschließe etwas für mein Seelenheil zu unternehmen.
Am Karfreitag besuche ich deshalb die Messe in einem orthodoxen Kloster. Für die griechisch orthodoxen Gläubigen ist das Osterfest der höchste Feiertag im Kirchenjahr. Ich wähle eine Abtei in der Nähe, hier war ich vor vielen Jahren mit Mat schon einmal. In Europa kommen die Erinnerungen intensiver an die Oberfläche, das mit dem Verdrängen klappt nicht immer, verletzt meine Seele und alte Wunden beginnen zu schmerzen. Die Sehnsucht nach meinem Mann, nach Liebe und Geborgenheit übermannt mich gelegentlich.
Bisweilen verspüre ich dieses Gefühl schon am Morgen und eine tiefe Traurigkeit erfüllt mich auch jetzt während meines Ausfluges. In einem halblangen weißen Kleid und mit großem blauen Sommerhut fahre ich erst mit dem überfüllten Bus und mache ich mich dann zu Fuß auf den Weg. Der ausgetretene enge Pfad führt einige Kilometer an der Küste entlang, in schwindelerregender Höhe geht es bergauf, es ist wirklich anstrengend.
Natürlich komme ich wieder einmal zu spät, ich bummle noch immer etwas. Bevor der Gottesdienst vorüber ist, erreiche ich immerhin ziemlich erschöpft das Kloster. Ein riesiges Gelände liegt vor mir, doch kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Hunde laufen über den gepflasterten Hof, eine Katze sonnt sich auf der Mauer und die Glocken läuten zum Ende des Gebetes, genau in dem Augenblick, als ich endlich die Kirche betrete. Reich geschmückt mit landestypischen Gaben und unzähligen farbenfrohen Blumen, die von der Prozession hier her gebracht wurden, liegt der große Gebetsraum vor mir. Viele Menschen drängen sich auf engem Raum und die stickige Luft, angereichert mit Weihrauch, nimmt mir fast den Atem. Etwas benommen verharre ich in Andacht, während der Priester die Gläubigen schon nach draußen geleitet.
Wenige Minuten später gewahre ich die besondere Atmosphäre an diesem Ort, bin in Gedanken bei meiner Hochzeit mit Maximilian und versuche mich von ihm zu lösen, wie immer eigentlich, wenn mich die Vergangenheit einholt. Der Raum leert sich zusehends, doch ich setze mich schweigend auf einen der wenigen Plätze am Rande. Mit Wehmut verweile ich an diesem Ort, bevor sich ein Mönch, in dem nun leeren Gebetsraum, zu mir begibt. Erst nach geraumer Zeit spricht er mich an. In Russisch antworte ich, zwar nicht auf seine Frage, die habe ich nicht verstanden, doch ich grüße ihn, danke für die Zeit, die ich noch hier verbringen darf und spende eine kleine Summe. Als ich ihn kurz ansehe, erkenne ich das markante Gesicht des Geistlichen, der uns einst beherbergte. Er schaut mich lange an und fragt, ob meine Mutter einmal auf der Insel war. Lächelnd bejahe ich und gestehe unter dem Schutz der religiösen Verschwiegenheit, dass meine Mutter Fürstin Orlowa ist. Zaghaft küsst er meine Hand und verschwindet so leise und schnell, wie er zu mir fand.
Jetzt, wo ich fast allein hier verweilen darf und langsam etwas mit Sauerstoff angereicherte Luft bekomme, denke ich an meine Zeit mit Mat. Wir waren einige Jahre als Fürstenpaar wirklich glücklich, doch meist versuchte uns jemand zu trennen, mich zu demütigen, oder umzubringen. Einen Grund dafür habe ich immer noch nicht gefunden, doch wir ließen es geschehen.
Vor dem, vom Alter gekennzeichneten Altar, verweile ich mit tränenden Augen geraume Zeit und erst als mir hier im Schatten des altes Gemäuers kalt wird, begebe ich mich nach draußen. Nach einem kurzen Rundgang durch die Klosteranlage, verlasse auch ich die heilige Stätte und laufe gedankenversunken zum Rande der Klippen zurück.
Es ist herrlich hier oben, erst die berauschende Wirkung der Andacht, die Droge Weihrauch, die meine Sinne benebelte und dann die grandiose Aussicht bei frischer Meeresluft, die alle Sorgen vorüber ziehen lässt. Noch eine kurze Pause auf einem der Felsen. Hier standen wir einst und blickten, von einer gemeinsamen Zukunft träumend, weit hinaus aufs Meer. Ich erinnere mich an seine Arme, die mich beschützend hielten, an seine Zärtlichkeit, die mich schmunzeln lies und an die lieben Worte, die mich an seiner Seite in Glückseligkeit wogen.
Mat, vielleicht kann ich mich hier und heute von dir verabschieden, an diesem Ort des einstigen Glückes. Wir waren uns kurze Zeit sehr nah, keiner deiner Freunde wusste, wie eng wir miteinander verbunden waren. Wenn ich die Augen schließe spüre ich immer noch deine Nähe und rieche sehnsuchtsvoll deinen Körper, auch wenn du mich betrogen hast.
Lebe wohl mein Liebster, es muss endlich ein Ende finden, bitte gib mir die Kraft dafür.
Ein leichter Seewind lässt mich nun befreit und zügig den Hang hinunter laufen. Mein Kleid schwingt im Takt der Schritte, der Hut hält meine üppigen langen schwarz-weißen Haare etwas im Zaum und als ich in einen alten Olivenhain komme, steht er plötzlich vor mir.

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7. Januar 2017

'Totgespielt' von L.C. Frey

Der erfolgreiche Thriller-Autor Andreas Herzog erwacht nach einem schweren Autounfall im Krankenhaus zu schrecklichen Neuigkeiten: Er soll seine Ex-Frau grausam verstümmelt und ermordet haben – vor den Augen ihres gemeinsamen Sohnes. Doch Herzog ist überzeugt von seiner Unschuld und stürzt sich in eine waghalsige Flucht mit der jungen Krankenschwester Lina.

Während Herzog sich den Dämonen seiner Vergangenheit stellt, verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion: Weitere brutal zugerichtete Leichen tauchen auf – ermordet nach dem Muster in Herzogs letztem Thriller …

"Das Blut war überall. Es bedeckte die Wände der Hütte, die kitschigen Spitzenvorhänge an den Fenstern, das Bett. Ein fettiger, roter Streifen war quer über das Glas der kleinen Fensterscheiben gespritzt und lief jetzt herab, erstarrend und von Reif überzogen durch die Kälte des Glases, die gleichsam wie die Kälte des Herzens war. Denn das Herz war tot und es hatte aufgehört zu schlagen, für immer."

Dieser Thriller ist L.C. Freys bisher gewagtester Roman – und vielleicht auch sein persönlichster?

Gleich lesen: Totgespielt - Lauf soweit du kannst!

Weitere Bestseller von L.C. Frey im eBook-Sonar.

Leseprobe:
Tommy hatte die ganze Zeit an der Tür gewartet. Als es endlich klingelte, deutete er auf das kleine Bildschirmfenster oberhalb des Schlüsselbretts und rief: »Papa, Papa!«, während er aufgeregt in seinem Rollstuhl herumzappelte. Sabine warf einen Blick auf den kleinen Monitor der Gegensprechanlage und lächelte unwillkürlich. Ja, das war Herzog, unverkennbar. Niemand sonst trug einen derart aufsehenerregend hässlichen Ledermantel zu Nike-Turnschuhen. Zumindest niemand, der dieses Ensemble mit einer sechshundert Euro teuren Gucci-Jeans vervollkommnete.
Er hatte sich wohl auch in diesem Jahr Mühe gegeben, sich selbst zu übertreffen, was die Geschenke für Tommy betraf. Die prall gefüllte Sporttasche, die er stolz in die Kamera reckte, war so riesig, dass sie den Großteil seines Gesichts verbarg, und dahinter ragte eine lächerliche Weihnachtsmannmütze hervor, passend zu seinen knallroten Nikes. Während sie ihrem aufgeregten Sohn abwesend durch die Haare fuhr, drückte Sabine auf den kleinen Knopf, der mit
Öffnen
beschriftet war, und setzte ein unverbindliches Lächeln auf. Tommy gab sich weit weniger Mühe, seine Freude über den Besuch zu verbergen, und auch wenn er bestimmt über Herzogs Geschenke begeistert sein würde, so war es doch das Erscheinen seines Vaters, dem er hauptsächlich entgegenfieberte.
Wenn du das bloß mal kapieren würdest, Herzog, dachte Sabine und lauschte auf die beschwingten Schritte im Treppenhaus, die zu ihnen unterwegs waren.
Dass es nicht nur um dein Geld geht, auch wenn das natürlich hilft. Doch dann beschloss sie, dass sie Herzog heute, am Weihnachtsabend, mit Predigten dieser Art verschonen würde. Und sich selbst.
Er wummerte dreimal kräftig gegen die Tür.
»Weihna’mann!«, flüsterte Tommy ehrfürchtig und presste dann seine Hände auf den Mund. Sah sie aus weit aufgerissenen, leicht schräg stehenden Augen an.
»Genau«, sagte Sabine, laut genug, dass man es auf der anderen Seite der Tür hören konnte. »Hoffen wir mal, dass wir beide artig waren, was?«
Tommy stimmte ihr eifrig nickend zu.
Lächelnd öffnete Sabine Neuhaus die Tür. Draußen stand Herzog, die Sporttasche hochgereckt, hinter der die blödsinnige Mütze hervorlugte. Machte sich wahrscheinlich einen Riesenspaß aus dieser Weihnachtsnummer.
»Hey«, sagte sie und öffnete die Arme. »Soll ich dir was abnehmen, lieber Weihnachtsmann?«
»Aber gern«, sagte Herzog und drückte ihr die Sporttasche in die Arme.
Als Sabine sein Gesicht sah, erstarrte sie.

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