"Ausradiert - Nicht ohne meine Tochter" von Andreas Adlon
Ein Thriller. Mark Bornke möchte seine 16jährige Tochter nach ihrem Austauschjahr in Seattle abholen. Sie taucht jedoch nicht wie vereinbart am Flughafen auf. Die Gastfamilie will nie eine Austauschschülerin aus Deutschland aufgenommen haben und der Sheriff glaubt ihm nicht. Hat sich die ganze Welt gegen ihn verschworen oder ist er tatsächlich verrückt geworden?
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Leseprobe:
Selbst Anfang Juli stiegen die Temperaturen nicht weit über 20 Grad Celsius auf Vancouver Island. Aber die Sonne geizte nicht mit ihren Strahlen, bereits morgens kitzelte sie auf der Haut und verbreitete ein wohliges Gefühl. Gary fuhr mit dem gemieteten, knallroten Jeep den Waldweg hinauf zum Blockhaus.
»Honey, warum sagst du denn nichts, wenn du einkaufen fährst?«, rief ihm Jana entgegen, als er die Autotür öffnete.
Jacko forderte als Erstes sein Recht und sprang sein Herrchen an. Lässig grinsend stieg er aus, kraulte den aufgeregten Hund, ging auf sie zu und küsste sie zur Begrüßung zärtlich.
»Baby, du hast noch so süß geschlafen, da wollte ich dich nicht wecken.«
»Das ist lieb von dir, aber trotzdem wüsste ich gerne, wo du steckst und wann du ungefähr zurück bist.«
»Jetzt bin ich ja da. Schau, was ich eingekauft habe«, sagte Gary stolz und öffnete die Heckklappe.
»Ahh, dann grillen wir heute Abend wohl, wie?« Während Jana in den Besorgungen wühlte, nahm Gary eine langstielige rote Rose vom Beifahrersitz und hielt sie Jana vor die Nase.
»Für meinen Sonnenschein.«
»Du bist so süß, weißt du das, Gary Winslow?«
Gary hatte die High-School mit Bestnoten abgeschlossen und studierte nun Medizin an der University of Washington in Seattle. Das Lernen schien ihm leicht zu fallen, weil er genügend Zeit für sein liebstes Hobby hatte: Die Musik. Er gründete mit drei Freunden die Band ‚The Maniacs‘. Der große Durchbruch ließ noch auf sich warten, aber rein äußerlich verkörperte Gary so ziemlich jedes Klischee eines Rockstars. Ganz besonders vernarrt war Jana in das schwarz-rote Drachentattoo auf seiner linken Brust.
Als die beiden vergnügt die Einkäufe ins Haus trugen, fragte Jana: »Hast du irgendwo mein Ladekabel gesehen?«
»Das Ladekabel für dein Handy?«
»Ja, genau.«
»Ist es denn nicht in deinem Rucksack?«
»Eben nicht, habe schon alles durchgewühlt. Wahrscheinlich habe ich Schussel es doch vergessen. Gibst du mir mal bitte deins? Ich möchte meinem Vater eine SMS schreiben.«
»Klar, liegt im Auto, aber hier draußen haben wir eh keinen Empfang.«
»So ein Mist. Einen entlegeneren Ort hättest du dir wohl nicht aussuchen können, was?«, fragte Jana mit gespielt spöttischer Miene.
»Baby, dieses Blockhaus gehört meinem Großvater, das weißt du genau. Dein Vater kommt doch erst in zwei Wochen.«
»Ich sag ja schon gar nichts mehr. So haben wir doch noch Zeit für uns, ne?« Gary nahm sie in seine Arme.
»So mag ich dich, Baby.«
»Was stellen wir denn noch so an, bevor wir grillen, Honey?« fragte Jana mit laszivem Augenaufschlag.
»Wir könnten schwimmen gehen.«
»Boah, das ist mir viel zu kalt, aber ich schaue meinem Rockstar gerne zu.« Das ließ Gary sich nicht zweimal sagen. Er zog kurzerhand sein T-Shirt, seine Blue Jeans und seinen Slip aus, rannte über den wenige Meter langen Holzsteg und sprang kopfüber in den See.
Jana ging ihm nach, nachdem sie ein flauschiges weißes Handtuch aus der Hütte geholt hatte, und setzte sich auf den Holzsteg. Obwohl sie ihn nicht zum ersten Mal nackt sah, konnte sie sich gar nicht satt sehen an seiner makellosen Figur.
Ausgesprochen lässig benutzte Gary die Treppe, nahm das Handtuch entgegen und trocknete sich ab, als wollte er sich ihr präsentieren.
»Gefällt dir, was du siehst?«
»Frag nicht so blöd.« Gary legte sich das Handtuch um die Hüfte, setzte sich und legte den Arm um sie.
»Warum kann das nicht immer so sein?«
»Wünschst du dir das?«
»Ja, sehr.«
Gary grinste still und zufrieden vor sich hin.
***
Mark schaute auf eine weiße hässliche Tapete mit braunen Blumenmustern, ein buntes Bild hing an der Wand, auf dem er nicht erkennen konnte, was es eigentlich darstellen sollte. Es machte auch gar keinen Sinn, minutenlang auf diese Wand in seinem Hotelzimmer zu starren. Er knetete abwechselnd die Finger seiner linken Hand, dann die Finger seiner rechten Hand durch. Als ob die Finger etwas dafür konnten, dass er zum Nichtstun verdammt war.
Was konnte er denn noch tun, außer zur Polizei zu gehen? Die Krankenhäuser wurden ja laut Aussage des Dorfpolizisten automatisch abgefragt. Wenn er nicht bald etwas unternehmen könnte, würde er noch durchdrehen, das wusste Mark. Irgendjemand musste sie doch kennen. Die High School zum Beispiel. Er kannte noch nicht mal den Namen dieser Schule, wusste nur, dass Jana eine halbe Stunde mit dem Bus dorthin gebraucht hatte.
Außerdem hatten die jetzt Ferien. Das Schuljahr hatte am 23. Juni geendet. Das klingelnde Handy riss Mark aus seinen Gedanken.
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