28. September 2017

'schwarz - rot - tot' von Eddy Zack

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Spannend - brisant - erotisch - aktuell.

Zürich. Eine behäbige, beinahe spießige Stadt. Aber hinter der Fassade der heilen Bürgerlichkeit brodelt es. Immer wieder verschwinden Frauen. Alle waren jung, niemand vermisst sie, denn sie sind Ausländerinnen und Huren. Die Polizei steht vor einem Rätsel.

Leseprobe:
Psychiatrie ist Scheiße. Wenn Sie da hineingeraten, egal aus welchen Gründen, werden Sie erst einmal entmündigt. Ich meine nicht im juristischen Sinn, sondern so ganz praktisch. Sie entscheiden nichts mehr selbst. Wäre es möglich, würden Ihnen die Ärzte vorschreiben, wann Sie pissen und kacken. Es mag ja sein, dass manch einer dort gut aufgehoben ist, sich vielleicht auch ganz wohl fühlt, weil er den Unterschied zwischen drinnen und draußen nicht mehr erkennt. Ich habe hinter den Gittern diverser Klappsmühlen gelernt, dass viele dort hineingeraten, obwohl sie völlig normal sind, es zumindest vorher waren. Vielleicht hatten sie einen leichten Sprung in der Schüssel, benahmen sich manchmal eigenartig, trugen schrill gemusterte Krawatten und Unterhosen mit Röschen am Schlitz oder pinkelten in aller Öffentlichkeit an Laternenpfähle. Durch das große eiserne Tor gelangten sie, weil Familienmitglieder, Ehefrauen, Kinder oder die Justiz sie für verrückt erklären ließen. Ist man erst einmal drin, braucht es eine gehörige Portion Glück, die Anstalt wieder verlassen zu dürfen. Wenn die amtsärztlichen Fehlentscheidungen lange genug weggesperrt sind, schnappen sie in der Regel tatsächlich über. Die Ärzte haben lediglich Ursache und Wirkung vertauscht.
Es ist dort wie im Knast – alle werden zusammengesperrt. Im Knast sitzt der Handtaschendieb mit dem Serienkiller in einer Doppelzelle, in der Klappsmühle läuft auch alles durcheinander. Man kann lange rätseln, wer da von wem lernt, im Knast wie in der Psychiatrie. Beide Einrichtungen sind so eine Art staatlich geförderter Workshop, um es mal auf Neu-Deutsch auszudrücken.
Ich kam in die Psychiatrie, weil ich zu viel trank. Ich habe immer getrunken. Von meinem fünfzehnten Geburtstag an durfte ich in den großen Ferien als Getränkeboy auf den Fernschnellzügen zwischen Rom und Zürich fahren, und diese Züge waren so was wie rollende Akademien für Sauereien aller Art. Meine Mutter wohnte in einem kleinen Nest an der Strecke auf italienischer Seite, deshalb bin ich halber Italiener. Mein Vater war Franzose, so steht es in meiner Geburtsurkunde. Kennengelernt habe ich ihn nie und ich vermute, auch meine Mutter kannte ihn nur flüchtig. Gerade die paar Minuten für einen Fick oder mehrere. Das Ergebnis war ich.
Ich fuhr also von Ende Juni bis Anfang September als Getränkeboy auf den Fernzügen und das prägte mich für mein späteres Leben. Mein Bruder, er war ein Jahr älter, war ebenfalls Getränkeboy. Wir waren Halbbrüder. Er war wie ich das Ergebnis eines Gelegenheitsficks unserer Mutter.
Die Eisenbahngesellschaft hatte uns schicke Uniformen verpasst, dunkelblaue Hosen, rote, eng sitzende Jacken mit Goldknöpfen und ein fesches Käppi. Die Männer, denen wir die Getränke brachten, waren großzügig und füllten uns oft so gründlich mit Schnaps ab, dass wir den Zielbahnhof, Rom oder Zürich, nicht auf eigenen Beinen erreichten. Die Frauen hatten andere Bedürfnisse und ich für meinen Teil habe auf diesen Reisen viel gelernt. Ich vergaß zu sagen, die Züge hatten Schlafwagenabteile. Mein Bruder war der Favorit der männlichen Reisenden, ich der weiblichen. Ein Mann hat es einmal mit mir versucht, ich glaube, er hat mich in der Dunkelheit mit meinem Bruder verwechselt. Wir trugen identische Uniformen.
Als ich 18 wurde und mein Bruder 19, verließen wir die Schule, gingen normalen Berufen nach, hatten keine langen Sommerferien mehr und mit den Reisen war es vorbei, dem kostenlosen Schnaps und den gierigen Frauen.
Ich kann wirklich nicht sagen, nicht einmal schätzen, wie viele Frauen mich damals vernascht haben oder umgekehrt, wie viele ich in den engen Schlafwagenabteilen flachgelegt habe. Wenigstens war mir später auf den Matratzen nichts fremd. So ganz nebenbei hatte ich mir das Saufen angewöhnt.
Ich blieb in Zürich hängen. Mit meinem Bruder hatte ich später nie wieder Kontakt, und ich weiß auch nicht, wie es ihm im Leben ergangen ist. Ich trank zu viel, hatte oft keinen Job und kein Geld, landete in Asylen und psychiatrischen Einrichtungen. Es waren zumeist nur kurze Aufenthalte, ein oder zwei Wochen, manchmal einen Monat. Ich schaffte es auch, zwischen meinen Abstürzen einen Beruf zu erlernen, ich wurde Schriftsetzer in einer Buchdruckerei. Das war eine feine Sache, denn es brachte mich zur Literatur. Wir druckten alles zwischen Goethe, Schiller und Dürrenmatt auf der einen Seite und Groschenheften, Reklame und Porno auf der anderen, alles, was sich auf Papier drucken lässt. Ich druckte nicht nur, ich las auch, und es dauerte nicht lange, da schrieb ich drei Kurzgeschichten und schickte sie einem Verlag. Ich saß ja an der Quelle. Der Verlag nahm meine Geschichten an, schickte mir Geld, gerade soviel, dass ich motiviert war, weiterzuschreiben. So wurde ich Schriftsteller. Vielleicht kein richtiger, nur für Kurzgeschichten. Aber vergessen Sie nicht, auch Hemingway hat mit Kurzgeschichten angefangen und am besten gefällt mir sein Buch '49 Depeschen'. Das ist eine Sammlung seiner Reportagen. Von Hemingway habe ich viel gelernt. Der Verlag sagte mir, wie viele Seiten ich schreiben durfte. Die Zeitungen, für die Hemingway als Kriegsberichterstatter die Krisengebiete dieser Welt bereiste, räumten ihm Spalten für seine Meldungen ein. So wie Hemingway den Verlauf einer Schlacht in zwei Spalten unterbringen musste, schrieb ich das, was ich sagen wollte, auf drei oder wenn ich durfte, auch auf fünf Seiten. Einen Unterschied gab es noch – er schrieb über Kriege, ich über Frauen und Schnaps.
Soweit ließ sich das alles ganz gut an. Wenn mir nur nicht so oft der Schnaps in die Quere gekommen wäre.
Bei meinem letzten Alkoholabsturz, da war ich Ende dreißig, hatte ich, ohne es anfangs zu ahnen, Glück. Ich geriet an einen Arzt, der mich nicht nur entmündigte. Er wollte mir helfen, von dem Zeug loszukommen, und überredete mich, freiwillig in der Psychiatrie zu bleiben und mich einer gezielten Behandlung zu unterwerfen. Unterwerfung, das ist genau das richtige Wort für das, was sie dort mit mir machten.
Danach war ich einige Jahre trocken. Bis ich meine Freundin mit einem anderen Mann im Bett erwischte. Einen Moment stand ich in der offenen Schlafzimmertür und sah dem Gewusel auf der Matratze zu, hörte ihr Gestöhne. Ich drehte mich um, ging in die Küche, holte die beinahe volle Flasche Cognac für Besucher aus dem Schrank, setzte sie an den Hals und trank sie halb leer. Nach ein paar Minuten wirkte der Schnaps und ich trank den Rest. Einen Moment überlegte ich, dann fiel mir das Beil ein, mit dem wir sonst die Hühner tranchierten. Ich griff mir das Fleischerbeil vom Haken in der Küche und ging zurück ins Schlafzimmer. Ich wollte den Kerl nicht umbringen, ihm nur die Eier abhacken. Inzwischen hatte er seine Hosen wieder an und ich verletzte ihn nur an der Schulter, nichts Schlimmes, ich war zu besoffen. In meinem Suff hätte ich mich eher selbst kastriert.
Es war nicht so sehr der Betrug oder dass ich die beiden in flagranti erwischt hatte. Dass da was neben mir lief, ahnte ich schon lange. Nein, stimmt nicht. Ich wusste es, wollte es mir selbst nur nicht eingestehen. Bis ich unplanmäßig in der Schlafzimmertür stand und sah, wie sie einem Kerl den Schwanz bearbeitete. Da konnte ich es nicht länger verdrängen. Sie hörte nicht etwa auf mit ihrer Lutscherei, war entsetzt oder schuldbewusst. Im Kino sagt die Heldin an dieser Stelle – es ist nicht so, wie es aussieht oder ähnlichen Blödsinn. Nein, sie sah mich an seinem Gehänge vorbei an, grinste und lutschte weiter, grinste zu mir hoch und lutschte auf Teufel komm raus. Als wollte sie mir irgendetwas beweisen.

Im Kindle-Shop: "schwarz - rot - tot" Thriller

Mehr über und von Eddy Zack auf seiner Website.



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26. September 2017

'Schatten des Schwurs - Gesamtausgabe' von E.L. Bono

Wussten sie, dass der Wissenschaft während der letzten Jahre, nach und nach, der Beweis gelang, dass wir mit unseren Gedanken den eigenen und den genetischen Code anderer Menschen verändern können, bis hin zur Aktivierung des Sterbegens?

Als im Kenia der Fünfzigerjahre der Mau-Mau Bürgerkrieg fast schon beendet war, führte der Zufall den kenianischen Bauernsohn Kanoro und das junge Waisenmädchen Makena zusammen. Gemeinsam suchten sie das große Glück, „so zu leben wie die weißen Feudalherren“. Der unglaubliche Aufstieg und Reichtum der beiden erfuhr erst sein jähes Ende, nachdem bei ihm die Midlife Krise zuschlug und er sich in die junge Miss Kenia verliebte.

Ein mit allen Mittel, bis hin zu den tödlichen Ritualen der Schwarzen Magie, geführter Rosenkrieg beginnt. Als ein Kind Makenas nach dem anderen stirbt, glaubt zunächst niemand an die tödliche Wirkung der alt-afrikanischen Zauberschwüre. Doch Schritt für Schritt tauchen erste wissenschaftliche Beweise auf, die alle bisherigen Vorstellungen darüber ins Wanken bringen. Als Kanoro erkennt, was er da anrichtete, ist es jedoch zu spät.

„Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht los.“
J.W.v.Goethe - Der Zauberlehrling


In diesem Thriller führt der Autor, vor dem geschichtlichen Hintergrund der Befreiung Kenias von der britischen Kolonialmacht, Jahrhunderte alte Rituale schwarzer Geisterheiler, mit den modernsten, wissenschaftlichen Erkenntnissen der Epigenetik (alles rund um die Genetik) zusammen. Was zu Beginn völlig unmöglich klingt, wird nach und nach zur erdrückenden Gewissheit.

Gleich lesen: Schatten des Schwurs Gesamtausgabe Teil 1,2, und 3: Ein afrikanischer Thriller (Kenia)

Leseprobe:
Situationsbeschreibung:
In einem Rosenkrieg greift Kanoro auf alt-afrikanische Schwüre zurück, um seine Frau zu besiegen. Der Schwur geht jedoch nach hinten los und ein Kind nach dem anderen stirbt. Um ihre Kinder zu retten, beschließt Makena ihren Mann zu ermorden und dem Schwur ein Ende zu setzen.


„Nephrologie, dritter Stock, Zimmer 321“, sagte der Portier zu Makena. Kanoro war seit einigen Monaten Dialyse-Patient. Das ging normalerweise ambulant, zweimal die Woche, vor sich. Aber manchmal verschlechterte sich seine Nierenfunktion, und dann musste er für ein paar Tage ins Spital.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte ihn seit dem Begräbnis nicht mehr gesehen. Sie sah Kanoro vor sich, wie er sie das erste Mal beim Netballturnier angesprochen hatte, wie er intensiv um sie geworben hatte. Wie in einem Film, begann nun ihr ganzes gemeinsames Leben, in ihrem Geiste abzulaufen. Die glücklichen wie die schrecklichen Stunden. Wie konnte es nur soweit kommen? Welch ein Engel und Teufel zugleich wohnte in diesem Menschen? Sie nahm bewusst nicht den Aufzug, sondern wählte das Stiegenhaus. Mit jedem Schritt kam ihr eine neue Szene in Erinnerung. Ihre Träume, die sie als junges Mädchen gehabt hatte, einmal reich zu werden, ein eigenes Haus, ein Auto und viele Kinder zu haben, einen liebevollen Mann. Bis auf eines, hatte sie alle diese Ziele erreicht, ja sogar mehr, als sie sich jemals vorzustellen wagte, hatte sie in ihrem Leben realisiert. Aber der Preis dafür war hoch, sehr hoch sogar. Vier Kinder hatte sie nun schon verloren, eines im Babyalter und nun Runo, Ngare und Mukiri auf mysteriöse Weise. Warum konnte Kanoro bei ihr nie sein Glück finden?
Langsam ging sie Stiege für Stiege, Stock für Stock hinauf. Sie wünschte sich, dass noch viele Stockwerke kommen sollten. Für jedes Erlebnis eine Stiege, und das Spital müsste Hunderte Stockwerke haben. Gefühle verändern die Erbsubstanz, hatte ihnen Richard erklärt. Sie hatte gerade intensivste Gefühle. Was sich wohl nun in diesen Augenblicken in ihrem Körper verändern würde?
Und Kanoro? Er muss doch ebenso Gefühle und Gedanken haben, die ihn verändern! Aber welche Gedanken, welche Gefühle, welche Veränderungen?
„Makena, du bist eine starke Frau“, hatte ihr Ovieto, die Schamanin, erklärt, “aber es ist dir nie gelungen, die positive Kraft der Liebe zu nutzen. Du trägst sie zwar in dir, aber deine Ängste haben sie eingesperrt und dein gccb vcanzes Leben lang nicht an die Sonne gelassen. Kanoro hat diese Liebe in deinem tiefsten Inneren erkannt, und das ist es auch, was er von dir immer wollte. Aber auch ihm ist es nicht gelungen, sie aus deiner Gefängniskammer zu befreien. Und so wie es aussieht, hat sich sein Verlangen nach dir in Hass umgepolt. Hass und Liebe liegen manchmal sehr eng beisammen. Es sieht so aus, als wollte er seine Enttäuschung, seinen Ärger gegen sich selbst, nicht stark genug zu sein, um an deine Liebe heranzukommen, nun bekämpfen, indem er dich zerstört. Und da er im direkten Kampf gegen dich immer unterliegt, wird der Kampf nun über deine Kinder ausgetragen. Indem dir deine Kinder, das Wichtigste, was du hast auf Erden, genommen werden, soll diese harte Schale, die deine Liebe daran hindert, zum Vorschein zu kommen, gesprengt werden, selbst auf die Gefahr hin, dass sie damit endgültig abgetötet wird.“
Langsam stieg sie weiter Stiege um Stiege hoch. „Aber ich habe ihn doch immer geliebt, und so sehr ich ihn nun hasse, eigentlich liebe ich ihn immer noch, trotz allem, was geschehen ist. Ich kann es einfach nicht glauben, dass er meine Kinder tötete, um mich zu besiegen“, ging es ihr durch den Kopf.
„Wenn so ein Schwur erst einmal getätigt ist, kann er nicht mehr rückgängig gemacht werden. Selbst für Kanoro gibt es kein zurück“, hatte sie von Betty noch im Ohr, „deine anderen Kinder gehen unaufhaltsam dem gleichen Schicksal entgegen.“ Wie eine Bombe schlugen diese Worte bei ihr ein. Sie konnte es nicht zulassen, dass noch eines ihrer Kinder sterben muss, sie musste handeln.
Sie bedrängte die Schamanin, ihr zu helfen, ihr zu sagen, wie sie diesen Spuk beenden könnte. Sie spürte, wie sie sich um eine Antwort herumdrückte. „Es gibt eine einzige Möglichkeit diesen Spuk zu beenden“, sagte sie dann endlich, “Kanoro muss sterben.“
Sie suchte in der Innentasche von ihrer Jacke nach dem Griff des scharfen Messers. Sie war fest entschlossen, heute diesen Schlussstrich zu ziehen. Noch drei Stufen, dann war sie oben. Erst jetzt merkte sie, dass sie wie in Trance schon viel höher als in den dritten Stock gestiegen war. Ihr Atem wurde kürzer, ihr Pulsschlag stieg. Sie kehrte um und nahm die Stiegen wieder hinunter.
„Dritter Stock” las sie ober der Gangtüre. Nun zum Zimmer 321. Es war gleich links vom Stiegenhaus. „Ich liebe dich so sehr, aber für meine Kinder bin ich sogar bereit, dich zu töten“, waren die letzten Worte, die sie für ihn vorbereitet hatte. Dann wollte sie ihm das Messer mit voller Kraft mitten in sein Herz rammen.
Sollte sie anklopfen? Nein, sie nahm die Türschnalle, drückte sie langsam herunter, öffnete leise die Türe und trat ein. Es war ein Zweibettzimmer. Die beiden Betten waren durch einen dünnen Vorhang getrennt. Nichts rührte sich. Das Bett beim Fenster war sichtlich unbelegt, das andere hinter einem weiteren Vorhang verdeckt, den sie nun mit pochendem Herzen langsam zur Seite schob. Aber auch dieses Bett war leer.
“Mr. Nganga?”, fragte die Schwester zurück. „Der hatte ein Problem mit dem Herz. Er wurde in ein anderes Zimmer verlegt und hängt vorübergehend an einer Herz-Lungen-Maschine. Ich muss erst mit dem Arzt sprechen, ob Sie ihn besuchen dürfen. Wer sind Sie, sagten Sie?“
„Ich bin seine Frau und muss unbedingt zu ihm“, antwortete Makena.
„Verstehe, ich werde sehen, was ich machen kann, wenn Sie inzwischen hier Platz nehmen wollen.“
Makena wollte nicht sitzen, sie ging nervös am Gang auf und ab. Sekunden wurden zu Minuten und Minuten zu Stunden. Ob ihn seine Gefühle, sein schlechtes Gewissen krankgemacht haben? Hat sich der Schwur nun gegen ihn selbst gewandt? Nein die Geisterheilerin hat diese Möglichkeit ausgeschlossen. Ich muss ihn töten, es gibt keinen anderen Weg. Ob sie danach weglaufen sollte? Wahrscheinlich war das ziemlich zwecklos. Im ganzen Spital sind Kameras montiert, sicherlich sogar in dem Zimmer, in dem er jetzt liegt. Es war ihr egal, ihr Leben war so und so aus. Sie wollte nur noch ihre verbliebenen Kinder retten.
Ihre Gedanken wurden durch ein lautes Piepsen unterbrochen. Aufgeregt zischten zwei Schwestern zum anderen Ende des Gangs. Dort blinkte ein rotes Licht über der Türe. Kurz danach rannte ein Arzt hinterher.
„Die Hektik wird doch nicht wegen Kanoro sein?“, fragte sich Makena.
Noch eine Schwester rannte zu der Türe, die hinter ihr wieder ins Schloss fiel. Nun war es wieder still, totenstill, so als wäre jedes Leben aus dem Gang gewichen. Sie kam, um ihn zu töten, aber der Gedanke, dass es er sein könnte, der gerade mit dem Tod ringt, steckte wie ein Knödel in ihrem Hals.
Wieder wurden Sekunden zu Stunden. Wieder sah sie Kanoro, als er beim Zaun stand und ihr beim Netballspiel zusah. Ja es war auch für sie Liebe, aber damals wusste sie das noch nicht.
Eine Schwester trat auf den Flur und winkte ihr zu: „Wenn sie bitte mit mir kommen, der Arzt möchte sie sprechen.“
Makenas Puls stieg an, als sie den langen Gang entlang schritt. Sie versuchte, in dem ausdrucklosen Gesicht der Schwester, zu lesen. Irgendetwas war ungewöhnlich. Warum durfte sie nicht direkt zu Kanoro? Was wollte der Arzt ihr sagen?

Im Kindle-Shop: Schatten des Schwurs Gesamtausgabe Teil 1,2, und 3: Ein afrikanischer Thriller (Kenia)

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25. September 2017

'Das Spiel des Schicksals I: Schattenklinge' von K.A. Weiss

"Wehe dem, der die Macht des Schicksalsgottes leugnet! Selbst die Unsterblichen müssen sich seiner Weisung beugen …"

Seit Jahrhunderten streiten die zwei mächtigsten Reiche Telluriens um die Vorherrschaft im Westen. Wieder und wieder wehrt die kleine Republik die Angriffe des Purpurthrons ab, doch ihre Macht beruht einzig und allein auf uralten Geheimnissen, die nicht in die Hände des Feindes fallen dürfen.

Das Straßenmädchen Cara wächst in Arathor, der Hauptstadt der Republik, auf und lernt, sich in der Unterwelt zwischen Huren und Dieben zu behaupten. Als Markon, Mitglied des sagenumwobenen Wächterrates, auf sie aufmerksam wird, beginnt für Cara ein gefährliches Spiel zwischen zwei Welten. Denn Markon bildet Cara im Geheimen als Spionin aus, obwohl Frauen in der Republik keinerlei Rechte besitzen. Caras einzigartige Eigenschaften machen sie für Markon jedoch wertvoll und so verschreibt sie sich dem Schutz von Arathors Geheimnissen und dem Kampf gegen den alten Erzfeind. Doch neue, bisher unbekannte Mächte treten plötzlich auf den Plan und drohen, das politische Gleichgewicht Telluriens ins Wanken zu bringen. Cara wird gezwungen, ein Zweckbündnis mit Kyrian, einem feindlichen Spion des Purpurthrons, einzugehen. Als sie ihm das Leben rettet, gewinnt sie seine Dankbarkeit und damit einen unschätzbaren Vorteil. Denn er ist kein Mensch, sondern gehört dem uralten Volk der Achaier an, und noch ahnt sie nicht, was das wirklich bedeutet. Sie wird in einen Sumpf aus Intrigen, dunkler Magie und hoher Politik hineingezogen, der nicht nur den Wächterrat und die Republik gefährdet, sondern ihre eigene Treue auf die Probe stellt. Denn Kyrian könnte ihr die Hilfe bieten, die Arathor so dringend benötigt, doch Cara kann niemandem trauen, vor allem sich selbst nicht. Sie ist wider Willen von ihrem Gegenspieler fasziniert. Teilen sie doch ein gemeinsames Schicksal – die Verachtung der Herren, denen sie dienen. Keiner von beiden ahnt, dass sie Teil eines viel größeren Geschehens sind.

Die Augen der Götter ruhen beunruhigt auf den Sterblichen, wohl wissend, dass ein Spiel begonnen hat, das selbst die Unsterblichen fürchten müssen und von dessen Ausgang das Schicksal der gesamten Welt abhängen wird. Das Spiel des Schicksalsgottes.

Gleich lesen: Das Spiel des Schicksals I: Schattenklinge

Leseprobe:
Memorion, Legenden und Mythen, MP, Bl. 107
Die Neevi erzählen, dass die Zeit alle 999 Zyklen für einen Augenblick stillsteht, wenn die ERSTE GÖTTIN einen Atemzug beendet hat. Die Sphären halten in der Bewegung inne und ein neues Zeitalter wird geboren. Uralte Legenden sagen auch, dass sich das Los des Zeitalters in diesem winzigen Moment entscheidet, wenn im ewigen Spiel des Schicksals der letzte Zug der alten Zeit gemacht wird und der Sieger die Herrschaft über die neue Ära einfordert. Die Götter fürchten den Ausgang des Spiels, denn ihr Schicksal wird darin festgeschrieben. Doch keiner der Unsterblichen hat darauf Einfluss, denn mit dem Schicksal spielt allein der Zweigesichtige und die Sterblichen sind seine Spieler…
(Sommer des 5. Zyklus im Phönixhalb, persönliche Hand der Hochmeisterin Maathul von Athreris, Blatt XIX, übersetzt durch die Hand der hohen Eminenz Markon Pantheris)


Markon schritt in seinem Gemach auf und ab. Der Wächter dachte nach, denn er war zutiefst beunruhigt. Er hatte wie üblich Wissen, das er für wichtig erachtete in sein Memorion übertragen, sein persönliches Magiebuch, wie alle Magier es besaßen, aber er konnte sich nicht konzentrieren. Schon gar nicht auf irgendeine alte Neevilegende! Er konnte förmlich spüren, dass sich Dinge veränderten, aber alles war verborgen, nicht greifbar, wie Dunst in der Morgensonne. Und der Feind im Westen handelte ebenfalls unberechenbar. Gerade war eine Senatssitzung zu Ende gegangen und der Wächter hatte erfahren, dass tatsächlich ein Angebot zur erneuten Unterredung von Seiten des Purpurkönigs vorlag. So wie Cara es gesagt hatte, als sie berichtete, dass sie Hinweise darauf erhalten hatte, dass die Offiziellen des Throns keine Ahnung von den Bestechungen hatten. Scheinbar hatte sie Recht behalten und das war ebenfalls ein Grund zur Sorge. Wie hatte sie davon erfahren können? Sie hatte sich sehr vage ausgedrückt, offenbar einen Gardisten belauscht, der den verräterischen Granen ebenfalls beobachtete. Wie auch immer, es waren große Dinge im Gange und Markon würde jede Information nutzen müssen, die er erlangen konnte. Der Wächter sah auf das große Stundenglas und seufzte. Es war alsbald Zeit, herauszugehen und sich mit seinem Gewährsmann aus den östlichen Provinzen zu treffen. Er hatte Markon viele interessante Neuigkeiten in Aussicht gestellt, aber der Wächter würde sein Gemach verlassen müssen, etwas, was ihm nicht behagte. Doch er hatte keine Wahl. Doch was konnte ihm schon gefährlich werden, seit der eine, der ihn hätte herausfordern können, fort war ...?

Zwei Männer, aufrecht, kampfbereit. Markon, jünger, unerfahrener, doch autoritär. Seine Stimme, ruhig, entschlossen. „Du musst gehen. Hier ist kein Platz für Dich.“ Der Andere, groß, verächtlich. „Du brauchst mich, Ihr braucht mich alle. Eure Feinde sind stark, ich bin Eure einzige Hoffnung!“ Markons Zögern, denn er ist eine mächtige Waffe, ohne Zweifel. „Nein. Du brichst göttliches Gebot, Frevler. Daraus kann keine Hoffnung erwachsen.“ Ein Lachen, eisige Verachtung. „Ich hätte Dich für größer gehalten. Und klüger. Jetzt muss ich Dich töten, die anderen werden mir dann gewiss folgen. Ich bin überzeugend.“ Ein Augenblick, kürzer als ein Lidschlag. Sein Instinkt und der Zusammenprall ungeheurer Kräfte. Schmerz, Schweiß, ein tödliches Duell der Magie, ein Kampf zwischen Feuer und Eis, Schmerz und Stärke. Dann, plötzlich, der Triumph, als der Andere in die Knie bricht. Seine eigene Stimme, kalt und scharf. „Geh. Komm niemals zurück. Sonst werde ich Dich töten.“

Markon seufzte. Er dachte nach und trat dann an eines seiner Regale. Vielleicht konnten ihm die Neevi trotzdem helfen. Die Dinge in seinem Gemach waren akribisch geordnet, jede Zutat, jede Schriftrolle sorgfältig beschriftet, denn ein Irrtum konnte den Tod bedeuten, jedenfalls in der Stufe der magischen Praxis, die er erreicht hatte. Der Wächter hob die Hand und summte einen Ton. Er suchte das magische Gewebe und sprach dann das Wort, einen Rufzauber, der eine beinerne Schatulle von der obersten Ebene herbeischweben ließ. Er hörte, dass die Aussprache ihm schwerfiel, spürte, wie unwillig sich das Gewebe fügte, einem Unkundigen der Alten Magie. Markon kannte nur wenige Sprüche dieser Magierichtung und als Mensch war es ihm naturgegebenermaßen nicht bestimmt, diese Magieform in solch vollendeter Weise zu praktizieren, wie er seine eigene, die Wahre Magie, be-herrschte. Dennoch hatte er stets versucht, alles Wissen aufzusaugen, was er irgend-wie erlangen konnte. Sprüche wie diesen Zauber, dessen Feinheiten sich einfach sei-nem Verstehen entzogen. Auch das, was er jetzt vorhatte, hatte ihn ein Neevi gelehrt, einst, als Markon als junger, heißblütiger Magier solche Wagnisse eingegangen war, wie das, das sagenumwobene Wolkenvolk zu suchen und um Unterweisung zu bit-ten. Markon schüttelte sein Unbehagen ab und öffnete die Schatulle. Die Kristallscheibe darin sah genauso aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Eng beschrieben mit den Worten des Spruches. Neben der Scheibe lagen winzige Edelsteinsplitter, sorgfältig gebildet zu winzigen Symbolen. Zeichen des zweigesichtigen Schicksalsgottes, der Gestirne und der Götter. Er schüttete den Inhalt in eine große, sehr flache Schale aus tiefblauem Nachtquarz. Einen Augenblick lang starrte er einfach darauf, dann gab er sich einen Ruck. Mehr als versagen, kann ich nicht. Besser als einen dieser Seher zu kaufen, die darin kundig sind, denn dann wüsste der um Geheimnisse, die er nicht kennen sollte. Und ihn danach einfach zu töten, das wäre tatsächlich Mord und nicht im Sinne der Götter…
Er legte die Hände zusammen und konzentrierte sich auf die Worte des Spruches und die Fragen. Was plant der Feind? Woher droht der Republik Gefahr? Als sie sich in seinem Geist zu einer Einheit geformt hatten, fühlte er nach dem Gewebe, dessen Geschmack ihm der Neevi nahezubringen versucht hatte, hielt es fest, krampfhaft. Mit reiner Willenskraft wob er den Zauber, fühlte, wie er Gestalt annahm und sich ausbreitete …
Keuchend öffnete er die Augen, während die fremde Magie ihn frösteln ließ und unangenehm prickelte. Doch die Zeichen in der Schale gerieten in Bewegung, formten sich zu Worten, wiesen die Zukunft, nach der er gefragt hatte. Markon notierte jede Regung in seinem Memorion, rasch, bevor der Zauber verblasste. Er wusste schon jetzt, dass er keine Antworten erhalten hatte, sondern lediglich Hinweise, die weitere Fragen aufwarfen. Die Deutung der Symbole war schwierig. Die Juwelen, die sich bewegt hatten, lagen teils übereinander oder so dicht beieinander, dass sich Kombinationen lesen ließen. Die Zeichen für Feind und Schatten waren miteinander verwoben. Dann eine weitere, große Gruppe, der Spieler zusammen mit dem Schicksal, die Hure unmittelbar neben dem sehenden Auge und der Magier, neben dem die Fackel lag. Dann eine letzte Gruppe, drei Götterembleme, Rivan, Rohaja, Sivana, kombiniert mit dem Krieg.
Markon stieß einen lautlosen Fluch aus und schlug das ledergebundene Memorion zu, das all seine Geheimnisse enthielt. Das half nicht weiter. Die Kunst des Wahrsagens war ungeheuer schwierig und unpräzise, selbst wenn man sie be-herrschte und das tat er nicht. Er konnte nur spekulieren und das war er nicht ge-wohnt. Aber eines zeichnete sich hier ab. Die Republik war bedroht und eine zentrale Rolle spielten die beiden Figuren, die der Zauber ihm enthüllt hatte. Er konnte sich denken, wer der Magier war. Er selbst wahrscheinlich. Er konnte nur hoffen, dass die Hure nicht das war, was er dachte. Cara war in einem Hurenhaus aufgewachsen und er hatte ihr Macht gegeben. Er konnte nur zu den Göttern beten, dass diese Interpre-tation nicht stimmte. Was immer da auf uns zukommt. Ich werde sie jedenfalls noch besser überwachen lassen als bisher!

Im Kindle-Shop: Das Spiel des Schicksals I: Schattenklinge

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22. September 2017

'Todesteufel' von Janette John

Todesteufel – wenn die Vergangenheit das Leben blockiert - zwei spektakuläre Fälle der Kripo Bodensee.

Kurz vor Weihnachten wird im Konstanzer Stadtgarten die Leiche einer jungen Frau gefunden. In ihrem weißen Nachthemd, den weit von sich gestreckten Armen und Beinen gleicht sie einem Schneeengel. Zudem ist sie voller Blut. Die Darstellung des Engels wirft Fragen auf. Warum wurde sie hier abgelegt und vor allem, wer hat sie derart bestialisch sterben lassen? Schnell scheint der Fall gelöst. Nur handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter auch um den richtigen?

Etwa zwei Wochen danach wird im Beichtstuhl einer Kirche der Leichnam einer Rentnerin gefunden. Genau wie die Tote im Stadtgarten ist auch sie nur mit weißer Nachtwäsche bekleidet. Wenig später schlägt der Täter ein drittes Mal zu. Erneut trifft es eine Frau und wieder trägt sie dasselbe Gewand.

Welches Schicksal verbindet die drei Opfer und warum findet man sie derart angezogen vor? Hat man es möglicherweise mit einem Ritualmord mit religiös angehauchtem Hintergrund zu tun? Die Konstanzer Kripobeamten um Daniel Selzer jagen ein Phantom. Wer ist es, der die Frauen auf diese Weise ermordet und aus welchem Grund?

Zwei Fälle der Kripo Bodensee in einem Band: "Kaum 24 Stunden" und "Zeit voller Zorn"

Gleich lesen: Todesteufel (Sammelband Kripo Bodensee 4 & 5)

Leseprobe:
Wolfgang Tal war nicht mehr er selbst. Wie ein Hund schlich er in der Wohnung umher. Vergeblich suchte er nach Anhaltspunkten, die einen Hinweis darauf boten, wo sich Katharina aufhalten könnte. Die Angst, dass sie sich in einen anderen verliebt hatte, wurde für ihn zur großen Hoffnung. Hätte sie es getan, hätte er die Gewissheit, dass sie noch am Leben war. Am schlimmsten war die Ungewissheit. Wolfgang Tal schwebte zwischen Hoffen und Bangen. Vielleicht war sie auf ihrem Spaziergang, von dem er gewusst hatte, gestürzt und hatte sich den Kopf angeschlagen. Womöglich war sie in den Bodensee gefallen und jämmerlich ertrunken. Für den Rentner schien es die einzig plausible Erklärung. Man hörte hier und da vom Verschwinden älterer Leute. Je mehr er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher wurde für ihn die Theorie eines Unfalls. Tagelang suchte Tal das Bodenseeufer nach ihr ab und fragte in der Kirchengemeinde nach, ob jemandem etwas Ungewöhnliches an seiner Frau aufgefallen sei. Auch die Bekannte, Frau Maier, mit der Katharina Tal angeblich noch ein Glas Sekt trinken wollte, bat er um Hilfe. Ausgerechnet an jenem unsäglichen Dienstag hatte Frau Maier mit einer Erkältung im Bett gelegen. Tal machte sich Vorwürfe, seine Frau nicht begleitet zu haben. Die Worte hätte und wäre wurden für ihn zum ständigen Weggefährten. Wäre ich nur mit ihr gegangen, dann hätte sie keinen Unfall erlitten.
Seine Nächte wurden ruhelos. Er stand auf, ging zum Kühlschrank, trank etwas und legte sich wieder zu Bett. Dann schlief er ein paar Stunden, wälzte sich unruhig umher, bis der Albtraum von Neuem begann. Der Rentner nahm sich kaum mehr Zeit zum Essen und musste mit Erschrecken feststellen, dass er sich in der eigenen Küche nicht auskannte. Für gewöhnlich hielt seine Gattin hier das Zepter in der Hand. Tal verlor zudem an Gewicht.
Die Feiertage im Kreise seiner Kinder konnten Wolfgang Tal nicht über den Verlust der Frau hinweghelfen. Zwar bemühten sich die Töchter, ihn auf andere Gedanken zu bringen, doch von Festtagslaune und gutem Essen wollte er nichts wissen. Nach den jeweiligen Pflichtbesuchen ging er nach Hause und schaute in aller Abgeschiedenheit einige Male zu sehr in die Flasche. Er ließ sich gehen, wusch sich nur noch sporadisch und verbrachte den Tag lieber im Pyjama statt in alltagsgerechter Kleidung. In der Küche türmte sich längst das schmutzige Geschirr. Selbst die Fenster hielt er weitestgehend geschlossen. Die Sache mit seiner Gattin hatte sich schnell in der Straße herumgesprochen. Darüber hinaus fühlte sich Tal durch seine Nachbarin beobachtet, die täglich von ihrem Fenster aus zu ihm hinüberblickte. Sie hoffte wohl, Neues zu erfahren, um es in der Nachbarschaft herumzuerzählen. Die Langeweile hatte auch diese Rentnerin fest im Griff.

Im Kindle-Shop: Todesteufel (Sammelband Kripo Bodensee 4 & 5)

Mehr über und von Janette John auf ihrer Website.



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21. September 2017

'Muskelkater sucht Miezekatze' von Sylvia Filz und Sigrid Konopatzki

Nico Baregg findet seinen Traumjob bei einem renommierten Hamburger Steuerberater und bekommt ein eigenes Büro mit beneidenswertem Blick auf die Elbphilharmonie. Privat jedoch häufen sich die Probleme mit Lebensgefährtin Katja.

Seine Kollegin Nelly steht ihm von Anfang an mit freundschaftlichem Rat zur Seite. Nico bemerkt nicht, dass sie sich schon längst in ihn verliebt hat.

Da erweitert die attraktive Isabell, Nichte des Chefs, das Kollegen-Team – und die trifft zum Entsetzen von Nelly ganz das Beuteschema von Nico.

Gleich lesen: Muskelkater sucht Miezekatze

Leseprobe:
Hätte er sich doch bloß irgendeine Ausrede einfallen lassen! Nun stand er hier bei diesem Empfang, ein leeres Glas Orangensaft in der Hand, und wünschte sich weg. Wie schön wäre es jetzt daheim, Füße bequem auf der Couch hochgelegt, und mit einer Flasche kühlem Bier relaxed das spannende Fußball-Länderspiel schauend.
Mit einem Lächeln kam die hübsche Bedienung auf ihn zu und hielt ihm das Tablett hin, er tauschte das leere gegen ein volles Glas und bedankte sich. Das schlanke junge Mädchen ging zu den nächsten Gästen. Er schaute ihr hinterher.
„Die ist wohl einen zweiten Blick wert?“, hörte Nico.
Er drehte sich um. Hinter ihm stand die Blonde, die ihm mit hervorstechender Arroganz bereits aufgefallen war. Wie geziert sie nun an ihrem Sektglas nippte und ihn dabei beobachtete!
„Und warum interessiert Sie das?“, entgegnete er kühl.
„Ein Gast sollte sich an den geladenen Damen orientieren, nicht am studentischen Personal.“
Sie betrachtete ihn von oben bis unten. Ihr Blick blieb an seinem prallen Bizeps, der durch das weiße Hemd durchaus erkennbar war, hängen.
„Nun“, stichelte sie, „man kann nicht alles haben. Wenn die Muskeln gut gepolstert sind, fehlt es meist woanders.“
Die Antwort erhielt sie prompt. „Das ist bei Frauen so ähnlich. Blond und intelligent ist auch eine nicht so häufige Kombination.“
Sie schnappte nach Luft. Nico wollte sich gerade wegdrehen, als sein Chef auf ihn zukam.
„Ah, ich sehe, Sie haben meine Nichte Isabell schon kennengelernt.“ Herr Berghold nahm die junge Frau um die Schulter. „Was war denn das Thema? Kann ich mich da einbringen?“ Erwartungsvoll sah er beide an.
„Fitness“, Nico lächelte, „geistige wie körperliche.“
„Das wundert mich nicht. Isabell ist, genau wie sie, sportverrückt.“ Herr Berghold winkte zur Ecke hinüber. „Die Lenssens sind auch da! Sehr schön. Den Fall müssen wir übrigens morgen besprechen, Herr Baregg.“ Und mit diesen Worten war er auch schon wieder verschwunden.
„Ach“, meinte Nico in süffisantem Ton, abschätzend auf diese Isabell herunter blickend, „welche Sportart üben Sie denn aus? Dauer-Blondieren oder High-Heel-Jagd?“
„Ich trainiere das Schwimmen im Champagner-Bad“, war ihre freche Antwort.
„Na, dann strampeln Sie lieber nicht so weit raus. Ich bezweifle, dass jemand versessen darauf ist, Sie zu retten.“ Damit ließ er sie stehen.
Fassungslos sah Isabell ihm hinterher. So ein rotzfrecher Kerl! Trotzdem gefiel er ihr, und so ein Schlagabtausch hatte durchaus seinen Reiz.

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Mehr über und von Sylvia Filz und Sigrid Konopatzki auf ihrer Website.

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20. September 2017

'Turkana - Blutiges Afrika' von D.W. Cruisus

Ein Krankenhaus, ein Flüchtlingslager und eine Söldnertruppe - Hintergrund eines Dramas am Lake Turkana im Norden Kenias, an der Grenze zum Südsudan.

In unmittelbarer Nähe des Lagers vermutet man große Vorkommen Uranerz. Eine Bergbaugesellschaft beauftragt Söldner, die Flüchtlinge zu vertreiben.

Gleich lesen: Turkana: Blutiges Afrika

Leseprobe:
Der Truppenarzt schrieb ihn dienstuntauglich und sie schickten Harry nach Hause. Eine plumpe Verdrehung der Wahrheit. Er wollte sie herausschreien, die Wahrheit, die es nach offizieller Lesart nicht geben durfte. Aufs Abstellgleis geschoben hatten sie ihn, damit ihn niemand hörte. Was sich in Afghanistan abgespielt hatte, lag zu dicht neben einer Befehlsverweigerung, und das sieht man in keiner Armee dieser Welt gerne. Soldaten sind zum Töten und Sterben da, nicht zum Denken. Auch als moralische Instanz haben sie sich gefälligst nicht zu gebärden. Dafür sind die vielen Mütter Teresas dieser Welt zuständig.
Er war ein Jahr aus Afghanistan zurück, als es ihn zum ersten Mal erwischte. Abends gegen 21 Uhr war er ziellos durch die Gegend getigert, hatte krampfhaft überlegt, wo er etwas Alkoholisches ergattern könnte. Ihm fiel nichts ein und frustriert saß er in einem kleinen Park nahe der Hansa-Allee auf einer Bank, linste zu einer Kneipe hinüber und grübelte über seine Entbehrlichkeit nach.
Gerda war nachmittags ausgezogen, der Schlussakkord ihrer Ehe. Zu ihrem Schutz, er wollte ihr nichts Böses antun. Wäre sie weiter in der Wohnung geblieben, hätte es früher oder später zwangsläufig ein Unglück gegeben. Wie ein Naturgesetz. Die Abstände zwischen seinen Depressionsschüben, er nannte sie Monsterattacken, und den darauf folgenden Alkoholabstürzen wurden immer kürzer. Verschafften ihm die Medikamente keine Erleichterung, saß er wie ein Kleinkind greinend auf dem Sofa, gemartert von Selbstvorwürfen und dachte nur an Schnaps. Die restlichen in seiner Blutbahn kreisenden Psychopharmaka und oben drauf ein Wasserglas Wodka, verpassten ihm den ultimativen Kick, der ihn für einige Stunden ins totale Vergessen katapultierte. Die Rückkehr in die reale Welt wurde mit jedem Absturz entsetzlicher.
»Wenn du bleibst, garantiere ich dir ein Unglück. Geh lieber, solange noch Zeit ist«, hatte er gesagt. »Ich bin kein menschliches Wesen, eine bösartige Waffe, ein Roboter aus Fleisch und Blut, programmiert zum Töten.«
Er redete mit schwerer Zunge, vor seinen Augen drehte sich alles und er musste sich am Tisch abstützen, wollte er nicht der Länge nach auf den Boden kippen.
Mit hängenden Armen stand sie vor ihm. In ihrem fahlem Gesicht zuckte es, als kämpfte sie mit den Tränen. Oder Ekel. Sie versuchte, die Situation zu verstehen, konnte es nicht. Niemand kann das, nicht mal ein Arzt. Wie zu einem Entschluss gekommen raffte sie sich auf, drehte sich ruckartig um und ging ins Schlafzimmer. Er hörte Schubladen knarren und die Schranktür quietschte.
Mit matten Augen und gesenktem Kopf stand sie in der Tür zur Diele, vermied es, ihn anzusehen. In der Hand einen Koffer.
Flüsternd sagte sie: »Lass mir einen Wohnungsschlüssel. Ich hole den Rest meiner Sachen ab, wenn du nicht hier bist. Was ist mit den Möbeln?«
»Ich brauche nichts, du kannst alles haben.« Er machte eine großzügig kreisende Bewegung mit dem Arm, taumelte dabei, wäre beinahe gefallen.
Vielleicht wollte er ihr mit den Möbeln eine Freude bereiten, er wusste es nicht. Er wollte keinerlei Besitz mehr, der ihn an die Vergangenheit erinnerte, das traf es wohl am besten.
Sie drehte sich um und als die Tür hinter ihr zufiel, war es wie eine Befreiung. Nicht weil er sie nicht mehr liebte, im Gegenteil. Mit seltener Klarheit war ihm bewusst geworden, dass er sie irgendwann versehentlich töten würde, bliebe sie bei ihm.
Im matten Licht der Straßenbeleuchtung saß er auf der Parkbank und hatte nur den Gedanken im Kopf, wo er etwas Starkes zu trinken herbekäme. Zu Hause hatte er nichts und Geld hatte er auch nicht.
Ein Motorrad raste über die Allee und keine fünf Meter von ihm entfernt dröhnte eine krachende Fehlzündung aus dem Auspuff. Mit einem oft trainierten Hechtsprung warf er sich neben der Bank auf die Erde, presste seine Hände vors Gesicht und schlang die Arme um den Kopf. Als habe jemand das Licht abgedreht, wurde es um ihn dunkel. Wie von einer gigantischen Faust geschüttelt, schwebte er in stockfinsterer Nacht, und es stank widerlich nach Explosivstoffen.
Einem harmlosen Spaziergänger, der nichts weiter wollte, als seinen Hund ausführen, brüllte er sinnlose militärische Kommandos zu. Der Mann glaubte, er habe einen Irren vor sich, was es ziemlich gut traf, und verständigte die Polizei.
Später auf dem Revier gab der Mann zu Protokoll: »Verstanden habe ich nichts, aber es war wie im Kino in einem Rambo-Film.«
Die Polizisten waren nicht unfreundlich oder grob, sperrten ihn trotzdem in eine Zelle.
»Wir nehmen Sie in Gewahrsam, das ist zu Ihrem eigenen Schutz«, sagten sie aufmunternd und einer klopfte ihm jovial auf die Schulter.
»Das wird wieder, keine Bange.« Er redete in diesem gütigen Tonfall, der üblicherweise Psychiatern und Pfarrern vorbehalten ist, und Harry fühlte sich sofort ruhiger. Er kannte den Ton.
In der schmalen Zelle des PGs (Polizeigewahrsam) gab es nur eine Pritsche, einen Toilettentopf ohne Brille und Deckel und ein Waschbecken. Es stank widerlich nach Urin, gekotztem Bier und ungewaschenen menschlichen Körpern. Er ließ sich auf die Pritsche fallen und zog die Knie hoch an den Körper. Haltloses Schluchzen schüttelte ihn und einer der Polizisten zog ihm fürsorglich die Decke bis an den Hals.
»Er riecht nach Alkohol, aber betrunken kommt er mir nicht vor«, sagte einer. »Überdreht, Krach mit der Frau, Job verloren«, sagte ein anderer und das kam der Wahrheit recht nahe.
Sie durchsuchten seine Taschen und in seiner Gesäßtasche fanden sie einen von schweißigen Fingern zerdrückten und beinahe unleserlichen Brief. Die letzte Zeile unter dem kurzen Brief lautete: Ich liebe dich, ich warte auf dich, Gerda. Auf dem Umschlag stand eine Adresse, und da kapierten die Polizisten. Johannes Kowalski lautete der Name auf dem Umschlag, »das Länderkürzel AFG steht für Afghanistan«, wie einer der Polizisten wusste. Dazu der Vermerk Feldpost, eine Postleitzahl und als Ortsangabe Darmstadt.
Sie forderten einen Krankenwagen an und die Sanitäter verfrachteten Harry in eine Klinik. Die Ärzte untersuchten ihn, fanden keine physischen Schäden, nicht den Hauch eines Kratzers. Sie befragten ihn ausführlich, versuchten es zumindest. Er gab nur einsilbige Antworten. Nicht zuletzt wegen der Kostenübernahme und Versicherung recherchierten sie seine Vorgeschichte.
Nach nur vier Tagen stationärer Beobachtung schickten sie ihn mit mehreren Schachteln zusätzlicher Medikamente nach Hause. Dazu gaben sie ihm einem Stundenplan, welche Tabletten er vor dem Essen, welche danach, mit Wasser oder ohne einnehmen sollte. Verbunden war das mit der dringenden Aufforderung, sich auf jeden Fall einmal wöchentlich bei seinem Arzt zu melden. Kein Alkohol – schärften sie ihm immer wieder ein. Er hätte sich nicht gewundert, wenn der Pförtner am Ausgang ihm die Warnung vor Teufel Alkohol hinterhergerufen hätte, als er die Klinik verließ.
Die Flurtür war von außen nur zugezogen. Den Schlüssel hatte Gerda innen auf den Boden gelegt. Die Wohnung war leer und sah groß und ungemütlich aus. Nur das zerschlissene Sofa stand unter dem Fenster, dort wo es immer gestanden hatte.
Ermattet setzte er sich auf das Sofa. Sie war fair, hatte es ihm gelassen. Er hätte sonst auf dem Boden übernachten müssen.
Einen Tag drauf ging er zum Sozialamt, legte seine Entlassungspapiere vom Bund vor, und hilfsbereit vermittelten sie ihm ein möbliertes Apartment. Es lag im sechsten Stock eines Hochhauses.
»Möglichst weit oben, Fahrstuhl brauche ich nicht.«
In dieser Höhe klang der Straßenlärm mit den krachenden Auspuffgeräuschen wie fernes Meeresrauschen und klirrende Muschelschalen auf sandigem Strand. Es erinnerte ihn an einen lange zurückliegenden Urlaub mit Gerda und Sven. Damals war sein Sohn noch nicht in der Schule und das Leben war es wert, gelebt zu werden.
Die Sirenen der Rettungsdienste und Polizeifahrzeuge hörte er deutlich, sie machten ihm nichts. Explosionsartige Geräusche dagegen bedeuteten Angriff – in Deckung springen – sich ducken – in den nächsten Graben rollen – die Waffe hochreißen und auf vorbeihuschende Menschen schießen.
Das bunte Sofa hatte er in seine neue Bleibe mitgebracht. Neben den modernen skandinavischen Möbeln wirkte es unpassend. Er fand keinen rechten Platz, die Wohnung war klein, anderthalb Zimmer. Schließlich schob er es schräg vor das Fenster, es ragte trotzdem ein wenig verquer in den Raum. Eigentlich brauchte er es nicht. Es war so etwas wie eine Reliquie; besser gesagt, der schäbige Rest seines früheren Lebens.
Schmerzhaft ging ihm durch den Kopf, wie sie auf dem Sofa mit viel Liebe Sven gezeugt hatten. Damals, als er Gerda noch nicht sagen musste, er sei so etwas wie ein gefährlicher Roboter, nur geeignet zum Töten. Er lehnte sich zurück und weil er nichts anderes hatte, woran er denken konnte, sah er die grünen Hügel, die schroffen Gebirgszüge und erdbraunen Täler Afghanistans mit den blutroten, sich im leichten Wind wiegenden Mohnfeldern vor sich.

Im Kindle-Shop: Turkana: Blutiges Afrika

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19. September 2017

'Behemoth 2333 - Band 1: Das Jupiter Ereignis' von Joshua Tree

Das Jahr 2333: Die einzige Kolonie der Menschheit im fernen Archimedes System ist in Aufruhr.

Der Kontakt zur Erde ist abgebrochen und seit Jahrzehnten erschüttern mysteriöse Entführungswellen die Gesellschaft. Als ein Wurmloch inmitten der Kolonie auftaucht, sieht sich die Unions Navy einer uralten Gefahr gegenüber. Während ein erbarmungsloser Krieg das gesamte System ins Chaos stürzt, wird Captain Jeremy Brandt mit der UNS Concordia durch das Wurmloch geschickt, um sich dem mysteriösen Feind zu stellen.

Heliosphere 2265 trifft Shadowrun trifft Commonwealth Zyklus. Für alle Fans von politischen Intrigen, intergalaktischen Konflikten und krachenden Weltraumschlachten.

Gleich lesen: Behemoth 2333 - Band 1: Das Jupiter Ereignis

Leseprobe:
Forschungsstation Saturas, Orbit um den Gasriesen Zeus II, Archimedes System, 21. November 2333, 01:22 Uhr.
„Okay Marly“, sagte Federigo gut gelaunt und gesellte sich zu seiner Kollegin vor die äußere Kompositwand der Station. „Dann wollen wir doch mal schauen, was wir heute an interessanten Daten erhalten.“
„Ich bin nicht auf DeGaulle geboren worden, nur um meinen wunderbaren Namen von einem Bismarcker wie dir verschandeln zu lassen“, schnaubte Dr. Marlène DeVries zur Antwort und warf ihm einen gespielt bösen Blick zu. „Außerdem versuchst du doch nur, das Ganze spannender zu machen, als es ist. Ich schätze, das ist auch der einzige Grund, weshalb du deinen Studenten mitgebracht hast?“
Sie machte mit ihrer zierlichen Hand eine vage Geste in Richtung des jungen Mannes, der auf einem der drei Sessel aus Nanoschaum hinter ihnen saß. Seinem leeren Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er in den zentralen Quantencomputer der Station, den KI-Kern, eingeloggt.
„Ach, die armen Jungs kommen doch sonst nie aus der Uni heraus“, gab Federigo zurück und hob die Schultern. Mit einem kurzen Gedankenbefehl öffnete er eine Verbindung zu der Robotersonde, die gerade von ihrem dreimonatigen Flug durch die unteren Atmosphärenschichten des Gasriesen zurückkehrte. Als er keine Antwort erhielt, befahl er der nanonischen Kompositwand vor sich, transparent zu werden.
Aufgrund ihrer Nähe zu dem Planeten war die Helligkeit, die von dem jovianischen Riesen ausging, enorm und sein NeuroSmart, ein winziger Computer an seinem Hirnstamm, dämpfte automatisch die Reizübertragung seiner strapazierten Sehnerven. Was nach den angesprungenen Filtern blieb, war ein wunderschönes Gemälde aus atmosphärischen Superstürmen, die in Äquatornähe wüteten und die vorherrschenden Gelb- und Rottöne ständig ineinander verschoben.
„Es gibt schon schlimmere Arbeitsplätze als diesen hier“, stellte er zufrieden fest.
„Du meinst schlimmer als ein Jahr am Stück immer gleiche Messdaten zu empfangen?“, schnaubte Marlène und rieb sich mit einer Hand über die grauen Stoppeln ihres rasierten Kopfes. „Wir sind doch ohnehin bloß hier, um den Ort des ehemaligen Jupiter Tunnels nicht gänzlich der Human Corporation oder Schmugglern der Steineklopfer auf den Asteroiden zu überlassen.“
„Zeus II mag momentan noch nicht im Interesse der Union liegen“, stimmte Federigo ihr zu und sandte ihr über SenseNet die letzten Daten von der Zusammensetzung der Atmosphäre, die gerade von der Robotersonde in den KI-Kern der Station geladen wurden. „Aber wenn von Zeus I erst einmal sämtlicher Wasserstoff abgesaugt wurde, wird sich das schnell ändern und Zeus II plötzlich der interessanteste Punkt des Archimedes Systems sein.“
„Und das ist wann? In fünftausend Jahren?“
„Genießen wir einfach den Ausblick“, gab der Professor milde zurück, als er eine Warnmeldung vom KI-Kern erhielt, die als aufdringliches, rot blinkendes Dreieck in sein Sichtfeld projiziert wurde.
Mit hochgezogenen Brauen öffnete er die Meldung und eine wahre Flut von Diagrammen und Daten aus der oberen Sensorphalanx überflutete sein Sichtfeld.
„Seltsam“, sagte er leise und aktivierte sämtliche Analyseprogramme aus seinen Memoryzellen, um die Daten in ein verdauliches Maß umzuwandeln. Nach zwei Sekunden hatten sie ihre Arbeit getan und sein Mund wurde staubtrocken. Ungeduldig schob er den Datenwust beiseite und klinkte sich in die optischen Sensoren der Station ein, verschmolz mit den Teleskopen.
Über das lokale SenseNet spürte er die Präsenz von Marlène und Martin, die es ihm scheinbar ohne Zögern gleichgetan hatten.
Hastig zoomte er zu den etwa vierhunderttausend Kilometer entfernten Koordinaten der ehemaligen Subraumanomalie des Jupiter Tunnels heran. Was vor Jahrzehnten noch ein rätselhaftes Mikrowurmloch gewesen war, das sie mit dem heimischen SOL System verbunden hatte, war heute nur noch langweiliger Normalraum. Die vier halbverwaisten Forschungsstationen der Human Corporation hingen wie reglose Zeugen des Vergessens rings um die Koordinaten im Vakuum. Nicht mehr als Prestigeobjekte einer gierigen Megacorporation, die heute von Schmugglern, FMN-Sympathisanten und Systemfeinden kontrolliert wurden.
„Energiespitze bei Point Zero!“, dröhnte Marlène über das SenseNet.
Er vergrößerte erneut, bis seine sensorgestützten Augen direkt in einen grellen Photonensturm harter Strahlung blickten, der die ihn umgebenden Stationen der Human Corporation gefährlich rot aufglühen ließ. Nach dem Lichtblitz wurde der Normalraum zwischen ihnen gewaltsam aufgerissen und offenbarte seinen Sensoren einen flüchtigen Blick in die beunruhigende, schwarze Unendlichkeit des Weltraums. Das kugelförmige Gebilde aus vollkommener Schwärze schwoll rasend schnell an, wölbte sich wie ein Ballon kurz vorm Platzen und spuckte dann etwas aus, bevor es wieder in sich zusammenfiel.
„Bei Gott was ist das?“, raunte Martin heiser.
Federigo überflog hastig die Daten: Das Raumschiff, das durch den Ereignishorizont gesprungen war, hatte eine Länge von über zwei Kilometern und besaß an der breitesten Stelle einen Durchmesser von dreihundert Metern. Das war deutlich größer als ein Schlachtschiff der Unionsnavy und damit gewaltiger als alles, was er jemals gesehen hatte.
„Marlène, was machst du aus den Daten der Passivsensorik?“, fragte er die Analystin mit sich überschlagender Stimme und wartete ungeduldig darauf, dass die optischen Sensoren wieder hochfuhren. Sie hatten nach dem initialen Lichtblitz des sich öffnenden Wurmloch Terminus abgeschaltet, um nicht in dem folgenden Orkan aus Gammastrahlung zu vergehen.
„Niederfrequente elektromagnetische Strahlung, kein Plasmaschweif, aber ich empfange eine SenseNet Übertragung“, antwortete die Wissenschaftlerin direkt in sein Bewusstsein.
„Über SenseNet?“, fragte er ungläubig. „Das ist doch vollkommen unmöglich!“
„Kein Zweifel!“, beharrte sie und ihre von Angst getragene Aufregung durchdrang das Netz der Station mit einer solchen Intensität, dass seine emotionalen Filterroutinen aktiv wurden. Schnell beruhigte er sich.
„In Ordnung. Kanal öffnen!“
Er hielt die Luft an, während er auf die Nachricht des fremden Schiffes wartete.
Ist das ein wirklicher Erstkontakt?, dachte er fieberhaft und fühlte sich wie in einem Traum. Solche Dinge passierten anderen, Männern und Frauen, die in die Geschichte eingingen. Ganz sicher aber passierten sie nicht ihm, Federigo Meyberg, der diesen unterdurchschnittlichen Arbeitsplatz seinen noch unterdurchschnittlicheren Forschungsergebnissen verdankte. Ein Wurmloch. Ein echtes Wurmloch! Doch so lange er auch wartete, es geschah nichts. Keine Nachricht. Keine außerirdische Stimme aus dem Äther, die nach ihnen rief. Keine kryptischen, mathematischen Formeln, keine Lichtsignale. Einfach nichts.
Doch, da war etwas.
„Der KI-Kern wird angegriffen!“, schrie Marlène mit einem Mal.
„Was?“
„Bei dem Signal scheint es sich um eine Art Virus zu handeln, das die Firewalls des KI-Kerns angreift. So einen Code habe ich noch nie gesehen“, sagte sie atemlos.
Die optischen Sensoren waren wieder hochgefahren und Federigo zögerte keine Sekunde. Er klinkte sich erneut in die Teleskope ein und befahl ihnen, sich direkt auf das fremde Schiff auszurichten.
„Das ist kein Schiff!“, stammelte er kurze Zeit später fassungslos und leitete die Telemetriedaten an Marlène weiter.
Bei dem Eindringling handelte es sich um ein riesiges Lebewesen, dass sich am ehesten noch mit einem irdischen Wal vergleichen ließ, wie er ihn aus den SenseNet Dokumentationen über die Erde kannte: Eine massige, stromlinienförmige Kreatur, an deren Flanken kiemenartige Löcher klafften, durch die sie den Daten zufolge interstellaren Wasserstoff aus dem Vakuum saugte. Auf dem Rücken befanden sich hornartige Fortsätze, die sich von dem gedrungenen Kopf mit seinen unzähligen Augen und Tentakeln bis zum abgeflachten Ende entlangzogen. Eine glänzende Haut aus massivem braunen Polyp überzog das Wesen, das sich gemächlich aber zielstrebig auf sie zu bewegte.
„Ein verdammtes Weltraummonster?“, fluchte Marlène leise. „Das soll doch wohl ein Witz sein!“
„Das ist der Behemoth!“, sendete Martin hysterisch über das SenseNet.
„Behemoth?“, fragte Marlène irritiert. „Fang mir jetzt nicht mit irgendeinem Gefasel aus der Bibel an!“
„Das ist ein Monster aus dem Buch Hiob“, erklärte Federigo und umfasste instinktiv das Kruzifix, das er um seinen Hals trug. „Aber Behemoth ist in der Bibel ein Landlebewesen. Wenn überhaupt ist das hier ein Leviathan!“
„Können wir vielleicht mit der verfluchten Bibelstunde aufhören und uns darauf konzentrieren, was zur Hölle wir jetzt machen?“, drängte Marlène ungeduldig. „Was auch immer das für ein Ding ist, es hat beinahe die Firewalls des KI-Kerns überwunden.“
Nichts kann die Firewall eines Stufe vier KI-Kerns überwinden, dachte er, bevor er sich wieder den Daten der Sensorphalanx zuwandte. Die Forschungsstationen der Human Corporation, Bohr, Newton, Einstein und Clarke, hatten sich in dichte Trümmerwolken verwandelt. Die Explosion aus harter Strahlung und Hitze bei Öffnung des Wurmlochterminus hatte sie einfach zerrissen und mit ihnen die über zweihundert dort arbeitenden Wissenschaftler. Und Schmuggler.
Das Wesen beschleunigte mittlerweile mit 3g direkt auf sie zu und sog dabei jedes Wasserstoffmolekül innerhalb von fünf Astronomischen Einheiten in sich auf.
„Martin!“, blaffte er über SenseNet. „Speicher alle Daten, die wir bisher gesammelt haben und sende sie über die nächste Kommunikationsboje an das Unionsnetz!“
„Soll ich…“, setzte der Student nervös an, doch Federigo fuhr ihm ungehalten dazwischen: „Sofort, Mann!“
„Federigo!“, rief Marlène alarmiert.
„Was ist jetzt?“
„Öffnung eines Hyperraum Fensters zwei Klicks unterhalb unserer Längsachse!“
„Was?“ Er öffnete die von ihr übersandten Daten und kniff irritiert die Augen zusammen. Durch den wirbelnden Sturm aus exotischer Strahlung inmitten des Hyperraumfensters schoss ein kleines Raumschiff der Elsass-Klasse auf sie zu und ging in einen Annäherungsvektor über.
„Laut Transpondercode ist das die UNS Dassault“, stellte Marlène fest. „Aber das ist nicht möglich! Raumschiffe können keine Hyperraum Fenster öffnen!“
„Genau so wenig wie es möglich ist, Wurmlöcher größer als einen Stecknadelkopf zu erschaffen?“, gab er lakonisch zurück. „Hier und heute ist scheinbar nichts unmöglich.“
Sein NeuroSmart wertete die vorliegenden Sensordaten über die angebliche UNS Dassault aus und sandte ihm eine Zusammenfassung in sein Blickfeld, die er hektisch überflog.
„Sieh dir den Energieausstoß an!“, rief er seiner Analystin zu. „Das Ding fliegt mit Antimaterie!“
„Jesus!“
„Selbst wenn es sich um Piraten oder FMN Aktivisten handelt“, sagte er eilig und übermittelte der UNS Dassault die exakten Anflugvektoren für die primäre Luftschleuse. „Beide Varianten sind mir lieber als dieses riesige Weltraummonster, das uns in weniger als vier Minuten erreichen wird!“
Marlène antwortete nicht.
„Marlène!“, schrie er und packte sie mit beiden Händen. „Zur Luftschleuse! Jetzt!“
Als erwache sie aus einem Traum, schüttelte die Wissenschaftlerin von DeGaulle ihren Kopf und nickte mit blassem Gesicht.
Als sie das gedrungene Analysezentrum durchquert hatten, zerrten sie den vom Schock erstarrten Martin aus seinem Sessel und liefen den engen Flur in Richtung Aufzug entlang.
„Die erste Firewall ist zusammengebrochen!“, rief Marlène atemlos. „Erste Systeme fallen aus.“
Gerade als sie die letzten Worte gesprochen hatte, ging ein Ruck durch die sie umgebenden Kompositwände und die ewige Rotation der zylindrischen Forschungsstation setzte aus. Federigos Stiefel hoben augenblicklich vom Boden ab. Sein Magen begann zu rebellieren und drohte sich jeden Moment zu entleeren, während er hastig nach den Haltegriffen zu seiner Linken tastete.

Im Kindle-Shop: Behemoth 2333 - Band 1: Das Jupiter Ereignis

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18. September 2017

'Bruchstücke des Glücks' von Xenia Hügel

Die Lyrikerin Xenia Hügel präsentiert mit ihrem im Oktober erscheinenden Poesie-Werk "Bruchstücke des Glücks" ein Buch voll glücklicher Momente.

Die neuen Gedichte befassen sich auf emotionale Weise mit dem schönsten Streben der Welt. Eine individuelle Wahrheit und reale Wirklichkeit. Xenia Hügel vermittelt die Konzentration auf das Glück. Man subtrahiere die Angst und das Glück bleibt. Das Denken und Fühlen sollte auf das Positive ausgerichtet sein. Die Leserinnen und Leser können die Glücksgefühle, die Wahrheit, nachempfinden und sind versucht, dem Glück entgegen zu gehen. Xenia Hügel zeigt in gefühlten Bildern das kleine und große Glück, kommen Sie mit auf diese Reise.

„Bruchstücke des Glücks“ ist eine Weiterentwicklung zu Hügels Erstlingswerk „Meine Wege“, welches sich noch befreit und nach dem Warum fragt.

"Bruchstücke des Glücks" erscheint bei PYRAMIDIS Audio – Sound & Media.
Überall erhältlich ab Oktober 2017.
Buch: ISBN 978-3-9503956-3-1
eBook: ISBN 978-3-9503956-4-8
Hörbuch: ISBN 978-3-9503956-5-5

Gleich lesen: Bruchstücke des Glücks - Neue Lyrik

Leseprobe:
Mein Wasser

Ozeangleich ist deine Liebe.
Täglich möchte ich darin ertrinken.

Dein klares Wasser, zum Verlieben,
vertraue dir, bis in alle Ewigkeit.

Jeden Tropfen bewahre ich im Herzen.
Alles zieht in meine Haut.

Jeder Schluck die Köstlichkeit von Wahrheit.
Ohne dich vertrockne ich.

Gleich lesen: Bruchstücke des Glücks - Neue Lyrik

Mehr über und von Xenia Hügel auf ihrer Website.

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8. September 2017

'FeuerSeele: Chroniken von Quiliaris 1' von Caris McRae

„Du kannst deinen Dämonen nicht entfliehen, Sheba An-Pyr. Deine Bestimmung wird dich finden, egal, wie weit du läufst, Kind. Es gibt eine Zeit im Leben aller, in der man sich einer Herausforderung stellen muss, in der man einer Niederlage mit Tapferkeit begegnet – und die ist für dich jetzt gekommen. Es ist an der Zeit, dass du dich über den Krieger, der du schon immer warst, erhebst und zum Hashisin im wahrsten Sinne des Wortes wirst.“

In Quiliaris gelten Macht und Stärke als das höchste Gut und Sheba An-Pyr, die Prinzessin des Feuers, besitzt keines von beiden. Verachtet von ihrer Familie und ihrem Volk, und gejagt von einem mörderischen Verräter, verbringt sie ihr Leben im Schatten. In dem Versuch, unerkannt und am Leben zu bleiben, reist sie mit ihrem Hashisin Vormund als dessen Magd durch die vier Königreiche des Landes. Erst als dieser zu den Prüfungen seiner Krieger-Gilde gerufen wird, um einen Schüler zu wählen, beginnt sich das Blatt zu wenden und es beginnt eine Zeit der Veränderung. Dank dem Eingreifen der Götter wird aus der Magd ein Teilnehmer an der Prüfung, und mit jeder Aufgabe, die sie meistert, nähert sie sich dem Ziel: sich selbst und ihrer Bestimmung. Denn ohne sie wäre Quiliaris dem Untergang geweiht.

Eine uralte Prophezeiung, manipulierende Götter, arrogante Krieger und eine Prinzessin, die sich von den Ketten ihrer Vergangenheit löst und so zu einer wahren Kriegerin wird – FeuerSeele nimmt sie mit auf eine unvergessliche Reise in ein Land voller Magie, in dem eine junge Frau das Schicksal der Welt in ihren Händen hält.

Gleich lesen: FeuerSeele: Chroniken von Quiliaris 1

Leseprobe:
Das Mädchen genoss die Stille und die beinahe märchenhafte Atmosphäre, geschaffen vom Mond, der ihre Umgebung in einen sanften ätherischen Schimmer hüllte, wie man ihn sonst nur aus Büchern kannte.
Sie fühlte sich ausgeglichen und gut ausgeruht und beschloss einen Spaziergang zu machen, denn die Berge im Norden von Aliaenar hatten ihr Interesse geweckt. Sie waren ein Teil der Calae Berge und die drei höchsten Gipfel des Landes – das Auge Gottes, das Schwert des Königs und der Thron der Königin – hielten stolz Wache über die Festung und das Herz von Quiliaris; an so manchen Nebeltagen konnten sie aber auch durchaus bedrohlich wirken.
Sheba ging entlang des Hauptweges zum Nord-Tor. Es fühlte sich an, als ob die Berge sie riefen, als ob ein gewaltiger Schatz am Ende ihrer Reise auf sie warten würde. Sie war neugierig, ob dieses Gefühl von majestätischer Würde, das sie in dieser Richtung wahrnehmen konnte, anhielt, und was sie dort vorfinden würde.
Kurz vor dem Tor hielt sie an und suchte nach einem Pfad; irgendetwas, das sie in die richtige Richtung führen würde. Sie wusste bereits, dass auf dem Weg, auf dem sie nach Aliaenar gekommen waren, kein Pfad in diese Berge angelegt war. Sheba bat ihre Göttin um Unterstützung und sandte ihre Macht aus, um sich mit ihrer Umgebung vertraut zu machen, in der Hoffnung, dass ihr Feuer vielleicht etwas entdecken würde, was sie übersehen hatte. Und sie hatte Glück, sie fand, was sie suchte: zu ihrer Linken, ein paar Meter vom Tor entfernt, sah sie den Anfang eines schmalen, fast zugewachsenen Trampelpfades sich den Berg hinaufwinden. Sich dessen bewusst, dass sie von einer göttlichen Macht geleitet wurde, verneigte sie sich dankbar vor Nyx und begab sich auf Entdeckungsreise.
Wie eine Berglöwin folgte sie dem lange nicht benutzten und steilen Pfad mit katzengleicher Geschmeidigkeit und erklomm in müheloser Leichtigkeit sicher die schwierigsten Felsen. Ihre Feuer-Macht erwärmte die Luft um sie herum, um ihren Aufstieg zu erleichtern und verbesserte ihre Nachtsicht. Es war ein weiteres Merkmal der Idris, ein gut gehütetes Geheimnis, dass Nyx’ Kinder die Gabe hatten, die Nacht, in die sie hineingeboren waren, ungehindert zu durchstreifen.
Zwei Stunden später machte Sheba schließlich eine Pause und sah, dass sie bereits zwei Drittel des Aufstiegs geschafft hatte und sich unweit einer Kreuzung befand. Instinktiv wusste sie, dass sie nun sehr sorgfältig ihren weiteren Weg wählen musste. Schicksalhaft war das einzige Wort, das ihr einfiel, um die Situation zu beschreiben.
Sie überlegte, was sie über die Gipfel über ihr wusste, und schloss sofort den höchsten, das Auge Gottes, aus. Es schien ihr nicht angemessen, dort hinaufzuklettern und sich auf eine Stufe mit den Göttern zu stellen. Sheba hatte gehört, dass es besonderer Stärke und Macht bedurfte, um ihn zu erklimmen; deswegen auch der Verweis auf die Götter und der Grund dafür, warum jeder Eleve (anscheinend waren diese Berge etwas wie eine Mutprobe unter den Kriegern), der versuchte diesen Berg zu bezwingen, bisher unweigerlich scheiterte.
Sie fühlte tief in ihrem Inneren, dass sie diesen Grad an innerlicher und äußerer Größe noch nicht erreicht hatte, wenn sie ihn überhaupt je erreichen würde. Um Seite an Seite mit den Göttern zu stehen, musste man frei von jeglichen menschlichen Empfindungen sein; sein Fokus musste auf dem Gesamtwohl der Menschheit liegen und sich nicht auf Alltäglichkeiten oder Gefühle des Einzelnen konzentrieren. Sie hatte noch zu viel Menschlichkeit in sich, um jene, die sie liebte, einfach zu ignorieren; zu viele Gefühle, die sie an diese Ebene der Existenz banden und die sie noch nicht gewillt war, hinter sich zu lassen. Das Auge Gottes stand daher außer Frage, was ihr nur noch das Schwert des Königs und den Thron der Königin zur Auswahl ließ.
Beide waren schwierig zu erklimmen. Das Schwert des Königs war nach seiner scharf in die Luft reichenden Spitze benannt, die sich über Zeitalter hinweg geformt hatte. Der Versuch, sie zu bezwingen, konnte ebenso gefährlich und tödlich sein wie die meisterhaft geführte Klinge eines Hashisin, die, genau wie der Berg, Aliaenar und damit auch den Hochkönig vor seinen Feinden beschützte. Neben der Initiation durch das Kri-Amra, das heilige Brandmal der Hashisin in Form eines Schwertes, war es eine Bedingung für die Elitekrieger, diesen Gipfel wenigstens einmal in ihrem Leben zu besteigen.
Da sie nicht das Talent dazu hatte, ein Hashisin zu werden, entschied sie sich auch gegen das Schwert des Königs. Sie würde auf keinen Fall die heilige Tradition derer, die ihr Leben in den Dienst Quiliaris‘ stellten, entehren.
Damit blieb nur noch der Thron der Königin. Sheba seufzte und blickte auf den Gipfel zu ihrer Linken. Während das Schwert des Königs zumindest von beiden Seiten aus zu besteigen war, schien der Thron der Königin, welcher die Form eines Herrschersitzes hatte, unbezwingbar – ein Plateau, das einer Sitzfläche ähnelte, ging in einen steilen Anstieg über, der die Lehne formte und einer rasiermesserscharfen Schneide glich. Welch eine Ironie, dachte Sheba, war diese Unbezwingbarkeit doch das genaue Abbild der Realität: so wie es keine Hochkönigin in Quiliaris gegeben hatte, noch es wahrscheinlich war, dass es je eine geben würde, so gab es auch keinen Thron, den es zu besteigen möglich war.
Wegen der Aussichtlosigkeit des Unterfangens und wahrscheinlich auch wegen des Hinweises auf die weibliche Gattung, hatten nur wenige der ambitioniertesten Krieger jemals einen Aufstieg versucht – und dabei ihren Tod gefunden. Niemand konnte sich erinnern, dass es jemals irgendjemandem gelungen war, den Thron der Königin zu besteigen. Doch gab es eine alte Prophezeiung, die besagte, dass einmal, in Zeiten großer Not, ein Auserwählter der Götter den Thron besteigen und Quiliaris retten würde.
Großartig, damit schied auch der Thron der Königin aus. Da es bereits spät und Sheba nicht mehr in der Stimmung für eine andere allzu anspruchsvolle Aufgabe war, beschloss sie, einfach weiterzugehen und zu sehen, wie weit sie wohl kommen würde.
Also nahm sie den Pfad zu ihrer Linken, sich insgeheim immer noch über die Ironie des Ganzen und die darin enthaltende Wahrheit amüsierend. Eine Prinzessin ohne Talent, die niemals eine Königin sein würde, maßte sich an, nach den Sternen zu greifen; die ganze Sache war schon von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Sie lachte bitter. Doch im Großen und Ganzen hatte sie sich damit abgefunden, wer und was sie war zu sein.
Nach ihrem Streit mit Aris hatte sie über alles, was sie ihm vorgeworfen hatte, und auch über seine Antworten nachgedacht. Und obwohl sie seine Worte getroffen hatten, so hatte er doch nur die Wahrheit gesprochen; am Ende hatte er sich mit seinem eigenen Los um einiges leichter abgefunden, als sie sich mit ihrem. Also hatte sie sich zurückgezogen und versucht, es ihm gleich zu tun und sich mit ihrem eigenen Schicksal auszusöhnen – diesmal allerdings richtig.
Sie hatte erkannt, dass es einen Teil in ihr gab, der immer noch darauf hoffte, dass sie den Verlauf ihrer Zukunft ändern könnte, ihr Leben selbst bestimmen könnte; aber sie musste einsehen, dass diese Hoffnung vergeblich war. Sie wusste, wie ihr Leben aussehen würde und das Beste, auf das sie hoffen konnte, war ein umgänglicher Gefährte. Verdammt, diese Erkenntnis schmerzte immer noch. Aber wenn Aris ein Leben als ewiger Sündenbock und Prügelknabe ertragen konnte, dann würde wohl auch sie das ihr zukünftig vorbestimmte Leben als notwendiges Übel akzeptieren können.
Auch wenn einem das Leben ein schlechtes Blatt zuteilte, musste man es trotzdem, so gut man konnte, ausspielen. Oh ja, sie würde ihr Leben darauf verwetten, dass der Mensch, der für diese unglaubliche Weisheit verantwortlich zeichnete, stets ein Glückskind gewesen war, dachte sie sarkastisch.
Während sie den Berg hinaufstieg, fühlte sie, wie Rayza nach ihr suchte und beruhigte ihn durch ihren Bund. Insgeheim freute sie sich, dass er sie in der ganzen Hektik um die Aufnahmeprüfung nicht vergessen hatte. Sie wusste, dass er bei den Vorbereitungen dabei sein musste und auch, dass er sich die Teilnehmer ansehen wollte. Wegen seiner Fähigkeit, ein Schutzschild über längere Zeit aufrechterhalten zu können, war er für die ‚Kuppel‘ verantwortlich, wie das Energieschild über der Kampfarena genannt wurde. In der Arena lernten die Hashisin ihre Macht offensiv im Kampf einzusetzen – ohne diesen Schild wäre Aliaenar längst nur noch ein Haufen Schutt und Asche. Ein Teil von ihr wünschte sich, auch einmal dort zu stehen und ein Schwert zu führen, aber das war ein weiterer ihrer hoffnungslosen Träume – denn der Zutritt war nur Mitgliedern der Gilde gestattet.
Sie war so tief in Gedanken versunken gewesen, dass sie kaum bemerkte, dass sie das Plateau erreicht hatte. Als sie schließlich anhielt, wurde sie völlig von dem überwältigenden Anblick, der sich ihr bot, überrascht. Vor ihr tauchte der Mond die Festung und deren Umgebung in sein sanftes Licht – sie konnte von hier sogar die Wüste sehen. Mit einer Mischung aus tiefster Sehnsucht und unglaublicher Freude blickte sie auf ihre Heimat. Sie hörte den Ruf der hell schimmernden Dünen, die von der Hitze und dem Feuer des Tages und der dunklen Kälte der Nacht, von den Tieren, geboren im Sand der Wüste, und von den Menschen, die diese ihre Heimat nannten, erzählten. Ihre Seele, ihr gesamtes Sein antwortete diesem Ruf, trauerte um den Verlust ihres Herzschlags, der zugleich der Herzschlag der Wüste war, sprach vom Exil und ihrer Sehnsucht, sich wieder ganz fühlen, wieder eins mit ihrer Heimat zu sein.
Während ihres Klageliedes fand eine Träne ihren Weg über ihre Wangen und tropfte schließlich auf die Erde unter ihr; Sheba bemerkte es nicht, gefangen in ihrem Schmerz und ihrer Trauer, die aus den Tiefen ihrer Seele emporstieg und sich weigerte, dorthin zurückzukehren. Dann fiel auch die letzte der Mauern, die ihre Gefühle unter Verschluss hielten. Ein Schrei voller Verzweiflung, durchdrungen von Wut, entsprang ihrer Kehle, sein Echo hallte bis zu den Gipfeln der mächtigen Berge. Als er schließlich verklang, hörte Sheba plötzlich eine sanfte Stimme in ihrem Geist.
„Verzage nicht, mein Kind. Du wirst in deine Heimat zurückkehren und sie wird dich als eines ihrer Kinder willkommen heißen: die Wüste hat dich nie vergessen, Kind ihres Herzens, das du bist“, spendete die Göttin ihr Trost. „Du hast noch einen langen Weg zu gehen, Tochter des Feuers, aber du hast dich heute hier bewiesen und dafür will ich dich belohnen. Höre meine Worte, Kind der Flammen: Es wird eine Zeit kommen, dein Herz, deine Seele rein von allen menschlichen Empfindungen, in der du dich erheben und deinen gerechten Platz einnehmen wirst, in der du dein Schicksal, deine Bestimmung, erfüllen wirst. Bis dahin mögen die Flammen des Lichts dich leiten und dich vor Unheil schützen. Empfange meinen Segen, Prinzessin von Pyr, denn du hast mein Herz mit Freude erfüllt!“

Im Kindle-Shop: FeuerSeele: Chroniken von Quiliaris 1

Mehr über und von Caris McRae auf ihrer Website.

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7. September 2017

'The Choice: Mut zur Liebe' von Monica Bellini

Sein Name ist Yves Latour, sein Beruf Strafverteidiger. Die Pariser Richter und Staatsanwälte nennen ihn »Avocat Pitbull«. Doch sosehr er sich in seinen Gegnern festbeißt, so wenig tut er es bei Frauen. Deren Anhänglichkeit ist ihm ein Gräuel, daher hält er sich an die Escorts der Agence O. Jedes Mal eine andere. Als Stammkunde kann er ohnehin jede haben. Bis auf eine. Seraphine, die ihn zappeln lässt wie einen Fisch an der Angel …

Miranda Rosen ist die Muse der bedeutendsten französischen Couturiers. Die entwerfen traumhafte Kreationen für sie, die sie auf mondänen Events trägt – und die Paparazzi stehen Schlange. Mit ihren dunklen Augen, den sinnlichen Kurven und der schwarzen Mähne ist sie der Inbegriff der Femme fatale. Und unnahbar, wie all die Männer wissen, die sich an ihr die Zähne ausbeißen und nichts von ihrem Geheimnis ahnen. Als Seraphine führt sie ein Doppelleben. Und ausgerechnet dieser Yves Latour kommt dahinter.

Er will sie. Nur für eine Nacht. Und er ist bereit, eine horrende Summe dafür zu bezahlen. Aber Mirandas Radar schlägt Alarm, und sie tut alles, um ihm aus dem Weg zu gehen. Was nur nicht so einfach ist, da sein bester Freund ihre beste Freundin heiratet …

Gleich lesen: The Choice: Mut zur Liebe

Leseprobe:
Die Dachterrasse des exklusiven Restaurants füllt sich an diesem Spätsommerabend nach und nach mit Menschen. Plaudernd und Champagner schlürfend stehen sie an der dem Meer zugewandten gläsernen Brüstung, um einen Blick auf die beeindruckenden Jachten im Hafenbecken von Monte Carlo zu werfen, bevor sie sich der Auswahl der Speisen widmen. Zwei ältere Damen haben jedoch den ruhigeren Winkel gewählt, fernab vom Gedränge und den immer noch glühenden Strahlen der sinkenden Sonne. Die beiden Amerikanerinnen besuchen Monaco nicht zum ersten Mal. Im Gegenteil. Jedes Jahr verbringen sie den Todestag der Fürstin Gracia Patricia am gleichen Ort. Genau hier und in stummer Eintracht. Am Vortag waren sie bereits am Ortseingang von Cap D’Ail an der Kurve der Route de la Turbie, dem Unfallort. Am 13. September 1982 stürzte die von ihnen bewunderte frühere Schauspielerin Grace Kelly mit ihrem Wagen von dort vierzig Meter in die Tiefe und starb am Tag darauf. Jetzt gleiten die Blicke der beiden Freundinnen über die weniger strahlende Seite des Fürstentums der Grimaldi, die steil zum Meer abfallenden Felsen, dorthin, wo sie sich am Nachmittag ein Appartement angesehen haben. Sie werden nicht jünger und das milde Mittelmeerklima ist ihnen zuträglicher als die feuchte Hitze Floridas.
Die eine deutet mit ausgestrecktem Zeigefinger auf einen Punkt etwas oberhalb der Moyenne Corniche. »Dort, siehst du das rote Dach zwischen den anderen grauschwarzen? Das ist es. Ein Juwel in traumhafter Lage und zu einem durchaus akzeptablen Preis, findest du nicht?«
Ihre Freundin kneift die Augen hinter den Brillengläsern zusammen und reckt ihr spitzes Kinn noch ein wenig vor, als ob die paar Zentimeter ihre Sicht verbessern könnten. Offenbar nicht. Denn sie reißt Kopf und Schultern nach hinten, öffnet den Mund und stößt einen schrillen Schrei aus.
Die Anwesenden auf der Dachterrasse wenden ihre Aufmerksamkeit den beiden eleganten Damen zu und folgen der ausgestreckten Hand der einen. Eine dunkle Rauchsäule steigt von der Panoramastraße Richtung Himmel. Eine laute Explosion durchdringt den frühen Abend und ein riesiger Feuerball weiter unten am Hang zieht alle Blicke auf sich. Es besteht kein Zweifel, dass dort soeben ein Fahrzeug explodiert ist und ein zweites brennend in einer Haarnadelkurve steht. Nur wenige Meter vom todbringenden Abgrund entfernt.
»Dieser Tag scheint verdammt zu sein.« Mit diesem Satz durchbricht ein hochgewachsener, distinguierter Franzose mit schlohweißem Haar das entsetzte Schweigen aller Anwesenden. Er ist nicht der Einzige, der sich bekreuzigt – bevor er sich wieder seinem Cocktail widmet.

[...]

»Ich verstehe das nicht«, flüstere ich Sarah zu, als sie die Heckklappe ihres Jeeps öffnet. »Sie ist plötzlich fromm wie ein Lämmchen, hat sich sogar von mir hineinsetzen lassen.« Ich lege den Koffer in den Wagen, richte mich auf und sie nähert ihren Mund meinem Ohr.
»Vielleicht hat sie endlich begriffen, dass sie es allein nicht schafft und wir es gut mit ihr meinen. Du wirst sehen, es wird nicht lange dauern, bis sie die ersten Schritte tut.«
»Ich kann euch hören!« Mirandas Stimme lässt uns auseinanderfahren. Sie sitzt auf dem Beifahrersitz und justiert den Rückspiegel, um uns zu beobachten. Ich hebe die Reisetasche in den Kofferraum, Sarah Mirandas Beautycase.
»Das glaube ich nicht«, flüstere ich kopfschüttelnd. »Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie gar nicht mehr gehen will.«
»Quatsch!«, ruft Sarah aus und wirft die Heckklappe mit einem lauten Knall zu. »Sie wird doch nicht auf ihr Jetset-Leben verzichten wollen. Oder gar auf ihre erotischen Abenteuer als Seraphine.«
Ich reiße Sarah an der Schulter herum.
»Du weißt es?« Ich starre sie konsterniert an.
»Allerdings. Und ich habe es ihr vorhin auch gesagt.«
Mich bringt nichts so leicht aus der Fassung. Vor Gericht habe ich mit Gegnern zu tun, die jede noch so kleine Schwäche zu Gunsten ihrer Klienten ausnutzen. Aber das ... Marcel hat nie erwähnt, dass Sarah von Mirandas Doppelleben weiß. Wie kann das sein, frage ich mich, laut hingegen: »Wie hat sie reagiert?«
»Gar nicht. Ich habe dich gerufen, du hast die Tür aufgestoßen und sie war abgelenkt.«
Merde. Die kommenden Tage versprechen ausgesprochen interessant zu werden.
Sarah geht zur Fahrertür und öffnet sie. Ich folge ihr.
»Ich bleibe in Paris. Du brauchst mich ohnehin nicht ...«
»Du kommst mit, Yves«, schneidet sie mir das Wort ab. »Wie besprochen.«
»Was?« Miranda schreit auf. »Reicht es dir noch nicht, dass du mich gegen meinen Willen auf dein verdammtes Schloss verschleppst? Dass mich deine Kinder so sehen sollen?« Sie deutet hektisch auf ihre Beine. »Jetzt soll ausgerechnet auch noch er mitkommen?«
Ich lege die Hand auf das Autodach und beuge mich in den Fahrzeugraum. Meine Stimme ist eisig. »Definiere ausgerechnet.«
Sie streckt ihren Arm aus, fuchtelt mit dem Zeigefinger in meine Richtung. »Du ... Du ...« Schnaubend bricht sie ab.
Ich fange meinen Autoschlüssel aus der Hosentasche und lasse ihn am Schlüsselring von meinem Finger baumeln.
»Wir sehen uns in Sancerre.« Ich hebe lässig die Hand und drehe mich um. Mirandas Schnauben aus dem Inneren des Jeeps verfolgt mich noch, als ich in meinen Bugatti Chiron steige. Sarah öffnet das Tor der Tiefgarage und lässt mir die Vorfahrt. Eine Viertelstunde später bin ich auf der A6 und gebe Gas. Der 1500-PS-Motor röhrt erfreut auf. Aber heute ist das Fahrgefühl, das mir mein sündteures Spielzeug vermittelt, nur die zweitstärkste Emotion. Miranda in den kommenden Tagen in meiner Nähe zu wissen, schlägt sie bei Weitem.

[...]

Irritiert schaue ich Marcel nach, der Miranda aus der Küche trägt. Sie hat ihre Arme um seinen Hals geschlungen – dabei sollten sie um meinen liegen. Ich will ihre Brust an meiner spüren und ihren Duft einatmen. Die Erinnerung an ihren Körper in meinen Armen, als ich sie in der Tiefgarage aus dem Rollstuhl hob und in Sarahs Wagen setzte, lässt mich aufseufzen.
»Hast du weh?« Emilies piepsendes Stimmchen unterbricht mein Kopfkino.
»Nein, alles in Ordnung«, erwidere ich, ohne sie anzusehen, und erhasche einen letzten Blick auf Mirandas Locken, bevor mein Freund mit ihr aus meinem Blickfeld verschwindet.
»Gut, ich will spielen.« Sosehr ich die Kinder mag, Emilies bestimmte Ansage und das darauffolgende Jauchzen ihres Bruders deuten darauf hin, dass ihre Pläne für das Wochenende nicht den meinen entsprechen.
Wenig später finde ich mich auf allen vieren auf dem flauschigen Teppich vor dem Kamin im Wohnzimmer wieder. Bastien reißt an meinen Haaren, an denen er sich festklammert wie in der Mähne des Pferdes, auf dem er in seiner Fantasie gerade reitet. Fehlt nur noch die Peitsche, denke ich, als Emilie mit der flachen Hand auf meinen Hintern schlägt und »Allez Hop!« ruft.
»Sind Sie der Marquis?« Die mir unbekannte weibliche Stimme klingt belustigt. Mit einem Ruck richte ich den Oberkörper auf und Bastien rutscht zu Boden und zetert los. Was er noch nicht in Worte fassen kann, macht er mit seinem Geschrei klar. Mit einem raschen Blick vergewissere ich mich, dass er weich gefallen ist und sich nicht wehgetan hat, und sehe nach oben.
Sie ist – anders. Rote Haare, grüne Augen und stark ausgeprägte Sommersprossen, obwohl der Winter dem Ende zugeht. Das alles garniert mit einem amüsierten Lächeln.
»Nein. Das ist Yves Latour, der älteste Freund meines Mannes.«
Ich werfe Sarah einen giftigen Blick zu. Ich bin kein Tattergreis und Marcel ist sogar drei Monate älter als ich.

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6. September 2017

'Letzte Chance Mond' von O.E.Wendt

Das Jahr 2097. Die junge Professorin Stella übernimmt die Leitung der beiden amerikanischen Mondbasen. Wenige Monate später tauchen drei mysteriöse Flugobjekte aus dem All auf, die sich unvorstellbar schnell dem Innern des Sonnensystems nähern. Eine Kollision mit der Erde scheint unausweichlich.

Doch zunächst manipulieren die Objekte die Crew des Raumschiffs Nightstar, auf dem auch Stellas Bruder Carl arbeitet. Keinerlei Kommunikationsbereitschaft ist seitens der Objekte zu erkennen und die Erde, der besiedelte Mars und die Farout-Stationen wappnen sich. Jedoch sabotiert die fanatische Sekte der Christlichen Propheten jegliches Raumfahrtprojekt durch zahllose Terrorakte. Auch die Mondbasen sind betroffen und gemeinsam mit General Walker will Stella die Krise bewältigen.

Aber wo lauert nun die eigentliche Gefahr? Im All oder auf der Erde? Löscht sich der Mensch womöglich noch vor Ankunft der Objekte selbst aus? Die überforderten Staatenlenker resignieren. Alleine die Abwehr der Abermillionen Klimaflüchtlinge, der Massen an Armen und Hungernden, die vor den Grenzen der reichen Länder stehen, kostet sie ihre letzte staatlichen Kraftreserven.

Während Stella auf dem Mond kämpft, beißt sich der Vorarbeiter Martin auf dem europäischen Weltraumbahnhof in der Nordsee durch und sucht verzweifelt nach einer Chance, seine kleine Tochter vor der prognostizierten Katastrophe zu bewahren. Es heißt, die Nordamerikanische Union organisiere Evakuierungsflüge nach Luna.

Ein recherchenintensives und aufwühlend packendes Werk, mit dem der Autor all die Versäumnisse der zivilen Menschheit, den Planeten in das Unvermeidliche führt. Schon 2016 war O.E.Wendt mit seiner Fantasy-Trilogie „Die Mino-Saga“ beim Storytelleraward in der Rubrik "Kundenbewertungen" unter den besten zehn Titeln. Mit diesem Roman nun bewirbt er sich erneut und freut sich auf viele begeisterte Leser.

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Leseprobe:
01 – Eine unglaubliche Entdeckung
Luna, Selene I, Mondstation der IAA, PST 23.05.2097

„Ich muss eine definitive Bestätigung haben, Professor Svensøn, ob die Angaben, die sie uns übermittelt haben, keine Zweifel lassen. Wie deutlich sind ihre Beobachtungen und wie groß ist die Chance, dass sie sich irren? Ich gehe ja nicht davon aus, dass es sich um einen schlechten Scherz handelt.“
Sie konnte nicht glauben, dass er das in Erwägung zog und blickte fragend in den Screen Frame, der sich an einem Kunststoffarm befestigt vor ihr befand und das Konterfei eines genervten und gehetzten Mannes zeigte, der auf die Neuigkeiten, die sie ihm mitgeteilt hatte, alles andere als erfreut reagierte.
Peter Trade sah blass aus und bot eher den Typ des langweiligen Buchhalters, was er jedoch mitnichten war. Er bekleidete vielmehr die Funktion eines der Vorstandsmitglieder des Konzerns und war außerdem Direktor der Hauptbasis der International Astro Agency in Seattle. Daher sprach Stella in dieser Angelegenheit direkt mit ihm und nicht mit einem der Operatoren, mit denen sie sonst zu tun hatte.
Sie rollte mit den Augen. Als ob sie bei einer solchen Angelegenheit scherzen würde. Seit über zwei Monaten schon leitete sie die beiden Mondbasen der IAA und doch gelang es gewissen Herren in Seattle nicht, dies zu akzeptieren. Genauso war es ihr ergangen, als sie ihre erste Professur bereits mit zweiundzwanzig erworben hatte und atemberaubend schnell die Karriereleiter hinaufgeklettert war. Und das auch noch relativ mühelos. Ihren jetzigen Posten auf dem Mond hatte sie nun mit siebenundzwanzig errungen – attraktiv, erfolgreich und weiblich. Diese Attributskombination stellte für viele dieser Art von Männern eine ungeheure Provokation dar, gegen deren Reaktionen sie sich lächerlicherweise immer wieder zur Wehr setzen musste.
Ihre Leidenschaft für die Raumfahrt war es, die ihr stets die Kraft gab, derartigen Anfeindungen und Neidgefühlen entgegenzuwirken. Sie blieb fokussiert und zielstrebig und ließ sich auch jetzt nicht beirren. Typen wie Trade warteten doch nur darauf, dass sie einen Fehler machte, damit sie ihr verkrustetes Weltbild bestätigt sahen.
Stella rollte also mit den Augen. Da sie in diesem Modul der Station unterhalb der Mondoberfläche den ganzen Tag alleine Dienst tat und mit hohem Besuch kaum zu rechnen war, trug sie lediglich einen einfachen grauen Trainingsanzug mit dem Emblem der Firma und eine alte Baseballmütze ihres Vaters, die ihre dichten dunkelblonden Haare größtenteils versteckte. Trotz aller Bewunderung für den Erdtrabanten war sie kein Fan der Mikroschwerkraft und auch einige andere Besonderheiten hier oben waren durchaus verzichtbar. Sie wollte ihre Monate auf Luna rasch absolvieren und dann weiterziehen. Denn der Mond sollte nicht ihre Endstation werden und sie hatte auch nur für diesen Posten gekämpft, um ihn baldmöglichst wieder loszuwerden. Sie benötigte die Erfahrungen und war sehr an einem entsprechenden Eintrag in ihrem Lebenslauf interessiert, um sich für eine der kommenden Jupitermissionen zu bewerben. Dort lagen ihre eigentlichen Ziele.
„Hören sie, Mr. Trade“, sagte sie schließlich, stieß sich leicht von ihrem Schreibtisch ab und griff, langsam durch den Raum gleitend, nach einem weiteren Screen Frame, der an einer anderen Wand hing. Sie aktivierte ihn beiläufig, tippte etwas hinein und landete sanft mit ihrem Sessel auf dem Boden, während die Übertragung des anderen Frames die Verbindung zu ihrem Gesprächspartner aufrechterhielt. „Ich habe meine Beobachtungen mehrmals überprüft und von Professor Fukur von Selene II bestätigen lassen. Es bestehen keinerlei Zweifel. Außerdem hat die vierzehntägige Nacht auf der erdabgewandten Seite des Mondes soeben begonnen. Fukur hat also einen idealen Blick auf das Geschehen. Nennen sie es Zufall oder nicht. Sie werden jedenfalls in genau vierunddreißig Minuten selbst sehen können, dass es sich um keinen Irrtum handelt.“
„Das will ich für sie hoffen!“, sagte er, in einem vollkommen unangebracht herrischen Tonfall. Er bemerkte selbst seine zu offensichtlich abweisende Ansprache, räusperte sich kurz und fuhr fort: „Aber wie auch immer, Professor, ich wollte mir in jedem Fall ein persönliches Bild machen, bevor ich die Sache weiter verfolge und einige Stellen höher leite. Wie sie sicherlich wissen, müssen wir bei bestimmten Rahmenbedingungen der Regierung Meldung machen und da gehe ich gerne auf Nummer sicher.“
„Mr. Trade, das ist vollkommen verständlich und liegt ganz und gar in ihrem Ermessensspielraum. Ich hingegen erledige hier seit meinem ersten Tag sehr gewissenhaft meinen Job und teile ihnen korrekt mit, was ich beobachte. Aber da sie es schon ansprechen: Wenn in den letzten Jahren eine Beobachtung Wert gewesen ist, an Regierungskreise weitergeleitet zu werden, dann wahrscheinlich diese hier. Im Übrigen werden sie in kürzester Zeit von sämtlichen bedeutenden Observatorien der Erde die Bestätigung erhalten – und zwar sobald diese auf die entsprechenden Himmelskoordinaten ausgerichtet sind. Außerdem werden sich mit Sicherheit noch die Vertretungen von Mars und den Jupiterstationen melden.“ Auf dem anderen Frame ging sie parallel die zuletzt gesammelten Daten noch einmal durch und ließ den Zentralcomputer zum x-ten Mal berechnen, um wie viele Einzelobjekte es sich handelte und welchen Kurs sie nahmen. Und so sehr es ihr auch nicht behagte, alles deutete darauf hin, dass es sich nicht um natürliche Phänomene handelte, denn dazu flogen die Objekte in einer zu willkürlich gesteuerten Bahn. Nichts Natürliches hätte Richtung und Geschwindigkeit derart ändern oder beeinflussen können.
„Sie werden bald wieder von mir hören, Professor Svensøn.“
Stella fasste diesen Satz als Drohung auf und hatte nur bedingt Verständnis für Trades Verhalten. Sie schätzte seine Abneigung ihr gegenüber vollkommen richtig ein. Sicherlich spielte auch der Druck, dem er gegen diverse Autoritäten standhalten musste, eine Rolle, aber es müsste ihm klar sein, dass sie nichts für die Umstände konnte und die Letzte war, die an seinen Problemen Schuld hatte.
Trade beendete die Verbindung kurzerhand und Stella glitt kopfschüttelnd mit ihrem Sessel zurück an den Schreibtisch und rief Mohamed Fukur an. Personalführung und Taktgefühl jedenfalls gehörten nicht zu Trades Fachkompetenzen. Noch nie hatte sie unseriöse oder zweifelhaft recherchierte Informationen weitergegeben. Und derart ungewöhnliche Erscheinungen überprüfte sie nicht nur einmal, bevor sie überhaupt mit jemandem darüber sprach. Ganz davon abgesehen, dass so etwas noch nie in der Geschichte der Raumfahrt, in der Geschichte der menschlichen Beobachtung von Himmelskörpern überhaupt, vorgekommen war. Fukur unterstützte sie und nachdem sie der Basis ihre Mitteilung gemacht hatte, stand sie ununterbrochen mit den Operatoren in Verbindung und widmete sich ausschließlich der neuen Beobachtung.
Fukur beschäftigte sich ebenfalls mit nichts anderem mehr. Er brütete über die Herkunft dieser Erscheinungen, die sich mit solch hoher Geschwindigkeit dem Sonnensystem genähert hatten, dass sie urplötzlich in den rückseitigen lunaren Teleskopen erschienen. An einem noch unbekannten Punkt mitten im äußeren Sonnensystem waren sie aufgetaucht, kurz darauf hatten sie ihre Geschwindigkeit enorm gedrosselt und mehrere Kursänderungen vorgenommen. Das war bisher das Einzige, was Stella und Fukur an Details hatten feststellen können.
Auf der ereignislosen erdabgewandten Mondbasis Selene II, dem Pendant zu Selene I, hatte der ägyptische Professor ausreichend Zeit, um sich unterschiedlichsten Studien zu widmen. Obwohl er bereits vor Jahren viele interessante und hoch bezahlte Jobs hätte antreten können, entschied er sich ganz bewusst in Ruhe den Interessen nachzugehen, die ihn ganz persönlich faszinierten. Der Mond zählte zwar auch dazu, aber extraterrestrische Planeten und potentielle Entwicklung von Leben darauf wesentlich mehr. Entsprechend elektrisiert war er daher auch aufgrund der neuesten Ereignisse. Er wertete pausenlos alle bisherigen Daten aus, als Stella ihn anrief.
„Stella, was kann ich für sie tun? So häufig wie heute haben wir in der gesamten Zeit ihres Aufenthaltes auf Luna nicht miteinander gesprochen.“ Er mochte die junge Wissenschaftlerin, wenngleich sie beide auch aus zwei vollkommen unterschiedlichen gesellschaftlichen Welten stammten. Stella sah in das von Lachfalten gezeichnete und nachdenkliche Gesicht des meist gelassenen, aber an diesem Tag sehr aufgeregten Professors auf ihrem Screen Frame.
„Hallo, Mohamed, ja das stimmt wohl. Ich habe gerade mit Trade gesprochen. Er tut so, als machten wir einen Scherz über diese Sache.“
„Ich habe nichts anderes erwartet, Stella. Der Mann ist hoffnungslos überfordert mit seinem Job. Aber alle großen Observatorien sind jetzt dabei, ihre Teleskope auf die Objekte auszurichten und selbst unsere Farout-Stationen auf Ganymed und Europa werden bemerkt haben, dass dort draußen etwas vorgeht. Ihre Nachrichten sind bloß noch nicht bis zu uns vorgedrungen. Wer das nicht mitbekommt, ist entweder blind, taub, beides oder unzurechnungsfähig – mit Verlaub. Es würde mich schon sehr wundern, wenn der Präsident nicht längst von den Ereignissen in Kenntnis gesetzt worden wäre. Die Regierung ist nämlich auf die IAA nicht wirklich angewiesen, um so etwas zu erfahren. Aber es ist ja auch nichts Neues, dass Leute wie Trade uns unser Prestige hier oben nicht gönnen.“ Mit seinem gepflegten schwarzen und spitz zulaufenden Bart und den buschigen Augenbrauen hätte Fukur einen guten Zauberer aus dem Morgenland abgegeben.
„Ich hatte eigentlich gehofft, in ein paar Tagen das Versorgungsshuttle für einen Heimattrip zu nehmen. Daraus wird wohl jetzt nichts werden“, meinte Stella und wusste noch nicht, ob sie der Enttäuschung darüber oder aber der brennenden Neugierde auf die rätselhaften Objekte nachgeben sollte.
„Sehen sie es doch mal von einer anderen Seite, Stella! Wir hier oben auf dem Mond haben die Logenplätze. Und alles, was wir herausfinden, kann ihren persönlichen Plänen für die Zukunft doch nur förderlich sein."
„Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob das der richtige Weg ist. Ich bin skeptisch. Und nach allem, was wir bisher ausgewertet haben, handelt es sich bei den Flugobjekten um unnatürliche und durch einen zielgerichteten Mechanismus gesteuerte Konstrukte. Sie erscheinen mir nicht berechenbar, Professor. Und Unberechenbares liegt mir nicht.“

Im Kindle-Shop: Letzte Chance Mond

Mehr über und von O.E. Wendt auf seiner Website.

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