"Geheimnisse: Blind Dates & andere Katastrophen" von Heidi Oehlmann
Seit Wochen setzt die unscheinbare Marta alles daran, die Affäre mit ihrem verheirateten Chef geheim zu halten. Unter größter Anstrengung gelingt es ihr sogar, sich vor ihren Freundinnen nichts anmerken zu lassen. Doch der neue Kollege Paul scheint ihr auf die Schliche zu kommen. Marta hält das Versteckspiel nicht mehr aus und vertraut sich ihm an. Sie hofft, ihr Geheimnis ist bei ihm sicher.
Zur gleichen Zeit macht sie eine unglaubliche Entdeckung, die ihr schlaflose Nächte bereitet. Als sich dann auch noch ihre Eltern zu einem Wochenendbesuch ankündigen, ist das Chaos perfekt.
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Leseprobe:
Ich öffne die Eingangstür der Agentur und gehe gemütlich die Treppe zum Büro hinauf. Es ist zwar schon kurz nach neun und ich bin somit ein paar Minuten zu spät dran, aber es stört mich nicht weiter. Denn ich mache so viele Überstunden, da kann ich auch mal etwas später im Büro eintreffen. Na ja, genau genommen bin ich jeden Montag zu spät an meinem Arbeitsplatz.
Ich betrete das Großraumbüro und gehe auf meinen Schreibtisch zu. Von Weitem sehe ich Paul an seinem Platz sitzen. Er grinst mich an, als er mich entdeckt. Mein Blick wandert schnell in eine andere Richtung. Ich will keinesfalls, dass mein Kollege sich dazu genötigt fühlt, mich anzusprechen. Aber wie ich ihn kenne, wird er es dennoch tun und mich nicht einmal am Morgen in Ruhe lassen können.
An jedem besetzten Tisch hauche ich ein leises »Guten Morgen« im Vorbeigehen raus. Die meisten meiner Kollegen sind schon so in ihre Arbeit vertieft und nehmen mich nicht wahr.
Ich setze mich an meinen Schreibtisch, verstaue meine Tasche in der unteren Schublade und verschließe sie. Den Schlüssel stecke ich in meine Hosentasche. Nun freue ich mich auf eine knappe Stunde Ruhe, um mich zu akklimatisieren. Bis um zehn muss ich topfit sein. Denn montags haben wir Punkt zehn Uhr Besprechung. Dann wird darüber geredet, was ansteht und die Aufträge werden verteilt.
Ich schalte meinen Computer ein, lehne mich zurück und atme tief durch. Plötzlich steht Paul mit zwei Tassen Kaffee neben mir und stellt mir eine mit den Worten »Na, noch nicht ausgeschlafen?« auf den Schreibtisch.
Ich bin ein wenig verwundert. Denn ich kann mich nicht erinnern, dass Paul mir in der letzten Woche einen Kaffee gebracht hätte. Bisher baggerte er mich nur bei jeder noch so kleinen Gelegenheit an. Vielleicht ist das seine neueste Masche, um mich doch noch umzustimmen, mit ihm auszugehen. »Danke!«, sage ich leise.
Auch, wenn ich jetzt einen Kaffee gebrauchen kann, um richtig wach zu werden, ist es mir ein bisschen unangenehm, das ausgerechnet Paul mir eine Tasse des Heißgetränks bringt. Das gibt mir das Gefühl, ich bin ihm etwas schuldig. Dabei ist es absoluter Quatsch.
Nur weil einem jemand einen Kaffee mitbringt, steht man längst nicht in seiner Schuld!, rede ich mir ein.
Paul scheint es anders zu sehen. Er bleibt neben meinem Schreibtisch stehen und erweckt nicht den Eindruck, zurück an seinen Arbeitsplatz gehen zu wollen. Ich habe das Gefühl, als ob er noch irgendetwas von mir will. Sicherlich wird er jeden Moment fragen, ob ich mit ihm essen gehe. Aber meine Antwort wird auch dieses Mal die gleiche sein.
»Und wie war dein Wochenende?«, fragt Paul nach einigen Sekunden des Schweigens und überrascht mich damit. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht, dass mein Kollege einen Small Talk mit mir führen möchte.
Beschissen wäre geprahlt!, denke ich. Meine Gedanken wandern sofort zu der Begegnung mit Tom. Ich konnte die letzten beiden Nächte kaum schlafen, weil ich immer wieder daran denken musste.
»Ganz gut!«, flunkere ich.
»Ja? Was hast du denn so gemacht?«
»Nichts Besonderes. Ich war mit einer Freundin aus.«
»Aha. Das klingt ja nicht gerade begeistert.«
»Doch, doch! Wir hatten eine Menge Spaß. Ich bin einfach noch nicht ganz wach.«
»Okay. Dann will ich dich nicht weiter stören«, sagt Paul überraschenderweise und geht zu seinem Schreibtisch zurück.
Was war denn das? Ist Paul doch nicht so schlimm, wie ich dachte? So viel Rücksicht hätte ich ihm nicht zugetraut.
Ich greife nach der Tasse und nehme einen großen Schluck. Das heiße Getränk tut mir gut.
Woher wusste Paul, dass ich meinen Kaffee schwarz mag? Das kann er doch gar nicht wissen! Wird er auch nicht! In einen schwarzen Kaffee kann man sich bei Bedarf noch Milch und Zucker hineintun. Ist beides schon drin, kann man es nicht mehr rückgängig machen.
Ich bin über Pauls heutiges Verhalten ein wenig verwirrt. Irgendetwas muss mit ihm am Wochenende passiert sein. Warum sollte er sich sonst so verändert haben? Vielleicht war er schon von Anfang an so, und ich habe es nur nicht bemerkt, weil ich ihn einfach in eine Schublade gesteckt habe. Ich stelle die Tasse wieder ab und schließe meine Augen vor Müdigkeit. Das Koffein wirkt noch nicht.
Ich sollte wirklich zeitiger ins Bett gehen!
Wenn das so leicht wäre, antworte ich mir gedanklich selbst.
»Marta, kommen Sie bitte in mein Büro!«, höre ich den Chef nach mir rufen.
Warum denn das? Was will der denn jetzt von mir?
»Ja, ich komme«, antworte ich.
Langsam stehe ich auf, werfe einen Blick zu Paul, der mich mitleidig anschaut, und gehe in das Chefbüro. Das Büro liegt gleich neben unserem Großraumbüro.
Der Chef ist schon vorgegangen. Als ich sein Büro betrete, steht er an einem seiner beiden Fenster und schaut hinaus.
Ich schließe die Tür, viel lauter, als ich es wollte und mein Chef, Oliver Knecht, dreht sich ruckartig um. Womöglich hat er sich erschrocken, als die Tür so geräuschvoll ins Schloss viel.
»Marta, es tut mir leid!«
»Was? Dass du kommst und gehst, wann es dir gerade passt? Oder, weil du deine Versprechen nicht hältst?«
Oliver schaut mich schweigend an. Anscheinend weiß er nicht so recht, was er sagen soll.
»Was willst du nun?«, frage ich weiter.
»Es tut mir leid! Ich rede ganz bestimmt bald mit meiner Frau und trenne mich von ihr!«
»Wer`s glaubt, wird selig! Das versprichst du mir schon seit Monaten. Ich kann dir nichts mehr glauben und ich will das auch nicht mehr!«
»Marta, bitte vertraue mir!«
»Nein, ich will dich privat nicht mehr sehen! Damit ist für mich dieses Thema beendet«, sage ich.
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Labels: Frauen, Heidi Oehlmann, Liebe