27. November 2012

"Ausradiert - Nicht ohne meine Tochter" von Andreas Adlon

Ein Thriller. Mark Bornke möchte seine 16jährige Tochter nach ihrem Austauschjahr in Seattle abholen. Sie taucht jedoch nicht wie vereinbart am Flughafen auf. Die Gastfamilie will nie eine Austauschschülerin aus Deutschland aufgenommen haben und der Sheriff glaubt ihm nicht. Hat sich die ganze Welt gegen ihn verschworen oder ist er tatsächlich verrückt geworden?

Gleich lesen: Ausradiert - Nicht ohne meine Tochter: Thriller









Leseprobe:
Selbst Anfang Juli stiegen die Temperaturen nicht weit über 20 Grad Celsius auf Vancouver Island. Aber die Sonne geizte nicht mit ihren Strahlen, bereits morgens kitzelte sie auf der Haut und verbreitete ein wohliges Gefühl. Gary fuhr mit dem gemieteten, knallroten Jeep den Waldweg hinauf zum Blockhaus.
»Honey, warum sagst du denn nichts, wenn du einkaufen fährst?«, rief ihm Jana entgegen, als er die Autotür öffnete.
Jacko forderte als Erstes sein Recht und sprang sein Herrchen an. Lässig grinsend stieg er aus, kraulte den aufgeregten Hund, ging auf sie zu und küsste sie zur Begrüßung zärtlich.
»Baby, du hast noch so süß geschlafen, da wollte ich dich nicht wecken.«
»Das ist lieb von dir, aber trotzdem wüsste ich gerne, wo du steckst und wann du ungefähr zurück bist.«
»Jetzt bin ich ja da. Schau, was ich eingekauft habe«, sagte Gary stolz und öffnete die Heckklappe.
»Ahh, dann grillen wir heute Abend wohl, wie?« Während Jana in den Besorgungen wühlte, nahm Gary eine langstielige rote Rose vom Beifahrersitz und hielt sie Jana vor die Nase.
»Für meinen Sonnenschein.«
»Du bist so süß, weißt du das, Gary Winslow?«
Gary hatte die High-School mit Bestnoten abgeschlossen und studierte nun Medizin an der University of Washington in Seattle. Das Lernen schien ihm leicht zu fallen, weil er genügend Zeit für sein liebstes Hobby hatte: Die Musik. Er gründete mit drei Freunden die Band ‚The Maniacs‘. Der große Durchbruch ließ noch auf sich warten, aber rein äußerlich verkörperte Gary so ziemlich jedes Klischee eines Rockstars. Ganz besonders vernarrt war Jana in das schwarz-rote Drachentattoo auf seiner linken Brust.
Als die beiden vergnügt die Einkäufe ins Haus trugen, fragte Jana: »Hast du irgendwo mein Ladekabel gesehen?«
»Das Ladekabel für dein Handy?«
»Ja, genau.«
»Ist es denn nicht in deinem Rucksack?«
»Eben nicht, habe schon alles durchgewühlt. Wahrscheinlich habe ich Schussel es doch vergessen. Gibst du mir mal bitte deins? Ich möchte meinem Vater eine SMS schreiben.«
»Klar, liegt im Auto, aber hier draußen haben wir eh keinen Empfang.«
»So ein Mist. Einen entlegeneren Ort hättest du dir wohl nicht aussuchen können, was?«, fragte Jana mit gespielt spöttischer Miene.
»Baby, dieses Blockhaus gehört meinem Großvater, das weißt du genau. Dein Vater kommt doch erst in zwei Wochen.«
»Ich sag ja schon gar nichts mehr. So haben wir doch noch Zeit für uns, ne?« Gary nahm sie in seine Arme.
»So mag ich dich, Baby.«
»Was stellen wir denn noch so an, bevor wir grillen, Honey?« fragte Jana mit laszivem Augenaufschlag.
»Wir könnten schwimmen gehen.«
»Boah, das ist mir viel zu kalt, aber ich schaue meinem Rockstar gerne zu.« Das ließ Gary sich nicht zweimal sagen. Er zog kurzerhand sein T-Shirt, seine Blue Jeans und seinen Slip aus, rannte über den wenige Meter langen Holzsteg und sprang kopfüber in den See.
Jana ging ihm nach, nachdem sie ein flauschiges weißes Handtuch aus der Hütte geholt hatte, und setzte sich auf den Holzsteg. Obwohl sie ihn nicht zum ersten Mal nackt sah, konnte sie sich gar nicht satt sehen an seiner makellosen Figur.
Ausgesprochen lässig benutzte Gary die Treppe, nahm das Handtuch entgegen und trocknete sich ab, als wollte er sich ihr präsentieren.
»Gefällt dir, was du siehst?«
»Frag nicht so blöd.« Gary legte sich das Handtuch um die Hüfte, setzte sich und legte den Arm um sie.
»Warum kann das nicht immer so sein?«
»Wünschst du dir das?«
»Ja, sehr.«
Gary grinste still und zufrieden vor sich hin.

***

Mark schaute auf eine weiße hässliche Tapete mit braunen Blumenmustern, ein buntes Bild hing an der Wand, auf dem er nicht erkennen konnte, was es eigentlich darstellen sollte. Es machte auch gar keinen Sinn, minutenlang auf diese Wand in seinem Hotelzimmer zu starren. Er knetete abwechselnd die Finger seiner linken Hand, dann die Finger seiner rechten Hand durch. Als ob die Finger etwas dafür konnten, dass er zum Nichtstun verdammt war.
Was konnte er denn noch tun, außer zur Polizei zu gehen? Die Krankenhäuser wurden ja laut Aussage des Dorfpolizisten automatisch abgefragt. Wenn er nicht bald etwas unternehmen könnte, würde er noch durchdrehen, das wusste Mark. Irgendjemand musste sie doch kennen. Die High School zum Beispiel. Er kannte noch nicht mal den Namen dieser Schule, wusste nur, dass Jana eine halbe Stunde mit dem Bus dorthin gebraucht hatte.
Außerdem hatten die jetzt Ferien. Das Schuljahr hatte am 23. Juni geendet. Das klingelnde Handy riss Mark aus seinen Gedanken.

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26. November 2012

'Kleiner Held vom Fensterbrett' von Birgit Böckli

Zwei kurzweilige Bildergeschichten zum Lesen und Vorlesen, für Kinder von 5 bis 8 Jahren.
Die kleine Julia wünscht sich ein paar Zimmerpflanzen für ihre Fensterbank. Doch nach der ersten Begeisterung vergisst sie schon bald, ihre neuen Freunde zu gießen. Da beschließt der kleine Kugelkaktus, etwas zu unternehmen …

"Die Schönheit der Hyäne" ist eine Tiergeschichte aus der Savanne. Die Tiere wollen einen Schönheitswettbewerb veranstalten und stürzen sich mit Begeisterung in die Vorbereitungen. Als die hässliche Hyäne um Hilfe bittet, hat niemand Zeit für sie. Doch dann geschieht ein Unglück, mit dem niemand gerechnet hat …

Gleich lesen: Kleiner Held vom Fensterbrett

Leseprobe aus "Kleiner Held vom Fensterbrett":
Am Rande einer kleinen Stadt lebte ein Mädchen namens Julia.
Julia liebte die Natur. Im Sommer lief sie barfuß über die grünen Wiesen, im Herbst ging sie mit ihren Eltern im Wald spazieren. Doch am allermeisten liebte sie die vielen bunten Blumen, die in den Vorgärten und an den Wegrändern blühten. Deshalb wünschte sie sich zu ihrem Geburtstag ein paar eigene Pflanzen für ihr Zimmer.
Von Papa und Mama bekam sie ein Usambaraveilchen mit hübschen violetten Blüten, von Onkel Theodor eine prächtige Begonie, die viele leuchtend rote Blüten trug und von Oma vier Kakteen, drei kleine grüne Kugeln und einen langen Gesellen, der aussah wie eine dunkelgrüne Spargelstange. Julia stellte all ihre Pflanzen auf die Fensterbank und kümmerte sich sorgfältig um sie. Oma hatte ihr gezeigt, dass sie mit den Fingern fühlen musste, ob die Erde zu trocken wurde, denn auch zu viel Wasser konnte für die Pflanzen schädlich sein. So bekamen die Begonie und das Veilchen reichlich zu trinken, die Kakteen nur ein wenig, denn sie brauchten nicht so viel.
Irgendwann jedoch verlor Julia das Interesse an ihren Blumen. Es war Mai, die Tage wurden immer wärmer, und sie spielte meistens draußen mit ihren Freunden. Immer öfter vergaß Julia, ihre Pflanzen zu gießen, und als der Sommer kam, kümmerte sie sich fast gar nicht mehr um sie.
Da standen sie nun, alle in einer Reihe in ihren hübschen bunten Übertöpfen, und warteten Tag um Tag auf Wasser. Eines Tages regnete es sehr stark, das Wasser strömte in köstlichen Bächen über die Fensterscheibe, und die Begonie, die bis jetzt immer stumm gelitten hatte, hielt es nicht mehr aus.
„Ist es nicht eine Schande?“ klagte sie mit ihrer klaren volltönenden Stimme. „Das viele Wasser dort draußen, und wir bekommen wieder nichts. Ich bin so durstig, dass meine Blätter schon ganz welk sind. Und alle meine Blüten habe ich verloren. Seht ihr, der ganze Boden ist voll davon.“
„Ich bin auch durstig“, seufzte das Veilchen. „Ich habe ganz schlaffe Blätter bekommen. Warum gibt uns Julia denn nichts mehr zu trinken?“
Da meldete sich ein kleiner Kugelkaktus zu Wort.
„Ihr Armen“, piepste der Kaktus. „Unsere großen Verwandten leben ja in der Wüste, wo es sehr selten regnet. Deswegen brauchen wir nur wenig Wasser. Aber so langsam wird es mir auch mulmig zumute. Ich glaube, Julia hat uns vergessen.“

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15. November 2012

'Heuchler' von Mark Franley

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Auftakt der spannenden Thriller-Reihe um den unkonventionellen Kommissar Mike Köstner.

Ein sadistischer Serienkiller entführt und quält kleine Jungen, bevor er sie tötet. Als wieder ein Kind vermisst wird, beginnt für die Kommissare Mike Köstner und Peter Groß ein Wettlauf mit der Zeit – gegen einen hochintelligenten Täter, der vor nichts zurückschreckt und ihnen bei ihrem nächsten Einsatz eine grausame Falle stellt: Zwei Menschen sterben, Peter liegt im Krankenhaus und Mike wird mit seiner Familie in den Zwangsurlaub nach Finnland geschickt. Doch irgendetwas stimmt nicht mit dem idyllisch gelegenen Ferienhaus am See …

Leseprobe:
Es dämmerte bereits, als Mike das Auto vor seinem kleinen, aber fast bezahlten Einfamilienhaus, unter das Carport fuhr und ausstieg. Die Morgenluft war jetzt im Juni noch angenehm frisch, hatte aber keine Chance gegen die Geister in seinem Kopf. Noch eine Stunde bis Petra und die Kinder aufstehen würden. Eine Stunde Ruhe, die er dringend für sich brauchte!
Auch wenn alles in ihm nach einem Glas Bourbon schrie, tat er erst was er sich vorgenommen hatte. So leise wie möglich schloss er die Haustür auf, zog seine Schuhe aus und schlich hinauf in die erste Etage. Die Tür zu Felix Zimmer stand wie immer einen Spalt breit offen, doch er wollte zuerst zu Katja.
Es war das typische Zimmer einer Sechzehnjährigen! An den Wänden gab es kaum einen Quadratzentimeter, den nicht das Gesicht irgendeines Teeniestars zierte, und für einen kurzen Augenblick stieg Ärger in ihm hoch. Er hatte schon tausendmal darum gebeten, dass abends alle Geräte ausgeschaltet werden und wieder war der CD Player die ganze Nacht durchgelaufen. Doch dann kamen wieder die Geister und der Ärger wich dem dankbaren Gefühl, zwei gesunde Kinder zu haben. Leise schlich Mike zu dem Bett seiner Tochter und war kurz versucht, ihr über das verstrubbelte, blonde Haar zu streicheln.
Felix’ Zimmer stellte den totalen Kontrast zum Zimmer seiner Tochter dar. Der spärliche Wandschmuck beschränkte sich auf Szenen aus den Star Wars Filmen und der Teppich glich einem Minenfeld aus Autos, Lego-Spielzeug und undefinierbaren Dingen aus dem nahen Wald.
Irgendwie schaffte Mike es, bis zum Bett seines Sohnes zu gelangen, ohne auf irgendetwas zu treten. Felix’ Gesicht war ihm zugewandt und sah unendlich friedlich aus.
Das Bild des erschossenen Jungen blitzte in Mikes Kopf auf und für einen Augenblick war Felix’ Hinterkopf genauso explodiert. Fast hätte sich der Brechreiz durchgesetzt, aber Mike konnte ihn gerade noch rechtzeitig unterdrücken und den Raum verlassen.
Der Bourbon stand wie immer in der kleinen Schrankbar und es war Gott sei Dank auch noch genug in der Flasche, um Wirkung zu zeigen. Mike griff sich ein Glas und die Flasche, öffnete die Terrassentür und setzte sich hinaus in den Sonnenaufgang. Dann goss er sich großzügig ein und leerte das Glas schnell, aber mit Genuss. Nach zwei weiteren Gläsern stellte sich endlich etwas Wirkung ein und ohne darüber nachzudenken, griff Mike nach dem Päckchen Zigaretten seiner Frau, das noch vom Vorabend auf dem Tisch lag.
»Du rauchst wieder?«, Petras leise Stimme ließ ihn zusammenzucken. Dann blickte er über die Schulter zu ihr auf und versuchte ein Lächeln.
Petra kannte ihren Mann seit fast neunzehn Jahren und wusste, dass Mike hier nicht ohne Grund mit Schnaps und Zigarette saß. Und sie wusste auch, dass er nur reden würde, wenn er es wollte, daher fragte sie nur: »Gibst du mir auch eine Zigarette?«
Während sich Petra auf den Stuhl neben ihm setzte, schob er ihr das Päckchen hin und legte das Feuerzeug oben drauf. Dann wartete er, bis sich seine Frau ebenfalls eine Zigarette angezündet hatte, und begann kurz zu schildern, was sich ereignet hatte.
Petra betrachtete ihren Mann einige Sekunden lang, dann fragte sie voll Sorge in der Stimme: »Wie geht es dir jetzt?«
Mike suchte nach den richtigen Worten, fand keine, und schenkte sich stattdessen noch einmal nach. Diesmal nippte er aber nur etwas, zuckte mit den Schultern und antwortete knapp: »Die Bilder werden blasser werden!«, und nach einer etwas zu langen Pause fügte er hinzu: »Ich hoffe nur, Peter zerbricht nicht daran!« Dann blickte er mit leeren Augen in den Garten hinaus und stieß verbittert aus: »Gott verdammt, er hat ein Kind erschossen!«
Petra nahm seine Hand und drückte sie bewusst etwas zu fest. Es schien zu helfen! Mike sah sie traurig an, aber keiner von beiden musste noch etwas sagen. Jeder wusste, was der andere fühlte und das Gefühl von Liebe vertrieb die düsteren Gedanken ein wenig. Mike schaffte ein kleines Lächeln und beschloss: »Eine rauche ich noch mit dir, dann versuche ich ein wenig zu schlafen. Die Kinder müssen mich nicht unbedingt so sehen, es reicht schon wenn ich so oft nicht da bin.« Dann sah er Petra in die Augen und flüsterte ein einfaches. »Danke!«

"Heuchler (Ein Mike-Köstner-Thriller 1)" im Kindle-Shop

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14. November 2012

'Weihnachtsmann hat noch mehr Stress' von Annette Paul

24 amüsante Kurzgeschichten, in denen der Weihnachtsmann mit alltäglichen Problemen kämpft.

Schon im Sommer dreht sich für den Weihnachtsmann und seine Mitarbeiter alles um die Weihnachtsvorbereitungen. Bis zum Fest steigt die Belastung. Dabei muss er seine Mitarbeiter trotz schlechter Arbeitsbedingungen bei Laune halten und sehen, wie er die nötigen Mittel auftreibt.

Gleich lesen: Weihnachtsmann hat noch mehr Stress

Leseprobe aus "Betriebsausflug":
„Ihr habt im letzten Jahr so gut gearbeitet und unsere Produktivität um dreißig Prozent übertroffen, deshalb möchte ich mit euch feiern. Wir machen im Juli, noch vor den Sommerferien einen Betriebsausflug“, eröffnete der Weihnachtsmann die Betriebsversammlung.
„Nicht schon wieder am See grillen“, murrte im Hintergrund ein Wichtel.
„Keine Wanderung“, stöhnte eine Wichtelin.
Der Weihnachtsmann überlegte blitzschnell, Fahrradtour, Paddeltour, Floßfahrt, Theater-, Zoo- und Zirkusbesuch hatten sie alles schon gehabt. Schließlich existierten sie schon sehr lange. Er hätte gerne eine Kreuzfahrt spendiert, doch das gab der Etat nicht her und sein oberster Boss hielt sowieso überhaupt nichts von diesen Betriebsausflügen.
„Nein, es gibt so viel Hunger auf der Welt, da ist ein Besuch von St. Pauli bei Nacht oder ein Ausflug nach Monaco mit anschließendem Casino-Besuch wirklich nicht nötig“, hatte er beim letzten mutigen Vorstoß des Weihnachtsmann abgewehrt.
Die Mitarbeiter wurden immer unruhiger. Nervös kaute der Weihnachtsmann auf seinem Bart herum. Seine Idee mit der Wanderung durch die Berge mit anschließendem Goldschürfen im Bach brauchte er bei dieser miesen Stimmung gar nicht erst vorschlagen. Dabei hätte er ein paar Nuggetfunde gut gebrauchen können. Seine Kasse war wieder einmal leer.
„Wir gehen einkaufen. Wir nehmen die Fahrzeuge und fahren bis zum Einkaufszentrum auf der grünen Wiese. Dann könnt ihr stöbern, soviel ihr wollt und euer Taschengeld auf den Kopf hauen.“
Eine Weile schwiegen sie, dann diskutierten sie miteinander. Ein gutes Zeichen fand er. Endlich meldete sich eine Wichtelin. „Können wir Ende Juni fahren? Dann ist Sommerschlussverkauf und wir bekommen mehr für unser Geld.“
Nachdem das ausführlich diskutiert worden war, stand es fest. Am 28. Juni ging es einkaufen.
Noch nie waren so viele Wichtel bei dem Firmenausflug mitgekommen. Alle Fahrzeuge wurden als Transportmittel gebraucht. Selbst der Weihnachtsmann quetschte in seinen roten Porsche nicht nur auf dem Beifahrersitz zwei Wichtel, sondern auch noch auf den Notsitz vier. Zum Glück brauchten sie nicht so lange fahren und erreichten kurz vor Öffnung der Läden ihr Ziel. Sie vereinbarten, sich eine halbe Stunde nach Ladenschluss vor dem Parkhaus zu treffen.
Der Weihnachtsmann setzte seine Passagiere an der Bushaltestelle ab, dann fuhr er weiter, einen Parkplatz zu suchen.
Er hätte sich einen ruhigeren Tag gewünscht. Das Parkhaus war überfüllt. Er irrte hin und her. Mehrmals durchquerte er die gleichen Gänge, die gleichen Etagen bis er schließlich eine enge Lücke fand, in die er sich mit viel Geduld und vielen Flüchen hineinrangierte.
Dann stürzte er sich in den Einkaufstrubel. Er war begeistert. Er hatte gar nicht gewusst, wie günstig er neue Anzüge, Socken, Unterhosen und selbst Haushaltsgegenstände besorgen konnte. Warum besorgte er nicht jedes Jahr hier die Weihnachtsbestellungen?
Am frühen Nachmittag bekam er Hunger und besorgte sich ein paar Hamburger. Dann arbeitete er sich weiter in den Geschäften vor. Er fand so viele nützliche Dinge für seine Mitarbeiter, bald wusste er nicht mehr, wie er alles tragen sollte. Dabei war er doch trainiert, viele Geschenke zu transportieren. Erst als die Läden schlossen und alle Kunden von müden, aber freundlichen Verkäufern hinauskomplimentiert wurden, fand er sich schwer bepackt auf der Straße wieder. Wo war bloß das Parkhaus? Nach einigem Suchen entdeckte es, dass es deren drei gab. Nur in welchem sein Porsche stand, wusste er nicht mehr. Also machte er sich mit seinen Wichteln auf die Suche. Rote Porsche gab es ziemlich oft. Immer wieder dachte er, er hätte sein Auto, dann war es doch wieder ein fremdes. Einen Porsche mit Anhängerkupplung gab es anscheinend nur einmal. Er wurde immer panischer. Rannte hierhin und dorthin.

Im Kindle-Shop: Weihnachtsmann hat noch mehr Stress

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8. November 2012

'einfach so' von Kerstin Michelsen

Roman über die Schwierigkeit des Überlebens nach einem schmerzlichen Verlust, erzählt aus der Sicht der heranwachsenden Melanie. Manchmal ist die Normalität nur einen Wimpernschlag entfernt von einer Katastrophe. Dies muss auch die zehnjährige Melanie, genannt Melli, erfahren. Eines Tages geschieht das Unfassbare: ihre Schwester Annika verunglückt tödlich. Für Melli und ihre Familie ist von einem Tag auf den anderen nichts mehr, wie es war.

Das Mädchen erlebt den Abschied am Totenbett, die Beerdigung und die schwere Rückkehr in den Alltag. Sie verbirgt ihre eigene Trauer, um die Mutter nicht noch zusätzlich zu belasten. Doch nach einem weiteren Todesfall bricht Mellis mühsam aufrecht erhaltene Fassade zusammen ...

Gleich lesen: einfach so

Leseprobe:
“Nein, nicht Annika“, wollte ich rufen, aber ich bekam die Lippen nicht auseinander. Mein Mund war wie ausgedörrt. Da hörte ich einen Schrei; ich weiß noch, dass ich mich wunderte, wie er es durch meinen geschlossenen Mund nach draußen in die Welt geschafft hatte. Ich sah Mama an, erblickte ihren weit geöffneten Mund und begriff, dass sie es wohl war, die schrie, nicht ich.
„Nein. Nein. Nein. Nicht mein Kind!“
Danach hörte ich nichts mehr. Ich sah nur den Mund des Arztes auf und zu klappen. Zwei weitere Gestalten in weiß schwebten um uns herum. Ich starrte in das verzerrte Gesicht meiner Mutter. Hinter ihr stand mein Opa, der seine Hände auf ihre Schultern presste. Unter seinen randlosen Brillengläsern tropfte es nass heraus. Er suchte meinen Blick, während ich nur starrte und mein Mund sich anfühlte, als könnte ich ihn niemals wieder öffnen. Ich sah auch, wie sich die Lippen meines Großvaters bewegten, und er auf mich deutete. Das alles ist nun schon so viele Jahre her, fast mein halbes Leben, und trotzdem kann ich mich an bestimmte Dinge ganz genau erinnern. Anderes liegt im Dunkeln. Das ist vielleicht auch besser so. Mir reicht schon das, woran ich mich heute noch gut erinnern kann. Natürlich kann ich inzwischen auch an diesen Tag zurück denken, ohne in Tränen auszubrechen.
Vielleicht gewöhnt man sich mit der Zeit an jeden Schmerz der Welt, und natürlich wird er auch niemals wieder so überwältigend und unbegreiflich sein wie in diesen ersten Stunden. Die Heftigkeit des Schmerzes nimmt im Laufe der Zeit ab, das ist tatsächlich so; und es gibt eines Tages auch wieder Raum für andere Empfindungen, sogar für Pläne und glückliche Momente. Das ist ja auch gut so, denn sonst könnte man einfach nicht mehr damit leben. Trotzdem spüre ich, wenn ich an diesen schwarzen Dienstag zurück denke, immer noch das Entsetzen und diese Leere und das Gefühl, gelähmt in einen tiefen Abgrund gezogen zu werden. Ich spüre es wie ein Echo oder einen Nachgeschmack dessen, was mich damals erfasste. Meine Ohren nahmen keine Töne mehr auf, ich sah nur die Menschen um mich herum sich bewegen, sah offene Münder und Entsetzen. Heute glaube ich, dass mein zehnjähriger Verstand sich damals kurz ausgeschaltet hat. Ich weigerte mich zu begreifen, was für einen schrecklichen Moment in mein Bewusstsein eingesickert war. Nichts wollte ich mehr hören, wollte nicht hören, dass ich keine Schwester mehr hatte.
Viele Jahre später habe ich gelernt es anders zu sehen, dass ich immer noch eine Schwester habe, die für immer ein Teil unserer Familie und meines Lebens ist. Trotzdem sind mir auch heute noch Situationen ein Gräuel, in denen man mich nach meinen Geschwistern fragen könnte. Ich meine, von Menschen, die unsere Geschichte nicht kennen. Fremden gegenüber erwähne ich ungern, dass ich eine Schwester habe, weil sie dann fragen könnten, wie alt sie ist, was sie so macht, wo sie ist. Darauf zu antworten ist unmöglich. Aber in meinem Herzen ist sie für immer meine Schwester, und ich glaube nicht, dass ich je aufhören werde, sie zu vermissen.
An diesem Tag hämmerte es jedoch nur in meinem Kopf. Anni ist tot. Sie wird nicht wiederkommen. Wie kann das sein? Ich kann nicht sagen, wie lange wir dort in diesem Raum waren. Irgendwann fiel Mamas Blick auf mich; einen kurzen Moment starrte sie mich Tränen überströmt an. Dann sprang sie auf, zerrte mich aus dem Stuhl und riss mich endlich in ihre Arme. Ich hörte noch immer nichts, und auf eine eigenartige Weise war auch mein Sichtfeld begrenzt. Das war an sich nicht unangenehm, besser jedenfalls als hören und sehen zu müssen. Wenn nur diese Kälte und die Atemnot nicht gewesen wäre. Es kam mir vor, als bekäme ich pro Atemzug nur einen Teelöffel voll Luft – jedenfalls nicht genug. Ich spürte Mamas Arme ganz fest um mich herum, und das Zittern ihres Körpers. Schließlich löste sie sich von mir, ich fühlte nun Opas Hände auf meinen Schultern, der mich mit sanftem Druck in Richtung Tür lotste. Dann setzt meine Erinnerung erst wieder auf einem breiten, langen Krankenhausflur vor einer weiteren Tür ein. Der grauhaarige Arzt öffnete, und wir traten ein, ich immer noch dirigiert von meinem Großvater. Im Nachhinein bin ich natürlich schon sehr froh, dass wir dort waren, aber in diesem Moment spürte ich nur Entsetzen und eine Angst, die mich erzittern ließ. Die eiskalte und zugleich glühende Faust umklammerte mich immer noch. Wie konnte mein Herz so rasend pochen, und dabei nicht zerspringen?
Wir traten an ein Bett, in dem jemand lag. Für einen kurzen Moment spielte mir der scheinbar friedliche Anblick einen Streich: hier lag Anni, und schlief. Sie war blass und trug einen Verband um den Hals. Sonst war sie in Ordnung. Die hellblau gestreifte Decke war bis zu ihren Schultern hochgezogen, und ihr Kopf ruhte auf einem weichen Kissen, das dichte, dunkle Haar viel ordentlicher gebürstet, als man es sonst üblicherweise an ihr sah. Annis Hände lagen übereinander auf der Mitte der Bettdecke. Als würde sie beten. Nein, als würde sie schlafen - die Augen waren geschlossen, aber sonst sah sie so aus wie immer. Jedenfalls nicht blutig oder sonst wie grausig zugerichtet. Die Erleichterung durchfuhr mich wie ein heißer Schrecken, der Krampf in meinem Innern löste sich für einen gnädigen Moment auf, weil ich dachte, dass alles natürlich nur ein riesengroßer Irrtum gewesen war. Puh, meine Schwester war natürlich nicht tot, auch solche großen Krankenhäuser können sich mal irren, wahrscheinlich war alles nur eine irrsinnige Verwechslung. Gleich würde sie die Augen aufschlagen. Plötzlich konnte ich mich auch wieder von allein bewegen, und schritt auf das Bett zu.
„Anni“, flüsterte ich, „Anni, wir sind es. Wir sind gekommen, um Dich abzuholen.“

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5. November 2012

'Grenzorte' von Renate Hupfeld

Kurzgeschichten. Kraterabgründe, Felsgiganten und Strände. Der kleine Bahnhof am Grenzübergang, das Towerhotel am East River und ein ganz anderes Restaurant. Das sind die Schauplätze für nicht alltägliche Begegnungen, überraschend, bereichernd, klärend, dramatisch, mysteriös.

Sieben Short Storys, deren Protagonisten mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind, Auswege aus Sackgassen finden oder auch nicht.

Gleich lesen: Grenzorte

Leseprobe aus "Grenzorte":
Tausendmal hatte er während all der schlaflosen Stunden von diesem Moment geträumt, Tag und Nacht das Liebeslied im Kopf: Milena, geliebte Milena. Auf der Fahrt von Prag hierher in diesen Ort an der Grenze bis zur letzten Sekunde die bange Frage. Wird es wahr werden? Wird der Zug aus Wien seine Liebste bringen? Er hatte sich schon vorgestellt, wie er unter den Aussteigenden zunächst diese kleine Frau im roten Seidenkleid, ihren lieblichen Lockenkopf und ihr unvergleichliches Lächeln entdecken würde, dann auf sie zueilen, ihr Gesicht in beide Hände nehmen, unentwegt in ihre Augen blicken, sie auf den Mund küssen, seinen Arm um sie legen, sie um das Bahnhofsgebäude herumführen, zusammen mit ihr die Gleise überqueren und Hand in Hand mit dieser geliebten Frau hinaus in das freie Feld gehen würde.
Nun lagen sie nebeneinander auf der Spätsommerwiese, hörten aus einiger Entfernung das schwere Stampfen einer Dampflokomotive und beobachteten von ihrem Platz auf der leichten Anhöhe, wie schwarzer Rauch sich langsam in der blauen Weite auflöste.
„Hattest du eine gute Reise, Milena?“
„Ich konnte es kaum erwarten, dich wieder zu sehen, Frank.“
„Was hast du deinem Mann gesagt?“
„Er war gar nicht zu Hause.“
“Mal wieder?“
“Ernst und die Frauen, ein Kapitel für sich. Du kennst ihn doch.“
„Armer kleiner Engel, warum tut man dir das an?“
„In deiner Nähe bin ich reich, Frank.“
„Du gehörst geliebt, Milena, geliebt und behütet.“
Sein Gesicht über ihrem Gesicht, so zauberhaft der Anblick. Könnte er doch in diesen Augen versinken wie ein Kieselstein im Wasser, bis ganz tief unten in den weichen Sand auf dem Meeresgrund. So musste es bei der Mutter gewesen sein. Doch er war kein kleiner Junge mehr und Milena nicht seine Mutter. Sie war anders. Ein loderndes Feuer war diese Frau. Ihre Lippen süß wie dunkelroter Wein. Er konnte nicht aufhören sie zu küssen. Ihr gebräunter Körper bebte, als er ihr zaghaft das Kleid von der Schulter zog. Ganz nah wollte er ihr sein, eins sein mit ihr, halb wahnsinnig vor Verlangen. Ihre Hand in seinem Haar, so sanft, so unnachgiebig zärtlich, ihr Bein sich unter seinen Körper windend, dann ihr Becken, begehrend. Eng umschlungen bewegten sich ihre Körper und rollten ein Stück weit die Anhöhe hinunter bis zum Ende der Wiese. Sie stöhnte, drängte, wollte alles, wollte ihn.
‚Ich kann nicht’, hämmerte es wild in seinen Schläfen. Abrupt löste er sich aus ihrer Umarmung, setzte sich auf und vergrub den Kopf in den Händen.
„Ich kann nicht.“ Er versuchte, den quälenden Hustenreiz zu unterdrücken.
Milena war aufgesprungen und rückte ihr Kleid zurecht.
„Frank, ich möchte schreien. Wie soll ich das verstehen?“
„Verzeih mir, Milena, es ist meine Schuld.“
„Was redest du für einen Unsinn? Kein Wunder, dass du husten musst.“
Sie setzte sich neben ihn und strich mit der Hand über seinen Rücken, bis er wieder ruhig atmen konnte.
„Wovor hast du Angst?“
Vom Wiesenrand knickte er eine Kleeblume ab und drehte den Stiel in der Hand.
„Warum hab ich dich hinuntergezogen in diese Hölle?“
“Wie meinst du das?“
„Ich bin anders, Milena, fremd, bin mir ja selbst fremd. Das macht mir Angst.“
„Nein und noch mal nein, Frank. Mir bist du nicht fremd. Du bist mir so nah wie sonst niemand auf der Welt.“
„Ich weiß“, sagte er leise. „Du bist ja auch anders. Ein Schatz bist du, unvergleichlich wertvoll. Doch ich hätte dich nicht drängen sollen, hierher zu kommen.“
„Habe ich nicht selbst entschieden, diese Reise zu machen? Ich fühlte mich keineswegs von dir gedrängt. Doch vielleicht ist es meine Schuld. Bedränge ich dich zu sehr? Macht meine Anwesenheit dich krank?“
„Milena, jetzt redest du aber Unsinn. Denk doch an unsere Wiener Tage, ein paar Wochen ist das erst her. War ich einen Moment lang krank in deiner Gegenwart?“
„Nein, dir ging es wunderbar. Tag und Nacht waren wir zusammen, sind stundenlang gelaufen. Berge, Wälder, Schatten und Sonnenschein. Wie schön das war. Kein einziges Mal hast du gehustet. Alles war so klar.“
„Ja, das war es, Milena, klar und schön.“
„Warum ist jetzt alles anders? Was ist passiert in den wenigen Wochen?“, fragte sie.

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