29. Oktober 2019

'Mandarinen aus Jaffa: Eine Liebe erwachte in Notting Hill' von Patrizia Joos

Kindle | Tolino | EdelElements
Eine große Liebe zweier Menschen, die sich nie vergessen konnten

Ein Terroranschlag, der in New York verhindert wird. Eine herzzerreißende Liebesgeschichte, die in London beginnt und ein Hund, der zum Therapeuten und echten Lebensretter wird.

Rosamund ‚Rose‘ Harper liebt den älteren jüdischen Architekten Raphael Jaron Rosengarten. Sie ist schön, 20 Jahre alt, aus New Jersey (USA), mit deutschen Vorfahren und studiert Architektur in London. Sie lebt in der Portobello Road in Notting Hill und träumt von einer Karriere als Architekturfotografin. Ihre große Liebe Raphael ist alles für sie. Doch als Raphael eines Tages die Beziehung aus heiterem Himmel beendet, zerbricht eine Welt für Rose und ihre ganze Zukunft gerät ins Wanken …

Ein Liebesroman über die große Liebe. Über das Erwachsenwerden und die Selbstfindung einer jungen Frau, die immer wieder ein neues Kapitel in ihrem Leben beginnt.

Leseprobe:
Wieder ging ein wunderbares, malerisches Wochenende in Notting Hill zu Ende. Die beiden liebten sich tief und sehnsüchtig. Ein unsichtbares Band zwischen ihnen war vor längerer Zeit entstanden. Sie waren einander verfallen und konnten ihre Gefühle kaum in Worte fassen. Als wären sie füreinander bestimmt. Manchmal konnten sie ihr Glück kaum begreifen. Es fühlte sich für beide vollkommen an. Wie ein formvollendetes Mosaik, ein fertiges Kunstwerk. Nun verstanden sie die Liebesromane und Filme, die sie beide schon in ihrer jeweiligen Jugendzeit so sehr gemocht hatten, noch intensiver – auf einer erwachseneren und tieferen Ebene. Nun erlebten sie ihre eigene sinnliche Geschichte hautnah. Es waren keine Bücher mehr, keine Erzählungen oder Filme. Es war ihre gemeinsame Geschichte. Ihr gemeinsames Buch. Ihr gemeinsamer Liebesrausch. Die zauberhafte Liebesgeschichte von Rosamund – Rose – Harper und Raphael Jaron Rosengarten im edlen London.
Rose stand in der Dusche und wusch sich ihre langen honigblonden Haare, die bis zu ihrer Brust reichten. Reine Natur – keine Haartönung – und weich wie Seide. Sie wusste, dass Raphael dies an ihr liebte. Raphael betrat das große Badezimmer mit den hohen Wänden und beobachtete sie dabei, wie sie ihren Körper und ihre Haare pflegte. Ihr Herz schlug vor Freude schneller, denn sie spürte, dass er im Raum war. Mit geschlossenen Augen und einem Lächeln, das sie nicht verstecken konnte, genoss sie diese Situation und spürte ihn ganz nah bei sich. Sie wusste, dass auch er sie genoss, und dieses Wissen erfreute sie. Ihre Seele sehnte sich nach ihm. Langsam und feminin bewegte sie sich unter dem Wasserstrahl. Sie wollte ihm gefallen, ihm ein schönes Bild schenken mit ihrer sonnenverwöhnten feinen Haut.
„Die eleganten Linien“, flüsterte er leise, denn genau so hatte er Roses Figur in ihrer ersten gemeinsamen Nacht zärtlich genannt. Ihre Augen waren immer noch geschlossen, obwohl sie seine Stimme vernommen hatte. Es gehörte zu ihrem gemeinsamen Spiel. Weißer, duftender Schaum lief über ihren Körper – jede Dusche war für sie ein sinnliches Erlebnis. Das Badezimmer war in einen Duft aus Lavendel und Rosen gehüllt. Blütendüfte liebte sie seit ihrer Kindheit. Mit geschlossenen Augen stellte Rose die Temperatur auf kalt. Ihre Haut zog sich zusammen. Sie riss ihre Augen auf und blickte Raphael, der vor ihr stand, direkt in die Augen.
„Ich beobachte dich wie ein Künstler sein Kunstwerk. Du schönes Gemälde. Du schöne Violine“, flüsterte Raphael. Ihr Herzschlag beschleunigte sich vor Freude erneut. Sie lächelte sanft. „Du blühende Amaryllis!“, hauchte er und zog seinen cremefarbenen, seidigen Bademantel aus, ohne dass sie dabei ihren tiefen Augenkontakt verloren, und legte ihn einladend auf das dunkelbraune Holzregal, welches er einst von einer Afrika-Expedition zuerst mit nach New York und dann mit in sein Haus nach London gebracht hatte.
Er öffnete vorsichtig die Glastür und stellte sich zu ihr unter die Dusche. Rasch zog sie ihn zu sich heran und drehte den Hahn schlagartig auf Heiß, denn sie wusste, dass er heißes Wasser liebte. Er nahm sie sanft in seine Arme und sie fingen an, sich liebevoll zu küssen. Sie hielten sich fest umschlungen, wie wertvolle Schätze. Als wollten sie sich nie mehr wieder loslassen. Sie spürte sein Herz, er das ihre. Sie liebte dieses angenehme Gefühl, welches sie schon in ihrer allerersten Nacht mit ihm erlebt hatte. Seinen betörenden Körper, seine wohlgeformten Hände, seine lebendigen Lippen. Seine gepflegte Haut und seinen natürlichen, weltmännisch edlen Duft. Die feine Art, wie er sie küsste, ließ sie schweben. Schweben wie eine Möwe, die frei über den Canal Grande in der Hafenstadt Venedig segelte. Seine wolkenlosen klaren Augen, seine mondänen und gleichzeitig natürlich wilden Haare – alles, sie liebte alles an ihm. Den anregenden Geschmack seines Körpers und den einzigartigen Duft seiner Haut. Sie hielt ihn fest umschlossen. Das Wasser glitt über ihre Körper und bildete eine Art Springbrunnen. Ein Springbrunnen wie jener, der in seinem Rosengarten stand. Auf den sich im Frühjahr die Vögel setzten und ihnen in der Früh ein Ständchen sangen. Sie spürte seine langsamen, behutsamen Liebkosungen an ihrem Körper, an jeder Stelle ihres Wesens. Ihre Haut glühte. Sie spürte ihn auf eine tiefe und sinnliche Weise und küsste ihn tiefer und leidenschaftlicher. Sein Körper versetzte sie in einen fliegenden Zustand. Rose stellte sich auf ihre Zehenspitzen und drückte sich, so fest es ging, an ihn. An seinen Körper. ‚An meinen‘, dachte sie sich. ‚Dieser Körper gehört mir. Raphael gehört mir. Er ist mein und wird es immer sein. Für immer und ewig Raphael.‘

Der Wecker klingelte. Sie erwachten. Ein neuer Tag in Notting Hill war angebrochen. Sie schaltete ihn auf Wiederholung und drehte sich schlaftrunken wieder zu Raphael. Er zog sie behutsam zu sich heran. Sie küssten sich und schauten sich dabei in die Augen. „Guten Morgen. Schalom, beautiful Rose“, sagte er zu ihr und lächelte dabei. Sie lächelte zurück und hauchte mit einem französisch-amerikanischen Akzent: „Bonjour, Schalom, mein Sonnengott!“
Raphael war ein liberaler Jude, der sehr amerikanisch lebte, aber gewisse jüdische Traditionen in seinen Alltag integrierte. Rose war fasziniert davon und fand es herrlich aufregend. Es waren Kleinigkeiten wie Sprichwörter, Angewohnheiten oder auch kleine Rituale. Wenn sie sich nach dem Abendessen zärtlich in den Armen hielten, las er ihr Gedichte und Erzählungen von jüdischen Dichtern und Schriftstellern vor. Das gehörte zu ihren Abendritualen, die sie sich gemeinsam in seinem Schlafzimmer bei Kerzenschein und angenehmer Klaviermusik gönnten. Sie lauschte dabei seinen Worten und stellte sich manchmal vor, wie er wohl als kleiner Junge gewesen war. Oder auch in seiner Jugend. ‚Was für Musik hörte er wohl, als er das erste Mal in ein Mädchen verliebt war, damals in der Schule?‘, fragte sie sich ab und an.
Rose schaute Raphael an. Sie mochte sein zerknittertes Gesicht kurz nach dem Aufwachen sehr. Ihm gefiel ihr ungekämmtes Haar, das an eine zärtliche Nacht voller Liebe erinnerte und nach wilden Rosen duftete, das war ihr bewusst und damit spielte sie gerne. Sie waren durstig nacheinander. Sie küssten sich zärtlich. Ihr Herz schlug schneller. Wenn sie sich liebten, hielt sie sein Herz und er hielt ihres. Sie waren so tief miteinander verbunden. Durch ihren Kopf schwirrten Farben, Klänge und das Rauschen eines Meeres – gemischt mit dem Gezwitscher der Vögel in seinem Garten. Ihre Augen waren geschlossen. Rose drückte sich stärker an ihn. Spürte seine charmante Leidenschaft und fühlte seine Haut an ihrer. ‚Es fühlt sich an wie ein Sommergewitter‘, dachte Rose. Sie spürte ihn auf eine anmutige Weise an ihrem ganzen Körper.
Sie atmete tief aus und blickte ihm in seine blauen Augen und spürte ihr Herz pochen. Es pochte gegen ihre Rippen. Ihr Körper vibrierte und verband sich so mit dem seinen, als wären sie ein einziger Organismus. Verschmolzen in der Ewigkeit. Sie küssten sich sinnlicher und tiefer. Sie spürte seine weichen Lippen an ihrem ganzen Körper – als wolle er direkt in ihr Herz eindringen. Sie spürte seine liebevollen Küsse an ihrem Hals. Zärtlich küsste er das Goldkreuz, welches sie immerzu um ihren Hals trug. Sie liebten sich zärtlich und leidenschaftlich auf einer Ebene tiefer Verbundenheit. Sie fühlte sich wie auf einem Schiff auf hoher See. Die Wellen brachen über das Schiff herein und die Sonne strahlte und brannte. Als sie sein tiefes Ausatmen vernahm, dachte sie – und gewiss auch er – an seinen barocken Springbrunnen im Garten. Die Vögel zwitscherten. Sie strich über seinen Brustkorb, inhalierte seinen kultivierten Duft, der sie in höchstem Grade anregte, und deckte sich und ihn mit der großen, leichten dunkelblauen Decke zu. Rose empfand wie am ersten gemeinsamen Morgen, damals in seinem Haus in New York.
‚Was bin ich nur für eine glückliche Frau‘, dachte sie sich – und in diesem Augenblick ertönte das erneute Rasseln des Weckers. Sie blinzelte Raphael an. Er küsste ihre Stirn und sagte mit seinem Ostküstenakzent: „Ich habe so gut geschlafen.“ Und drehte sie wie einen Kreisel um ihre eigene Achse, stieg aus dem Bett und riss die Balkontür auf. „Schau, die Vögel am Brunnen.“
Sie sah vom Bett aus zu ihm hinüber und lächelte glückselig. Wie er den Brunnen und den Garten betrachtete und studierte. Sie liebte seinen Körper und die Art, wie er sich bewegte und die Welt studierte.
‚Ein wohlgewachsener und wohlgebildeter Mann‘, dachte sie sich. Ein Mann, der alles detailgenau inspizierte und beobachtete. Raphael wollte wissen, was sich dahinter verbarg. Hinter allem. Dieser durchdringende und einnehmende Blick war es, was sie bei ihrer allerersten Begegnung in London so faszinierend gefunden hatte. Sie nannte ihn Raphaelblick. Sie liebte seine Haare, die in gesunden Wellen, wie ein rauschendes Meer, bis zu seinen Ohren wuchsen. Seine Augenbrauen waren dunkel und mächtig und wuchsen wild über seinem dunklen Wimpernkranz. Seine Nase erinnerte an eine antike Statue, stolz und aufrecht stand er auf dem Balkon. Seine Lippen waren die Lippen eines sinnlichen und erfahrenen Mannes. Weich und tiefrot. Sein Wesen und seine Erscheinung erinnerten sie an Helios, den Sonnengott. So nannte sie ihn seit ihrer ersten Begegnung. Ein kräftiger und sinnlicher Körper zugleich. So war auch sein Wesen. Sinnlich und kraftvoll. Sie liebte ihn mehr als sich selbst.
Raphael drehte sich zu ihr. Seine Blicke und die Sonnenstrahlen spürte sie auf ihrem Körper. Er öffnete die Balkontür und verließ das Schlafzimmer. Sie beobachtete seinen Gang, bis er für sie nicht mehr sichtbar war.

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'Sky und Brandon: Die erste Liebe (Teil1)' von Alina Kessler

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Sky: Alles an ihm ist nur Schein, ihm ist nichts wichtig. In seiner Welt ist nur Platz für ihn allein.
Brandon: Sie ist unsichtbar, wie ein scheues Tier und ihre Verletzlichkeit erregt ein Interesse.

Wer anderen vertraut, wird enttäuscht. Das musste Sky auf schmerzhafte Weise lernen. Doch als sie Brandon begegnet, ändert sich einfach alles. Er verändert sie, ihre Gefühle, ihre Ängste und obwohl er alles verkörpert, was sie an einem Mann hasst, lässt sie doch zu, dass er ihr unter die Haut geht.

Schlaflose Nächte und eine Achterbahnfahrt der Emotionen warten auf sie, während Brandon sich immer weiter in ihr Leben schleicht. Was sie nicht ahnt, ist, dass unter den männlichen Mitschülern ihrer Schule eine furchtbare Wette läuft, in deren Mittelpunkt sie steht.

Sky beschließt das erste Mal seit Langem wieder jemandem zu vertrauen und augenblicklich läuft alles aus dem Ruder. Gefangen zwischen Zuneigung und Zurückweisung, zwischen Mut und Angst, muss sie entscheiden, ob Brandon das alles wert ist.

Leseprobe:
Vor zwei Jahren
Im Leben eines jeden Menschen gibt es Wendepunkte, die darüber entscheiden, wie das weitere Leben verlaufen wird. Wendepunkte, die wir weder kommen sehen, noch auf die wir vorbereitet werden können.
Sky Preston war gerade einmal sechzehn Jahre alt, als ihr dieser Wendepunkt widerfuhr. Sie saß in diesem entscheidenden Augenblick in einem Gerichtssaal, der vollgestopft war mit Geschworenen, Anwälten, Ärzten, Polizisten, und eine erdrückende Hitze sorgte dafür, dass sie Schweißausbrüche bekam.
Besorgt sah sie nach rechts zu ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester, deren Hand sie hielt. Christines Finger waren eiskalt und zitterten, so aufgeregt war sie. Ihre großen blauen Augen waren starr nach vorne gerichtet, auf den Hinterkopf eines Mannes, der sich leise mit seinem Anwalt unterhielt. Ihre kleine Schwester wurde von Minute zu Minute nervöser. Dagegen konnte Sky nichts tun, außer weiterhin ihre Hand zu halten und ihr so viele Halt und Sicherheit zu geben, wie es ihr möglich war.
Aufgeregt sah Sky von ihrem Platz aus zum Richter, der ein Stück Papier studierte und die beiden Anwälte zu sich rief, um Fragen zu stellen. Eifrig sprachen die drei miteinander. Liebend gern hätte Sky die Männer aufgefordert lauter zu sprechen, damit sie mithören konnte, was besprochen und beschlossen wurde. Diese Verhandlung dauerte bereits zwei nervenaufreibende Stunden, dabei wurde ihre eigene Zeugenaussage noch nicht einmal aufgenommen. Hoffentlich würde ihre Geschichte diesen Prozess beschleunigen und den Alptraum endlich enden lassen.
Ungeduldig sah sie nach links und begegnete Grace besorgtem Blick. Natürlich war sie besorgt, denn dieser Tag würde auch ihr Leben verändern und darüber entscheiden, ob sie Sky und Christine adoptieren konnte oder nicht. Es gab guten Grund, dem Urteil entgegenzufiebern.
Endlich entließ der Richter die beiden Anwälte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Papier in seiner Hand zu. Minutenlang studierte er es, bevor er alles beiseitelegte, einmal schwer ausatmete und den Blick im Raum umherschweifen ließ.
„Mr. Becker, Sie dürfen fortfahren“, entschied er und überließ das Wort dem Staatsanwalt, der sofort aufsprang und sein Jackett glättete.
„Vielen Dank, Euer Ehren“, sagte der junge Anwalt schnell und griff in seine Akten, um einen Notizzettel herauszusuchen. „Als Nächstes ruft die Staatsanwaltschaft Miss Sky Preston in den Zeugenstand.“
Augenblicklich gefror sämtliches Blut in Skys Adern zu Eis, als sie ihren eigenen Namen so laut von den Wänden widerhallen hörte. Es war so weit. Ein Haufen unterschiedlicher Emotionen begann in ihrem Inneren miteinander zu fechten. Angst, Panik, Freude, Hoffnung, Verzweiflung und unbändiger Hass. So vieles war in ihrem Leben schon passiert und hatte sie hierher zu diesem einen, alles verändernden Moment im Gerichtssaal geführt. So viele schreckliche Dinge waren ihr widerfahren, Dinge, die einem anderen Menschen in seinem ganzen Leben nicht geschahen. Aber sie hatte es ausgehalten, sie hatte es überlebt und nun war der Moment gekommen, an dem sie sich davon befreien konnte.
Steif und angespannt erhob sie sich von der Bank und blickte nach vorne zum Richter, der ihr aufmunternd zunickte, als ob er ahnte, wie viel Kraft die nächsten Minuten sie kosten würden.
„Alles wird gut, Sky“, versuchte Grace sie zu beruhigen. Sky konnte nur nicken und schluckte hart. Als die Finger ihrer kleinen Schwester ihrer Hand entglitten, sah sie noch einmal zurück und blickte in die hoffnungsvollen Augen von Christine. Sie ist viel zu jung, um das hier miterleben zu müssen, dachte sich Sky traurig und hoffte inständig, dass in einigen Monaten die Erinnerung an diesen Tag verblasst sein würde.
Ein Raunen ging durch die Anwesenden, als sie endlich im Gang stand und langsam nach vorne ging. Ihre schwarzen Ballerinas schienen plötzlich bleischwer zu sein und ihre Füße konnten kaum den Boden verlassen. Ihre Beine steckten in einer schwarzen Jeans, die ihr unglaublich eng erschien, und oben hatte sie sich ein schwarzes Shirt und eine Strickjacke übergeworfen, die ihr zu groß war. Hilfesuchend sah sie zum Staatsanwalt, den sie in den letzten Wochen besser kennengelernt hatte und der ihr aufmerksam entgegensah. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, dachte sich Sky und verschränkte die Arme vor der Brust, um das Zittern ihrer Finger zu verbergen.
„Meine Güte, sieh dir ihr Gesicht an“, hörte sie eine Frau zu ihrer Linken flüstern und senkte sofort den Kopf, damit ihre blonden Haare ihr Profil verdeckten. Zu spät, das Veilchen wurde schon entdeckt. Vor zwei Wochen hatte sie einen heftigen Schlag auf den Kopf abbekommen, so dass die Haut an ihrer Schläfe aufgeplatzt war und die Stelle mit mehreren Stichen genäht werden musste. Die Narbe wäre schon verheilt gewesen, hätte Sky in einem hysterischen Anfall nicht versucht, sich das Gesicht zu zerkratzen und zu entstellen, wodurch die Haut wieder aufgerissen und sich die Hälfte ihres Gesichts blau verfärbte hatte. Erneut musste ihre Wunde genäht werden und von den Ärzten gab es eine kleine Dose mit Antidepressionspillen obendrauf. Drei Stunden bei einer Therapeutin und einige Tage Krankenhausaufenthalt und schon hielt man sie für geheilt, zumindest oberflächlich.
Wenn es keine sichtbare blutende Wunde gab, war Sky gesund, so lautete zumindest die Philosophie der Ärzte damals.
Ihre Füße wurden immer schwerer, je näher sie dem Richtertisch kam, aber irgendwann hatte sie den vorderen Bereich des Saals erreicht. All diese Blicke, die auf sie gerichtet waren, machten sie nervös und am liebsten hätte sie wie eine Irre um sich geschrien, dass man endlich aufhören sollte sie anzustarren. Besonders die Blicke der Polizisten im Saal setzten ihr zu.
„Miss Preston“, wandte sich der Staatsanwalt an sie. „Sie müssen dort vorne im Zeugenstand Platz nehmen.“ Er deutete auf einen Stuhl nicht weit vom Richter. Einem Stuhl, der ihr Hoffnung und Angst zugleich schenkte. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als ein Beamter an sie herantrat und darauf wartete, dass sie Platz nahm. Ohne ihre Augen von dem Gegenstand zu lösen, den dieser in der Hand hielt, setzte sie sich hin und versuchte nicht in Panik zu verfallen.
Der Beamte brachte den Gegenstand in seiner Hand in ihre Reichweite und begann zu reden. Da Sky völlig durcheinander war, verstand sie kein einziges Wort, bis sie die entscheidende Frage vernahm.
„Schwören Sie, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit, so wahr Gott Ihnen helfe?“ Abwartend sah der Beamte sie an, so dass Sky ihre Hand auf die dargebotene Bibel legte und versuchte einen kalten Schauer zu unterdrücken.
Die Wahrheit, überlegte sie angestrengt. Sie hatte die Wahrheit schon so oft und laut geäußert, dennoch hatte ihr niemand geglaubt. Warum sollte sich daran nun etwas ändern? Und warum hatte man ihr bisher kein Gehör geschenkt? Nur weil sie diesmal ihre Hand auf eine Bibel legte, würde man ihr sofort Glauben schenken? War das deren aller Ernst?
Mit trockenem Hals bejahte sie. Der Beamte trat von ihr weg und die Anwesenden im Saal kamen wieder in ihr Blickfeld. Nur einen einzigen Punkt im Raum versuchte sie nicht anzusehen, eine einzige Person.
Mr. Becker trat vor seinen Tisch und verschränkte die Hände im Rücken, bevor er sie anlächelte. „Geht es Ihnen gut, Miss Preston?“
Wozu diese Höflichkeit, fragte sich Sky und rutschte auf dem Stuhl herum.
„Nein“, gestand sie und senkte den Blick.
Als er sie erneut ansprach, klang seine Stimme mitfühlend. „Wir versuchen, das hier schnell über die Bühne zu bringen, damit Sie gehen können.“
Dankbar nickte sie.
„Bitte sagen Sie uns, wer Sie sind“, begann der Anwalt.
Mehrmals musste Sky schlucken, bevor sie zu sprechen begann. „Mein Name ist Sky Preston. Ich bin hier in Kalifornien geboren und lebte bis vor Kurzem zusammen mit meiner Schwester in einem Teilort von Los Angeles.“
„Wie alt sind Sie?“
„Sechzehn.“

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24. Oktober 2019

'Das Penthouse bekomme ICH (Happy Days 3)' von Sylvia Filz und Sigrid Konopatzky

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Weblink | Autorenseite
HAPPY DAYS
Melly erhält Besuch von Fenja und Valentin. Sie spielt für einige Tage Reiseführerin und zeigt ihnen ihr geliebtes Kyoto.

Kurz danach packt sie ihre Koffer, um endgültig nach Deutschland zurückzukehren. Sie trifft ihre große Liebe Taro vor der Abreise noch einmal, aber der winzige Keim ihrer Hoffnung wird von ihm gefühllos zertreten, sodass sie froh ist, als der Flieger Richtung Heimat abhebt.

Neben den Vorbereitungen für die Restaurant-Eröffnung beginnt sie mit der Wohnungssuche und verliebt sich in ein traumhaftes Penthouse mit Dachgarten und Blick über die Dächer auf das Meer. Allerdings hat sie prominente Konkurrenz – und das ist ausgerechnet der verwöhnte Sohn des einflussreichen örtlichen Zeitungsverlegers.

Leseprobe:
»Weißt du eigentlich, wie lange ich nicht mehr auf einem Fahrrad gesessen habe? Ich glaube, beim letzten Mal«, überlegte Fenja, »war ich fünfzehn«.
»Dann kannst du jetzt deine Erinnerungen auffrischen, Cousinchen.« Tatkräftig schob Melly ihr Mietfahrrad auf die Straße.
Valentin folgte ihr und drehte sich zu seiner Frau um. »Vom bloßen Angucken hat sich noch kein Fahrrad in Bewegung gesetzt, Schatz.«
Fenja beeilte sich, den beiden hinterherzukommen. Die ersten Meter waren ein wenig wackelig, aber dann wurde es schnell besser.
»Nach dem spektakulären Bambuswald fahren wir zum Tenryuji Tempel. Da kommen wir nämlich vorbei. Ihr werdet von dem zauberhaften Garten begeistert sein«, rief Melly ihren Gästen zu, als sie kräftig in die Pedale trat.

Sie war stolz, endlich Besuch aus der Heimat zu haben und ihr geliebtes Land der Kirschblüte vorstellen zu können.
Japan hatte auf sie seit jeher einen unwiderstehlichen Reiz ausgeübt. Die Zeit der Shogune, die Welt der Samurai, die Tradition der Teezeremonie, die Geishas – all das faszinierte sie schon früh und ließ sie nicht mehr los. Als sie im Teenageralter das erste Mal in einem japanischen Restaurant aß, hatte sie weiteres Feuer gefangen. Diese Art des Vorbereitens und Kochens, ob nun Sushi oder Teppan Yaki, die Zubereitung von Speisen auf der heißen Platte, wollte sie unbedingt erlernen. Und ihrem Traum war sie zielstrebig gefolgt.
Melly hatte ihr Herz an ihr Gastland verloren, in doppelter Hinsicht. Zuerst liebte sie Japan, dann Taro Yamada. Allerdings kehrte sie in wenigen Wochen für immer in ihre alte Heimat Deutschland zurück – wegen Taro Yamada. Das Aus ihrer Beziehung konnte sie kaum verkraften, allein schon deshalb, weil sie sich täglich in der Restaurantküche begegneten.
Wie es bei den Japanern der Fall war, herrschte Höflichkeit. Es gab also keine Aversionen. Aber genau das machte es umso schwieriger. Beobachtete sie Taro, wie er sich bewegte, wie er sprach, die Art, wenn er schmunzelte oder etwas kritisch aus seinen schönen schmalen schwarzen Augen betrachtete, dann brannte ihr das Herz.
Ein paarmal glaubte sie zu spüren, dass er sich ihr gern genähert hätte. Doch so schnell, wie sie das empfunden hatte, war der Moment auch schon wieder vorbei.

Tatsächlich erreichten sie nach wenigen Minuten den Bambuswald. Fenja und Valentin sahen staunend an den stabilen, unten nackten Bambusstämmen hinauf.
»Ich habe gar nicht gewusst, wie hoch und dick diese Stämme werden können«, meinte Fenja fast andächtig.
Sie hörten das Rauschen der Bambusblätter im Wind und das Knarren der Stämme in ihrer Nähe.
»Es ist ein magischer Ort.« Das sagte Melly aus voller Überzeugung.
Die ersten Sonnenstrahlen drangen hindurch und tauchten den Bambuswald in ein nahezu mystisches Licht.
»Du hattest recht«, Valentin nickte, »in der Ruhe am frühen Morgen ist es etwas Besonderes.«
»Bei Sonnenuntergang erscheint es mir fast noch schöner. Nur tagsüber nicht, da sind hier zu viele Touristen, genauso wie am Tenryuji-Tempel. Diese Schönheiten muss man früh morgens oder spät abends genießen.«
»Obwohl ich ehrlich zugebe, dass ich heute Morgen lieber ausgiebig und faul Kaffee getrunken hätte.« Fenja rieb sich über die Augen.

Für einige Augenblicke war sie gedanklich weit weg. Urlaub hieß für sie, länger schlafen. Zu Hause beugte sie sich ihrem Pflichtprogramm von zeitigem Aufstehen, oft auch am Wochenende, das brachte das Hotelgeschäft eben mit sich.
Nichtsdestotrotz erlebte sie diese Tage in Japan als etwas Wunderbares. Sie lernte eine völlig andere Kultur kennen und genoss nun wahrscheinlich einen kleinen Vorsprung ihrer Schwiegermutter gegenüber, wenn Melly zurückkam und ihren japanischen Restaurantzweig im Hotel eröffnete. Jedenfalls könnte man hervorragend damit werben, was das Geschäft belebte, indem sich vermehrt japanische Touristen auch für ihr Hotel interessierten. Darüber hatten Valentin und sie schon mit Melly gesprochen, die ihnen diesbezüglich Hilfe zugesichert hatte.
Und Melly berichtete noch Erstaunliches. »Yasmin hat einen großen Garten. Ich habe sie ein bisschen angepickt zum Thema Kräuter. Vermutlich wird sie uns welche ziehen, sodass wir mit Bioware aus eigenem Anbau angeben können.«
»Meinst du, sie fühlt sich nach dem Schicksalsschlag dafür stark genug?« Fenja hatte bei diesem Satz einen Kloß im Hals. Der Gedanke, dass ihre Freundin Yasmin beinahe ihr Leben durch den Schuss eines Junkies eingebüßt hätte, trieb ihr die Tränen in die Augen.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Melly ehrlich. »Lass uns doch morgen einfach versuchen, mit ihr zu skypen. Vielleicht tut ihr das gut und wir sind dann auf dem neuesten Stand.«
Ein Grund mehr, sich auf den kommenden Tag zu freuen. Neben dem Telefonat mit Yasmin war nämlich noch ein Besuch in einem typisch japanischen Restaurant mit einem einheimischen Frühstück geplant. Das hatte sich Fenja gewünscht.
»Ich bin mir nicht sicher, ob dies das Richtige für dich ist«, hatte Melly gewagt zu sagen.
»Doch, doch! Ich will das so. Ich probiere alles.«
»Sag das besser nicht.«
Fenja bestand darauf. »Ich möchte das unverfälscht kennenlernen!«
Außerdem war sie froh, ein wenig der Enge von Mellys Wohnung zu entfliehen.
»So sind eben japanische Verhältnisse«, hatte ihre Cousine entschuldigend kommentiert. Es gab einen Wohnraum mit Küche und ein bescheidenes Schlafzimmer. Das Bad war winzig.
Fenja hatte nach der Einladung ihrer Cousine darüber gar nicht nachgedacht, sonst hätte sie ein Hotel gebucht. Es waren nicht viele Übernachtungen, aber komfortabel war jetzt nun wirklich übertrieben. Dabei hatte Melly ihnen ihr Bett überlassen, sie selbst schlief auf einer Matte auf dem Boden im Wohnraum.
So saßen sie mehr oder weniger wie die Ölsardinen aneinander. Eine vertrauliche Unterhaltung von Frau zu Frau war so leider unmöglich. Das empfand Fenja als sehr schade.

»Fenja, wollen wir weiter?« Valentin stupste seine Frau an.
»Natürlich.« In Anbetracht der Schönheit der Natur schoben sie nun das Rad durch die Wege des Bambuswaldes und genossen ein wenig die Ruhe, die durch die vielen neu eintreffenden Besucher aber zunehmend gestört wurde.
»Wir erwischen gerade noch den Zeitpunkt, wo wir auch den Tenryuji-Tempel und seinen Garten besichtigen können. Ab jetzt treten wir in die Pedalen, Freunde.«
Kurz danach erreichten sie die buddhistische Tempelanlage.
»Dies ist ein Zen-Tempel, der mittlerweile UNESCO-Weltkulturerbe ist«, informierte Melly ihre Besucher.
»Was du alles weißt, du könntest Reiseführerin sein«, bewunderte Fenja sie.
»Ich lebe eben schon länger hier und ich liebe Kyoto. Und ich habe jedes Eckchen erkundet. Allerdings hatte ich auch einen Einheimischen dabei, der mir natürlich alles gezeigt hat, was selbst Reiseführern entgeht.«
»Das ist immer das Allerbeste!«, stimmte Valentin zu.
Ihm war der traurige Zug um Mellys Mund entgangen, Fenja hingegen nicht. Oje, sie hatte also ihren Schmerz um ihre gescheiterte Beziehung noch nicht überwunden. Hoffentlich blieb ihr irgendwann ein Moment Zeit – ohne Valentin – um darauf einzugehen.
Der weitläufige Garten, der in voller Blüte stand, verströmte, zumindest zu dieser frühen Uhrzeit, nicht nur einen bezaubernden Duft, sondern zudem eine wunderbare Ruhe. Ahorn- und Kirschbäume, rote Kiefern und der schön angelegte Teich ließen Valentin schwärmen. Er ging ein paar Schritte vor, genoss die Stimmung ganz auf seine Art.
Das gab Fenja endlich Gelegenheit, einige vertrauliche Sätze mit ihrer Cousine zu sprechen.
»Bald lebst du nicht mehr hier«, begann Fenja vorsichtig, »tut es dir ein bisschen leid oder bist du froh?«
Melly schluckte. »Es ist gut, dass ich wieder nach Deutschland komme. Dieser Lebensabschnitt ist für mich vorbei. Aber ich nehme jede Menge mit, was ich nicht missen möchte. Sicherlich werde ich weiterhin nach Japan reisen, als Tourist. Nicht unbedingt nach Kyoto, denn es gibt noch so viele andere Städte und Orte dieses schönen Landes zu entdecken.«
»Du hattest vor unserer Hochzeit so eine Andeutung gemacht ... wegen deinem Freund.«
»Ex-Freund. Ja, er war meine große Liebe. Ich ertrage es nicht, ihn zu sehen.« Tränen traten in Mellys Augen. »Und ich liebe ihn blöderweise immer noch.«
Fenja nahm ihre Cousine tröstend um die Schulter. »Gibt es denn für euch gar keine Chance?«

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'MarChip und das Geheimnis um Etoile Rouge (Detektei MarChip 1)' von Esther Grünig-Schöni

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Website Esther Grünig-Schöni
Der junge Südfranzose Fabien „Chip“ wird von „Unbekannt“ in die mysteriöse Pension „Etoile Rouge“ eingeladen. Doch wer ist Unbekannt? Und was soll er da? Er stolpert auf der Suche nach dem Sinn des Lebens über Marie.

Als er am Strand die Leiche einer jungen Frau im roten Kleid findet, beginnt ein turbulentes Abenteuer. Marie vertraut ihm an, dass sie einem Geheimnis auf der Spur ist, das bis in die Historie zurückgeht. Sie lassen sich beide auf eine lockere Zusammenarbeit ein und schon überschlagen sich die Ereignisse. Chips freche Art verursacht zusätzlichen Wirbel und auch die starke, freiheitsliebende Marie bleibt davon nicht unbeeindruckt. Aber lässt sie sich auch auf ihn ein?

Eine Detektivgeschichte um eine Pension und um ein wertvolles Schmuckstück, dessen Geschichte bis in die Vergangenheit reicht.

Leseprobe:
Gabrielle
Erst war es eine Ahnung, dann Bedrohung und schließlich war die Gefahr zur Gewissheit geworden.
Nun rannte sie um ihr Leben. Sie hörte ihn hinter sich. Er rannte nicht. Er erreichte sein Ziel, ohne zu rennen. Er war da und wusste, was er tat und sie wusste, was er tun wollte.
Der Sand und die unpassenden Schuhe hinderten sie daran, schnell voranzukommen. Schuhe mit hohen Absätzen, zierlich, passend zu ihrem Kleid. Sie zog sie aus und ließ sie liegen. Dort drüben war eine größere Höhle und weiter oben auf dem Felsen eine kleine. Sie kannte diesen Felsen gut. Vielleicht gelang es ihr, sich zu verstecken. Er war diesmal nicht gekommen, um sie zu erschrecken. Er war gekommen, um sie zu töten. Dabei sah er nicht aus wie einer, der so etwas tat. Er war elegant. Er sah aus wie ein Manager oder ein Banker. Sie kannte seinen wahren Beruf. Den hatte sie mit Hilfe einer Detektei herausgefunden, als er immer bedrohlicher geworden war. Erst war es nur Einschüchterung gewesen, dann Drohung. Sie war ihnen zu unbequem geworden und bei ihren Plänen im Weg. Sie wusste zu viel.
Möglicherweise wollten sie nur den Anhänger, der um ihren Hals hing. Sie nahm ihn ab. Sie durfte nicht anhalten, wenn sie überleben wollte. Vom Anhänger wusste sie nur einen kleinen Teil seines Geheimnisses. Sie hatte jemanden gefunden, der ihr weiterhelfen konnte, mehr zu erfahren. Die gleiche Detektei. Empfehlenswert. Gut. Einfühlsam. Die gleiche, die für die alte Dame arbeitete. Sie hatte von den Gefahren gewusst, war gewarnt worden. Nun war diese Gefahr real. Sie sah den schönen Strand nicht mehr – bei Vielen so beliebt – Les Sablettes. Sie hatte nur noch Angst.
Wieder hörte sie ihn. Sie musste sich beeilen. Die große Höhle erschien ihr wie eine Falle, also war es besser, nach oben auf den Felsen zu klettern. Nur weg. „Schneller Gabrielle, viel schneller. Du bist fit, also stell dich nicht so an. Du schaffst das.“ Sie wollte leben.
Dieses unselige Ding hätte sie nicht an sich nehmen sollen. Sie hatte gedacht, dass alles einfacher wäre. Damals. Und Annabelle hatte es auch nicht gehört, schon gar nicht ihr. Annabelle, gewissenlos und kalt. Der schon gar nicht. Sie hatte es genauso gestohlen und behauptete nun, es gehöre ihr. Nur, was es damit auf sich hatte, wusste sie auch nicht bis ins Detail.
Wer wollte ihr das Leben nehmen? Annabelle, Stéphane, beide oder jemand anderes. Sie wurde wütend. Niemand von ihnen sollte es bekommen. Nein, sie sorgte dafür und wenn es das Letzte war, dass sie erreichte. Ihre Kleider waren für eine Kletterpartie ungeeignet, aber sie musste weiter, Kleider hin oder her. Der rote, lange Rock verfing sich dauernd in Felsbrocken, Kanten und in den Sträuchern. Das Jäckchen hatte sie schon lange verloren. Sie war zu einem Ball eingeladen gewesen. Sie zerrte daran, wenn er hängen blieb. Hörte den Stoff reißen.
Kurz hielt sie inne und warf den Anhänger mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, ins Wasser. Sie sah ihn versinken und freute sich darüber. Den bekamen sie nicht. Nein, der war für sie alle verloren, egal, was mit ihr geschah. Sie trug das blaue Band, das schon so lange in ihrer Familie vererbt wurde. Sie hatte ein Recht darauf. Sie war etwas älter als Annabelle. Sie war die Erstgeborene.
Im gleichen Augenblick hörte sie einen Stein fallen. Weiter. Sie wollte versuchen, die kleinere Höhle zu erreichen, von ihr wussten nicht so viele. Ihre Chance. Sie atmete nun doch schwer. Das Klettern strengte an. Wieder entstand ein Riss im Kleid, als sie an einem dürren Ast damit hängen blieb.
Da hörte sie ein Flüstern, ganz nah – höhnisch und böse. „Gabrielle, du entkommst mir nicht.“ Das hörte sie noch bewusst. Sie wurde gepackt. Sie schrie auf. „Wo ist der Anhänger?“ Sie lachte hysterisch.
Er hatte nicht gesehen, dass sie sich des Anhängers entledigt hatte und in einem letzten Augenblick verschaffte ihr das Befriedigung. Da schlug er zu. „Du wirst es mir sagen Kleine.“ Doch der Anhänger war für ihn verloren. Sie schrie und lachte wieder.

1. Kapitel
„Vermisst wird …“ Er warf die Zeitung dorthin, wo er sie aufgelesen hatte. Sie lag auf einer Mauer, aber es interessierte ihn nicht. Keine Nachrichten und nicht diese Vermisst-Meldung. Er konnte keine so genannten sachdienlichen Hinweise über den Verbleib der Frau liefern und wer sie war, kümmerte ihn nicht. Bestimmt tauchte sie früher oder später wieder auf. Er wollte entspannen. Die Seiten der Zeitung von La Seyne flatterten im Wind.
Warum er die Einladung bekommen hatte, wusste er nicht. Aber er hatte sie neugierig angenommen und stand vor dem Haus. Rätsel mochte er, aber keine Erinnerungen an gewisse Ereignisse in seinem Leben. Fabien sah sich um. Es gefiel ihm. Die Pension lag nicht weit vom Strand. Die Landschaft bot schöne Ausblicke und er hatte das Gefühl, dass er in ein Abenteuer eintauchte. Hätte ihn die Vermisste doch interessieren sollen? Vielleicht war das Teil des Rätsels? Ach Unsinn. Für ihn war das eine mehr, die abgehauen war. Was für ein Abenteuer war egal. Er nahm es wie es kam. Und wenn es zu dick kam, wusste er sich zu wehren. Dafür hatte er in seinem bisherigen Leben genug Rüstzeug mitbekommen. Nicht das er schon alt war. Nein, er war jung und stark, aber es war einiges geschehen, durch seine Schuld, oder anderes fremd gesteuert. Er wusste, was er nicht wollte, doch noch nicht genau, was ihm lag – oder nicht mehr – und nicht, wohin er ging.
Er trat mit seinen Taschen ein und meldete sich an: „Fabien Voizinet genannt Chip meldet sich zur Stelle. Groß, schlank, blond, wild und unwiderstehlich.“
Er lachte. Natürlich löste diese Anmeldung Erstaunen aus. Als er in seinem Zimmer ankam, warf er alles in eine leere Ecke, und sich selbst aufs Bett. „Ich bin da. Ist das alles?“ Wenn ja, würde er sich schnell langweilen. Aber … vorschnelle Schlüsse waren nicht sein Ding. Mal sehen – abwarten.
Er sprang gleich wieder auf, öffnete ungestüm das Fenster, sah die Wellen des Meeres glitzern und fühlte sich abwartend. Das mochte er nicht. Er agierte, nahm in die Hand. Kein anderer zog für ihn die Fäden und grenzte ihn damit ein. Er wartete nicht ab, handelte, selbst wenn er dabei auf die Schnauze fiel und sich blaue Flecken und eine blutige Nase holte, selbst wenn der Kopf brummte und die Knochen knackten. Frei.
„Essen!“ Gute Idee. Er fuhr sich durch die Haare, wühlte nach bequemen Schuhen, streifte die über, polterte hinaus und ließ die Türe lachend ins Schloss knallen. Sie sollten gleich wissen, wen sie sich ins Haus geholt hatten. „Was dachtet Ihr denn? Wenn ihr mich herbestellt, habt ihr das Geschenk. Mal sehen, wie schnell die Einladung widerrufen wird und ich mit einem Tritt in den Allerwertesten vor der Türe lande.“
Wie ein Trampeltier fuhr er in den Speisesaal ein und stieß ein lautes „Guten Abend Herrschaften!“ in den gemütlichen Raum. Er rückte sich einen Tisch dahin, wo er ihn haben wollte, setze sich endlich und fragte laut: „Was gibt es zu essen und was Neues?“ Er schaute fragend in die Runde. Antwort blieb aus. Auf den Tischen gab es Tischdecken und nicht nur Sets. Alles schien farblich aufeinander abgestimmt, nicht zu grell und nicht zu langweilig. Die Hauptfarbe ging in ein warmes helles Braun. Dazu die Muster, vermutlich solche, aus der Gegend. Selbst die Vorhänge waren dem angepasst. Die Servietten, die Sitzkissen auf den Holzstühlen und die Decken auf Anrichten und Kommoden. Es war nicht zu groß und nicht so klein, dass man darin Platzangst empfand. Es gab Nischen und verschwiegene Ecken. Es war alles so angeordnet, dass jeder Gast, wo immer er saß, einen angenehmen Ausblick genießen konnte. Außer er hatte ausgerechnet Fabien im Blickfeld. Es kam darauf an, wie er sich benahm. Sein Aussehen war nicht abschreckend. Mit seinem Benehmen mussten sie sich abfinden. Irgendwann tauchte bestimmt der auf, der ihn herbestellt hatte und dann sah er, was daraus wurde.
Die Folge seines Auftretens waren fragende, verwirrte Blicke von einigen Seiten und eine rundliche, nicht mehr ganz taufrische Frau, die ihn mit einer Karte in der Hand und in Falten gelegter Stirne ansteuerte. Bevor sie etwas sagen konnte, sah er ihr frech in die Augen und ließ verlauten: „Lächeln Sie Madame, dann glättet sich die Stirne. Das ist besser für den Teint.“
„Guten Abend, mein Herr“, kam zurück, gefolgt von den Speisevorschlägen. Er wählte und fügte an: „Ich bin Fabien, kein Herr.“
„Ich wollte nicht unfreundlich sein.“
Sie spazierte davon, verschwand im Wirtschaftsbereich und er hörte ihre Frage: „Was ist denn das für einer?“ Er grinste.

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23. Oktober 2019

'Die Leiden des RICHARD DAWKINS: Was Goethe und Carus von den Argumenten der Zufallsdarwinisten halten' von Abaris

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
GOETHE und sein Freund CARUS reisen mittels einer Zeitmaschine in das 21. Jahrhundert, voller Neugier und fest davon überzeugt, dass sich das Projekt der Aufklärung aufs Schönste vollendet hat. Pustekuchen! Gott mag zwar tot sein, aber dass meinungsstarke Stimmen der Wissenschaft sich in Fragen der Welterklärung lieber auf den schnöden Zufall berufen, ist schon ein starkes Stück. Wer ist dieser RICHARD DAWKINS eigentlich und warum vergisst er vor lauter Wut auf die Religion, dass Geist und Intelligenz nicht einfach so vom Himmel fallen?

GOETHE und CARUS beschließen, sich den Wettstreit zwischen Gläubigen und Atheisten einmal genauer anzusehen. In der Auseinandersetzung mit DAWKINS und anderen weisen die beiden Zeitreisenden auf einige gravierende Denkfehler hin, die sie sowohl in den Weltbildern der Religionen als auch bei den Zufalls-Anhängern vorfinden. Ihr eigenes, pantheistisch geprägtes Weltbild sehen sie hingegen durch die Philosophie, die moderne Physik und auch durch das reine Schauen bestätigt.

Der Autor schreibt unter dem Pseudonym ABARIS und verwendet damit den Namen, den GOETHE beim Orden der ILLUMINATEN hatte. Dieser Orden hatte unter anderem das Ziel, die AUFKLÄRUNG des Menschen zu fördern. Können GOETHE respektive ABARIS auch heutzutage noch etwas dazu beitragen? Lassen Sie sich überraschen!

Leseprobe:
GOETHE: Dann kennst doch sicherlich die auf ARISTOTELES zurückgehende Logiklehre.

CARUS: Natürlich kenne ich die. Die Logiklehre besteht aus drei Teilen, wobei zwei Ausgangsprämissen einwandfrei und ohne Widersprüche definiert sein müssen. Wenn dies der Fall ist, kann eine in sich logische und widerspruchsfreie Schlussfolgerung abgeleitet werden.

GOETHE: Sehr schön. Dann lass uns dies doch gleich anwenden. Was hältst du davon?

• Die materielle Form des Menschen bildet sich und bleibt erhalten, solange Geist und Intelligenz im Menschen vorhanden sind.
• Der Mensch ist ein Lebewesen.
• Also sind Geist und Intelligenz die Voraussetzungen für die Entstehung und den Erhalt der materiellen Form von Lebewesen.

...

ARISTOTELES war also der Gründungsvater der Biologie! DAWKINS führt den Gründer der Biologie, eben ARISTOTELES, im Namensregister aber überhaupt nicht auf! Und weißt du auch, warum er das getan hat?

GOETHE: Ich habe eine Vermutung, aber sage es mir.

CARUS: Weil Aristoteles eine Diskussion mit Zufalls-Darwinisten wie DAWKINS und KUTSCHERA abgelehnt hätte! Er hätte die beiden vielmehr des Raumes verwiesen und Ihnen noch nachgerufen:

Der Nous (Geist) ist der Gott in uns, und menschliches Leben birgt einen Teil eines Gottes in sich, also soll man entweder philosophieren oder vom Leben Abschied nehmen und von hier weggehen; denn alles Übrige scheint nur törichtes Geschwätz zu sein und leeres Gerede.

GOETHE schmunzelt: Besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können!

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21. Oktober 2019

'Drachenblüte: Der dunkle Aufstieg' von Andrew J. Ronin

Kindle (unlimited) | Tolino | TwentySix
Website zum Buch
"Ich sehe die Dunkelheit heraufziehen. Ich spüre es ganz deutlich. Eine Kälte, die mir aus früheren Zeitaltern vertraut ist. Aus dem Nebel der Verschleierung wird sie zu uns kommen, wie ein unaufhaltsamer Sturm."

Die Drachenblüte ist das Symbol des Volkes der Eldár. Aufgeteilt in vier Häuser, sind die Eldárfürsten einflussreiche Mitglieder des Rates der Völker.

Fürst Sasuil, ausgebildet in den dunklen Künsten, hat es sich zum Ziel gesetzt, den Rat zu spalten. Diplomatische Intrigen und politische Ränkespielchen können seinen Rachedurst jedoch nicht stillen. Auf der Suche nach einem längst vergessenen, dämonischen Kompendium, verbündet er sich mit dem Drachen Kodrok. Ein gewaltiger Krieg entfacht, der den Kontinent Thalion in ein blutiges Schlachtfeld verwandelt.

Leseprobe:
[...]
Ein beißender, süßlicher Geruch bahnte sich seinen Weg nach draußen und drang aggressiv in die Nasen der beiden Magier ein. Das Summen tausender Insekten erfüllte die Abendluft. Als sie den großen Wohnraum betraten, fanden sie die Leiche des eldárischen Heilers in einem Sessel liegend vor. Der Unterkiefer war brutal herausgerissen worden. Blutspuren verwandelten die Wohnstube in ein obskures Kunstwerk aus roter Farbe. Der Heiler musste Unmengen von seinem Lebenssaft verloren haben. Absurd verdreht ruhten die Augen der Leiche in ihren Höhlen. Die Pupillen schienen verschwunden zu sein. Der Gestank machte Akeylya zu schaffen.
„Ist er das?“
„Jedenfalls glaube ich, dass er es war.“
„Was in Pridos Namen ist hier geschehen? Wieso tötet jemand den einzigen Heiler in Jagahli?“
„Das entzieht sich meiner Kenntnis. Allerdings habe ich jetzt mehr denn je das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt.“
Eine weibliche Eldári hohen Alters stand plötzlich im Durchgang zur Wohnstube. Sie musste sich unbemerkt aus einem der Nebenräume genähert haben. Sichtlich verwirrt betrachtete die Eldári den Toten und nahm die beiden Magier zunächst gar nicht wahr.
Vor Schreck hatte Akeylya ihren Stab erhoben und deutete auf die Unbekannte.
„Wer seid Ihr? Was ist hier geschehen?“
Brahm drückte Akeylyas Magierstab sanft zu Boden.
„Lass die Eldári erst mal antworten, bevor du sie angreifst.“
Die Greisin winselte mehr, als das sie sprach.
„Da war ein Mann. Wir wollten doch nur helfen.“
Brahm wurde hellhörig.
„Ein Mann? Was für ein Mann? War er ein Mensch oder ein Eldár?“
„Ein Mensch, glaube ich. Er klopfte an unsere Tür und bat um Hilfe. Er sagte, er sei ein verirrter Wanderer. Ich glaube jedoch, er war ein Zauberer. Ein böser Zauberer! Er hatte einen langen Stock bei sich. Anfangs dachte ich, es sei ein Wanderstab.“
Beunruhigt ergriff Akeylya nun das Wort.
„Wie kommt Ihr darauf, er sei ein Zauberer gewesen?“
Tränen rannen der betagten Eldári über die Wangen. Zitternd fuhr sie mit ihrer Erzählung fort. „Er zeigte mit seinem Stock auf meinen Mann und sprach Worte, die ich nicht verstand. Dann wurde meinem Mann der Mund herausgerissen. So viel Blut, überall war Blut.“
Da er hoffte, noch etwas von der Frau zu erfahren, das ihnen helfen konnte, diesen Mann aufzuspüren, drängte Brahm auf eine Antwort.
„Wo ist dieser Mann jetzt hin?“
„Er ... er ist nach oben gegangen. Ich weiß nicht, wieso. Ich habe mich in der Küche versteckt und bin erst wieder hervor gekommen, als ich Euch hörte.“
Brahm und Akeylya tauschten schnelle Blicke aus.
„Ich geh, du bleibst bei ihr!“
So schnell seine Beine ihn trugen, rannte Brahm die Treppe zum Obergeschoss hinauf. Unterdessen sah sich Akeylya um. Irgendetwas passte nicht zusammen.
„Das ist merkwürdig!“
„So? Was meinen sie damit, Kindchen?“
„Naja, das Blut hier wirkt recht frisch, aber der Geruch und die Insekten deuten daraufhin, dass er schon länger tot ist. Wann sagten sie, sei das passiert?“
Mittlerweile hatte Brahm sich im Obergeschoss in einem langen Flur wiedergefunden. Mehrere Türen auf beiden Seiten verhießen weitere Räumlichkeiten.
„Verdammt! Dann eben eine nach der anderen.“
Hinter der vierten Tür würde Brahm schließlich fündig und konnte nicht fassen, was er da sah. Seine Gedanken rasten und sein Verstand arbeitete, doch was er sah ergab zunächst keinen Sinn. Er versuchte seinen Gedankenstrom zu ordnen und zwang sich zur Ruhe. In dem karg eingerichteten Schlafraum lag in einem Doppelbett eine weitere Leiche. Auf Brusthöhe, wo sich für gewöhnlich das Herz eines Eldár befand, klaffte ein blutiges Loch. Jemand oder etwas hatte das Organ brutal herausgerissen. Die Gesichtszüge der Leiche ähnelten stark der eldárischen Greisin, welche sich genau in diesem Moment unten in der Wohnstube bei Akeylya befand. „Akeylya! Nein!“
Schlagartig wurde Brahm bewusst, in welch dunkle Falle sie geraten waren. Hastig eilte er aus dem Schlafzimmer und rannte die Treppe hinunter. Brahm hoffte, dass er Akeylya noch rechtzeitig würde warnen können. Als er die Wohnstube endlich erreichte, fing sein Herz an zu pochen. In Akeylyas Gesicht stand das blanke Entsetzen. Furcht brannte in ihren Augen. Nie zuvor hatte er solch eine Furcht bei ihr gesehen. Ihr Mund war ... er war verschwunden! An der Stelle in ihrem Gesicht, wo sich üblicherweise geschmeidige eldárische Lippen einfügten, war nichts weiter als glatte Haut. Arme und Beine verharrten schmerzhaft überdreht hinter ihrem Rücken.
Akeyklya schwebte in der Luft und der eigentlich tot geglaubte, Eldár stand hinter ihr und hielt sie fest gepackt an den Armen. Für einen kurzen Moment leuchteten dessen dunkelgelb auf. Aus der klaffenden Wunde an seinem einstmals vorhandenen Unterkiefer tropften Blut und Eiter. Er ächzte. Die von Zyklen gezeichnete Eldári hingegen war verschwunden. An ihrer Stelle stand neben dem Untoten Heiler ein Mann, gehüllt in einem schwarzroten Umhang. Das Gesicht des Unbekannten blieb Brahm jedoch verborgen, da dieser eine schwarze Maske trug, die sowohl den Mund, als auch die Nase verdeckte. Drei blutrote Kratzer verzierten die dunkle Gesichtsbedeckung. In seinen knochigen Händen, die von fast durchsichtiger Haut überzogen schienen, hielt der Maskierte einen hölzernen Stab und zu Brahms entsetzen auch den Stab von Akeylya.
„Gib acht auf deine nächsten Worte, Magier der du dem Zirkel angehörst. Lege deinen Stab nieder! Oder deine Mitstreiterin erleidet schmerzhafte Qualen.“
Die Stimme des unbekannten Mannes erzeugte sogar bei Brahm Gänsehaut. In seinem Inneren ahnte er, dass dies sein eigenes Ende sein könnte. Dies war kein gewöhnlicher, dunkler Magier. Das spürte Brahm sofort. Sein Gegenüber verströmte eine bösartige, dunkle Aura und dennoch kam sie ihm merkwürdig vertraut vor, doch er wusste nicht wieso.
„Wer seid Ihr? Und was verlangt Ihr? Was habt Ihr mit ihrem Gesicht gemacht?“ Akeylya zuckte. An ihrem Gesicht konnte Brahm ablesen, dass sie Schmerzen erlitt.
„Da Ihr meine Anweisungen nicht befolgt habt, erleidet Eure Freundin gerade Qualen, von ungeheurem Ausmaß. Seht Ihr, ich beherrsche die Kunst, kleine Portale zu öffnen und Materie an andere Orte zu verschieben. Und ihr Mund und ihre Stimmbänder müssen dabei wohl abhanden gekommen sein. So kann sie keine unerwünschten Zauberformeln daher plappern. Ach und was ihre Schmerzen angeht, so verschiebe ich jedes Mal eines ihrer Organe, wenn Ihr etwas Törichtes im Schilde führt. Soeben hat sie einen ihrer Lungenflügel eingebüßt. Daher wohl ihr lieblicher Gesichtsausdruck.“
Brahm legte unverzüglich seinen Stab zu Boden.
„Bitte! Hört auf! Lasst sie frei und ich befolge eure Anweisungen.“
„Oh! Natürlich werdet Ihr meine Anweisungen befolgen!“
Der Maskierte lachte düster, während Brahm verzweifelt nach einem Ausweg suchte.
„Verratet mir, wer Ihr seid und welches Eure Absichten sind!“ „Ihr dürft mich Nathas nennen. Allerdings wird mein Name Euch nicht mehr von Nutzen sein, denn Ihr werdet ihm niemanden mehr ausrichten können.“
Verzweiflung breitete sich langsam in Brahm aus.
„Es ist, wie Ihr bereits sagtet. Wir sind Mitglieder des Zirkels des Pridos. Wir können dem Zirkel eine Botschaft von Euch überbringen, wenn Ihr uns frei lasst.“
„Oh! Ihr werdet dem Zirkel eine Botschaft überbringen, gewiss! Aber nicht auf die Art, die Ihr Euch erhofft!“
Schritte in seinem Rücken ließen Brahm erschrocken herumfahren. Entsetzt sah er wie die tote Eldári aus dem Schlafgemach auf ihn zulief. Auch ihre Augen leuchteten dunkelgelb auf. Plötzlich blieb dem Magier des Zirkels die Luft weg und Schwindelgefühle erfassten ihn. Die Umgebung verschwamm auf einmal vor seinen Augen. Hitze breitete sich in seinem Leib aus. Ein gelber Energiestrom hatte seinen Torso durchbohrt und den der Untoten gleich mit.
Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihm in die Nase. Nathas hatte den kurzen Moment genutzt, als sein Opfer ihm den Rücken zudrehte. Brahm sank auf die Knie. Er spuckte und hustete Blut. Mit letzter Kraft drehte er sich noch einmal zu Nathas und Akeylya herum. Bevor er die Augen jedoch für immer schloss, vernahm er noch das finstere Lachen seines Mörders. Das letzte was er sah war, dass Nathas Akeylya nach vorne schweben ließ und ihren Kopf ruckartig überdrehte. Der dunkle Magier brach ihr das Genick und ließ sie dann wie Abfall zu Boden fallen. Dann sah Brahm nichts mehr
[...]

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'DIE RACHE BLEIBT' von H.C. Scherf

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
H.C. Scherf bei Facebook | Autorenseite im Blog
Das Ziel ist Rache - das Ergebnis ist Selbstzerstörung

Niemand kann zu diesem Zeitpunkt erahnen, welche Opfer ein Rachefeldzug noch fordert, als man die erste schrecklich zugerichtete Leiche findet. Die Frau wurde hingerichtet von einem Täter, der damit eine blutige Spur durch die Strafverfolgungsbehörden ankündigt. Dass er keine Spuren hinterlässt und sein Motiv Rätsel aufgibt, macht es dem bekannten Ermittlerteam um Peter Liebig und Rita Momsen nicht einfacher. Seine Todesliste arbeitet der Killer unerbittlich ab.

Das Grauen findet seine Fortsetzung, obwohl sich Puzzlestücke zusammenfügen. Der Tod jedoch hat die sympathischen Kripobeamten längst eingeplant.

Der 4. Teil der Thriller-Reihe um das Ermittlerduo Liebig und Momsen.

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17. Oktober 2019

'Schmetterlinge Unerwünscht: Liebe kann warten' von Maja Overbeck

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Maja Overbeck
Wenn dir Liebe gerade noch gefehlt hat.

Mit vierzig noch mal von vorne anfangen? Auf keinen Fall! Immerhin hat Gina ganz schön Arbeit in ihr perfektes Leben gesteckt. Das wird sie sich doch nicht von einer kleinen Affäre ihres Mannes zerstören lassen. Am liebsten würde sie den peinlichen Seitensprung einfach ignorieren. Doch so einfach geht das nicht, denn er hat sich dafür ausgerechnet Ginas beste Kundin ausgesucht. Die pubertären Ausfälle ihrer Tochter und der jugendliche Lover ihrer Mutter machen die Sache nicht besser. Selbst ihre beste Freundin ist neuerdings ein Totalausfall. Hannah scheint ihr aus dem Weg zu gehen, und Gina hat nicht die geringste Ahnung warum. Als sie zur Ablenkung nach Hamburg fährt, trifft sie auch noch überraschend ihren Jugendschwarm Mads wieder, und ihr Puls schlägt plötzlich Purzelbäume, genau wie damals mit sechzehn. Doch ausgerechnet jetzt auch noch ihr Herz zu verlieren, erscheint Gina als die schlechteste Idee von allen …

Eine Liebesgeschichte zwischen München und Hamburg über das ewige Streben nach Luftschlössern, über unerwartete Umstände, krisenfeste Freundschaft und die große Liebe - erzählt mit Herz und Biss und viel Wodka Soda.

Leseprobe:
Gina
Das Handy klingelte auf dem Beifahrersitz, als Gina gerade versuchte, sich aus dem engen Jackett zu schälen. Es war viel zu heiß für Ende September. Seufzend schob sie den Arm zurück in den Ärmel, drückte auf die Aircondition und nahm den Anruf an.
»Hallo Sophie!«
»Mama?«, es kicherte im Hintergrund. »Seid doch mal leise! Mama?«
»Ja?«
»Du, Mama, kann ich mir eine Jacke kaufen?«
»Wieso?«
»Ich bin mit Leonie in der Stadt. Ich bleib übrigens heut auch bei ihr, das hab ich dem Papa schon geschrieben. Also hier ist alles krass reduziert. Bitte, Mama, so ein Parka, wie ich ihn die ganze Zeit wollte …«
Es klopfte an.
»Sophie, ich muss auf die andere Leitung. Meinetwegen, aber nicht so teuer, hörst du?«
»Danke, Mama! Viel Spaß in Berlin!«
»Ich bin nicht mehr –« Sophie hatte das Gespräch schon beendet. Gina behielt den Hörer am Ohr.
»Ja, Wolf?«
Sie wusste, dass es ihr Chef war, ohne auf das Display zu sehen. Sie kannte diese Anrufe, so wie sie ihn insgesamt in- und auswendig kannte. Sie hatten sich erst vor zehn Minuten im Flughafen-Parkhaus verabschiedet, aber irgendjemanden rief er immer an, musste er anrufen, sobald sich die Schranke hinter seinem Wagen schloss, und meist war sie es, zumindest stand ihre Nummer ganz oben in seiner Favoritenliste. Wolfs Multitasking-Fähigkeit war zwanghaft. Er tat stets mindestens zwei Dinge gleichzeitig, sonst überfiel ihn die Panik, dass er faul verarmen oder der Alterslethargie zum Opfer fallen würde oder so ähnlich. Von wegen wer rastet und so, und im Zweifel half es eben, mit seiner engagiertesten Mitarbeiterin ein paar Bälle am Telefon zu schmeißen, ob es nun etwas zu sagen gab oder nicht. Aber es war auch etwas Gutes daran, tatsächlich hatte Gina mit ihrem Chef ein so vertrautes Verhältnis wie sonst niemand in der Agentur, und vielleicht lag das an diesem vermeintlich überflüssigen Austausch, den sie mehrmals täglich pflegten.
»Hi Gina.« Wolfs knarrende Stimme dröhnte durch den Wagen untermalt vom Rauschen der Autobahn. Gina drehte die Freisprechanlage leiser.
»Das war echt Bombe heute, selbst der Peters war begeistert. Und Binder hat mir gerade schon eine WhatsApp geschickt. Den haben wir vor seinem Chef so gut dastehen lassen, das wird der uns nie vergessen. Wir sollten jetzt …« Der Rest seines Satzes fiel dem Dröhnen eines Lastwagens zum Opfer. Wolf fuhr offen, wahrscheinlich nur ein paar Autos vor ihr.
Gina ließ den Blick über die anderen Spuren schweifen, aber der silberne Porsche war nirgends zu entdecken. Neben ihr leuchtete die Allianz-Arena, und vor ihr plötzlich rote Rücklichter. Verdammt, aber klar, Freitagabend. Stau auf der A9 statt Sundowner in Berlin-Mitte. Warum musste ihre Berliner Feier-Freundin Bea auch gerade heute mit Magen-Darm flachliegen? Wo Gina den Termin mit dem neuen Hauptstadt-Kunden extra vor ein Wochenende gelegt und die schwarzen Bikerboots im Trolley mitgeschleppt hatte. Zu schade, zu früh gefreut aufs Tanzen und auf ein bisschen Abwechslung vom geschniegelten München. Hach, Berlin, beim nächsten Mal wieder!

Während Gina sich hinter dem Steuer eingeklemmt endlich aus ihrem Jackett schälte, redete Wolf sich in Fahrt. Er feuerte ihr seine üblichen Ideen wie Tennisbälle in den Wagen, und Gina hielt ihn mit vagen Bestätigungen bei Laune, auch wie üblich. Klar, genau, sehe ich auch so. Später würde sie alles so machen, wie sie es geplant hatte, und Wolf würde okay damit sein, solange auch der Kunde zufrieden war, und das war er meistens. Fast fünfzehn Jahre arbeiteten sie nun schon auf diese Weise zusammen, und das sehr erfolgreich.
Auf der Straße herrschte mittlerweile totaler Stillstand.
»Scheiße, ich verpasse meinen Friseurtermin!«, schimpfte Wolf. »Ich will mir die Haare tönen lassen, so als Statement, jetzt, wo ich vierzig werde. Was sagst du dazu?«
Gina lachte. Einer seiner Scherze, mit denen er nach Anerkennung fischte. Er war süchtig danach. Wahrscheinlich zupfte er in diesem Moment seine Stehfrisur sorgfältig vor dem Rückspiegel in Form. Sie war sein Markenzeichen, ein bisschen verwegen, ganz der wilde Rockstar.
»Tust du nicht!«, sagte Gina und drehte ihren eigenen Rückspiegel so zurecht, dass sie einen Blick auf ihren Zustand werfen konnte. Zack, da war es wieder – das Comicgesicht: Doppelstrich zwischen den Brauen, Strahlenkranz um die Augen. Sie konnte es nicht mehr ausblenden, seit dieser Grafiker sie neulich, ganz ohne es böse zu meinen, so skizziert hatte. Und diese Haare! Auf dem Hinweg, obwohl morgens um fünf, hatten sie noch geföhnt und geglättet strahlend auf den Schultern geschaukelt, jetzt klebten sie dort wie abgegossene Spaghetti. Gina drehte den Spiegel zurück, klappte den Auslass der Lüftung in Richtung ihres Gesichts und schloss kurz die Augen. Sie vermisste ihren kleinen Fiat mit dem Faltdach. Neuerdings fuhr sie Elektro, einen BMW i3, zukunftsweisend, aber potthässlich. Was tat man nicht alles den Kunden zuliebe!
»Also dann«, sagte Wolf. Er hatte offensichtlich genug Bälle platziert.
»Schönes Wochenende!« Gina tippte auf den roten Knopf. Der Verkehr lief immer noch im Schneckentempo. Sie checkte ihre Nachrichten. Axel hatte sich nicht gemeldet, obwohl sie ihm nach der Landung geschrieben hatte. Wahrscheinlich war er auch unterwegs. Schade. Sie hatte sich gefreut auf ihren Mann. Zweisamkeit war selten geworden zwischen ihnen. Die Terminkalender zu voll, das Leben zu schnell. Wir müssten mal wieder. Tat man dann doch nicht. Sie hätte den Abend gern spontan mit ihm verbracht, ihm von ihrer Präsentation erzählt, mit ihm auf den neuen Berliner Kunden angestoßen. Sie war sogar in der Stimmung, Axels Kochkünste zu genießen, und das wollte was heißen. Eigentlich ein Albtraum, dass ihr Mann gerade zum Küchenphilosophen mutierte. Er achtete in letzter Zeit so penibel auf Ernährung wie Gwyneth Paltrow, begeisterte sich für Küchengeräte wie manche ihrer älter werdenden Freunde für Sextoys. Und er lud neuerdings im großen Stil nach Hause ein. Leute, die Gina gar nicht kannte, die wichtig für seine Projekte waren, gerade vor denen spielte er gern den Küchengott in seinem bestens ausstaffierten Reich. Die Gäste beglückwünschten Gina dann zu ihrem persönlichen Sternekoch, und Axel suhlte sich in den Komplimenten und machte Geschäfte beim Sorbetrühren. Unter ihrem Lächeln schämte sie sich, wenn er vor versammelter Runde seine Trüffelpasta als Erster kommentierte. Hmm! So fein, oder? Schlimm. Doch heute würde sie es genießen, ihn bitten, einfach mal nur für sie zu kochen – sie würde ihm sogar ein sinnliches »Hmm« dafür schenken. Aber es sah nicht so aus, als ob es dazu kommen würde, schade.
Der Stau löste sich endlich auf, und zwanzig Minuten später parkte Gina ihren Wagen an einer der beiden Ladestationen direkt vor ihrer Haustür. Axel hatte es möglich gemacht, wie auch immer. Sein weißer Tesla hing an der anderen. Er fand das weit vorne, Gina ein bisschen peinlich. Nun ja, praktisch war es allemal, wer sonst im Glockenbachviertel hatte schon einen Dauerparkplatz.

Der alte Fahrstuhl ruckelte in den sechsten Stock und hielt mit dem üblichen Hüpfer. Gina, den Trolley an der einen Hand, kramte mit der anderen in der Handtasche vor ihrer Hüfte. Sie fingerte den Schlüssel aus dem Chaos, steckte ihn ins Schloss, drehte um – die Wohnungstür war nicht verschlossen. Axel war zu Hause.

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15. Oktober 2019

'Tödliche Passage: Ein Tom Dugan Thriller' von R.E. McDermott

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Drei massive Terroranschläge!
Weltweite Zerstörung!
Ein Mann könnte das Blutvergießen verhindern, aber die Behörden ignorieren ihn.
Sie sind zu sehr mit dem Versuch beschäftigt, ihn zu beseitigen.


Wir sind von Massenvernichtungswaffen umgeben. Sie sind überall, solange man nur weiß, wo man hinsehen muss. Als eine Verschwörung internationaler Terroristen nicht nur einen, sondern gleich drei Terroranschläge plant, ist Teilzeitagent Tom Dugan, den die CIA mittlerweile zum Sündenbock ausersehen hat, der Einzige, der die Zusammenhänge erkennt.

Eine ohne offizielle Genehmigung verfolgte Spur bringt Dugan den Ruf eines wandelnden Pulverfasses ein. Schon bald entwickelt er sich zur ,Person von besonderem polizeilichen Interesse‘ und danach in einen zur Fahndung ausgeschriebenen Flüchtling, nachdem es den Terroristen erfolgreich gelingt, ihm das erste Bombenattentat unterzuschieben.

Und so beginnt ein spannungsgeladenes Abenteuer, in dem Dugan in seinem verzweifelten Versuch, den nächsten Anschlag zu verhindern, um die ganze Welt jettet – seinen ehemaligen Kollegen immer nur einen knappen Schritt voraus.

Von den Straßen Londons bis hin zu den Docks von Singapur und auf die Decks der Tanker, die den Durst der Welt nach Öl löschen, ist Tödliche Passage – in den Worten eines Kritikers - „tempogeladen, vielschichtig und fesselnd“.

Leseprobe:
Büro der Phoenix-Schifffahrtsgesellschaft
London
10. Mai

Alex Kairouz wandte sich vom Bildschirm ab und schaffte es in seinem Stuhl gerade noch rechtzeitig zum Papierkorb. Mit steigender Übelkeit übergab er sich, dann fiel sein Kopf nach vorn und er schluchzte auf. Eine Hand erschien. Sie reichte ihm ein Papiertaschentuch.
„Wischen Sie sich Ihr verdammtes Gesicht ab, Kairouz”, wies ihn Braun an.
Alex tat, was ihm gesagt wurde.
Braun fuhr fort.
„Mr Farley, seien Sie so freundlich, unseren Schüler wieder auf die anstehende Aufgabe zu konzentrieren.”
Alex versteifte sich gegen die Schmerzen, als er an seinem dichten Haar hochgerissen und herumgewirbelt wurde, um erneut dem Computerbildschirm gegenüber zu sitzen. Er schloss die Augen, um den schrecklichen Anblick auszumerzen, und versuchte seine Ohren mit den Händen abzudecken, um den gequälten Schreien aus den Lautsprechern zu entkommen. Aber Farley war schneller. Von hinten griff er sich Kairouz’ Handgelenke und zwang sie nach unten.
„Machen Sie Ihre verdammten Augen auf und kooperieren Sie, Kairouz”, fuhr ihn Braun an. „Es sei denn, sie bevorzugen einen Sitz in der ersten Reihe einer Live-Aufführung.”
Statt dem Geschehen auf dem Bildschirm zu folgen, sah Alex Braun an.
„Warum tun Sie das? Was wollen Sie? Falls Sie Geld …”
Brauns Gesicht kam Alex’ auf Zentimeter nahe.
„Alles zu seiner Zeit, Kairouz, alles zu seiner Zeit.” Braun reduzierte seine Stimme auf ein Flüstern. „Aber jetzt werden Sie erst mal unsere kleine Lektion beenden. Ich versichere Ihnen, es wird noch amüsanter.”

M/T Western Star
Eastern Holding Ankerreede
Singapur
15. Mai

Dugan bewegte sich über Schlammlachen hinweg durch die feuchte Dunkelheit des Ballasttanks des Schiffes. An der Leiter fuhr er sich mit klammem Ärmel über das Gesicht und drehte sich dann in Richtung unterdrückter russischer Flüche um, seine Taschenlampe auf den korpulenten Ersten Offizier gerichtet, der sich durch ein Einstiegsloch hindurchkämpfte. Der Overall des Mannes war ebenso wie der von Dugan schweißdurchtränkt und von Roststreifen überzogen. Ächzend schaffte es der Russe durch das Mannloch und gesellte sich zu Dugan. Der Schweiß lief ihm die mit Bartstoppeln übersäten Wangen hinunter. Er fixierte Dugan mit einem hoffnungsvollen Blick.
„Nach oben?”, erkundigte er sich.
Dugan nickte, und der Russe begann die lange Leiter zu erklimmen, entschlossen, dem Tank zu entkommen, bevor Dugan seine Meinung ändern konnte. Ein letztes Mal ließ Dugan seine Taschenlampe über den ruinierten Stahl schwenken, eindeutig das Resultat mangelhafter Wartung, und folgte dann dem Russen nach oben.
Auf dem Hauptdeck angekommen, erwischte er gerade das Ende eines tropischen Gewitters, das in Singapur so alltäglich war. Seine schweißnassen Overalls klebten ihm auf der Haut, und der kühle Regen fühlte sich gut an. Aber die Linderung würde nicht lange vorhalten. Der Regen ließ bereits nach, und der Dampf auf dem Deck bewies den unwesentlichen Effekt, den der kurze Guss auf den heißen Stahl hatte. Zwei philippinische Matrosen standen in ihren gelben Regenjacken in der Nähe und sahen wie kleine Jungen aus, die in der Kleidung ihrer Väter steckten. Einer reichte Dugan ein Bündel alter Lappen, während der andere eine Mülltüte offenhielt. Dugan wischte sich seine Stiefel ab und warf die Lumpen in die Tüte, um sich danach achtern auf dem Weg ins Deckshaus zu begeben.
Dort duschte er und wechselte die Kleidung. Auf dem Weg zur Gangway versäumte er nicht, dem Steward einige Dollar für die Reinigung seiner Kabine zuzustecken. Der dankbare Filipino versuchte, ihm die Tasche zu tragen und rannte, als dies dankend abgelehnt wurde, vorweg, um ihm die Türen offenzuhalten, während ein verlegener Dugan sich zum Hauptdeck vorarbeitete. Schon wieder zu viel Trinkgeld gegeben, dachte Dugan, und kletterte die abgeschrägte Fallreeptreppe zur Barkasse hinunter.
In der Kajüte der Barkasse richtete er sich auf die Fahrt an Land ein. Drei Reinfälle in sechs Wochen. Er freute sich nicht darauf, Alex Kairouz berichten zu müssen, dass er auf seine Kosten eine weitere Rostlaube inspiziert hatte.

***

Eine Stunde später machte es sich Dugan auf einem Polstersessel in seinem Hotelzimmer bequem. Er öffnete ein überteuertes Bier aus der Minibar und sah auf die Uhr. Der Beginn des Geschäftstages in London. Eigentlich konnte er Alex auch noch ein wenig Zeit geben, seinen Tag zu starten, bevor er ihm die schlechten Neuigkeiten überbrachte. Dugan hob die Fernbedienung an und fand Sky News im Fernsehen. Der Bildschirm füllte sich mit den Bildern eines rasenden Raffineriefeuers in Bandar Abbas, Iran. Muss ein Großes sein, um in die internationalen Nachrichten zu gelangen, dachte er.

***

Alex Kairouz saß zitternd und mit geschlossenen Augen an seinem Schreibtisch, das Gesicht in den Händen vergraben. Er schauderte und schüttelte den Kopf, als ob er körperlich versuchen wollte, die Bilder, die sich in sein Gehirn gebrannt hatten, loszuwerden. Endlich öffnete er die Augen, um auf ein Fotos seines jüngeren Selbst zu starren — schwarze Haare und Augen in einem olivfarbenen Gesicht, weiße Zähne, und ein Lächeln reiner Freude auf ein rosa Bündel in den Armen einer wunderschönen Frau gerichtet. Beim Klang der Gegensprechanlage fuhr er zusammen und kämpfte darum, sich unter Kontrolle zu bekommen.
„Ja, Mrs Coutts?”, erkundigte er sich.
„Mr Dugan auf Leitung Eins, Sir.”
Thomas! Panik übermannte ihn. Thomas kannte ihn zu gut. Er könnte womöglich spüren, dass etwas nicht stimmte, und Braun hatte gesagt, falls jemand etwas davon erfahren sollte …
„Mr Kairouz, sind Sie noch da?”
„Ja, ja, Mrs Coutts. Danke.”
Alex wappnete sich und drückte auf die blinkende Taste.
„Thomas”, begrüßte er ihn mit erzwungener Aufgeräumtheit, „was hältst du von dem Schiff?”
„Müll.”
„Verdammt.”
„Was hast du erwartet, Alex? Gute Tonnage bringt Geld ein. Alles was im Moment zum Verkauf steht ist Mist. Du weißt, wie das läuft. Du hast deine eigene Flotte zu Mindestpreisen in rückläufigen Märkten aufgebaut.”
Alex seufzte. „Ich weiß, aber ich brauche mehr Schiffe und hoffe eben weiter. Na schön, schick mir einfach deine Rechnung.” Er hielt inne und sah jetzt mit größerer Konzentration auf einen Notizblock auf seinem Schreibtisch. „Und Thomas, könntest du mir wohl einen Gefallen tun?”
„Sag mir nur, welchen.”
„Die Asian Trader wird in zwei Tagen in der Werft in Singapur erwartet, und McGinty kam gestern mit Blinddarmentzündung ins Krankenhaus. Kannst du dich um das Schiff kümmern, bis ich einen anderen Technischen Inspektor einfliegen kann, um dich abzulösen?”
„Wie lang wird das dauern?”
„Zehn Tage, maximal zwei Wochen”, antwortete Alex.
Dugan seufzte. „Ja, ok. Aber gut möglich, dass ich mich für einen Tag absetzen muss. Heute Morgen rief mich das Militärische Seetransportkommando an. Ich soll in den nächsten Tagen ein kleines Küstenboot für sie inspizieren. Ich kann meine anderen Klienten nicht vernachlässigen, obwohl es manchmal scheint, als ob ich Vollzeit bei dir angestellt wäre.”
„Da wir schon bei diesem Thema sind …”
„Himmel, Alex. Nicht schon wieder.”
„Hör zu, Thomas, wir alle werden älter. Du bist, wie alt nun … Fünfzig?”
„Ich werde Siebenundvierzig.”
„Okay, siebenundvierzig. Aber du kannst nicht ewig durch Schiffsbäuche kriechen. Zudem ist es Talentverschwendung. Eine Menge Leute können Probleme identifizieren. Ich brauche jemanden hier, der sie lösen kann.”
„Okay, okay. Ich denke darüber nach. Wie klingt das?”
„Wie das, was du immer sagst, damit ich den Mund halte.”
„Funktioniert es?”
„Also gut, Thomas. Ich gebe auf. Für den Moment. Aber wir sprechen später weiter.”
Dugan wechselte das Thema.
„Wie geht’s Cassie?”
„Ähm … sie ist …”
„Stimmt was nicht?”, wollte Dugan wissen.
„Oh nein, tut mir leid, mir ging gerade etwas anderes durch den Sinn. Cassie geht’s gut, sehr gut. Die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter nimmt täglich zu. Und Mrs Farnsworth versichert mir, dass sie angesichts der Umstände erstaunliche Fortschritte macht.”
„Und was macht die Drachenlady?”
„Wirklich, Thomas, wenn du ihr nur eine Chance gibst, glaube ich, dass ihr Zwei gut zurechtkommen werdet.”
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich derjenige bin, der diesen Rat braucht, Alex.”
„Na ja, wenn du öfter hier wärst und Mrs Farnsworth dich näher kennenlernen würde, würde sie sich sicher für dich erwärmen”, warf Alex ein.
Dugan lachte. „Ja, als ob das je passieren würde.”
Alex seufzte. „Da hast du wohl Recht. Jedenfalls werde ich Mrs Coutts veranlassen, dir sofort per E-Mail die Reparaturvorgaben für die Asian Trader zu schicken. Kannst du morgen früh oben an der Werft in Sembawang sein, um mit den Vorbereitungen für ihre Ankunft zu beginnen?”
„Wird gemacht, Kumpel”, versprach Dugan. „Ich rufe dich an, nachdem sie eingetroffen ist und wir loslegen können.”
Alex dankte Dugan und legte auf. Er hatte vor Dugan, sowie auch vor allen anderen, eine gute Fassade aufrechterhalten. Aber es zehrte an ihm. Die täglichen Details seine Firma zu leiten, die er noch vor wenigen Tagen so genossen hatte, schienen jetzt unbedeutend — mit großer Wahrscheinlichkeit würde es gar keine Phoenix Schifffahrtsgesellschaft mehr geben, nachdem der Schweinehund Braun mit ihm fertig war. Aber darauf kam es nicht an. Allein Cassies Sicherheit war von Bedeutung. Seine Augen kehrten zum Foto seiner ehemals kompletten Familie zurück, und er erschauderte erneut, als die Bilder von Brauns Video wieder vor seinem geistigen Auge erschienen.

Im Kindle-Shop: Tödliche Passage: Ein Tom Dugan Thriller.
Mehr über und von R.E. McDermott auf der Website seiner Übersetzerin.

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14. Oktober 2019

'Drachenblüte: Der dunkle Aufstieg' von Andrew J. Ronin

Kindle (unlimited) | Tolino | TwentySix
Website zum Buch
"Ich sehe die Dunkelheit heraufziehen. Ich spüre es ganz deutlich. Eine Kälte, die mir aus früheren Zeitaltern vertraut ist. Aus dem Nebel der Verschleierung wird sie zu uns kommen, wie ein unaufhaltsamer Sturm."

Die Drachenblüte ist das Symbol des Volkes der Eldár. Aufgeteilt in vier Häuser, sind die Eldárfürsten einflussreiche Mitglieder des Rates der Völker.

Fürst Sasuil, ausgebildet in den dunklen Künsten, hat es sich zum Ziel gesetzt, den Rat zu spalten. Diplomatische Intrigen und politische Ränkespielchen können seinen Rachedurst jedoch nicht stillen. Auf der Suche nach einem längst vergessenen, dämonischen Kompendium, verbündet er sich mit dem Drachen Kodrok. Ein gewaltiger Krieg entfacht, der den Kontinent Thalion in ein blutiges Schlachtfeld verwandelt.

Leseprobe:
[...]
Ein beißender, süßlicher Geruch bahnte sich seinen Weg nach draußen und drang aggressiv in die Nasen der beiden Magier ein. Das Summen tausender Insekten erfüllte die Abendluft. Als sie den großen Wohnraum betraten, fanden sie die Leiche des eldárischen Heilers in einem Sessel liegend vor. Der Unterkiefer war brutal herausgerissen worden. Blutspuren verwandelten die Wohnstube in ein obskures Kunstwerk aus roter Farbe. Der Heiler musste Unmengen von seinem Lebenssaft verloren haben. Absurd verdreht ruhten die Augen der Leiche in ihren Höhlen. Die Pupillen schienen verschwunden zu sein. Der Gestank machte Akeylya zu schaffen.
„Ist er das?“
„Jedenfalls glaube ich, dass er es war.“
„Was in Pridos Namen ist hier geschehen? Wieso tötet jemand den einzigen Heiler in Jagahli?“
„Das entzieht sich meiner Kenntnis. Allerdings habe ich jetzt mehr denn je das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt.“
Eine weibliche Eldári hohen Alters stand plötzlich im Durchgang zur Wohnstube. Sie musste sich unbemerkt aus einem der Nebenräume genähert haben. Sichtlich verwirrt betrachtete die Eldári den Toten und nahm die beiden Magier zunächst gar nicht wahr.
Vor Schreck hatte Akeylya ihren Stab erhoben und deutete auf die Unbekannte.
„Wer seid Ihr? Was ist hier geschehen?“
Brahm drückte Akeylyas Magierstab sanft zu Boden.
„Lass die Eldári erst mal antworten, bevor du sie angreifst.“
Die Greisin winselte mehr, als das sie sprach.
„Da war ein Mann. Wir wollten doch nur helfen.“
Brahm wurde hellhörig.
„Ein Mann? Was für ein Mann? War er ein Mensch oder ein Eldár?“
„Ein Mensch, glaube ich. Er klopfte an unsere Tür und bat um Hilfe. Er sagte, er sei ein verirrter Wanderer. Ich glaube jedoch, er war ein Zauberer. Ein böser Zauberer! Er hatte einen langen Stock bei sich. Anfangs dachte ich, es sei ein Wanderstab.“
Beunruhigt ergriff Akeylya nun das Wort.
„Wie kommt Ihr darauf, er sei ein Zauberer gewesen?“
Tränen rannen der betagten Eldári über die Wangen. Zitternd fuhr sie mit ihrer Erzählung fort. „Er zeigte mit seinem Stock auf meinen Mann und sprach Worte, die ich nicht verstand. Dann wurde meinem Mann der Mund herausgerissen. So viel Blut, überall war Blut.“
Da er hoffte, noch etwas von der Frau zu erfahren, das ihnen helfen konnte, diesen Mann aufzuspüren, drängte Brahm auf eine Antwort.
„Wo ist dieser Mann jetzt hin?“
„Er ... er ist nach oben gegangen. Ich weiß nicht, wieso. Ich habe mich in der Küche versteckt und bin erst wieder hervor gekommen, als ich Euch hörte.“
Brahm und Akeylya tauschten schnelle Blicke aus.
„Ich geh, du bleibst bei ihr!“
So schnell seine Beine ihn trugen, rannte Brahm die Treppe zum Obergeschoss hinauf. Unterdessen sah sich Akeylya um. Irgendetwas passte nicht zusammen.
„Das ist merkwürdig!“
„So? Was meinen sie damit, Kindchen?“
„Naja, das Blut hier wirkt recht frisch, aber der Geruch und die Insekten deuten daraufhin, dass er schon länger tot ist. Wann sagten sie, sei das passiert?“
Mittlerweile hatte Brahm sich im Obergeschoss in einem langen Flur wiedergefunden. Mehrere Türen auf beiden Seiten verhießen weitere Räumlichkeiten.
„Verdammt! Dann eben eine nach der anderen.“
Hinter der vierten Tür würde Brahm schließlich fündig und konnte nicht fassen, was er da sah. Seine Gedanken rasten und sein Verstand arbeitete, doch was er sah ergab zunächst keinen Sinn. Er versuchte seinen Gedankenstrom zu ordnen und zwang sich zur Ruhe. In dem karg eingerichteten Schlafraum lag in einem Doppelbett eine weitere Leiche. Auf Brusthöhe, wo sich für gewöhnlich das Herz eines Eldár befand, klaffte ein blutiges Loch. Jemand oder etwas hatte das Organ brutal herausgerissen. Die Gesichtszüge der Leiche ähnelten stark der eldárischen Greisin, welche sich genau in diesem Moment unten in der Wohnstube bei Akeylya befand. „Akeylya! Nein!“
Schlagartig wurde Brahm bewusst, in welch dunkle Falle sie geraten waren. Hastig eilte er aus dem Schlafzimmer und rannte die Treppe hinunter. Brahm hoffte, dass er Akeylya noch rechtzeitig würde warnen können. Als er die Wohnstube endlich erreichte, fing sein Herz an zu pochen. In Akeylyas Gesicht stand das blanke Entsetzen. Furcht brannte in ihren Augen. Nie zuvor hatte er solch eine Furcht bei ihr gesehen. Ihr Mund war ... er war verschwunden! An der Stelle in ihrem Gesicht, wo sich üblicherweise geschmeidige eldárische Lippen einfügten, war nichts weiter als glatte Haut. Arme und Beine verharrten schmerzhaft überdreht hinter ihrem Rücken.
Akeyklya schwebte in der Luft und der eigentlich tot geglaubte, Eldár stand hinter ihr und hielt sie fest gepackt an den Armen. Für einen kurzen Moment leuchteten dessen dunkelgelb auf. Aus der klaffenden Wunde an seinem einstmals vorhandenen Unterkiefer tropften Blut und Eiter. Er ächzte. Die von Zyklen gezeichnete Eldári hingegen war verschwunden. An ihrer Stelle stand neben dem Untoten Heiler ein Mann, gehüllt in einem schwarzroten Umhang. Das Gesicht des Unbekannten blieb Brahm jedoch verborgen, da dieser eine schwarze Maske trug, die sowohl den Mund, als auch die Nase verdeckte. Drei blutrote Kratzer verzierten die dunkle Gesichtsbedeckung. In seinen knochigen Händen, die von fast durchsichtiger Haut überzogen schienen, hielt der Maskierte einen hölzernen Stab und zu Brahms entsetzen auch den Stab von Akeylya.
„Gib acht auf deine nächsten Worte, Magier der du dem Zirkel angehörst. Lege deinen Stab nieder! Oder deine Mitstreiterin erleidet schmerzhafte Qualen.“
Die Stimme des unbekannten Mannes erzeugte sogar bei Brahm Gänsehaut. In seinem Inneren ahnte er, dass dies sein eigenes Ende sein könnte. Dies war kein gewöhnlicher, dunkler Magier. Das spürte Brahm sofort. Sein Gegenüber verströmte eine bösartige, dunkle Aura und dennoch kam sie ihm merkwürdig vertraut vor, doch er wusste nicht wieso.
„Wer seid Ihr? Und was verlangt Ihr? Was habt Ihr mit ihrem Gesicht gemacht?“ Akeylya zuckte. An ihrem Gesicht konnte Brahm ablesen, dass sie Schmerzen erlitt.
„Da Ihr meine Anweisungen nicht befolgt habt, erleidet Eure Freundin gerade Qualen, von ungeheurem Ausmaß. Seht Ihr, ich beherrsche die Kunst, kleine Portale zu öffnen und Materie an andere Orte zu verschieben. Und ihr Mund und ihre Stimmbänder müssen dabei wohl abhanden gekommen sein. So kann sie keine unerwünschten Zauberformeln daher plappern. Ach und was ihre Schmerzen angeht, so verschiebe ich jedes Mal eines ihrer Organe, wenn Ihr etwas Törichtes im Schilde führt. Soeben hat sie einen ihrer Lungenflügel eingebüßt. Daher wohl ihr lieblicher Gesichtsausdruck.“
Brahm legte unverzüglich seinen Stab zu Boden.
„Bitte! Hört auf! Lasst sie frei und ich befolge eure Anweisungen.“
„Oh! Natürlich werdet Ihr meine Anweisungen befolgen!“
Der Maskierte lachte düster, während Brahm verzweifelt nach einem Ausweg suchte.
„Verratet mir, wer Ihr seid und welches Eure Absichten sind!“ „Ihr dürft mich Nathas nennen. Allerdings wird mein Name Euch nicht mehr von Nutzen sein, denn Ihr werdet ihm niemanden mehr ausrichten können.“
Verzweiflung breitete sich langsam in Brahm aus.
„Es ist, wie Ihr bereits sagtet. Wir sind Mitglieder des Zirkels des Pridos. Wir können dem Zirkel eine Botschaft von Euch überbringen, wenn Ihr uns frei lasst.“
„Oh! Ihr werdet dem Zirkel eine Botschaft überbringen, gewiss! Aber nicht auf die Art, die Ihr Euch erhofft!“
Schritte in seinem Rücken ließen Brahm erschrocken herumfahren. Entsetzt sah er wie die tote Eldári aus dem Schlafgemach auf ihn zulief. Auch ihre Augen leuchteten dunkelgelb auf. Plötzlich blieb dem Magier des Zirkels die Luft weg und Schwindelgefühle erfassten ihn. Die Umgebung verschwamm auf einmal vor seinen Augen. Hitze breitete sich in seinem Leib aus. Ein gelber Energiestrom hatte seinen Torso durchbohrt und den der Untoten gleich mit.
Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihm in die Nase. Nathas hatte den kurzen Moment genutzt, als sein Opfer ihm den Rücken zudrehte. Brahm sank auf die Knie. Er spuckte und hustete Blut. Mit letzter Kraft drehte er sich noch einmal zu Nathas und Akeylya herum. Bevor er die Augen jedoch für immer schloss, vernahm er noch das finstere Lachen seines Mörders. Das letzte was er sah war, dass Nathas Akeylya nach vorne schweben ließ und ihren Kopf ruckartig überdrehte. Der dunkle Magier brach ihr das Genick und ließ sie dann wie Abfall zu Boden fallen. Dann sah Brahm nichts mehr
[...]

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10. Oktober 2019

'Fritzi Flitzeflink: Als der Weihnachtsmann eine Elfe verlor' von Marit Bernson

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Marit Bernson | Autorenseite im Blog
Es ist kurz vor Weihnachten. Fritzi steckt voller Tatendrang, während ihre Waldtierfreunde müde sind und nicht so oft und lange spielen wollen.

Da fällt Fritzi die Weihnachtselfe Susi direkt vor die Füße. Die sieht ihr erstaunlich ähnlich und kann auch zaubern, allerdings besser als Fritzi. Zusammen reisen sie in einem Ballon zum Nordpol, um Susi nach Hause zu bringen und etwas über Fritzis Herkunft zu erfahren.

Doch im Laufe ihrer Reise muss Fritzi sich fragen, was Heimat und Familie ihr wirklich bedeuten.

Leseprobe:
Am nächsten Morgen führte Susi Fritzi in die Bibliothek, ein riesiges Haus, größer noch als das vom Weihnachtsmann. Drinnen waren hunderte Bücher, vielleicht auch unendlich viele. Da Fritzi niemals weiter als bis neunhundertneunundneunzig gezählt hatte, konnte sie es nicht genau sagen. Eigentlich hatte Fritzi sogar schon bis unendlich gezählt. Das kam nämlich nach neunhundertneunundneunzig. Das hatte sie jedenfalls behauptet, als sie ihren Freunden im Zweiflüssewald vorgezählt hatte. Die hatten gelacht und gefragt, welche Zahl danach käme. Und Fritzi hatte weiter gezählt: einunendlich, zweiunendlich, dreiunendlich. Da hatten die anderen ganz schön gestaunt.
Jedenfalls waren viele Bücher in dieser Bibliothek. Vier große Tische mit je zehn Stühlen in Elfengröße standen im Eingangsbereich. Fritzi und Susi blieben stehen und blickten hoch. Bis zum Dach türmten sich Bücherregale.
„Wo fangen wir an?“, fragte Fritzi.
„Wir müssen nachfragen.“ Susi zeigte auf eine ältere Weihnachtselfe mit einer Brille auf der Nase, ähnlich der vom Weihnachtsmann. Die Elfe saß hinter einem Tresen und schaute sich ein Buch an. „Vielleicht gibt es ja Bücher über die Herkunft der Elfen.“Susi ging zum Tresen. „Entschuldigung! Gibt es hier Bücher über die Geschichte der Elfen?“
Die Elfe zog die Augenbrauen hoch. „Ist die Frage ernst gemeint?“
Susi sah Fritzi ratlos an, dann wieder die Elfe hinter dem Tresen. „Das heißt wohl, ja?“
Die Elfe nickte und lächelte.
„Und wo sind sie?“
Die Elfe sah Susi erstaunt an. „Junge Elfe“, sagte sie und breitete die Arme aus. „In dieser Bibliothek gibt es nichts anderes als Geschichtsaufzeichnungen.“
„Was?“, riefen Susi und Fritzi gleichzeitig.
„Das alles sind Geschichtsbücher?“ Susi sah sich um. „Ich war erst ein paar Mal hier, um etwas nachzuschlagen.“ Sie zuckte ratlos mit den Schultern. „Wie sollen wir da wissen, wonach wir suchen sollen?“
„Chroniken nennt man das“, erklärte die Elfe. „In diesen Büchern ist alles aufgezeichnet, was passiert ist, seit es das Weihnachtsdorf gibt. Jedenfalls alles Wichtige.“
„Also brauchen wir Band 1?“, fragte Susi.
„Na, so einfach ist es nicht.“ Die Elfe nahm einen Zettel von dem Block vor ihr. „Die Chroniken sind thematisch sortiert.“
„Und welche Themen gibt es?“
„Oh, alles, was ihr euch nur vorstellen könnt. Spielzeugbau, Plastik und Holz, Elfenhausbau, Schlittenbau, Rentierernährung, Zauberei. Sogar eine eigene Abteilung für Keks- und Kakaorezepte gibt es.“
Ein kalter Hauch strich über Fritzis Nase und sie drehte sich zur Tür. Sigor kam in die Bibliothek.
„Gut, ihr seid schon da“, sagte er. Als er ihre Gesichter sah, setzte er hinzu: „Rena hat euch wohl schon das Ablagesystem der Bibliothek erklärt?“
Susi nickte.
Sigor lächelte. „Keine Panik! Wir finden, was wir suchen.“
„Die alte Griseldis hat Fritzi erzählt, dass die ersten Weihnachtselfen auch mehr Fell hatten. Wir brauchen also die ersten Aufzeichnungen der Chroniken. Da steht vielleicht auch drin, wo sie herkamen.“
„Das hast du falsch verstanden“, sagte Rena, „Die Aufzeichnungen wurden chronologisch erstellt und erst danach einem Themengebiet zugeordnet.“
„Es gibt also einen ersten Band?“
Rena nickte. „Ja, er ist da, wo er dem Thema nach hingehört.“
Fritzi war sich nicht sicher, ob sie alles verstanden hatte. Susi sah Sigor ratlos an.
Sigor kratzte sich im Nacken. „Na schön, thematisch werden wir es kaum finden. Ich schätze, dass damals so ziemlich jedes Thema von Häuserbau bis Kakaokochen wichtig war.“ Er sah Rena an. „Bis vor ein paar Jahren hatten wir doch ein anderes Ablagesystem. Sind die Listen dazu noch da?“
Rena nickte. „Unten im Keller.“
Sigor seufzte. „Bin gleich zurück. Wartet hier!“
Fritzi und Susi setzten sich auf zwei Sessel vor dem Tresen.
Fritzi sah sich um. „Wieso ist hier kein Kamin?“
Susi zwinkerte. „Die Bibliothek wird von unten beheizt. Bücher und Feuer passen nicht so gut zusammen.“
Okay, das verstand Fritzi.
Sigor kam mit einem dicken Buch zurück.
Susi sprang auf. „Ist es das Buch, das wir suchen?“
Sigor schnaubte. „Das ist das Buch, in dem steht, wo wir das Buch, das wir suchen, vielleicht finden. Wenn wir Glück haben.“ Er setzte sich an einen der großen Tische und schlug das Buch auf. „Oje, das war aber kompliziert.“
Er blätterte im Buch mal vor, mal zurück. Dann stand er auf und ging zu Rena hinüber, schrieb etwas auf einen Zettel und gab ihn ihr. Rena verließ ihren Platz, stieg einige Treppen hoch und verschwand in einem Gang zwischen zwei hohen Regalen. Sie kam mit einem Buch zurück, das sehr alt aussah, und legte es vor Sigor auf den Tisch.
„Das müsste es sein“, sagte sie und verschwand wieder hinter ihrem Tresen.
Sigor holte tief Luft. „Jetzt wird es interessant.“

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7. Oktober 2019

'Die kleine Kanzlei am Markt' von Elly Sellers

Kindle | Tolino | Taschenbuch
Website Elly Sellers
Helen und Kerstin sind erfolgreiche Scheidungsanwältinnen. Dabei werden sie tatkräftig von ihrer Sekretärin Frau Vogt unterstützt.

Im Privatleben kündigen sich jedoch tiefgreifende Veränderungen an. Helens ungeliebte Zeit als Single ist beendet, als ihre Nichte aus New York zu ihr zieht und ein Mandant Interesse an ihr zeigt. Frau Vogt muss erfahren, dass in ihrer Ehe nicht alles zum Besten steht. Auch Kerstin vermutet, dass ihr etwas verheimlicht wird.

Gut, dass die drei Frauen zusammenhalten und darauf vertrauen: "Das kriegen wir hin!"

Leseprobe:
„Sarah kommt!“
„Wer kommt?“
„Typisch“, dachte Kerstin, „Helen redet einfach drauflos und geht davon aus, dass man sie hört.“ Sie ging zum Zimmer ihrer Anwaltskollegin, lehnte sich an den Türrahmen und fragte erneut: „Wer kommt?“
„Sarah, meine Nichte, du erinnerst dich doch?“
„Natürlich! Sie lebt in New York.“
„Stell dir vor, sie will wieder nach München ziehen und zunächst bei mir wohnen.“
„Das freut mich. Ich weiß noch, wie schwer es dir gefallen ist, Sarah loszulassen, als sie in die USA ging. Ab diesem Zeitpunkt gab es auch keine gemeinsamen Wellness-Wochenenden mehr, die du immer gesponsert hast.“
„Sarah ist wie eine Tochter für mich. Wenn man keine eigenen Kinder hat, stürzt man sich eben auf Nichten und Neffen. Und so groß ist die Auswahl bei mir da auch nicht.“
„Mit den beiden Brüdern von Sarah bist du früher auch gerne Skifahren gegangen.“
„Aber seitdem sie älter sind, gehen sie mit ihren Freundinnen und haben keine Zeit mehr. Nur Sarah ist mir geblieben. Sie hat einmal gesagt, dass sie mit mir über alles reden kann.“
Reden ist ein gutes Stichwort. Ich soll dir von unserer Sekretärin ausrichten, dass sie erst in einer Stunde wieder in der Kanzlei sein wird. Frau Vogt hat einen Zahnarzttermin und rechnet damit, dass es dauern kann, bis sie wieder da ist. Sie bleibt dafür auch etwas länger. Während du in der Mittagspause warst, hat Herr Bosch angerufen. Er bittet baldmöglichst um deinen Rückruf.“
„Jetzt ist es auf einmal dringend. Ich habe ihn zweimal angeschrieben, dass er mir seine Auskünfte zu seinem Einkommen und seinem Vermögen übersenden soll und der Mandant schiebt das nun sechs Wochen vor sich her. In fünf Tagen haben wir mit der Gegenseite eine Besprechung.“
„Sei doch froh, dass er sich jetzt meldet!“
„Herr Bosch ist Geschäftsführer eines Logistikunternehmens, da sollte er von Organisation ein wenig Ahnung haben und wissen, dass Entscheidungen vorbereitet werden müssen.“
„So einfach ist das auch wieder nicht. Schließlich geht es um den sensiblen persönlichen Bereich. Da neigt man manchmal dazu, etwas hinauszuschieben.“
„Sicher, aber ich hatte es bei Herrn Bosch einfach nicht erwartet.“
„Mir kam er recht sensibel vor.“
„Wie du das in den fünf Minuten, in denen er seinen Fragebogen vorne am Empfang ausgefüllt hat, feststellen konntest, ist mir ein Rätsel. Aber vielleicht hast du dir in der Zwischenzeit eine Art Röntgenblick angeeignet für die Frage: ‚Ist dieser Mandant für mich als Mann interessant?‘“
„Hör auf“, meinte Helen. Es ärgerte sie, dass Kerstin annahm, sie würde sich für die Scheidungsmandanten ihrer Kollegin interessieren. Sie warf zwar immer mal wieder einen Blick auf diese Herren. Mit 42 Jahren hatte sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ihr eines Tages der Richtige über den Weg laufen würde. Allerdings war in letzter Zeit niemand dabei gewesen, der sie interessiert hätte.
„Übrigens, Sarah kommt schon nächsten Samstag.“
„Prima“, antwortete Kerstin. Sie freute sich für ihre Kollegin, von der sie wusste, dass ihr mancher Herbst- und Winterabend etwas leer vorkam, da sie stets allein in ihre Wohnung zurückkehrte. Im Sommer war das anders, da fuhr Helen mit dem Fahrrad abends zum See oder ging joggen. Das fiel in der dunkleren Jahreszeit weg. Kerstin hätte sich gar nicht vorstellen können, abends alleine in ihr Haus zurückzukommen. Auf sie wartete stets ihre meist hungrige, insgesamt vierköpfige Familie. „Immer wird das nicht so sein“, dachte sie, aber dann schob sie den unangenehmen Gedanken beiseite. Inzwischen hatte sie in ihrem Arbeitszimmer Platz genommen und wählte die Telefonnummer von Herrn Bosch. Während sie der Melodie lauschte, die die Wartezeit verkürzen sollte, atmete sie tief durch, um ruhiger zu werden. Sie hatte sich in ihrer Mittagspause beeilt, da sie nach einem Geburtstagsgeschenk für ihre Tochter Lisa gesucht hatte. Lisa wurde vierzehn und hatte genaue Vorstellungen. Aus einer Liste von zehn Wünschen hatte Kerstin sich dafür entschieden, eines der Kleidungsstücke zu besorgen und ihrem Mann den technischen Teil (schnurlose Kopfhörer) zu überlassen. Sie hatte vier Geschäfte in der Innenstadt aufgesucht, bis sie endlich den gewünschten Long-Pulli in Königsblau aufgetrieben hatte.
Sie überlegte gerade, ob sie ihrer Tochter auch noch einen dazu passenden Schal kaufen sollte, als ein lautes „Bosch“ an ihr Ohr drang.
„Guten Tag, Herr Bosch, schön, dass ich Sie erreiche. Wie sieht es mit Ihren Unterlagen aus?“
„Ich habe inzwischen einiges zusammengesucht. Die Belege vom Wohnungskauf, meine beiden Bausparverträge und die Steuerbescheide der letzten Jahre.“
„Gut. Können Sie auch Angaben zu Ihren Versicherungen machen?“
„Das ist schwierig. Diese Unterlagen befinden sich bei meiner Frau. Ich habe ihr auf den Anrufbeantworter gesprochen, aber sie hat sich bisher nicht gemeldet.“
„Wenn die Gegenseite genaue Berechnungen und Vorschläge haben möchte, muss sie die Unterlagen herausrücken. Sie können nicht alles im Kopf haben.“
„Das habe ich auch nicht. Wir haben zahlreiche Versicherungen abgeschlossen, einige laufen gemeinsam, andere nicht.“
„Können Sie mir die vorhandenen Schriftstücke per E-Mail senden oder faxen?“
„Ich wollte sie mit der Post schicken.“
„Wenn wir Pech haben, kommen sie erst in zwei Tagen, das ist mir zu knapp. Eingescannt oder als Fax wären sie mir am liebsten.“
„Momentan bin ich zu Hause. Hier habe ich kein Fax. Ich kann aber noch einmal ins Büro gehen und sie von dort versenden. Können Sie mir Ihre Faxnummer geben?“
„Sie steht auf unserem Briefkopf.“
„Leider habe ich die gesamten Unterlagen im Büro gelassen.“
„Sehr praktisch“, dachte Kerstin. „Wozu gebe ich jedem Mandanten eine Visitenkarte, die er sich in seine Geldbörse stecken kann?“ Um die Angelegenheit abzukürzen, gab sie die Faxnummer durch.

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