'Der letzte Liebesbrief' von J. Vellguth
Kindle (unlimited) | Taschenbuch |
Nell wünscht sich nichts sehnlicher, als ihre Tante endlich wieder glücklich zu sehen. Als sie bei ihrem Umzug einen versteckten Liebesbrief findet, der an Bernadette gerichtet ist, wittert sie ihre Chance. Voller Elan begibt sie sich auf eine verschlungene und geheimnisvolle Reise in die Vergangenheit.
Dabei trifft sie auf einen attraktiven Fotografen, der einfach viel zu gut ist, um wahr zu sein.
Sam ist Mode-Fotograf, erfolgreich, berühmt und … er hat seine Muse verloren. Erst ein berührender Liebesbrief in den Ruinen eines alten Gebäudes und das Funkeln in den Augen einer ganz besonderen jungen Frau lassen ihn hoffen, dass seine Inspiration noch nicht ganz erloschen ist.
Doch je länger er Nell folgt, desto deutlicher wird, dass noch wesentlich mehr hinter ihrer Geschichte steckt, als auf den ersten Blick zu sehen ist. Sind die beiden stark genug, um die Schatten ihrer Vergangenheit zu besiegen?
Eine herzergreifende Liebesgeschichte über alte Narben, wahre Schönheit und die Bedeutung von Familie.
Symphony – Clean Bandit, Zara Larsson
Nell blickte durch die Löcher im Maschendraht und betrachtete das ehemals zweistöckige Gebäude dahinter.
Staubgrauer Backstein und Stuckreste bröckelten langsam von der maroden Fassade des alten Herrenhauses. Es war im Stil der Jahrhundertwende gebaut, hatte Erker, einen kleinen Turm und Schnörkel schmückten die hohen Fenster.
Würzig-grünes Efeu und Brombeerbüsche fraßen sich die Wände empor und unaufhaltsam auch einen Weg ins Innere des Gebäudes. Samtgoldene Nachmittagssonne legte sich wie eine Decke über das alte Anwesen und sickerte warm durch die Efeuranken auf die Steine.
Über allem hing der schwere, süße Duft von wilden Rosen und Wind rauschte in den Blättern des angrenzenden Waldes.
Es musste einmal wunderschön hier gewesen sein. Und auf eine seltsame, zerbrochene Art war es das immer noch.
Sie blinzelte und riss sich von dem Anblick los, schließlich hatte sie eine Mission. Halb vergessene Erinnerungen wollten zu neuem Leben erweckt werden – hoffentlich.
Ein aufregendes Prickeln breitete sich über ihre Arme aus, als sie die Finger durch den Draht steckte und nach oben sah. Leider war der Zaun zu hoch, um darüber zu klettern, aber irgendwie musste sie hineinkommen.
Langsam ging sie unter den Bäumen hindurch, immer an dem verzogenen Geflecht aus Draht entlang. Vogelgezwitscher mischte sich unter das Blätterrauschen und begleitete sie auf ihrem Weg zu einem alten, schmiedeeisernen Tor, das sehr wacklig aussah.
»Betreten verboten« stand auf einem gelben Schild, das schräg daran herunterhing. Nell streckte die Hand aus, schob ihre Finger zwischen die Metallstreben und zog daran. Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass es nicht verschlossen war. Eine rostige Kette lag im Gras; ein Glied war durchgeknipst und die Schnittstelle blank. Das Metall konnte also noch nicht allzu lange hier liegen.
Einen Moment zögerte Nell. Aber wer auch immer hier gewesen war und die Kette durchtrennt hatte, war sicher schon längst wieder verschwunden.
Trotzdem wäre sie vielleicht besser nicht alleine gekommen. Sie blickte nachdenklich zu dem verlassenen Gebäude hinüber. Aber wen hätte sie fragen sollen?
Überhaupt, für solche Gedanken war es jetzt zu spät. Sie würde bestimmt nicht unverrichteter Dinge zurückfahren.
Entschlossen versuchte Nell, die Tür zu öffnen, aber die blieb im hohen Gras stecken. Sie stemmte sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen das alte Tor und schob es schwerfällig über die wuchernden Grasbüschel. Dann zwängte sie sich durch den entstandenen Spalt.
Ihr Herz pochte aufgeregt, gleich war es so weit.
Sie ging mit schnellen Schritten auf das Gebäude zu. Grillen zirpten, lange Halme schlugen gegen ihre Hände und sie spürte die Kante des alten Briefumschlags in ihrer hinteren Hosentasche.
Ob sie überhaupt etwas finden würde?
Gähnend und ein bisschen unheimlich klaffte der Eingang des Gebäudes ihr entgegen. Die riesige, hölzerne Tür war aus der oberen Angel gekippt und stand offen.
Wie lange wohl niemand über diese Schwelle getreten war? Also, niemand, der hier wohnte.
Ihre Handflächen wurden feucht. Aber Nell fasste sich ein Herz und trat hinein.
Goldene Sonnenstrahlen fielen in dicken Säulen durch die scheibenlosen Fenster und in ihrem warmen Licht tanzten winzige, glitzernde Staubkörner.
Nells Schuhe knirschten auf den rissigen, schwarzweißen Fliesen. Ein dunkler Graffiti-Schatten mit roten Augen und weit aufgerissenem Maul starrte ihr von der Wand neben der breiten Treppe entgegen. Die Steinstufen führten im Bogen auf eine Galerie und von der Decke hingen die schmucklosen Überreste eines Kronleuchters. Ansonsten war die hohe Eingangshalle völlig leer.
Sie zog den gefalteten Briefumschlag aus ihrer Tasche und betrachtete die Konturen des türkisblauen Schmetterlings, die jemand mit viel Sorgfalt in die untere rechte Ecke gezeichnet hatte.
Darin befand sich ein Brief, der nicht an Nell gerichtet war, aber der von Gefühlen erzählte, die sie tief berührten. Zeugnis einer alten Liebe.
Da hörte sie ein leises Schaben und blickte erschrocken auf.
In den weiten, verwinkelten Überresten der Ruine kannte das Geräusch keine Richtung, und ihr nächster Schritt hallte unheilvoll durch die neue Stille.
Ein Tier wahrscheinlich … nur ein Tier.
Sie war kurz davor Hallo zu rufen. Aber falls wirklich jemand hier sein sollte, war sie sich ziemlich sicher, dass sie denjenigen nicht treffen wollte.
Stattdessen konzentrierte sie sich auf das Knistern von Papier zwischen ihren Fingern und auf die Hoffnung, Bernadette ein Stück Glück aus ihrer Vergangenheit wiederzuschenken.
Schnell öffnete Nell den Umschlag, ließ den weißen Briefbogen unbeachtet und holte den kleinen, blauen Zettel heraus.
Im Kindle-Shop: Der letzte Liebesbrief: Roman.
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Labels: Frauen, J. Vellguth, Liebe